(M)ein erster Gefängnisbesuch

Vor einigen Tagen war ich das erste Mal zu Besuch in einem Gefängnis. Nachdem ich die Innenwelt als Gefangener rund 27 Jahre kennen gelernt habe, besuchte ich nun Carmen in Schwäbisch-Gmünd.

 

Vor den Toren der JVA Schwäbisch-Gmünd

Von außen sieht Baden-Württembergs einzige Haftanstalt für Frauen so unscheinbar aus. Eine Freundin, die dort einmal eine andere Gefangene besucht hatte, erzählte mir im Vorfeld davon, sie sei damals an der Anstalt erstmal vorbeigefahren, ohne sie als solche zu erkennen. Zwar sind Mauern zu sehen, aber ohne die typischen Stacheldrahtrollen, auf den ersten Blick auch keine Kameratürme, keine Zäune. Wenn man etwas genauer hinsieht, dann fallen aber Vergitterungen auf und letztlich kann man auch zumindest die Spitzen von NATO-Drahtrollen sehen.

Ich umrunde die Anstalt, mache ein paar Fotos. Auf einem ist eine Leiter zu sehen, die von außen an einen Bretterverschlag lehnt!

Im Wartebereich

Am Eingang muss ich den Personalausweis abgeben, dann die Armbanduhr, Ringe, Rucksack in einen Schrank einschließen. Ich sitze dann 10min da und warte. Wie wird es wohl sein, jederzeit zu wissen, ich kann gehen, die JVA (Justizvollzugsanstalt) verlassen, aber Carmen und die hunderten gefangenen Frauen dort können das nicht!?

Noch kurz auf die Besucher:innentoilette, ein sehr enger Verschlag, und schon werde ich zur Dursuchung gerufen. Hier muss mensch nicht die Schuhe ausziehen, so wie es z.B. in Freiburgs JVA üblich ist, um diese durchleuchten zu lassen. Ich werde aufgefordert mich in einen Rahmen zu stellen, und dann kann in den Besuchstrakt.

Der Besuch

Ein großer Raum mit vielen Glastüren, die in einzelne Besuchsträume führen. Ein erhöhtes Podest, dort stehen Beamt:innen die die Besuche überwachen. Die junge Vollzugsbeamtin bringt mich in den Trennscheibenraum, denn Carmen darf ich nach Entscheidung der Anstaltsleitung nur auf diese Weise besuchen. In einem ersten Anlauf wollte die Anstalt mir Besuche sogar garnicht gestatten. Zudem sitzt eine Beamtin während der nächsten zwei Stunden mit dabei, lauscht auf jedes Wort.

Carmen ist schon auf ihrer Seite des Besuchsraums, als ich eintrete; da wir uns brieflich schon über 15 Jahre kennen und seit sie endlich ein Telefon in ihrer Zelle hat, auch gelegentlich telefonieren, beginnt gleich ein lebhaftes Gespräch.

Allerdings verstehen wir uns mitunter nur schwer, denn die einzelnen Besuchskabinen sind akustisch nicht voneinander getrennt. An der Decke befindet sich ein enges Lochgitter, durch dieses kann der Schall ungehindert von Raum zu Raum. Gezwungenermaßen hört man so auch immer wieder Teile der privaten Unterhaltung anderer mit.

Hinter Carmens Rücken befinden sich Fenster zu einem Hofbereich der JVA, immer wieder sind dort Beamt:innen zu sehen, Rasen, Bäume und auch ein Brunnen.

Ansonsten ist der Raum kahl, weiß gestrichen, abweisend, das tut aber dem lebendigen Gespräch keinen Abbruch.

Die zwei Stunden sind vergangen wie im Flug und da ich nicht so oft nach Schwäbisch-Gmünd werde kommen können, verabreden wir zu Skypen, denn seit der Corona-Pandemie ist das in vermutlich jeder Haftanstalt möglich. Solche „Skype-Besuche“ (so werden diese in den Haftanstalten genannt) finden ebenfalls in den Besuchsabteilungen statt, nur dass die Gefangenen dann nicht vor einem Menschen, sondern vor eine Tablet sitzen.

Hinaus vor die Mauern

Es ist dann doch schmerzhaft, als ich gehe, zu wissen, dass auf absehbare Zeit Carmen nicht freikommen wird. Sie sitzt als einzige Frau in Baden-Württemberg in Sicherungsverwahrung. Dieses Gefühl teile ich vermutlich mit vielen anderen Menschen, die Gefangene besuchen. Wir selbst kommen nur für kurze Zeit in eine Haftanstalt und wissen, dass wir wieder „hinaus gehen“, während jene, die wir besuchen, zurück in ihre Zellen geführt werden.

Nachdem ich die Anstalt verlassen habe, gehe ich zurück in Richtung Bahnhof, ich kaufe noch eine Ansichtskarte, beschrifte sie und schicke sie Carmen, bevor ich zurück in mein Leben fahre.

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