Von der Strafhaft in Ungarn in deutschen Knast: Bundesgerichtshof ordnet U-Haft für Tobias E. an
Nach der Entlassung aus der Strafhaft in Ungarn sitzt der 29-jährige Tobias E. nun wieder im Gefängnis. Verantwortlich für die Fortsetzung seiner Inhaftierung ist das LKA Sachsen.
Am 10. Dezember hätte der Berliner Tobias E. seine Freiheit wiedererlangen sollen: Nach fast zwei Jahren Haft in Ungarn war eigentlich der letzte Tag seiner Strafhaft erreicht. Aber kurz vor der Entlassung aus dem Stadtgefängnis in Budapest wurde ihm ein europäischer Haftbefehl zugestellt, der auf Antrag des LKA Sachsen seine Auslieferung an die deutschen Behörden forderte. Diesem Antrag stimmte ein ungarisches Gericht am 4. Dezember zu, berichtet die Soligruppe für die Beschuldigten im sogenannten Budapest-Komplex auf ihrer Webseite. Nach seiner Überstellung an deutsche Beamte am 20. Dezember wurde E. schließlich dem Haftrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt. Der ordnete eine Fortsetzung der Untersuchungshaft in Deutschland an.
Tobias E. war im Februar 2023 in Budapest festgenommen worden, nachdem er im Rahmen antifaschistischer Proteste am „Tag der Ehre“ mit Angriffen auf tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextreme in Verbindung gebracht wurde. Das ungarische Gericht verurteilte ihn zunächst zu drei Jahren Haft. Eine Berufungsverhandlung reduzierte nach einer Einlassung vor Gericht die Strafe später auf ein Jahr und zehn Monate, die E. nunmehr abgesessen hat.
Seine Weigerung, in einem parallel laufenden Prozess gegen Mitangeklagte umfassend auszusagen, brachte Tobias E. weitere Probleme mit den ungarischen Behörden ein. Als Zeuge geladen verweigerte er die Beantwortung von Fragen, die ihn selbst belasten könnten. Das Gericht wertete dies als mangelnde Kooperationsbereitschaft.
Auch andere Antifaschist*innen, die in Budapest im Zusammenhang mit den Protesten gegen den »Tag der Ehre« angeklagt sind, stehen weiter unter Druck. Die ebenfalls beschuldigte Transperson Maja T. wurde im Sommer nach Ungarn ausgeliefert. Dort sieht sie sich mit Isolation, unhygienischen Zuständen und mangelnder Versorgung gravierenden Haftbedingungen ausgesetzt, Unterstützer*innen bezeichnen dies als „weiße Folter“.
Hannah S., eine weitere Beschuldigte im Budapest-Komplex, sitzt weiter in Nürnberg in Untersuchungshaft und wird ab Februar vor dem Staatsschutzsenat des Landgerichts in München wegen des Verdachts des versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Auch diese Vorwürfe beziehen sich auf die Vorfälle in Budapest. S. soll als Teil einer linksextremistischen Vereinigung zwei Angriffe auf drei Personen ausgeführt haben, die von der Gruppe »als dem rechtsextremen Spektrum zugehörig angesehen wurden«.
Die Zulassung dieser Anklage wird von Beobachter*innen als politische Eskalation bewertet. „Das Gericht scheint die Anklage bewusst zu überziehen, um den Druck auf Aktivist*innen zu erhöhen“, so Alex Schmidt vom Solikreis Nürnberg. Das S. nicht nach Budapest ausgeliefert wird, sondern ihr anders als Tobias E. oder Maja T. in Deutschland der Prozess gemacht wird, hat einen einfachen Grund: Von dort liegt kein Auslieferungsantrag vor, bestätigte die bayerische Justiz auf Anfrage.