„Die Ketzer*innen“, von Gabriel Pombo Da Silva
Seit über einem Jahr ist der ehemalige FIES Gefangene und Anarchist, Gabriel Pombo da Silva, auf der Flucht. Dies ist ein Text der vor einigen Tagen aufgetaucht ist.
Von uns übersetzt, Quelle: Indymedia Barcelona
Ketzer*innen, wie Bandit*innen, wissen, dass der Verlust ihrer Freiheit sie unwiderruflich zum Schafott führt. Ein Gericht erwartet sie, das ihnen Rechenschaft über ihre Taten ablegen wird. Ein Gericht, das seine Macht und seine absolute Vernunft im Namen Gottes, des Volkes, des Königreichs oder des Staates ausüben wird. Macht und Vernunft sind Akte des autoritären Synkretismus, die im Laufe der Jahrhunderte von den Besitzern der Erde, der Meere und des Himmels entwickelt wurden. So ist sich auch der/die individualistische Anarchist*in – Ketzer*in und Bandit*in zugleich – bewusst, dass ihre Überzeugung, der Besitz ihre eigene Macht und ihre eigenen Gründe sie zum Scheiterhaufen führen. Wie eine Motte sucht er/sie das Licht und erliegt. Wie Ikarus als er nach oben flog und die Sonne die Flügel zum Schmelzen brachte. Wie Prometheus stiehlt er das Feuer der Götter für sich selbst und erleidet die ewige Strafe.
Das Drama der Anarchist*innen ist ihre Leidenschaft für die Freiheit, ihre unermüdliche Suche nach Kompliz*innen, die sie selten finden. Sie verachten den Konformismus der Herde, die Feigheit der Menge, den Dogmatismus jedes Glaubens.
Jeder Priester – von jedem „ismus“ – hasst ihn/sie, weil er ihn/sie nicht kontrolliert, ihm nicht gehorcht, nicht auf ihn hört; und wenn er seine Stimme erheben kann, um jeden Hinweis auf Macht und Autorität zu untergraben. Manchmal werfen diese einsame Rächer*innen die Bombe oder nageln den Dolch mit der Absicht – immer – Chaos in der Ordnung der Vernunft zu säen, die streng als Gesetz oder höchste Wahrheit festgelegt ist. In anderen Fällen verschmelzen sie zu Unzufriedenen mit der Absicht, Aufstände zu entfesseln. Aber die meiste Zeit verbringen sie mit Lesen, denn ihr bester Freund und Zeitvertreib ist das Wissen darüber, was war und was ist. Sie bergen keine Illusionen oder Hoffnungen, sondern Überzeugungen. Sie wissen, dass Wissen ihre Stärke ist und diese gibt ihnen Selbstbestimmung. Sie leben jeden Tag, als wäre es ihr letzter. In einer Sklavengesellschaft wird die Freiheit mit dem Tod bestraft. Sie ergeben sich nicht, sie klagen nicht, sondern lästern, greifen an und enteignen. Es gibt nicht viele von ihnen, aber selbst diese wenigen machen jeder Regierung sorgen, gerade weil sie unregierbar sind; Liebhaber*innen der totalen Freiheit. Was auch immer das war. Sie erfinden sich bei jedem Schritt, mit jedem Schlag, mit jedem Kuss neu. Sie sind keine Strategen, weil sie kein endgültiges Ziel haben und daher ihre Handlungen den Zorn von Zugehörigen und Fremden auslösen. Sie haben nicht mehr „Befürworter*innen“ als die, die sie kennen und lieben, und befreien ihre ikonoklastischen Barbarei. Oftmals werden sie in Zeitungen karikaturiert, weil sie auf diese Weise denken, dass sie die Menschen daran hindern, sich zu fragen: Wer sind diese Verrückte? Was wollen sie? Wie erklären sie den Bürgern, die ihr Leben und ihre Gedanken an andere delegieren, wer die Anarchist*innen sind?
Ja, das sind Verrückten und sie wollen nichts anderes als alles. Alles, was ihnen genommen wurde, und niemand kann es ihnen zurückgeben, stattet es wieder zurück. Da haben sie es! Sie haben keine „Argumente“, Feuer und Schießpulver sprechen für sie. Ein Kilo Dynamit und ein Gedicht. Ein Kilo Schwarzpulver und eine neue Ketzerei. Ein „Hände hoch“ und sie gehen. Artefakte, die ihre Banken, Gerichte, Kommissare, Kasernen, Kirchen und politischen Zentren zerstören…..
Wonach suchen diese Verrückten? Nach Nichts! Das zerstörerische Nichts, das der wilden Natur Platz macht. Blumen bahnen sich unter den Ruinen ihrer fauligen „Zivilisation“.
Gabriel Pombo Da Silva,
Am 5 de junio de 2019.
Von irgendwo in der alten Welt
PS: gewidment an unsere im Kampf gefallene, an unsere Gefangene des anarchischen Krieges, an unsere Geflüchtete und an alle anarchistischen Mit-Verschwörer*innen die die Nacht erleuchten