Stadtteilarbeit: Die Antifaschistische Aktion organisieren!

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Rede der Antifaschistischen Aktion Köln-Sülz auf der Bündnisdemonstration „Dem Rechtsruck entgegentreten - Unsere Solidarität gegen ihren Nationalismus“ am 3.10.2019 in Köln-Mülheim:
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„Liebe Freundinnen und Freunde,

 

schön, dass ihr alle da seid!

 

Ich halte diese Rede zu Antifaschistischer Stadtteilarbeit für die Antifaschistische Aktion Köln-Sülz, die diesen Monat ihr einjähriges Bestehen feiert. Wir sind also noch eine recht junge Gruppe aber dennoch politisch nicht unerfahren. Die meisten von uns kommen aus dem Kölner Stadtteil Sülz, arbeiten oder gehen dort zur Schule.

 Wir sind Auszubildende, Schüler*innen,Studierende und Arbeiter*innen.

Und dort wo wir leben, arbeiten wir auch politisch. Dort, wo wir leben, möchten wir in den politischen Diskurs eingreifen und zwar auf eine konstante und ansprechende Art und Weise. Kurzum: Unser Veedel ist unser politisches Kampffeld.

 

Über die letzten Jahre zieht sich ein gesamtgesellschaftlicher Rechtsruck durch den ganzen Kontinent. Aber wie wollen wir ihm begegnen, um ihn langfristig zurückzuschlagen?

Es haben sich starke reaktionäre Bewegungen und Parteien in allen Ländern gebildet - Gegen Menschen, die wegen weltweiten Kriegen, Hunger und Armut flüchten müssen, wird gehetzt und gewettert, was das Zeug hält. Aber mit ihrer rechten Agenda sind diese Akteur*innen nicht alleine. Auf parlamentarischer Ebene zeigt sich der Rechtsruck ebenfalls deutlich. Es ist also ein viel grundsätzlicheres Problem. Im Mittelmeer sterben täglich Menschen, staatliche Seenotrettung findet nicht statt und zivile wird behindert. Rassistische Asylgesetze in vielen Ländern und Abschottung und Ausgrenzung werden immer normaler. Insgesamt verschiebt sich der gesamteuropäische Diskurs also kontinuierlich nach Rechts.

 

In Deutschland sieht das nicht anders aus. PEGIDA, AFD und Co. erreichen Hunderttausende und spalten die Gesellschaft mit ihrer rechten und neoliberalen Hetze. Abschiebungen und Repressionen gegen Geflüchtete stehen an der Tagesordnung. Das Grundrecht auf Asyl und Menschenrechte werden infrage gestellt und das auch von Parteien links der AFD. Einige Gesetze, die die AFD fordert, werden durch die Regierungsparteien umgesetzt. Und an deren Spitze steht eine Kanzlerin, die sich unwohl fühlt bei dem Gedanken, dass Homosexuelle heiraten dürfen.

 

Der Rechtsruck ist also nicht nur die AFD, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem, das uns alle angeht. Denn auch in unseren Vierteln machen sich diese gefährlichen Veränderungen natürlich bemerkbar. Das fängt an bei kleinen rechtsextremen Stickern im Stadtbild, rassistischen Sprüchen in der Eckkneipe und großer Wahlwerbung der AFD, geht weiter mit 7,2% in Köln für die AFD bei der letzten Bundestagswahl, Rechtsextremen Infoständen von „Köln für deutschen Sozialismus“ oder der Abschiebung von Nachbar*innen und hört dort leider auch nicht auf. Und genau da setzen wir mit unserer Stadtteilarbeit an. Gesamtgesellschaftliche Probleme lassen sich unheimlich gut an der konkreten Lebenssituation unser Nachbarinnen und Nachbarn ausmachen. Man muss Zb niemandem erklären, dass die rassistische Asylgesetzgebung in Deutschland ein Problem ist, wenn der oder diejenige mitbekommen hat, wie Mitschüler*innen abgeschoben wurden.

 

Im Stadtteil gibt es genug Orte von Verdrängung und Gentrifizierung, warum nicht das thematisieren und eine Demo durchs Viertel, statt in der Innenstadt machen?

Wenn man durch unsere Viertel läuft, sollte jede*r auf ansprechende Art und Weise merken, dass organisierte Antifaschist*innen dort aktiv sind. Langfristig ist unser Ziel, genauso omnipräsent und ansprechbar wie radikal zu sein.

Im Stadtteil gibt es genug Rechte Akteure. Warum nicht in der Nachbarschaft flyern, konkrete Aktionen durchführen und eine Kundgebung direkt vor dem Haus der Leute machen? Und trotzdem kann man die Woche danach in die nächste Stadt fahren und einen Naziaufmarsch blockieren. Unsere Stadteilarbeit schließt andere Konzepte nicht aus, aber setzt den Schwerpunkt anders.

Wir wollen keine Arbeit aus einer Szene heraus oder für eine Szene machen. Denn das wurde in den letzten Jahren zur Genüge getan und war nicht sonderlich ergiebig. Wir wollen unsere Arbeit nicht auf bloßes Eventhopping beschränken, sondern eigene Akzente setzen und dabei offen sein in Form und Inhalt. Das heißt nicht, dass wir an radikalen Inhalten sparen müssen, aber wie wir sie vermitteln, können wir bewusst entscheiden. Das bedeutet, alles, was wir für tun, wollen wir mit den Menschen aus unserem Viertel tun und es ihnen auch vermitteln können.

 

Doch natürlich darf Antifa-Arbeit dort nicht aufhören.

Wir sind ein Teil der Bevölkerung und möchten deshalb auch in ihr und mit allen Menschen arbeiten, die von den vielfältigen Problemen betroffen sind. Wir leben in einer Gesellschaft, die durch Ausbeutung bestimmt ist. Unser Leben im Kapitalismus ist geprägt vom Konkurrenzprinzip und dem Streben nach Profit.

Nationalismus, Rassismus, Verdrängung, Ausbeutung durch Lohnarbeit, Polizeigewalt, Armut, Überwachung, das Patriarchat und vieles mehr gehören zum selben Problem. Die Kämpfe in all diesen Bereichen müssen genauso geführt werden. Aber man darf sie nicht isoliert voneinander betrachten. Erst, wenn wir es schaffen, ein Bewusstsein für den Zusammenhang dieser Probleme nachhaltig in den Köpfen der Menschen in unseren Vierteln zu verankern, kommen wir einen großen Schritt weiter. Der Rentner, der nicht genug Geld am Ende von 40 Jahren harter Arbeit sieht, sitzt im selben Boot wie die junge Azubine, die in ihrer Werkstatt für einen lächerlichen Lohn arbeiten muss und dabei nicht halb soviel Anerkennung und später einen geringeren Lohn bekommt wie ihre männlichen Kollegen oder wie eine junge Geflüchtete, die erst nach Europa flieht, dann von Nazis durch eine Kleinstadt gejagt und am Ende wieder nach Afghanistan abgeschoben wird.

Deshalb verstehen wir uns als klassenbewusste Gruppe und haben erkannt, dass unsere Interessen im Gegensatz zu den Interessen dieses Staates stehen.

 

Antifaschistische Aktion ist also nicht nur Antifa. Oder anders gesagt, Antifa ist mehr, als viele meinen. Zumindest sollte es das sein.

Der Rechtsruck geht uns also alle an. Und dagegen angehen sollten wir auch alle gemeinsam. Das heißt zB, kontinuierliche und fortschrittliche Politisierungsarbeit im Viertel zu leisten und konkret dafür zu sorgen, dass reaktionäre Propaganda in unseren Vierteln nicht stattfindet.

 

Wenn wir in unseren Kneipen aufstehen und den Mund aufmachen, wenn ein Tisch weiter über Kopftücher gelästert wird, ist schon viel erreicht. Wenn die AFD in unseren Vierteln keinen Fuß fassen Und aktive Nazis aus unseren Straßen wegziehen, geht es in die richtige Richtung.

Unser Ziel sollte ein Viertel sein, in dem nicht nur passive Ablehnung gegen Rechts, sondern ein allgemeines proaktives politisches Bewusstsein herrscht. Und um das alles umzusetzen, braucht es Organisation, Struktur und Klassenpolitik statt lose Zusammenhänge und Szenepolitik.

Wir müssen den rechten Strukturen, auf die wir hier treffen, ihre Wohlfühl-Zone wegnehmen. Dass heißt für uns, ihnen jedes mal, wenn sie aktiv werden, zu zeigen, dass sie mit ihren Aktionen nicht durchkommen. Ob in der Schule, auf der Arbeit, oder auf unseren Straßen: Wir alle müssen jeden Tag rechten Ideologien auf allen Ebenen entgegentreten und unser Viertel langfristig so antifaschistisch prägen und gestalten, dass rechte Ideologien hier keinen Platz finden.

 

Denn der Rechtsruck ist noch nicht am Ende. Wir müssen dafür sorgen, dass er bei uns nicht vorankommt. Darum lasst uns immer weiter gemeinsam und entschlossen dem Faschismus auf allen Ebenen entgegentreten.

Lasst uns von- und miteinander lernen!

 

Die Antifaschistische Aktion organisieren!“

 

Antifaschistische Aktion Köln-Sülz
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