Amazon + Logistikarbeiter_innen in Italien - ein Kampf

Am 30. März  besuchte eine Delegation der italienischen  Basisgewerkschaft SI Cobas, die im Logistiksektor in den letzten Jahren beachtliche Organisierungserfolg zu verzeichnen hatte, die streikenden Amazon-Beschäftigten in Leipzig.

 

Der italienische Basisgewerkschaftler  Roberto Luzzi zeigte sich  im Anschlag sehr positiv überrascht, dass   in Deutschland die Organisierung von Amazon-Beschäftigten gelungen ist und dass sie über einen längeren Zeitraum in den Arbeitskampf treten. Luzzi ist Aktivist der Basisgewerkschaft SI Cobas http://sicobas.org/, die in den letzten Jahren in der italienischen Logistikbranche einige erfolgreiche Arbeitskämpfe geführt und ihre Mitgliederzahl dort beträchtlich  erhöht hat.  Durch eine  kampforientierte Politik gelang es der Basisgewerkschaft,  für die Beschäftigten günstige Tarifverträge abzuschließen. Das erzürnte die großen italienischen Gewerkschaftsbünde, die sich in einen Brief an die Manager der Logistikunternehmen beschwerten, dass sie mit der Basisgewerkschaft bessere Verträge als mit ihnen abschließen. „Dass  diese Verträge  kein Zugeständnis der Unternehmen sondern Ergebnis einer kämpferischen  Gewerkschaftspolitik waren,  wurde  von den  großen Gewerkschaften nicht registriert“, kritisiert Luzzi die Ignoranz der Gewerkschaftsfunktionäre.  Dass SI Cobas bei Amazon-Italien keinen Erfolg hatte, liegt  nach Meinung von Luzzi an deren kurzen Beschäftigungsverhältnissen. Das ist allerdings ein Problem, dass die Gewerkschaften auch bei Amazon in Deutschland beklagen. Luzzi hat als Teilnehmer eine SI-Cobas-Delegation  die Streikenden bei Amazon-Leipzig besucht.   Kritisch merkte er an, dass der Arbeitskampf zu defensiv geführt werde.

 

„Es gab es keine Versuche, die Beschäftigten, die sich nicht am Streik beteiligten, am Betreten des Werkes zu hindern. Auch LKW konnten während des Streiks ungehindert auf das Gelände fahren und es verlassen. Es gab weder Blockaden noch Versuche, mit Flugblättern für den Streik zu werben“, lautete Luzzis Kritik. Die SI-Cobas-Delegation     berichtete auf einen Veranstaltung und einen Workshop http://interkomm.so36.net/frame.php   über ihre Arbeit und die  Organisationsbedingungen in der  italienischen Logistikbranche. Unzweifelhaft ist es eine im letzten Jahrzehnt boomende Branche.  Wie in Norditalien wachsen auch in vielen anderen Regionen gerade in sogenannten strukturschwachen Gebieten die Großhallen der oft global operierenden Logistikunternehmen aus dem Boden. „Die Arbeitsbedingungen sind oft von besonderer Überwachung, geringen Lohn und ständiger Arbeitshetze gekennzeichnet. Die Arbeitskämpfe in dem Bereich zeigen aber, dass es für die  Lohnabhängigen  möglich  ist, das Management unter Druck zu setzen“, berichteten die italienischen Basisgewerkschafter über Erfahrungen, die auch die Amazon-Beschäftigten machten.    Die Logistikbranche  ist  ein Bereich, in dem   Lohnabhängigen  eine besondere Macht haben, weil ein  entschlossener Streik zu richtigen Zeit  schnell dazu führt, dass die  Lieferungen verzögert werden.  Das bedeutet für die Unternehmen nicht nur symbolische sondern auch reale materielle  Verluste. Das aber  muss aus der Perspektive der Beschäftigten  im Arbeitskampf das Ziel eines Ausstands sein, wenn es auch angesichts der Symbolpolitik  der meisten Arbeitskämpfe in Deutschland oft vergessen wird.

 

Das Kapital ist international - wann internationalisieren wir die Kämpfe?

 

Eine wichtige Frage beim Austausch mit den italienischen Gewerkschaften waren die Möglichkeiten der Ausweitung der Kämpfe über den nationalen Rahmen hinaus. Die Notwendigkeiten  dafür sind offensichtlich. So hat Amazon schon präventiv   in Werk in Poznan aufgebaut,  um dort hin auszuweichen, wenn in  Betrieben in Deutschland gestreikt wird. Ein solcher schneller Wechsel von einem Land in ein anderes ist in der Logistikbranche sehr einfach, weil es dort keine Hochöfen oder komplexe Maschinenparks gibt, die nicht so einfach ersetzt werden können.      Wird dadurch nicht auch dem Standortdenken  weitgehend die Grundlage entzogen,  dass  transnationale Arbeitskämpfe erheblich erschwert, oft  unmöglich gemacht haben, lautet die Frage, die die Internationalen Kommunist_innen Berlin, die die Kollegen aus Italien eingelud, aufgeworfen hat.  Schließlich hatte dieses Standortdenken   bei Lohnabhängigen der fordistischen Schwerindustrie die reale Grundlage eben in dem Maschinenpark, der nicht so leicht zu ersetzen oder auszulagern war.    Beständen nicht gerade in der Logistikbranche, in der diese Bedingungen entfallen Möglichkeiten für  eine transnationale Kooperation von Beschäftigten und warum werden sie so wenig genutzt, war eine zentrale Frage bei der Veranstaltung und dem Workshop.

Denn bisher ist die Kapitalseite bei der Internationalisierung auch im Logistikbereich der Vorreiter.  Die Arbeitskämpfe werden hingegen  immer noch zu stark in einem nationalen Kontext geführt, kritisieren die Gewerkschaftler. Aber sie sehen auch Ansätze einer Änderung.  So gab es   kurz  vor Weihnachten 2014 auch bei Amazon-Betrieben in Frankreich Streiks, die sich ausdrücklich auf die Arbeitskämpfe in Deutschland bezogen haben. Und im Amazon-Werk in Poznan  haben sich mittlerweile einige Beschäftigte in einer kämpferischen Basisgewerkschaft Workers Initiative  http://www.forum.ozzip.pl/wspieraj-ip/item/10-about-inicjatywa-pracownicza-workers-initiative organisiert. So könne also bei dem nächsten  Amazonstreik genau das eintreten,    was das Management verhindern will.  Nicht nur in Leipzig und Bad Hersfeld auch in Poznan, das  die Ausfälle bereinigen soll, legen die Beschäftigten die Arbeit nieder.

 

Auch die Streiksolidarität internationalisieren

 

Doch damit es soweit kommt, sollte sich auch die Streiksolidarität internationalisieren. Der Besuch der Kollegen von SI Cobas war ein guter Anfang einer    Kooperaton über Landesgrenzen hinweg.  Ein nächster Schritt müsste darin bestehen, Kontakte zu den Kolleg_innen von Amazon-Poznan aufzunehmen. Schließlich ist es von Berlin nach Poznan nicht wirklich weit und wenn sich die Kolleg_innen und die Unterstützer_innen schon kennen, ist es auch einfacher einmal gemeinsam zu streiken oder vor dem Werktoren einen Streik zu unterstützen.

Gut war auch, dass sowohl auf der Veranstaltung als auch beim Workshop auch italienische Kolleg_innen einbezogen waren, die in Deutschland leben und arbeiten. Mittlerweile haben sich einige von  ihnen zu organisieren begonnen und die Initiative eines Socialstreik begannen. Das können alles Schritte zu einem Zustand sein, den die italiensichen Kollegen so zusammenfassen. Wir müssen Kolleg_innen werden statt Aktivist_innen werden.

Herausforderung der Amazon-Streiksolidarität

 

Darin besteht auch die Herausforderung für die Amazon-Streiksolidarität, die sich seit letzten Jahr in verschiedenen Städten gegründet hat. Schwerpunkte sind Leipzig, Frankfurt/Main und Berlin. Es gab mittlerweile zwei bundesweite Treffen, eins in Leipzig und eins in Frankfurt/Main. Dabei  gab es auch Diskussionen, ob diese Streiksolidarität vor allem die  verdi-Aktionen         unterstützen soll, oder ob sie darüberhinaus eigene Akzente setzt. Die Kontakte mit Kolleg_innen von SI Cobas waren solche eigenständigen Akzente, ebenso wäre ein Kontakt zur Workers Initiative in Poznan ein solcher eigenständiger Akzent. Damit würde den Kampf der Amazon-Kolleg_innen auch eine              Stoßrichtung gegen, die    über eine Unterstützung eines von verdi geleiteten Tarifkampfs hinausgeht. Hier bestünde auch eine Chance für die Amazon-Solidarität. Denn die Herstellung von transnationalen Kontakten mit kämpferischen Basisgewerkschaften  wäre ein  eigenständiger Beitrag der Streiksolidarität. Beide Basisgewerkschaften gehören nicht zu den Bündnispartner_innen des DGB und seiner Einzelgewerkschaften. Die SI-Cobas-Gewerkschafter Roberto Luzzi sagte im Jungle World-Interview:

„Bei konkreten Streikaktionen ist es einfach, Solidarität auszudrücken und mit den Kollegen in Kontakt zu kommen. Viel schwieriger sind offizielle Verbindungen zwischen den Gewerkschaften. Das liegt daran, dass die DGB-Gewerkschaften nur Kontakte zu den großen offiziellen Gewerkschaftsbünden in Italien unterhalten. Mit ­denen ist eine Zusammenarbeit bei der Firma DHL möglich. Doch in der Regel bekämpfen sie die Basisgewerkschaft SI Cobas in der Logistikbranche und haben sich sogar in einem Brief an die Logistikunternehmen beschwert, dass sie mit uns einen besseren Tarifvertrag als mit ihnen abgeschlossen haben. Dabei ist dieser Erfolg das Ergebnis unserer kämpferischen Gewerkschaftspolitik.“http://jungle-world.com/artikel/2015/15/51751.html

Eine Streiksolidarität, die  hier eine Kooperation herstellt, würde also tatsächlich den DGB-Horizont der Arbeitskämpfe verlassen. Dass wäre aber die  Voraussetzung, dass aus den sehr geregelten Tarifkämpfen   ein transnationaler Klassenkampf werden kann. Die Voraussetzungen sind vorhanden, es ist nur die Frage, ob die Amazon-Solidarität dazu in der Lage ist und die Kapazitäten hat.   

 

Link zu den Kämpfen in der italienischen Logistikbranche:

http://de.labournet.tv/video/6673/der-kampf-der-logistikarbeiterinnen-italien

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