Knasttelefonie bleibt teuer- eine Kleine Anfrage der SPD im Landtag

Seit vielen Jahren können, bzw. müssen Inhaftierte in vielen Haftanstalten Deutschlands vermittelt durch Telio Communications GmbH telefonieren. Immer und immer wieder werden dabei die oft hohen Minutenpreise beklagt. Die SPD im Stuttgarter Landtag hat von der Landesregierung auf eine Anfrage hin, ein paar Antworten erhalten.

 

Telefonie im Gefängnis

Sich mit Freund:innen, Angehörigen oder wem auch sonst via Telefon auszutauschen ist alltägliche Praxis, nur nicht in den Haftanstalten. Vielfach gibt es dort keinen Rechtsanspruch auf Telefonate, sondern nur einen Anspruch darauf, dass die Gefängnisleitung einen entsprechenden Wunsch ermessensfehlerfrei prüft. Jedoch gibt es mittlerweile in den meisten Justizvollzugsanstalten zumindest auf den Flure, mancherorts auch in den Gefängnishöfen, fest installierte Apparate, oder in einigen Anstalten sogar schon Telefone in den Zellen. Um den Kontakt zur Außenwelt zu bewahren sind Telefonate essentiell. Die meisten von uns nutzen Telefone/Smartphones tagtäglich. Hiervon abgeschnitten zu sein, verstärkt die Isolation in der Gefangenschaft. Die meisten Gefängnisse haben die Gefangenentelefonie an ein externes Unternehmen übertragen, in vielen Fällen an die eingangs genannte Firma.

Selbstdarstellung der Telio Communications GmbH

„IM LEBEN DREHT SICH ALLES UM KOMMUNIKATION“ -Sie ist die Grundlage für einen gesunden, ausgeglichenen und optimistischen Geisteszustand. Nirgendwo sonst ist dies so wichtig wie in speziellen Institutionen, in denen Kommunikation eine entscheidende Rolle spielt, damit die Menschen mit der Außenwelt in Kontakt bleiben und das Personal den gesamten Prozess sicher steuern kann.“ So steht es auf der Startseite der Firma.

Die Praxis

Regelmäßig beklagten Inhaftierte, sie könnten Nummern im Ausland nur eingeschränkt oder garnicht erreichen. Nun, womöglich war der Firma die „Kommunikation“ doch nicht so wichtig, denn wie sich aus einer Antwort des baden-württembergischen Justizministeriums von vor wenigen Wochen ergibt, soll Telio Communications GmbH nicht ausreichend Bandbreite eingekauft haben. Man gehe hier von einer „Vertragspflichtverletzung“ aus. Jedoch sei der Firma nicht gekündigt worden, „da nicht auszuschließen war, dass es als Folge einer Kündigung der Konzession möglicherweise zu weiteren Leistungsstörungen der Gefangenentelefonie – und hierdurch massiv eingeschränkten Außenkontakten – im Kündigungszeitraum“ hätte kommen können.

Problematisch ist, dass es auf eine europaweite Ausschreibung der Gefangenentelefonie, nur eine einzige Firma ein Angebot abgegeben habe: Telio Communications GmbH. Mit er Folge, dass diese für Baden-Württemberg, 2024 erneut den  Zuschlag erhalten habe.

Die Kosten für die Telefonie

Seit langem beklagen Gefangene die hohen Kosten für Telefonate. In Spitzenzeiten verlangte die Firma bis zu 9,30 € für ein 10-minütiges Telefonat (hier: ins Mobilfunknetz im Ausland). Stellt man dem gegenüber was Strafgefangene verdienen, zwischen circa 250 € und 420 € im Monat, bzw. wer nicht arbeitet, bekommt lediglich ein Taschengeld von 47,46 €/Monat, wird deutlich, wie wenig viele Gefangene defacto telefonieren können.

Seit dem 01.08.2024 müssen Gefangene in Baden-Württemberg für Telefonate ins deutsche Festnetz 60 Cent für 10 Minuten und 80 Cent ins Mobilfunknetz zahlen. Anrufe ins ausländische Festnetz schlagen mit 80 Cent bis 2,80 € zu Buche und in ausländische Mobilnetze 1,80 € bis 4,80 €! Nur träumen können die Gefangene also von kostenlosen Telefonaten in alle Welt, wie sie viele von uns z.B. mit SIGNAL, führen können.

Ausblick und Einordnung

Vor knapp einem Jahr machte die Firma Gerdes Communications GmbH Schlagzeilen, da sensible Daten von Gefangenen online einsehbar waren: die Firma bietet ebenfalls Gefangenentelefonie an und gehört zwischenzeitlich zum Telio-Konzern. Sensible Daten, teure Telefonkosten dort. Wenn Gefangene sich von ihrem spärlichen Lohn ein bisschen was zu Essen kaufen wollen, landen sie bei der Firma Massak Logistik GmbH (die früher viel buntere Webseite wurde auf ein Minimum eingedampft), die seit langem ebenfalls in der Kritik steht, ob ihres Preisniveaus. Aus Gefangenen, die finanziell, wie sozial, in sehr prekären Lebensverhältnissen leben, wird seitens der Wirtschaft noch der letzte Cent herausgepresst. Eine echte Lobby für Gefangene gibt es nicht, trotz all der mitunter sehr kritischen Berichte in Tages- oder Wochenzeitungen. Gefängnisleitungen und Justizministerien die Abhilfe schaffen könnten, wollen und tun nichts, zucken mit den Schultern und zahlen lieber, wenn Gefangene hartnäckig sind, Schadenersatz.

 

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