(DE/ENG) Die plattform: Interview mit der Anarchist Communist Group (ACG) aus Großbritannien

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Wir freuen uns euch dieses Interview präsentieren zu können, welches wir im April 2019 mit der “Anarchist Communist Group” (ACG) aus Großbritannien geführt haben. Die Organisation ist vergleichsweise neu und ist aktuell mit West Yorkshire, Leicestershire, Surrey und London in 4 Regionen aktiv. Auch das Knüpfen von internationalen Kontakten ist ein wichtiger Bestandteil unserer aktuellen Aufbauarbeit. Die Genoss*innen werden andersherum auch ein Interview mit uns führen, Aber nun wünschen wir euch erst einmal viel Freude mit dem bereits vorhandenen und – wie wir finden – spannenden Interview mit der ACG. Gemeinsam vorwärts zum anarchistischen Kommunismus!

Eine englische Version des Interviews findet ihr weiter unten.

Habt ihr eine langfristige bwz. eine kurzfristige Strategie? Wenn ja, wie sehen sie aus?

Unsere langfristige Strategie ist der Aufbau einer anarchistisch-kommunistischen Bewegung , mit starker Verankerung in der Arbeiter*innenklasse, die eine Revolution und den Aufbau einer neuen Gesellschaft anstrebt.

In näherer Zukunft wollen wir eine neue und dynamische Organisation aufbauen, welche die Möglichkeit hat militante Menschen anzuziehen und den Wiederaufbau anarchistisch-kommunistischer Organisierung im Vereinigten Königreich vorantreiben.

Wie ist euer Verhältnis zur Anarchist Federation?

Unsere Ursprünge liegen in der Anarchist Federation – IFA. Die Gründungsmitglieder der ACG waren zuvor Mitglieder in der AF. Drei der Gründer der ACG waren Mitglieder der Vorgängerorganisation der AF, der Anarchist Communist Federation (1986). Zur Zeit verwenden wir die Ziele und Prinzipien der AF. Wir betrachten uns als die Erben dessen was an der AF am besten war.

Wir sind der Meinung, dass die AF ihre Richtung verloren hat und sich zu einer synthetischen Organisation entwickelt hat, welche sich zur anarchistischen “Szene” hin orientiert. Jedoch sind immer noch gute Militante in der Organisation, mit welchen wir, wenn immer es uns möglich ist zusammen arbeiten.

Was ist euer Verhältnis zu Plattformismus? Steht ihr in Kontakt zu anderen plattformistischen Gruppen in anderen Ländern? Wie sieht eure Beziehung zu diesen aus?

Wir stimmen mit den wichtigsten Grundsätzen der Organisationsplattform der libertären Kommunisten überein: Taktische und theoretische Einheit. Wir lehnen “synthetischen” und “catch-all” Anarchismus ab. Gleichzeitig würden wir uns nicht als plattformistische Organisation bezeichnen.

Der Grund dafür ist, dass wir Differenzen mit dem Plattformismus haben, insbesondere die Idee eine einzige allgemeine Union von Anarchist*innen zu errichten. Darüber hinaus denken wir, dass die Arbeiterbewegung viele Erfahrungen vor und nach 1926 gemacht hat, wie die Erfahrung des Rätekommunismus, Elemente des autonomen Marxismus und so weiter. Wir haben eine starke Differenz mit der Plattform bezüglich einiger Aspekte der Entscheidungsfindung.

Wir stehen in Kontakt mit einigen Gruppen, welche sich selbst als plattformistisch oder als “especificist” bezeichnen würden aber wir sind uns auch bewusst, das die Politik einige dieser Gruppen nicht unsere Politik ist, zum Beispiel die Unterstützung nationaler Befreiungskämpfen, ein reformistischer gewerkschaftlicher Ansatz und historisch die Teilnahme an Wahlen.

In machen Bereichen können wir mit plattformistischen Gruppen international zusammen arbeiten und würden das gerne auch tun.

Welche sozialen und politischen Kämpfe werden gegenwärtig in GB ausgetragen? In welche davon seid ihr involviert und wie? Habt ihr euch entschieden in manchen dieser Kämpfe nicht involviert zu sein und warum?

Da wir eine kleine Gruppe sind und zudem noch geografisch zerstreut müssen wir uns genau überlegen wohin wir unsere Energie und andere Ressourcen investieren.

Wir waren aktiv in den Kampf gegen Univesal Credit. Universal Credit ist eine austeritätspolitische Maßnahme, welche sich als als Sozialleistungsreform tarnt. Die Reform hat erheblich Folgen für viele Menschen aus der Arbeiter*innenklasse und führt Menschen in prekäre Lebenslagen. Wir unterstützendarüber hinaus aktiv die Jugend-Klimabewergung, die mittlerweile tausende Schüler*innen auf die Straße bringt. Wir engagieren uns im Land Justice Network, welches sich für eine Landreform einsetzt. Viele unserer Mitglieder betätigen sich gewerkschaftlich sowohl in ihrem Betrieb als auch in der IWW. Auch das Thema Wohnen ist ein Kampf in den wir uns einbringen. Im Grunde genommen ist es unser Anliegen, uns in Auseinandersetzungen einzubringen, welche die Arbeiter*innen klasse beeinträchtigen. Das schließt eine Vielzahl von Kämpfen ein.

Wie steht ihr zum Brexit? Spielt er in eurer politischen Praxis überhaupt eine Rolle?

Zum Brexit nehmen wir eine neutrale Position ein. Wir lehnen sowohl die Lager der Befürworter als auch der Gegner eines Brexit ab, da keines der beiden Lager der großen Mehrheit der Menschen, sowohl in diesem Land als auch im Rest von Europa etwas anzubieten hat. Bei dem Konflikt handelt sich um die politische Auseinandersetzung zwischen zwei Kapitalfraktionen und er steht symbolisch für eine tiefere Krise der Ideologie der herrschenden Klasse. Im Vereinigten Königreich gab es eine Lexit- also eine linke Brexit-Kampagne welche die Idee der nationalen Souveränität unterstrich. Wir stimmen mit der Kampagne dahingehend überein, dass wir die EU als ein neoliberales Projekt sehen aber die Vorstellung, dass das Vereinigte Königreich sich dahingehend in irgendeiner Weise unterscheidet ist bizarr. Unsere Alternative heißt: Klassenkampf von unten und aktiver Internationalismus.

Wie ist der Zustand der anarchistischen Bewerbung in Britannien? Werdet ihr mehr und stärker? Wie sind die Beziehungen zwischen organisierten Anarchist*innen und nicht-formell-organisierten Anarchist*innen?

Unserer Überzeugung nach existiert keine anarchistische Bewegung in GB. Es existieren mehrere Gruppen auf nationaler Ebene hervorzuheben sind die Anarchist Federation, die Solidarity Federation (organisiert in der IAA) und Plan C. Plan C bezeichnet sich selbst als antiautoritär kommunistisch aber Teile der Organisation orientieren sich zur Sozialdemokratie d. . zur Labour Party. Diese Gruppen arbeiten seltenst zusammen, obwohl es lokal diesbezüglich einige Vorstöße gibt, insbesondere bei antifaschistischer Arbeit.

Die formell-organisierten Gruppen sind verhältnismäßig klein. Die meisten selbsternannten Anarchist*innen bevorzugen lokale, themenspezifische und im schlimmsten Fall ghettoisierte Arbeit oder die lose Organisation in der IWW. Die IWW ist ein Anziehungspol für Anarchist*innen und libertäre Linke, in manchen Fällen als alternative zu einer spezifisch politischen Organisierung, ob nun anarcho-syndikalistisch oder anarcho-kommunistisch. ACG-Aktivisten sind auch in der IWW aktiv. Diese Umstände sind sowohl ein Ausdruck des Versagens der klassenkämpferischen Anarchist*innen diese Menschen anzuziehen als auch ein Ausdruck des Einflusses von lokal-orientierten und gegen Organisierung gerichteten Tendenzen im britischen Anarchismus.

Wir arbeiten eng mit der Revolutionary Anarchist Group aus Birmingham zusammen. Die Gruppe ist eine von mehreren vielversprechenden lokalen Initiativen.

Wie sieht eure Öffentlichkeitsarbeit aus?

Wir nutzen eine zentrale Webseite, lokale Webseiten für unsere Gruppen und Twitter. Wir bemühen uns, regelmäßig öffentliche Veranstaltungen abzuhalten, etwas das nur sehr wenige anarchistische Gruppen tun und wir haben einen jährlichen Schulungstag, genanntLibertarian Communism. Wir veröffentlichen vierteljährlich das Bulletin Jackdaw (zu deutsch: Dohle), eine Broschüre, Sticker und Flugblätter. Wir versuchen präsent zu sein, wo immer wir können. Wir sind nicht daran interessiert uns auf uns selber oder eine imaginäre Bewegung zu konzentrieren und nur mit Jenen zu reden, die sowieso schon auf unserer Seite sind.

Hier in Deutschland gibt es so gut wie kein Klassenbewusstsein. Wie ist diesbezüglich die Situation in GB? Welche Entwicklungen gibt es in der britischen Arbeiter*innenklasse?

Die Arbeiter*innenklasse befindet sich überall auf dem Rückzug vor den Auswüchsen eines Kapitalismus der von Krise zu Krise, von Krieg zu Krieg taumelt. Das Klassenbewusstsein hat abgenommen. Es gibt Verwirrung, Orientierungslosigkeit und und auch falsches Bewusstsein. Teile der Linken haben sich von der Arbeiter*innenklasse verabschiedet und betrachten sie nicht mehr als potentiell emazipative sozialistische Kraft. Wir betrachten die Arbeiter*innenklasse als divers. Wir reduzieren die Klasse nicht auf die Industriearbeiter*innen, welche in GB mit Veränderungen in der Arbeitswelt immer weniger werden. Aber überall haben Arbeiter*innen gemeinsame Interessen. Wir müssen Hierarchien und die Machtverhältnisse die mit diesen einhergehen überwinden, dies jedoch immer mit dem Hintergrund uns in einem gemeinsamen Kampf zusammenzuschließen.

English

We are happy to present you our interview with the Anarchist Communist Group (ACG) from Great Britain. The organization is relatively new. They are active in four regions: West Yorshire, Leicestershire, Surry and London. To connect internationally with other organizations is an important part of our current work to establish our Federation. An interview of the ACG with us is also already in planning. For now we wish you a pleasant lecture with this one.

In international solidarity towards anarchistic communism!

Do you have a long term or short term strategy? If so what is it?

The long term strategy is to contribute to the building of an anarchist communist movement with firm roots in working class struggles, leading to a revolution and the creation of a new society.

In the short term, we seek to establish a new and dynamic organisation which can attract militants and begin to re-establish anarchist communist organisation in the UK.

What is your relation towards the Anarchist Federation?

Our origins are in the Anarchist Federation – IFA. The founders of the ACG were previously member of the AF and included the three of the remaining founder members of the precursor of the AF, the Anarchist Communist Federation (1986). Presently, we use the Aims and Principles of the AF and we consider ourselves the inheritors of what was best of the Anarchist Federation.

We feel the AF has lost its direction and has become more like a synthesis organisation that orientates towards the anarchist ‘scene’. However, there remain good militants within it and we work with them wherever that is possible.

What is your relation towards platformism? Are you in contact with other
platformist groups in other countries? Whats your relation towards them?

We agree with the key tenets of the Organisational Platform of the Libertarian Communists: Tactical and Theoretical Unity, Collective Responsibility and Federalism. We reject the ‘synthesis’ and ‘Big Tent’ anarchism. But neither would be call ourselves a Platformist organisation.

This is because we have differences with the Platform, particularly the idea of creating a single General Union of Anarchists but also because we think there’s so much that has been learned before and since 1926 in the broader workers movement such as the experience of council communism, elements of autonomist Marxism etc. We have quite strong disagreements with the platform on some aspects of decision-making.

We are in contact with some of the groups which would describe themselves as Platformist or Especificist but we are also aware that the politics of some groups in that tradition are not ours, for example support for national liberation struggles, a reformist approach to trade unionism and, historically, electoralism.

In areas where we can work together with Platformist groups internationally, we wish to do so.

Which social or political struggles are currently fought in Great Britain? In which of those are you involved and how? Did you decide not to be involved in some of them and why?

Being a small and geographically dispersed group. We have had to consider seriously where we put our energies and resources.

We have been actively involved in the fight against Universal Credit, which is another austerity measure disguised as a benefit reform. It is impacting large numbers of working class people and is causing serious hardship. We are also active supporting the Youth Climate Change actions, where thousands of school students are taking to the streets. We have been involved in the Land Justice Network, which agitates around land reform. Many of our members are involved in organising in their workplace and in the IWW. Housing is also an area of struggle for us. Basically, the priority is to be involved with issues that affect the working class, which does include a wide variety of things.

 

How do you see the Brexit? Does it even matter to your political practice?

We have taken a neutral position on Brexit. We reject both the Remain and Brexit camps because neither offer anything for the vast majority of people in this country or in the rest of Europe. It is a political falling out between two factions of capital and is symbolic of the general crisis of ruling class thinking. In the UK there has been a Lexit or Left-wing Brexit campaign which points to the neo-liberal nature of the European Union and which defends the notion of national sovereignty. We agree that the EU is a neo-liberal project but to imagine that the UK is any different is bizarre. We have an alternative: working class struggle and active internationalism.

Whats the state of the anarchist movement in Britain? Is it increasing
or decreasing in number and power? What is the relation between formally
organized anarchists and non formally organized anarchists?

We do not believe there is an anarchist movement in the UK. There are several nationally organised groups, notably the Anarchist Federation, the Solidarity Federation (AIT-affiliate) and there is Plan C, which describes itself as ‘anti-authoritarian communist’ but part of which has an orientation towards social democracy via the Labour Party. These groups rarely work together, although there are local initiatives, particularly around anti-fascist actions.

The formally organised groups are relatively small. Most self-described anarchists prefer local, single-issue and, at worst, ghettoised activity or immersion in the Industrial Workers of the World (IWW). The latter has proved to be a pole of attraction for anarchists and libertarian left individuals, sometimes as an alternative to specific political organisation whether anarcho-syndicalist or anarcho-communist. ACG militants are also active in the IWW. This is, perhaps, both an expression of the failure of the organised class struggle anarchists to attract them and also a reflection of the influence of localism and anti-organisational tendency in British anarchism.

We work closely with the Revolutionary Anarchist Group, based in Birmingham. They are one of a number of local initiatives that are promising.

 

Hoe do you work on your public relations?

We have a central website, local websites for our Groups and we have Twitter. We try to hold regular public meetings, something which very few anarchist groups do and we have an annual Dayschool called Libertarian Communism. We produce a quarterly bulletin, Jackdaw, a pamphlet series, stickers and leaflets. The ACG tries to have a presence wherever we can. We are uninterested in looking inwards to some imaginary movement and only talking to those who are already on our side.

Here in Germany there is next to none class consciousness. What’s the
situation in Britain? Which developments can be seen in the British
working class?

The working class everywhere has been in retreat under the blows of a capitalism lurching from crisis to crisis, from war to war. Class consciousness has waned. There is confusion and disorientation and, indeed, false consciousness. Parts of the left have waved goodbye to the working class and see them as lost to socialism. We see the working class as diverse. We do not see it as simply industrial workers who, in the UK, are becoming fewer and fewer with changes in the composition of the class due to changes in employment. But, everywhere the working class has common interests. We must overcome hierarchies and power relations within it, but always with the aim of unification through common struggle.

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