Es gibt immer zu viel Arbeit - Für eine soli­da­ri­sche Gesell­schaft kämpfen!

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Bei uns bleibt nichts lie­gen. Und der nächste 1. Mai kommt bestimmt! Des­halb und weil wir uns einer durch uns ange­sto­ße­nen Debatte bzw. der an uns geüb­ten Kri­tik nicht ein­fach ent­zie­hen möch­ten, kommt hier für alle Inter­es­sier­ten – bes­ser spät als nie – unsere Fort­füh­rung zur Dis­kus­sion um linke Pra­xis am 1. Mai in Frei­burg und der gene­rel­len Fra­gen, die in die­sem Zusam­men­hang auf­ge­wor­fen wurden.

Wäh­rend der Vor­be­rei­tung des 1. Mai 2013[1] in Frei­burg ver­öf­fent­lich­ten wir ein Positionspapier[2], das inner­halb der „Szene“ eine inhalt­li­che Aus­ein­an­der­set­zung über die Art und Weise revo­lu­tio­nä­rer Pra­xis am 1. Mai in Frei­burg in Gang brin­gen und unsere Ent­schei­dung gegen eine Betei­li­gung an einem als „revo­lu­tio­när“ fir­mie­ren­den Bünd­nis begrün­den sollte. Dar­auf­hin ver­öf­fent­lichte die Gruppe Viel zu viel Arbeit eine Kri­tik an unse­rem Papier.[3] Diese Kri­tik schnei­det viele Debat­ten an, die inner­halb der radi­ka­len Lin­ken geführt wer­den, und soll hier als Aus­gangs­punkt die­nen, einige unse­rer Posi­tio­nen in die­sen Berei­chen dar­zu­le­gen, und nicht zuletzt dazu, bezüg­lich der Kri­tik der Gruppe Viel zu viel Arbeit Stel­lung zu bezie­hen.

Zurück zum Beton?

Viel zu viel Arbeit sieht bun­des­weit eine Renais­sance des Marxismus-Leninismus, die sie sich als Reak­tion auf die Auf­lö­sungs­er­schei­nun­gen der radi­ka­len Lin­ken sowie einer all­ge­mei­nen Ver­schie­bung bzw. der Zer­stö­rung theo­re­ti­scher Grund­an­nah­men unter dem Ein­fluss der „Post­mo­derne“ und der „Dekon­struk­tion“ erklärt. Die „objek­ti­ven Wahr­hei­ten“ des Marxismus-Leninismus wür­den vor die­sem Hin­ter­grund gerade bei jun­gen Anti­fa­schis­ten auf Zuspruch sto­ßen, bei denen häu­fig ein instink­ti­ves Abgren­zungs­be­dürf­nis zu den all zu oft ins Absurde abdrif­ten­den szen­ein­ter­nen Dis­kus­sio­nen vor­herr­schen würde. Hier sor­tiert Viel zu viel Arbeit auch uns ein. Die hohe Prio­ri­tät, die wir dem ökono­mi­schen Wider­spruch zwi­schen Kapi­tal und Arbeit ein­räu­men, und unsere kri­ti­sche Hal­tung gegen­über den dekon­struk­ti­vis­ti­schen Debat­ten stel­len für Viel zu viel Arbeit „einen Schritt nach Vorne“ dar. Unser posi­ti­ver Bezug auf den Mar­xis­mus– Leni­nis­mus, den Viel zu viel Arbeit an unse­rer Ana­lyse und Spra­che fest­macht, werfe uns hin­ge­gen drei Schritte zurück.
Gerade auch weil uns die Gruppe Viel zu viel Arbeit im Text eine phra­sen– und flos­kel­hafte Ver­wen­dung von Begriff­lich­kei­ten vor­wirft, wirkt die äußerst platte Ein­ord­nung unse­rer Gruppe als marxistisch-leninistisches Pro­jekt befremd­lich. Denn Viel zu viel Arbeit bemüht den Marxismus-Leninismus nicht im Sinne einer wis­sen­schaft­li­chen Stand­ort­be­stim­mung, son­dern sze­ne­ty­pisch in Form eines – inhalts­lee­ren – Angriffs. Weder wer­den Kern­ele­mente der marxistisch-leninistischen Welt­an­schau­ung benannt und eine posi­tive Bezug­nahme unse­rer­seits auf diese belegt, noch wird über­haupt dar­ge­legt, was denn kon­kret am Marxismus-Leninismus die „Schritte zurück“ sein sol­len.
Die ALFR ver­steht sich als eine Orga­ni­sa­tion von Kom­mu­nis­tin­nen und Kom­mu­nis­ten. Ein posi­ti­ver Bezug auf die Geschichte der Arbei­ter­be­we­gung und die sozia­lis­ti­schen Ver­su­che sind aus unse­rem Selbst­ver­ständ­nis deut­lich herauszulesen.[4] Da wir aber als ALFR keine Par­tei­grün­dung betrei­ben und unab­hän­gig von der marxistisch-leninistischen Par­tei unse­res Lan­des und auch den K-Gruppen sind, ist wohl eines der zen­trals­ten Merk­male marxistisch-leninistischer Orga­ni­sa­tion, näm­lich das Orga­ni­sa­ti­ons­kon­zept als Kader­par­tei, nicht gege­ben.
Die Fest­stel­lung, dass es sich bei der ALFR nicht um eine marxistisch-leninistische Orga­ni­sa­tion han­delt, ist aller­dings kei­nes­wegs als Kapi­tu­la­tion vor den Ver­su­chen zu ver­ste­hen, eine posi­tive Bezug­nahme auf Lenin zu skan­da­li­sie­ren, wie sie inner­halb der alter­na­ti­ven Szene ebenso wie im poli­ti­schen Main­stream zu beob­ach­ten sind. Bedenk­lich ist unse­rer Auf­fas­sung nach nicht ein posi­ti­ver Bezug auf Lenin, immer­hin der wich­tigste Theo­re­ti­ker und Anfüh­rer der fol­gen­reichs­ten Revo­lu­tion des 20. Jahr­hun­derts, und Teile sei­ner Theo­rie­bil­dung (z.B. Kriegs-, Imperialismus-, Revo­lu­ti­ons­theo­rie oder Orga­ni­sa­ti­ons­kon­zept), son­dern die star­ken tota­li­ta­ris­mus­theo­re­ti­schen und ahis­to­ri­schen Anlei­hen in der Kri­tik an Lenin, der Okto­ber­re­vo­lu­tion und am real exis­tie­ren­den Sozia­lis­mus. Wer ver­sucht, Lenin mit dem Rücken­wind des gesell­schaft­li­chen Main­streams aus der Geschichte der Lin­ken zu strei­chen, über­sieht, dass der­zeit die kom­plette Ent­sor­gung der Geschichte der Arbei­ter­be­we­gung auf der Agenda steht (übri­gens auch ihrer anar­chis­tisch gepräg­ten Teile) und dies wie­derum eine zen­trale Vor­aus­set­zung für die Auf­rich­tung des tota­li­ta­ris­mus­theo­re­ti­schen Para­dig­mas dar­stellt. Flan­kiert wer­den diese Bestre­bun­gen von der Wert­kri­tik, bei der sich die „inner­linke“ Lenin-Kritik bedient, die ebenso scheuß­li­che wie absurde Begriffe wie „Arbei­ter­be­we­gungs­mar­xis­mus“ erfun­den hat[5] – als ob es einen ande­ren Mar­xis­mus gebe als den, der nicht zual­ler­erst „Arbei­ter­be­we­gungs­mar­xis­mus“ wäre.

Ana­lyse, Unschär­fen und auf­ge­bla­sene  Defi­ni­ti­ons­fra­gen; Klas­sen­stand­ort und  Klassenstandpunkt

Zum Vor­wurf der ana­ly­ti­schen Unschärfe, vor allem bezüg­lich des Begriffs der „Arbei­ter­klasse“, sei ange­merkt: Der Rah­men unse­res Posi­ti­ons­pa­piers war nicht dar­auf aus­ge­legt, erschöp­fend Defi­ni­ti­ons­fra­gen abzu­han­deln, son­dern viel mehr dar­auf, unsere Pra­xis am 1. Mai zu ver­mit­teln. Selbst­ver­ständ­lich bleibt die Frage von Viel zu viel Arbeit, wen wir denn mei­nen, wenn wir von Arbei­ter­klasse reden, legi­tim. Den­noch wol­len wir fest­stel­len, dass man die Frage nach einer Defi­ni­tion von „Arbei­ter­klasse“ nicht „zum Dreh– und Angel­punkt revo­lu­tio­nä­rer Klar­heit“ auf­bla­sen sollte.
Der Ver­weis auf die „Lohn­ab­hän­gig­keit“ von Mana­gern soll wohl bele­gen, dass die Rea­li­tät der Klas­sen­ver­hält­nisse kom­ple­xer sei, als sie von uns und auch der his­to­ri­schen Arbei­ter­be­we­gung erfasst wird bzw. wurde. Hierzu stel­len wir zunächst fest, dass der Wider­spruch zwi­schen Kapi­tal und Arbeit in sei­ner Zuspit­zung in hand­fes­ter Form nach­weis­bar ist: die mate­ri­elle Ungleich­heit nimmt in Deutsch­land wie auch welt­weit ste­tig zu[6], und dies unab­hän­gig davon, ob Arbei­ter Aktien besit­zen oder Mana­ger ober­fläch­lich betrach­tet ihre Arbeits­kraft ver­kau­fen. Den Vor­wurf, wir wür­den die Kom­ple­xi­tät der Klas­sen­ver­hält­nisse nicht aner­ken­nen, wei­sen wir zurück und fügen hinzu, dass Trusts und Akti­en­ge­sell­schaf­ten kein neu­ar­ti­ges Phä­no­men sind, son­dern schon zu Zei­ten Karl Marx´ exis­tier­ten. Die Fest­stel­lung zuneh­men­der Kom­ple­xi­tät könnte man auch als Bin­sen­weis­heit abkan­zeln. Auf kei­nen Fall sollte sie uns dazu ver­lei­ten, Abstand zu neh­men von der Auf­fas­sung der Exis­tenz ant­ago­nis­tisch gegen­über­ste­hen­der Klas­sen – so viel­fäl­tig diese im Ein­zel­nen auch aus­ge­stal­tet sein mögen. Schlei­er­haft ist uns, wel­che Schluss­fol­ge­rung Viel zu Viel Arbeit aus ihren Gedan­ken­ex­pe­ri­men­ten bezüg­lich der Begriffs­be­stim­mung der „Arbei­ter­klasse“ eigent­lich zie­hen will und wie eine dar­aus abge­lei­tete Pra­xis ihrer Mei­nung nach aus­se­hen sollte.
Unab­hän­gig davon, dass die Begriffs­er­ör­te­rung der Gruppe Viel zu viel Arbeit mit der Rea­li­tät wenig zu tun hat, lässt sich, „[w]er im struk­tu­rel­len Sinn zu wel­cher Klasse gehört, […] auch nicht durch for­melle Eigen­schaf­ten bestim­men, wie etwa die Exis­tenz eines Lohn­ar­beits­ver­hält­nis­ses, son­dern nur durch die Stel­lung inner­halb des Pro­duk­ti­ons­pro­zes­ses. […] Der Vor­stands­vor­sit­zende einer Akti­en­ge­sell­schaft mag for­mell ein Lohn­ar­bei­ter sein, tat­säch­lich ist er ‚fun­gie­ren­der Kapi­ta­list‘, er ver­fügt über Kapi­tal (auch wenn es nicht sein Eigen­tum ist), orga­ni­siert die Aus­beu­tung und seine ‚Bezah­lung‘ rich­tet sich nicht am Wert sei­ner Arbeits­kraft aus son­dern am Mehrwert.“[7]
Ein Vor­stands­vor­sit­zen­der macht seine Arbeit eben „erst dann opti­mal, wenn sein Ein­kom­men mit dem Gewinn steigt oder – noch bes­ser – mit die­sem tei­li­den­tisch ist. Soll hei­ßen, er muß so viel ver­die­nen, daß er das gar nicht alles selbst ver­brau­chen kann. Damit wird er in der Regel sei­ner­seits zum Aktionär.“[8]
Wir wider­spre­chen außer­dem dem Vor­wurf der schwam­mi­gen Ver­wen­dung des Begriffs der „Bür­ger­lich­keit“. Wir ver­wei­sen in unse­rem Text aus­drück­lich dar­auf, dass „[e]in Begriff wie ‚bür­ger­lich‘ [..] der Bestim­mung des Klas­sen­stand­orts UND des Klas­sen­stand­punk­tes, und nichts ande­rem [im Ori­gi­nal nicht her­vor­ge­ho­ben; ALFR]“[9] dient. Wir spre­chen also an die­ser Stelle von zwei­er­lei: „bür­ger­lich“ als sozio­öko­no­mi­sche Zustands­be­schrei­bung, aber auch als poli­ti­sche Stand­punkt­be­stim­mung. Unser Posi­ti­ons­pa­pier zieht also sehr wohl die Mög­lich­keit in Betracht, dass Arbei­ter bür­ger­li­che Wert­vor­stel­lun­gen ver­tre­ten.
Wir sind sogar über­zeugt, dass die Arbei­ter dies der­zeit in hohem Maße tun. Das ist uns offen­sicht­lich weit­aus bewuss­ter als den Leu­ten, die stän­dig zur Bestä­ti­gung ihrer anti­ge­werk­schaft­li­chen Ideo­lo­gie die vor­geb­li­che Spon­ta­ni­tät der Mas­sen her­bei­re­den, und in die­sem Sinn die Gewerk­schaf­ten als die Kräfte angrei­fen, die ein vor­han­de­nes revo­lu­tio­nä­res Bewusst­sein per­ma­nent in sys­tem­kon­forme Bah­nen len­ken wür­den, wie das auch die Gruppe Viel zu viel Arbeit oder die FAU tun.[10] Wir machen uns da der­zeit weni­ger Illu­sio­nen über den Zustand der Klasse. Zual­ler­erst ist die Wie­der­er­we­ckung von Klas­sen­be­wusst­sein eine, wenn nicht die zen­trale Auf­gabe der Lin­ken, will sie denn wie­der gesell­schaft­li­che Wirk­sam­keit ent­fal­ten. Dar­über hin­aus sei ange­merkt, dass es wohl kaum einen Betrieb geben wird, in dem die klas­sen­be­wuss­ten Kol­le­gen die­je­ni­gen sind, die aus Über­zeu­gung nicht Gewerk­schafts­mit­glie­der sind – zu 99% dürfte das Gegen­teil der Fall sein.

Der DGB und die Rolle der Linken

So rich­tig wir fin­den, dass die Gruppe Viel zu viel Arbeit in ihrer Ana­lyse die Zer­falls­er­schei­nun­gen der radi­ka­len Lin­ken zumin­dest nennt, so fol­ge­rich­tig müsste es sein, diese Zer­falls­er­schei­nun­gen nicht iso­liert zu betrach­ten, son­dern sie in den Kon­text der aktu­ell all­ge­mei­nen Schwä­che der Lin­ken ein­zu­ord­nen. Und: Eine Schwä­che der Lin­ken stellt sich immer auch als eine Schwä­che der Gewerk­schaf­ten dar.
Wenn deren Mit­glie­der­zah­len ste­tig sin­ken, diese von einer Nie­der­lage zur nächs­ten schrei­ten, ein schlech­ter Tarif­ab­schluss dem vori­gen folgt und die Lohn­ent­wick­lung kaum der Preis­stei­ge­rung folgt, ist das in ers­ter Linie Aus­druck der feh­len­den Mög­lich­kei­ten und Kraft der Gewerk­schaf­ten, nicht ihres feh­len­den Wil­lens. Wer die Gewerk­schaf­ten zu den Ver­ant­wort­li­chen die­ser Ent­wick­lung erklärt, ver­wech­selt Ursa­che mit Wir­kung. Dar­aus die Kon­se­quenz zu zie­hen, auf Geg­ner­schaft zum DGB zu gehen, ist ver­harm­lo­send gesagt wenig ziel­füh­rend, zumal man­gels einer rele­van­ten Alter­na­tive eigent­lich unver­ant­wort­lich.
Da die Gewerk­schaf­ten nach wie vor die Orga­ni­sa­tio­nen der abhän­gig Beschäf­tig­ten in die­sem Land sind, ist es alter­na­tiv­los, sich in ihnen zu orga­ni­sie­ren, sie als Kampf­fel­der zu begrei­fen, in ihnen als revo­lu­tio­näre Linke zu arbei­ten und den lin­ken Teil inner­halb der Gewerk­schaf­ten zu stär­ken bzw. zu bil­den. Dem­zu­folge ist es auch nur kon­se­quent, am 1. Mai mit einem anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Block auf einer Gewerk­schafts­de­mons­tra­tion auf­zu­tre­ten und die eige­nen Posi­tio­nen nach außen zu tra­gen.
Ein nicht irre­le­van­ter inner­ge­werk­schaft­li­cher Link­s­trend lässt dar­auf schlie­ßen, dass eine sol­che Stra­te­gie nicht ver­kehrt ist. Die­ser kommt auch darin zum Vor­schein, dass mitt­ler­weile ein­zelne DGB-Gewerkschaften, wie die IG BAU und ver.di, das poli­ti­sche Streik­recht auf der Ebene ihrer höchs­ten Gre­mien zur For­de­rung erho­ben haben. Diese Ent­wick­lung darf ange­sichts der Tat­sa­che, dass die Gewerk­schaf­ten über Mil­lio­nen von Mit­glie­dern ver­fü­gen, in kei­ner Ana­lyse revo­lu­tio­nä­rer Lin­ker feh­len.
Viel zu viel Arbeit erklärt dem­ge­gen­über die Selbst­or­ga­ni­sa­tion von kämp­fen­den Arbei­tern für rele­van­ter und kommt damit nicht dar­über hin­aus, im DGB ver­bis­sen ein Feind­bild zu pfle­gen. Wir fra­gen uns, wieso die Gruppe Viel zu viel Arbeit es als Absur­di­tät hin­stellt, wenn sich revo­lu­tio­näre Linke an einer Gewerk­schafts­de­mons­tra­tion betei­li­gen – und zwar in Form eines expli­zit anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Blocks und unter einem Bünd­nis­auf­ruf, den sicher auch die Gruppe Viel zu viel Arbeit mit­tra­gen könnte. Weil wir daran mit­wir­ken wol­len, dass die Linke stär­ker wird, zie­hen wir uns eben nicht in Sze­ne­ni­schen, in Inak­ti­vi­tät oder ins Pri­vate zurück, son­dern ver­su­chen, linke Posi­tio­nen in der Öffent­lich­keit zu stär­ken – wie zum Bei­spiel mit dem Anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Block auf der DGB-Demo. Völ­lig unver­ständ­lich ist uns daher der Vor­wurf von Viel zu viel Arbeit, wir hät­ten „ein instru­men­tel­les Ver­hält­nis zu ‚den Mas­sen‘, die auf dem 1.-Mai-Fest des DGB abge­fischt wer­den sol­len.“ Wer sich, wie Viel zu Viel Arbeit schreibt, „eine umfas­sende Ver­än­de­rung der gesell­schaft­li­chen Ver­hält­nisse – und von uns selbst – in einem umwäl­zen­den Pro­zess“ wünscht und es ernst damit meint, kommt nicht an dem Wag­nis vor­bei, eine linke, anti­ka­pi­ta­lis­ti­sche Per­spek­tive in mög­lichst breite Kreise der Gesell­schaft zu pro­pa­gie­ren – nicht nur, aber auch am 1. Mai. Wir stel­len dar­über hin­aus fest, dass eine sol­che Pra­xis auch bun­des­weit so üblich ist.
Die Gruppe Viel zu viel Arbeit schlägt statt­des­sen alter­na­tive, akti­ons­re­le­vante The­men vor, mit denen sich eine Aus­ein­an­der­set­zung am 1. Mai ihrer Mei­nung nach gelohnt hätte: „die Abschie­be­po­li­tik der Stadt/Landesregierung, die Kür­zungs­pläne beim größ­ten Arbeit­ge­ber Uni­kli­nik, die stän­di­gen Miet­er­hö­hun­gen“. In ihrem Abgren­zungs­be­dürf­nis über­sieht die Gruppe Viel zu viel Arbeit frei­lich, dass alle diese von ihnen ein­ge­for­der­ten The­men in und um das soge­nannte DGB-„Bierfest“ zur Gel­tung kamen: sowohl an den Info­stän­den der zahl­rei­chen poli­ti­schen Initia­ti­ven als auch auf der Bühne, wo bei­leibe nicht nur „DGB-Funktionäre“, wie Viel zu viel Arbeit behaup­tet, gespro­chen haben. Dass auch wir uns nicht in allen Inhal­ten und Pro­gramm­punk­ten wie­der­fin­den, lässt sich aus­hal­ten, denn eine poli­ti­sche Pra­xis, die kei­ner­lei Kom­pro­misse ein­ge­hen kann, macht handlungsunfähig.

Volun­ta­ris­mus & Fundamentalkritik

Die Erhe­bung der ideo­lo­gisch moti­vier­ten anti­ge­werk­schaft­li­chen Pos­tion zum Dogma sowie das Beste­hen auf die radi­kalst mög­li­che Posi­tion – schein­bar als Selbst­zweck – ver­stellt der Gruppe Viel zu viel Arbeit den Blick auf tat­säch­li­che Lebens­rea­li­tä­ten und Ver­mit­tel­bar­keit. Es ist dies der glei­che Radi­ka­lis­mus und Volun­ta­ris­mus, für den Teile der Links­ra­di­ka­len schon immer anfäl­lig waren: Der­ar­tige Posi­tio­nie­run­gen brin­gen die Gruppe Viel zu viel Arbeit iro­ni­scher­weise nicht nur in ihrem Dog­ma­tis­mus, son­dern auch inhalt­lich in eine sicher nicht inten­dierte Nähe zu den K-Gruppen.[11]
Argu­men­ta­tiv wird die Fun­da­men­tal­kri­tik am DGB und sei­nen Gewerk­schaf­ten im Papier von Viel zu viel Arbeit außer­dem mit eini­gen Unsach­lich­kei­ten unter­mau­ert. So ist es zum Bei­spiel nicht rich­tig, dass der DGB, wie Viel zu Viel Arbeit behaup­tet, „[m]assenhafte Lohn­sen­kun­gen, län­gere Arbeits­zei­ten, weni­ger Kün­di­gungs­schutz, Agenda 2010 und Hartz IV“ mit­tra­gen würde. Tat­säch­lich hat sich der DGB gegen alle diese Punkte ausgesprochen.[12] „Mit­tra­gen“ tut er ledig­lich indi­rekt, indem er kei­nen mas­sen­haf­ten Wider­stand orga­ni­siert, was man ihm vor­wer­fen kann. Ob der DGB das nicht will oder nicht kann, oder wie es mit den inner­ge­werk­schaft­li­chen Kräf­te­ver­hält­nis­sen tat­säch­lich bestellt ist, wären hin­ge­gen inter­es­sante Fra­gen. Bezo­gen auf die­ses „Mit­tra­gen“ stellt die Gruppe Viel zu viel Arbeit die rhe­to­ri­sche Frage, was dar­aus fol­gen könne, „wenn nicht eine Fun­da­men­tal­kri­tik am DGB?“ Unser Vor­schlag wäre: Zum Bei­spiel eine Fun­da­men­tal­kri­tik an län­ge­ren Arbeits­zei­ten, weni­ger Kün­di­gungs­schutz, Agenda 2010 und Hartz IV, die offen­siv in den Gewerk­schaf­ten gestärkt wer­den muss.
Als Kron­zeu­gen für die not­wen­dige Fun­da­men­tal­kri­tik am DGB will Viel zu viel Arbeit auch die Arbei­ter des Ham­bur­ger Ver­pa­ckungs­her­stel­lers Neu­pack ins Feld füh­ren. Unse­res Erach­tens ist gerade dies bei­spiel­haft für die von Viel zu viel Arbeit betrie­bene Ideo­lo­gie­bil­dung. So rich­tig die Kri­tik des Jour Fixe der Ham­bur­ger Gewerk­schafts­lin­ken (bei dem es sich übri­gens nicht wie der Name sug­ge­riert um Gewerk­schafts­linke han­delt, son­dern viel­mehr um ein außer­ge­werk­schaft­li­ches syn­di­ka­lis­ti­sches Netz­werk), deren Pos­tion auch Viel zu viel Arbeit wie­der­gibt, am sozi­al­part­ner­schaft­li­chen Kurs der IG BCE und an den tak­ti­schen Feh­lern der Streik­füh­rung ist, so falsch ist der Schluss, den beide dar­aus zie­hen: „Ein eigen­stän­di­ger, d.h. nicht von der IGBCE getra­ge­ner Streik, hätte aus vie­ler­lei Grün­den nicht ein­mal sei­nen ers­ten Tag über­stan­den. Bei die­ser von Armuts­löh­nen gepräg­ten Beleg­schaft gilt das schon allein aus finan­zi­el­len Grün­den. Tat­säch­lich haben nur mate­ri­elle Unter­stüt­zun­gen, die die sat­zungs­mä­ßi­gen Leis­tun­gen der IGBCE bis an die Grenze aus­rei­zen, den Arbeits­kampf ermöglicht.“[13]

Bemer­kens­wert an der Posi­tion der Gruppe Viel zu viel Arbeit wie auch ande­rer Links­ra­di­ka­ler fin­den wir fer­ner, dass nur den Gewerk­schaf­ten ihr Refor­mis­mus vor­ge­wor­fen wird. Die Soli­da­ri­täts­ar­beit mit Flücht­lin­gen, das Ein­for­dern der Wie­der­her­stel­lung des Asyl­rechts, die kon­kre­ten Ver­su­che, Abschie­bun­gen zu ver­hin­dern: All dies ern­tet – natür­lich völ­lig zu recht – breite Soli­da­ri­tät. Wobei bei Licht betrach­tet all dies nichts wei­ter als blan­ker Refor­mis­mus ist. Aller­dings kommt kein Links­ra­di­ka­ler auf die Idee, Zusam­men­hänge wie Aktion Blei­be­recht oder SAGA für die­sen ihren Refor­mis­mus anzu­grei­fen. Und das ist auch gut so, denn zu wich­tig ist deren poli­ti­sche Arbeit.

Anti­fa­schis­ti­sche Linke Frei­burg, Januar 2015

Neu­ig­kei­ten und Infor­ma­tio­nen rund um den
anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen 1.Mai in Frei­burg:
www.antifaschistische-linke.de

 

[1] Vgl. Anti­fa­schis­ti­sche Linke Frei­burg (ALFR), Auf ein Neues — Aus­wer­tung des 1. Mai 2013 in Frei­burg, 06.03.2014, online unter http://www.antifaschistische-linke.de/?p=2816, abge­ru­fen am 14.01.2015.
[2] Vgl. Anti­fa­schis­ti­sche Linke Frei­burg (ALFR), Posi­ti­ons­pa­pier der ALFR – Anti­fa­schis­ti­schen Linke Frei­burg zum Sze­ne­tref­fen zur Wie­der­be­le­bung des rev. 1.Mai 2013 in Frei­burg, Februar 2003, online unter http://www.antifaschistische-linke.de/?p=1410, abge­ru­fen am 05.11.2014.
[3] Vgl. Viel zu viel Arbeit, Iden­ti­tär vs. Reak­tio­när vs. ALFR. Anmer­kun­gen zum Posi­ti­ons­pa­pier der Anti­fa­schis­ti­schen Lin­ken Frei­burg zum 1. Mai, in: trend online­zei­tung 05–2013 unter http://www.trend.infopartisan.net/trd0513/t010513.html, abge­ru­fen am 04.11.2014. Aus Grün­den bes­se­rer Les­bar­keit wird sich im Fol­gen­den, wenn nicht anders gekenn­zeich­net, auf die­sen Text bezo­gen.
[4] Vgl. Anti­fa­schis­ti­sche Linke Frei­burg (ALFR), Selbst­ver­ständ­nis der Anti­fa­schis­ti­schen Lin­ken Frei­burg (ALFR). Wer wir sind und was wir wol­len, Frei­burg im Breis­gau 2009, S. 2– 20, online unter http://www.antifaschistische-linke.de/PDF/ueberuns.pdf, abge­ru­fen am 04.11.2014.
[5] Vgl. Kurz, Robert, Auf der Suche nach dem ver­lo­re­nen sozia­lis­ti­schen Ziel. Mani­fest für die Erneue­rung revo­lu­tio­nä­rer Theo­rie, hrsg. v. Initia­tive Mar­xis­ti­sche Kri­tik (IMK), Erlan­gen 1988, S. 91– 92, online unter http://www.exit-online.org/link.php?tabelle=buecher&posnr=7, abge­ru­fen am 04.11.2014.
[6] Exem­pla­risch: vgl. DIW-Studie. Rei­che wer­den rei­cher, Arme wer­den mehr, in: Zeit Online am 24.04.2014 unter http://www.zeit.de/wirtschaft/2014–02/diw-studie-vermoegensverteilung-deutschland, abge­ru­fen am 11.11.2014; vgl. aar, Stu­die: Ein Pro­zent der Mensch­heit besitzt Hälfte des welt­wei­ten Reich­tums, in: SPON am 20.01.2014 unter http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/oxfam-studie-kluft-zwischen-armen-und-reichen-waechst-a-944474.html, abge­ru­fen am 11.11.2014.
[7] Hein­rich, Michael, Kri­tik der poli­ti­schen Ökono­mie. Eine Ein­füh­rung, Stutt­gart 32005 (Theorie.org), S. 195; online unter Hein­rich, Michael, Klas­sen, Klas­sen­kampf und Geschichts­de­ter­mi­nis­mus, in: Trend Online­zei­tung 01/05 unter http://www.trend.infopartisan.net/trd0105/t080105.html, abge­ru­fen am 11.11.2014; Äußerst lesens­wert in die­sem Zusam­men­hang – der Frage nach kon­kur­rie­ren­den Kon­stel­la­tio­nen inner­halb des Kapi­tal­la­gers, kon­kret zwi­schen Mana­gern als „fun­gie­ren­den Kapi­ta­lis­ten“ gegen­über Anteils­eig­nern – ist ein pole­mi­scher Bei­trag Georg Fül­berths aus der Kon­kret vor dem Hin­ter­grund der Debatte um das Maß von Manager-Gehältern: vgl. Fül­berth, Georg, Zwei­klas­sen­kampf. Wer hat warum den ehe­ma­li­gen Post­chef Zum­win­kel ent­tarnt?, in: Kon­kret. Poli­tik & Kul­tur 52. Heft 04/April 2008, S. 26, online unter http://www.konkret-verlage.de/kvv/txt.php?text=zweiklassenkampf&jahr=2008&mon=04, abge­ru­fen am 11.11.2014.
[8] Fül­berth, a.a.O., S. 26.
[9] Vgl. ALFR, Posi­ti­ons­pa­pier, a.a.O.
[10] Exem­pla­risch: vgl. FAU IAA, Prin­zi­pi­en­er­klä­rung der Freien Arbei­te­rin­nen– und Arbeiter-Union FAU IAA. Internet-Edition, Leip­zig 2006, S. 11, online unter http://www.fau.org/ueber_uns/prinzipienerklaerung_web-2006.pdf, abge­ru­fen am 16.12.2014.
[11] So heißt es etwa im recht aktu­el­len pro­gram­ma­ti­schen Selbst­ver­ständ­nis des Kom­mu­nis­ti­schen Auf­bau: „Die DGB-Gewerkschaften und andere gelbe Gewerk­schaf­ten kön­nen nicht erobert wer­den, son­dern müs­sen im Pro­zess der Revo­lu­tion zer­schla­gen wer­den. Statt­des­sen muss eine klas­sen­kämp­fe­ri­sche Arbei­te­rIn­nen­be­we­gung auf­ge­baut wer­den“: Kom­mu­nis­ti­scher Auf­bau, Pro­gram­ma­ti­sches Selbst­ver­ständ­nis von ‘Kom­mu­nis­ti­scher Auf­bau’, in: Kom­mu­nis­ti­scher Auf­bau, Ein Gespenst kehrt zurück… Kom­mu­nis­ti­sche Par­tei im 21. Jahr­hun­dert, keine Orts­an­gabe 2014, S. 26– 28, S. 27; online unter http://komaufbau.org/wp-content/uploads/2014/05/Ein_Gespenst_kehrt_zurueck-Kommunistische_Partei_im_21._Jahrhundert.pdf [abge­ru­fen am 06.11.2014]; vgl. Kom­mu­nis­ti­scher Auf­bau, Ein Gespenst kehrt zurück… Kom­mu­nis­ti­sche Par­tei im 21. Jahr­hun­dert, keine Orts­an­gabe 2014, S. 6; vgl. ebd, S. 8– 9; vgl. ebd, S. 19; online unter http://komaufbau.org/wp-content/uploads/2014/05/Ein_Gespenst_kehrt_zurueck-Kommunistische_Partei_im_21._Jahrhundert.pdf [abge­ru­fen am 06.11.2014].
[12] Exem­pla­risch: vgl. Deut­scher Gewerk­schafts­bund (DGB), Agenda 2010 hat Spal­tung der Gesell­schaft vor­an­ge­trie­ben, Pres­se­mit­tei­lung 038 vom 13.03.2008, online unter http://www.dgb.de/presse/++co++457f6bd4-155f-11df-4ca9-00093d10fae2, abge­ru­fen am 11.11.2014.
[13] Hum­burg, Harald, Mehr als 8 Monate Arbeits­kampf bei Neu­pack. Pre­kär Beschäf­tigte weh­ren sich. Erfah­run­gen, Schluss­fol­ge­run­gen, Leh­ren – ein ers­ter Ver­such. Stand August 2013, online unter http://www.labournet.de/wp-content/uploads/2013/08/Neupack-Humburg.pdf, S. 6.

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