[B] Vertikal – Filou – DNA – Abnahme

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Der Repressionsfall „Spucke an der Scheibe“ https://verfahrengebiet.noblogs.org/post/2018/10/02/spucke-an-der-scheibe-wie-ein-weiterer-zusammenhang-zur-rigaer-94-konstruiert-wird/ setzt sich fort. Ursprünglich geht es um ein Verfahren, bei dem die Scheibe des Yuppi-Restaurants „Vertikal“, in der Reichenbergerstraße in Kreuzberg, angeblich bespuckt wurde. Gegen eine Person wurde jetzt die gewaltsame DNA-Abnahme gerichtlich angeordnet.

Festnahme, Handschellen, Verschleppung in den Tempelhofer Damm, Schläge, Hebel, Arm fixiert Kanüle in die Armbeuge gestochert, Blut fließt. So wird es sich zutragen, wenn der richterliche Beschluss zur gewaltsamen DNA-Entnahme umgesetzt wird. Die Blutprobe wird dann beim Institut für Rechtsmedizin der Charite-Abteilung forensische Genetik – vielleicht bei Prof Dr. Roewer oder Dr. Nagy – landen. Nach einiger Zeit werden diese behaupten, die DNA entschlüsselt und daraus einen genetischen Fingerabdruck gewonnen zu haben, der fast nur auf das Opfer dieser Maßnahme zutrifft. „Fast“ deshalb, weil statistisch gesehen „häufig“ (vgl. Wikipedia) eine Zahl von mehreren Milliarden Menschen untersucht werden müsste, um zufällig einen Zweiten zu treffen, der genau dieses Muster aufweist.

Auf diese Ereignisse folgen wird der Vergleich des gewonnenen genetischen Fingerabdrucks mit dem genetischen Fingerabdruck der Spucke an der Scheibe des Vertikals. Möglicherweise wird es reichen, dass der ermittelnde Staatsschützer Goebel die beiden ausgedruckten Grafiken nebeneinander hält, um festzustellen, ob diese von der selben Person kommen oder nicht. Dazu hat er laut Gerichtsbeschluss vom 9. November 2018 das Recht. Nicht das Recht zugesprochen bekommen hat er dafür, den genetischen Fingerabdruck in die DNA-Analyse-Datei (DAD) des BKA einzuspeichern. Mit Sicherheit verfolgt er diesen Plan aber, denn genauso ist er bei einer der angeblichen Begleitpersonen des Beschuldigten vorgegangen. Die Einspeicherung in die DAD hat nämlich zur Folge, dass der genetische Fingerabdruck mit allen genetischen Fingerabdrücken, die jemals von deutschen Bullen gespeichert wurden, verglichen werden. Goebels Hoffnung ist sicherlich der große Fang, denn dem Umfeld der Rigaer Straße werden im LKA 5 bekanntermaßen allerhand Dinge nachgesagt, wie man nicht zuletzt deren Drohbriefen entnehmen kann. Aber Goebel weiß auch, dass viele Betroffene oder Bedrohte solcher DNA-Einspeicherungen ihr Verhalten den demokratischen Spielregeln anpassen. Mit der massenhaften, unkontrollierten Erhebung von DNA-Daten arbeitet er also auch für abstraktere Staatsziele als die Strafverfolgung.

Die vom Gerichtsbeschluss betroffene Person wird sich nicht an den Ermittlungen gegen sich selbst und möglicherweise andere beteiligen. Es werden Rechtsmittel gegen den Beschluss eingelegt und die betroffene Person wird sich den Fahndern nicht präsentieren. Bis zum Eintreten des unwahrscheinlichen Falls, dass die Rechtsmittel Erfolg haben, ist der Beschluss jederzeit umsetzbar.

Zur Erinnerung: wie im letzten Text schon erwähnt, rührt der große Verfolgungsdruck daher, dass aus der Spucke an der Scheibe angeblich ein genetischer Fingerabdruck erzeugt wurde, der bereits in der DAD und anderen Strafverfahren existiert. Der richterliche Beschluss erwähnt diesen Umstand natürlich bewusst nicht, sondern argumentiert einzig und allein mit der Auseinandersetzung vorm Vertikal.

Früher wurde die DNA-Analyse nur bei „Straftaten erheblicher Bedeutung“ angewendet. Bei der fraglichen Auseinandersetzung wurde laut Akte niemand verletzt. Es gibt somit auch keine Geschädigten, die einen Strafantrag stellten. Noch dazu gaben die beiden „Opfer“ der Spuckattacke auf die Scheibe direkt danach an, niemanden wiedererkennen zu können. Da die Spucke jedoch mit anderen Verfahren matcht, nutzt das LKA anderthalb Jahre später den Fall um von einigen ihrer Zielpersonen die DNA zu bekommen. Dazu wird die Auseinandersetzung frei umgedichtet und der Chef des LKA veranlasst, dass eines der „Opfer“ aus dem Vertikal die Personen auf Bildern wiedererkennt – trotz dessen Aussagen, das nicht zu können. Das Gericht hat nun nach langem Überlegen oder Beraten die Mühen des LKA belohnt.

Außer dieser unerfreulichen aber erwarteten Nachrichten soll es Erwähnung finden, dass die Betreiberin des Vertikal, die in diesem Fall die Bullen gerufen hat, resigniert hat. Der Tagesspiegel (https://www.tagesspiegel.de/berlin/wirtschaft-in-berlin-von-investoren-s...) schreibt in einem Artikel über die Möglihckeiten des Widerstandes gegen die Gentrifizierung. „Der Mob war erfolgreich: Im September des vergangenen Jahres stieg D'Orsay aus dem Restaurant aus. Sprechen möchte sie nicht mehr über diese Zeit: „Ich muss das letzte Jahr abschließen.“ Nach allem, was passiert sei, könne sie die Anfeindungen nicht mehr aushalten.“

Besonders erwähnenswert ist, dass D‘Orsay in ihrem Gespräch mit dem Tagesspiegel näher an den polizeilichen Ermittlungsakten bleibt als LKA-Chef Goebel in seiner phantastischen Version mit Trommelfellriss: „Claire D'Orsay ist durch die Hölle gegangen. Die Kreuzberger Gastronomin wurde auf der Straße beschimpft; die Scheiben ihres Restaurants „Vertikal“ wurden von vermummten Angreifern erst bespuckt – und später dann zerschlagen.“ Von einer körperlichen Auseinandersetzung ist nicht die Rede.

 

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Ergänzungen

Benannten LKAler kennt man schon aus anderen Verfahren, die sich ebenfalls  um die DNA von linken Aktivisten drehten. Da wurde stets kreativ gearbeitet, um den legalen Rahmen auszudehnen :

http://whentheykick.blogsport.de/2017/07/10/dna-entnahme-vollstreckt-chr...

In diesem.Zusammenhang erschien letztes Jahr auch eine allgemeine Analyse mit einigen Hintergründen zur Praxis dieser Ermittlungsmethode in Deutschland : 

http://whentheykick.blogsport.de/2017/04/13/dna/