Bericht zum 7., 8. und 9. Verhandlungstag gegen Isa

Themen: 
Regionen: 
Event: 

Der Prozess gegen Isa schreitet voran. Ungefähr die Hälfte der angesetzten Verhandlungstage ist abgearbeitet und das Gericht macht jetzt Sommerpause bis August. Am 1. August geht es um 9:30 im Saal B218 in der Wilsnacker Straße 4 weiter. Hier nun wie versprochen die (auch von den Bullen sehnsüchtig erwarteten) Berichte der letzten drei Verhandlungstage.

7. Verhandlungstag

Jose Benitez-Lopez wurde vernommen. Er war von der Richterin Keune in der ersten Instanz geladen worden, nur um die Gefährlichkeit der Rigaer94 zu betonen (siehe dazu https://verfahrengebiet.noblogs.org/post/2018/07/17/371/). Den Vorfall vor der Bäckerei2000 hat er nicht mitbekommen, sondern kam später hinzu, als die Denunziant_innen das erste Mal bedroht worden sein wollen. Nachdem er die Rigaer94 und den Bewohner Isa sowie seine „polnische Sippe“ als Schande für die Linke Szene bezeichnet hatte, wurde er nach eigener Aussage folgendermaßen bedroht: „Redet nicht mit den Bullen, wir wissen wo ihr wohnt.“ Obwohl er Teil der Denunzianten-Staatsschutz-Staatsanwaltschaft-Gruppe ist, wurde er nicht weiter dazu befragt. Eigentlich ist dazu ja auch schon alles klar geworden. Sowohl der Richter, als auch die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung zeigten wenig Interesse, seine Ausfälle nochmal live zu erleben. Für seine letztlich bedeutungslose Rolle hat Jose Benitez-Lopez sehr viel Stress auf sich genommen.

8. Verhandlungstag

Zu Beginn erzählte der Richter, dass er eine schriftliche Anfrage aus der Wedekindwache (Abschnitt 51) erhalten hatte. Darin wurde darum gebeten, zum Prozesstag einen eigenen Beobachter namens Herr Goleschni (phon.) entsenden zu dürfen, um für die Polizeiarbeit gegen die Rigaer Erkenntnisse gewinnen zu können. Schon am 2. Prozesstag war ein zivil gekleideter Beamter im Gerichtssaal enttarnt worden, der offenbar ohne Wissen des Richters das Verfahren ausspionieren wollte und folglich rausgeschmissen wurde (siehe Prozessbericht Tag 2: https://de.indymedia.org/node/32917). Daher nun wohl der Weg über die offizielle Anfrage. Außerdem wurde darum gebeten, dass Herr Goleschni auch in den Prozesspausen im Gerichtssaal bleiben dürfe, vermutlich um auch die informellen Gespräche verfolgen zu können, die oft einen wesentlichen Teil deutscher Gerichtsprozesse ausmachen. Der Richter erteilte der Wedekindwache eine Abfuhr.

So musste der erste Zeuge, PK Dominik Heller, ohne Rückendeckung aussagen. Heller, der seit seinen Rigaer Straßeneinsätzen – stets mit Pfefferlöscher im Anschlag - in die Direktion Einsatz im Stab IV der Polizeipräsidentin aufgestiegen ist, erschien zum zweiten Mal in der Berufungsverhandlung. Beim ersten Mal wurde seine Vernehmung abgebrochen, weil er einfach nichts zur Einsatzkonzeption Rigaer Straße sagen wollte (https://verfahrengebiet.noblogs.org/post/2019/06/06/prozessbericht-tag-4-5/). Ihm wurde vom Gericht Zeit eingeräumt, sich eine Aussagegenehmigung durch seine Vorgesetzten einzuholen. Auf Vorschlag des Richters wurde durch die Anwälte Isas ein Fragenkatalog erstellt, um die Aussagegenehmigung konkreter gestalten zu können. Wie erwartet kam diese dann auf den letzten Drücker – präziser: wenige Stunden vor seiner Aussagefortsetzung - und hatte eher den Charakter einer Aussageverweigerung. Sie war entsprechend minimalistisch und eine Begründung für die Geheimniskrämerei wurde nicht geliefert.

Bei der Befragung durch Isas Anwalt berief sich Heller logischerweise dann permanent darauf, dass er keine Aussagegenehmigung über polizeitaktische Fragen hätte. Lediglich dazu, dass er Isa auf jeden Fall erkannt habe, als dieser vermummt aus sieben Meter Entfernung Pfefferspray vor ihn sprühte, präsentierte er seine bereits bekannte Geschichte. Und dass Isa ihm ein andern Mal gesagt hätte, wenn er keine Waffe hätte, würde er ihn umlegen. Es kam heraus, dass Heller auch manchmal in Zivil eingesetzt wurde. Und einmal entglitt ihm dann doch ungewollt: „Ich darf nichts sagen, was in den Akten zu ihrem Mandanten steht.“ Und auf Nachfrage: „Es wird schon eine Akte geben, die ich natürlich nicht kenne.“ Es gibt also wohl in der Einsatzkonzeption Rigaer Straße Personenakten, die nicht ans Licht kommen sollen.

Schön war, dass Heller bei dem ganzen Rumgelüge und Geheimnisgetue Fehler machte. Z.B. hatte er sich in der ersten Instanz an eine seiner zahlreichen Anzeigen gegen Isa gar nicht mehr erinnert. In der aktuellen Instanz jedoch war diese Anzeige wegen Beleidigung bei ihm wieder total präsent. Seine Begründung für dieses Mysterium lautet: im Outlook-Kalender auf der Dienststelle habe er nach der ersten Instanz lesen können, dass sein Kollege zu diesem Vorwurf zu Gericht geladen war und dabei sei ihm alles „siedendheiß“ wieder eingefallen. Pech nur, dass seine Kollegen angegeben haben, dass der Outlook-Kalender diese Information nicht enthält. Hellers Falschaussage wurde von der Verteidigung entlarvt und sowohl der Richter als auch die Staatsanwältin Eppert stimmten der Protokollierung dieser zu. Die Staatsanwaltschaft müsste daher von Amts wegen ein Strafverfahren gegen Heller einleiten.

Da Heller der einzige Zeuge im gesamten Verfahren ist, der Isa eindeutig belastet, könnte der Umstand, dass Heller sogar seine Karriere im Stab der Polizeipräsidentin riskiert, um eine Haftstrafe zu erwirken, von Bedeutung sein. Der Pfeffersprayeinsatz gegen einen Bullen wird mit mindestens 6 Monaten Freiheitsstrafe sanktioniert. Heller weiß um die politische Zielsetzung des Einsatzkonzeptes und Heller hasst Isa außerdem, weil er dickere Arme als er hat, wie er in der ersten Instanz mehrmals betonte. In juristischem Jargon heißt das wohl erheblicher Belastungseifer. Das macht ihn aber auch zum Vorzeigebullen und das weiß die Polizeipräsidentin gewiss zu schätzen.

Im Anschluss an Heller wurde noch der Schutzmann Schünemann (phon.) vernommen. Er soll bei besagtem Pfeffersprayeinsatz in Hellers Gruppe gewesen sein. Er gab an, dass seine Einheit an diesem Abend den Türschlitz der Rigaer94 entfernen wollte, aus dem sogar schon mal Feuer gekommen sei. Gemeint ist der Briefkasten. Zum Vorfall selbst konnte er nichts sagen, außer dass er die Datei angelegt hätte, in der der Bericht dazu angefertigt wurde. An vielen Stellen verweigerte er die Aussage mit der selben Begründung wie Heller. Er war es, der zum Ende seiner Aussage Heller final in die Scheiße ritt, da er auf Epperts Initiative klipp und klar stellte, wie der Outlook-Kalender in echt funktioniert.

9. Verhandlungstag

Ein sogenannter „Sprungtermin“ - also ein Fake, um die Regelung zu umgehen, dass in Strafprozessen eigentlich die Unterbrechungslänge nach oben hin begrenzt ist. Alle haben mitgespielt und von der Verteidigung wurde ein Antrag als „Programmpunkt“ vorgelesen. Dieser Antrag hat es aber in sich. Beantragt wurde die Ladung der Staatsschutzbeamtin Zara Pulver, die zusammen mit Sebastian Kayser und anderen Unbekannten eigene Personenregister angelegt hat, um ihren persönlichen Naziaktivitäten nachgehen zu können. Bekannt wurde, dass sie ca. 40 Leuten aus dem vermeintlichen Umfeld der Rigaer Drohbriefe geschickt haben. Zara Pulver hat außerdem die Zeug_innengruppe aus der Rigaer/Liebig12 mit aufgebaut und betreut. Vermutlich war sie es, die 3 Treffen und 24 Telefonate organisierte, die zur Koordination von Zeug_innen, Staatsschutz und Staatsanwaltschaft in diesem Verfahren dienten.

Interpretation

Die letzten Verhandlungstage haben nicht den Frieden durchbrochen, der für diese Instanz bisher kennzeichnend ist. Doch es könnte spannender werden, wenn es am 1. August weitergeht.

Die Bullen haben klar gemacht, dass es ihnen extrem wichtig ist, die Einsatzkonzeption Rigaer Straße unter Verschluss zu halten. Mit der angestrebten Entsendung eines Agenten in den Prozess haben sie auch gezeigt, dass ihre Einsatzkonzeption sich dynamisch an die Lage anpassen soll. Es ist für höchste Stellen bei den Bullen anscheinend wesentlich, ob in Gerichtsverfahren ihre Repressionsstrategien weitergeführt oder verhindert werden. Die vorgelegte „Aussagegenehmigung“ zu Fragen betreffend der EK Rigaer lässt eine Verzögerungstaktik vermuten. Möglicherweise nutzen sie den entstandenen Zeitraum bis nach der Sommerpause des Gerichts dazu, Spuren zu verwischen und die Konzeption umzuschreiben. Unter keinen Umständen wollen sie preisgeben, dass seit 2017 Einsatzkräfte auf bestimmte Personen im Nordkiez angesetzt wurden, die zu einer Art Staatsfeind Nr. 1 erklärt wurden. Jenseits der Einsatzkonzeption ist dieser Umstand kein Geheimnis: eine Person, die dem selben Personenumfeld wie Isa zugerechnet wird, wird als Gefährder geführt.

Doch ob die Bullen Einblicke in die EK Rigaer überhaupt zulassen werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar. Offensichtlich ist, dass seit der ersten Erwähnung der Einsatzkonzeption alle aussagenden Bullen eine Anweisung von Oben bekommen haben, auf heikle Fragen mit einer Aussageverweigerung zu reagieren. Ob sie das so durchziehen können, wird auch vom Richter abhängen. Sollte dieser die Bullen weiterhin so rücksichtsvoll behandeln, wird es zu einem juristischen Showdown kommen müssen, an dessen Ende ein anderes Gericht über die Aussageverweigerungen entscheidet. Wer an den Machenschaften der Bullen interessiert ist, kann gerne auch von der Zuschauerbank oder außerhalb des Gerichtssaals Druck aufbauen.

 

Nächster Prozesstermin:

1. August, 9:30

Wilsnacker Straße 4

Saal B218

Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen