Rechte Studentenverbindung in Frankfurt-Sachsenhausen besucht

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Am 8. Mai besuchten autonome Antifaschist*innen die rechte Studentenverbindung "AV Frankfurt" in der Hedderichstraße 126, Frankfurt-Sachsenhausen.

Am 8. Mai haben wir, einige autonome Antifaschist*innen, die rechte Studentenverbindung "AV Frankfurt" in der Hedderichstr. 126 in Frankfurt-Sachsenhausen besucht. Dank mehrerer Hundert Flyer wissen nun große Teile der Nachbar*innenschaft über die extrem rechten Umtriebe der Burschen vom VDSt Bescheid, und auch die Fassade weist nun mit den Schriftzügen "Nazi-Schweine raus", "Burschis verpisst euch" und "Antifa Area" eindeutig auf die rechte Studentenverbindung hin.

Informationen zu den Frankfurter Korporierten werden gern entgegengenommen unter: verbindungen.kappen [at] systemli [dot] org.

Im Folgenden der Flyertext:

 

8. Mai ist jeden Tag:Frankfurt entnazifizieren – Studentenverbindungen auflösen! Heute, am 8. Mai, erinnern wir an den „Tag der Befreiung“. Vor 78 Jahren kapitulierte die deutsche Wehrmacht bedingungslos und leitete somit das Ende der NS-Herrschaft ein. Für alle Antifaschist*innen und alle, die vom NS-Regime verfolgt wurden, ist dies ein Tag zum Feiern. Doch dass der 8. Mai noch immer kein Feiertag ist (wie schon lange von Ausschwitz-Überlebenden wie Esther Bejarano gefordert wurde) ist nicht der einzige Grund, warum wir die „Befreiung vom Faschismus“ heute noch nicht bedingungslos zelebrieren können. Dem steht vor allem die bedrückende Erkentnis im Wege, dass die „Nazis gar nicht weg sind“, wie Bejarano schreibt: „Wir haben das große Schweigen nach 1945 erlebt – und wie das Unrecht – das mörderische NS-Unrecht – so akzeptiert wurde. Dann erlebten wir, wie Nazi-Verbrecher davonkommen konnten – als Richter, Lehrer, Beamte im Staatsapparat und in der Regierung Adenauer. [...] Ich will, dass wir alle aufstehen, wenn Jüdinnen und Juden, wenn Roma oder Sinti, wenn Geflüchtete, wenn Menschen rassistisch beleidigt oder angegriffen werden!“ [1] Um den 8. Mai bedingungslos feiern zu können gilt es demnach, aus der Geschichte zu lernen. Das heißt auch, nicht wegzuschauen und sich entschlossen gegen jedes organisierte Deutschtum zu stellen, welchem Antisemitismus und Fremdenfeinlichkeit auch heute noch inhärent sind. Dies ist u.a. der Fall bei einer kürzlich wiedergergründeten Studentenverbindung, die in der Hedderichstr. 126 in Frankfurt-Sachsenhausen ihren Sitz hat. Sie nennt sich „AV!“ („Alte Verbindung“), ist Teil des bundesweiten VVDSt (Verband der Vereine Deutscher Studenten) und trägt das Motto „Mit Gott für Volk und Vaterland“. Die Mitglieder des Männerbunds, die bisweilen schon durch Saufen und deutsche Marschmusik aufgefallen sind, planen, ihren „Bund im Sinne der Tradition des VVDSt in den kommenden Semestern wieder[zu]gründen“, wie sie auf Instagram schreiben, wo sie auch munter unter schwarz-weiß-roten Fahnen des Deutschen Kaiserreichs posieren. Damit stellen sich die Bewohner dieses Hauses in die Tradition eines Verbandes, der sich als explizit elitärer, völkischer und antisemitischer Korporationsverband verstand. Schon 1881, im Jahr seiner Gründung, wurden Jüd*innen durch den Verband bedroht und ausgeschlossen [2]. Zusätzlich zu seiner offen völkischen Ideologie unterstützte der VVDSt (zu dieser Zeit noch VDSt, Verein Deutscher Studenten) vorbehaltlos den wilhelminischen Imperialismus. Diese menschenverachtenden Haltungen wurde während des deutschen Faschismus intensiviert, vor allem durch eine Selbstgleichschaltung des Verbandes nach dem Führerprinzip. Den ersten Vorsitz des Vereins übernahm Wilhelm Gube, welcher zeitgleich NSDAP-Gauleiter war. Obwohl Verbindungen unter der NSDAP-Führung nach und nach aufgelöst wurden, gab es viele Verbindungsmitglieder, die aktiv in das NS-System eingebunden waren. Vornehmlich im Nationalsozialistischem Deutschen Studentenbund. Dieser organisierte die „Aktion wider den undeutschen Geist“, auch bekannt unter dem Namen „Bücherverbrennung“ (10. Mai 1933, Römerberg), bei welcher Bücher von jüdischen und politisch unliebsamen Autor*innen verbrannt wurden. Nach der Niederlage des deutschen Faschismus bestand der Frankfurter VDSt weiter. Bereits 1969 wurde er aus dem VVDSt ausgeschlossen, weil seine Mitglieder teils offen faschistisch waren. Dem Verbindungsleben tat das aber keinen Abbruch, vielmehr bestand der VDSt Frankfurt über Jahrzehnte weiter. 1986 durfte der bekannte Holocuastleugner und Neonazi Germar Rudolf beim VDSt Frankfurt referieren und traf dort laut eigener Aussage auf nationalistische Studenten, teils NPD-Mitglieder, von denen einige selbst den Holocaust leugneten. Ab 1990 verfügte der VDSt Frankfurt über eine eigene Wohnetage in der Savignystr. (Westend), doch 1997 wurde die Verbindung aufgrund ausbleibendem Nachwuchs und anhaltender rechtsextremer Vorfälle aufgelöst. Der Frankfurter Ableger steht damit nicht allein: Auch andere VDSt-Vereinigungen in der BRD fallen durch extrem rechte Äußerungen und Taten auf.  Da ein „Alter Herr“ des VDSt Frankfurt aber dem „VDSt-Wohnheimsverein“ das Haus Hedderichstr. 126 für das Verbindungsleben zur Verfügung gestellt hat, droht nun hier ein Anlaufpunkt für junge Rechtsextreme der Stadt und aus dem Umland zu entstehen. Eine Verbindung, welche ungebrochen in der Tradition elitärer Seilschaften, des Sexismus, der Diskriminierung, von Führer- und Dienerprinzipiensteht, darf sich in Frankfurt nicht weiter konstituieren und ausbreiten! Deshalb appellieren wir insbesondere am 8. Mai daran, jeder Form von Menschenverachtung die Stirn zu bieten. Organisiert euch daher mit euren Nachbar*innen, um die deutschtümelnden Studenten aus dem Viertel und der Stadt zu vertreiben. Damit Sachsenhausen offen für uns alle bleiben kann, egal welcher Herkunft, welchem Geschlecht oder welcher Religion wir angehören. Ganz nach dem Motto: „Es muss gestritten werden für eine andere, bessere Gesellschaft ohne Diskriminierung, Verfolgung, Antisemitismus, Antiziganis­mus, ohne Ausländerhass! Nicht nur an Gedenktagen!“ (Bejarano)  Informationen und Beobachtungen zur extrem rechten Studentenverbindung in der Hedderichstr. 126 nehmen wir gern entgegen unter: verbindungen.kappen@systemli.org!    [1] Bejarano, Esther 2020: Offener Brief an die Regierenden und alle Menschen, die aus der Geschichte lernen wollen:https://www.auschwitz-komitee.de/1147/offener-brief-an-die-regierenden-und-alle-menschen-die-aus-der-geschichte-lernen-wollen/[2] Vgl. Kampe, Norbert 1988: Studenten und »Judenfrage« im Deutschen Kaiserreich. Göttingen. S. 33ff.

 

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