NPD-Funktionär einstimmig zum Ortsvorsteher gewählt

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In der hessischen Gemeinde Altenstadt-Waldsiedlung (Wetteraukreis) ist ein NPD-Funktionär, der stellvertretende NPD-Landesvorsitzende Stefan Jagsch, – einstimmig und mit den Stimmen von CDU und SPD - zum Ortsvorsteher gewählt worden. Große Teile der hessischen Politik zeigen sich hierüber empört. Im Zusammenhang mit rechtsextremen Strukturen - und von diesen ausgehender Rechtsextremismus - sei an dieser Stelle noch mal an ein paar „hessische Besonderheiten“ erinnert.

 

Als Bürger des Bundeslandes Hessen machen mich die rechtsextremen Umgänge/ -triebe in unserem Bundesland fassungslos: Da waren die im Dezember '18 bekanntgewordenen rechtsextremen Vorgänge innerhalb der hessischen Polizei, die fünf Beamte (darunter eine Beamtin) des 1. Frankfurter Polizeirevier, welche “Mord-Drohbriefe“ (per Fax) an die NSU-Opfer-Anwältin Seda Basay-Yildiz verschickten und dazu (wegen geheimer Kontaktdaten) das polizeiliche Informationssystem POLAS missbrauchten; bis heute wurde und wird in diesem Zusammenhang insgesamt gegen 39(!) hessische PolizeibeamtInnen ermittelt – über den Stand der “polizeiinternen Ermittlungen“ ist wenig bekannt – zur Zeit herrscht diesbezüglich gänzliche “Funkstille“, ganz im Sinne des hessischen Innenminister Peter Beuth, der diesbezüglich wenig Interesse an der gänzlichen bzw. vollständigen Aufklärung dieser Fälle zeigt und das hessische Landesparlament hierzu nur zögerlich und widerwillig informiert, wie SPD und Die Linke berichten.

Da waren zudem die beiden nordhessischen Morde an Halit Yozgat (Kassel, April '06) und dem Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke (Wolfhagen-Istha, Juni '19), welche zweifelsfrei einen rechtsextremistischen Hintergrund haben und bundesweit für Fassungslosigkeit und Erschütterung sorgten. Nachdem der Mord an Halit Yozgat dem aufgeflogenen NSU(-Trio???) zugerechnet werden muss ist bis heute unklar, ob und welche Verbindungen der nordhessischen Neonaziszene – der auch der mutmaßliche Mörder Walter Lübckes, Stephan Ernst, angehörte – zum NSU bestanden? So soll Beate Zschäpe im Jahr 2006 mit dem einschlägig bekannten kasseler Neonazi Bernd Tödter (Haftstrafe w. Tötungsdelikt) in einer örtlichen Kneipe gesehen worden sein, wie die Wirtin berichtet. Ein Indiz dafür, dass sich Zschäpe bis zu diesem Zeitpunkt frei und unbeschwert bewegen konnte, sich offensichtlich “sicher“ fühlte.

https://www.hna.de/kassel/mordfall-luebcke-stephan-e-und-neonazis-trafen-sich-in-kasseler-kneipe-12541919.html

http://arbeitskreis-n.su/blog/2016/05/10/als-beate-zschaepe-2006-mit-bernd-toedter-in-kassel-durch-die-kneipen-zog/

Ob dem Ex-Verfassungsschützer (LfV Hessen) Andreas Temme (Spitzname: “Klein Adolf“), der zum Zeitpunkt des Mordes an Halit Yozgat am Tatort (Internetcafe) anwesend war, die nordhessischen Aktivitäten von Beate Zschäpe und Stephan Ernst unbekannt waren, darüber kann nur spekuliert werden. Bekannt ist: Temme war als V-Mann-Führer lange Zeit in der nordhessischen Neonaziszene aktiv und “betreute“ u. a. den kasseler Neonazi Benjamin Gärtner (Deckname: “Gemüse“).

Heute arbeitet Temme im Regierungspräsidium (RP) Kassel; Dr. Walter Lübcke war bis zu seinem Tod der höchste Vorgesetzte Temmes innerhalb dieser Behörde, dem RP Kassel.

Auch oder gerade wegen den NSU-Aktivitäten in Nordhessen ist die 120-jährige Sperrfrist der hessischen NSU-Akten, des hessischen Untersuchungsausschusses, nur schwer erträglich. Verantwortlich für diese lange Sperrfrist dieser NSU-Akten: Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hessen!

NPD-Funktionär zum Ortsvorsteher gewählt

Und nun wird im Wetteraukreis ein NPD-Funktionär einstimmig – mit den Stimmen von CDU- und SPD-Ortsbeiräten - zum Ortsvorsteher in den Ortsbeirat gewählt; ein Vorgang, den man eher im Osten unserer Republik für möglich hält, doch: Altenstadt-Waldsiedlung liegt in der Wetterau, mitten in Hessen.

Die hessische Landesregierung ist empört (zumindest tut sie so) und fordert die Kommune dazu auf ihre Entscheidung zu revidieren. Unabhängig von diesen politischen “Machtspielchen“ ist hierbei entscheidend wie die Zivilgesellschaft mit der Wahl des NPD-Funktionärs Jagsch zum Ortsvorsteher umgeht: Viele (hessische) Bürgerinnen und Bürger werden „einen Ortsbeirat unter Leitung eines NPD-Funktionärs nicht akzeptieren“ (Zitat: Die Zeit).

Dieser Vorgang und die Geschehnisse der (jüngeren) Vergangenheit belegen einmal mehr, dass das West-Bundesland Hessen – ähnlich wie das Ost-Bundesland Sachsen - ein strukturelles Problem mit Rechtsradikalen bzw. Rechtsextremisten hat, zu denen - zweifelsfrei – auch NPD-Mitglieder/ -Funktionäre zugerechnet werden müssen. NPD-Leute, in welcher Form auch immer – und sei es nur in der Funktion als (leitender) Ortsvorsteher in einer kleinen Gemeinde - demokratisch zu legitimieren ist der eigentliche Skandal!

Weitere Informationen/ Textquellen:

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-09/hessen-npd-stefan-jagsch-wahl-ortsvorsteher

https://de.indymedia.org/node/29472

 

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