Gedanken über gelbe Warnwesten

oder darüber wie beträchtlichen teilen der arbeitenden bevölkerung Frankreichs scheinbar der geduldsfaden reisst.

Es gibt durchaus zunehmend Anzeichen dafür, dass immer größere Teile der Bevölkerung, nicht nur in Frankreich, sondern durchaus auch in weiteren europäischen Ländern, die Schnauze voll haben von den herrschenden kapitalistischen Verhältnissen. Ob dies in solch einer Bewegung wie sie z. B. jetzt in Frankreich das Land durcheinander wirbelt, im Bewusstsein der demonstrierenden und kämpfenden Menschen durchgehend so verankert ist, würden wir allerdings zur Zeit eher bezweifeln.

Aber offensichtlich ist, dass die herrschende Klasse in diesem relativ wohlhabenden Land, beträchtlichen Teilen der arbeitenden Bevölkerung inzwischen dermaßen an die Kehle geht, dass es zu solchen riesigen Demonstrationen und Massenkämpfen kommt. Das machen die Menschen ja nicht aus einer Laune heraus, wenn sie ihre Gesundheit und ihr Leben dermaßen gefährden, muss es dafür ja schwerwiegende Gründe geben. Und die bei den Protesten agierenden Menschen müssen einen erheblichen Rückhalt in der Gesamtbevölkerung haben, sonst wäre das Durchhalten der Proteste gegen solch einen schwerbewaffneten und teilweise militarisierten Unterdrückungsapparat gar nicht vorstellbar.

Wie oben erwähnt, würden wir vermuten, dass viele Menschen, welche sich an diesem Aufstand beteiligen, keine hundertprozentige Klarheit über die Gesetzmäßigkeit haben, welche dafür verantwortlich ist, dass sie sich in ihrer Existenz bedroht sehen. Keine Klarheit darüber haben, dass die Grundlage für ihre Situation in den Verhältnissen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung begründet ist. Das müssen sie auch nicht, das wäre eigentlich Aufgabe von fortschrittlichen Organisationen solch ein Bewusstsein in diesen aufgebrachten Massen zu verankern. Es ist nicht erkennbar, dass kommunistische, gewerkschaftliche oder andere dem Fortschritt eigentlich verpflichtete Organisationen bei diesen Kämpfen eine wesentliche Rolle spielen. Und darüber hinaus gibt es diverse Hinweise darauf, dass dies kein Zufall ist.

Stattdessen ist oftmals die französische Nationalfahne zu sehen und die Marseillaise wird häufig in großen Massen intoniert. Vielleicht alles Rechte? Diese Vorwürfe waren ja sehr schnell auch in Frankreich in der Welt, das erinnert uns so an gewisse Verhältnisse in Deutschland. Aber offensichtlich ist es in Frankreich nicht wesentlich anders, wie in unserem Land. Massen von arbeitenden Menschen, die nicht einfach mal so an die Wand geklatscht werden wollen von den Planungen hiesiger Kapitalisten und deren internationalen imperialistischen Kumpanen, sind denn doch eher auf sich allein gestellt.

Nicht ausgeschlossen, dass sich da auch Rechte beteiligen, sich auch Mittelstandsbürger beteiligen, aber soll das alles aussagen über diese massiven Kämpfe, welche dort stattfinden? Es ist doch ein beeindruckendes Bild, da stehen hunderte oder sogar tausende „Gelbwesten“ beieinander, mit schwarzer, brauner, gelber und weißer Hautfarbe. Jugendliche, sehr Alte, Frauen und Männer und intonieren mit Inbrunst die Marseillaise. Stehen teilweise nur durch Barrikaden getrennt dem Unterdrückungsapparat gegenüber und singen die Marseillaise, dies scheint auch gewisse abgebrühte uniformierte Schläger zu irritieren. Wir sehen weder in den Nationalfahnen noch im Absingen der Marseillaise einen Makel, zumal letztere ja durchaus eine revolutionäre Grundlage hat. Sicher wäre es besser, wenn bei solchen Begebenheiten rote Fahnen geschwenkt und die Internationale gesungen werden würde, aber wir können da erstmal nichts Reaktionäres entdecken, der Gesamteindruck ist ein anderer.

 

DIE UM IHRE EXISTENZ KÄMPFENDEN MENSCHEN WERDEN ALLEIN GELASSEN - SCHEINBAR NICHT NUR IN DEUTSCHLAND

Es wirkt ja so, als wenn in Frankreich eine ähnliche Entwicklung stattgefunden hat wie beispielsweise in Deutschland. Das, was die arme und arbeitende Bevölkerung so bewegt und umtreibt, wie z. B. unerträgliche Kraftstoffpreise, führen scheinbar eher zu Zurückhaltung bis Misstrauen bei dem was sich als Linke begreift. Igitt, die wollen niedrige Kraftstoffpreise um sich ihr Leben mit einem Kraftfahrzeug etwas zu erleichtern, das ist ja ganz schlimm rückständig, scheint ja irgendwie die Einschätzung zu sein.

Und auch die Gewerkschaftsbonzen haben ja offensichtlich einen ähnlichen Charakter wie ihresgleichen in Deutschland. Von den französischen Gewerkschaftsapparatschiks (zumindest in höheren Bereichen) ist ja ebenfalls bekannt, dass sie einen ganz vorzüglichen Draht zu Macron haben und er natürlich auch zu ihnen. Zwar nicht um wirkliche gesellschaftliche Verbesserungen zu bewirken, sondern man darf vermuten, dass es eher um das Gegenteil geht.

 

Praktisch äußert sich das entsprechend, uns ist keine solidarische Forderung oder sogar Aufrufe für die Durchsetzung berechtigter aktueller Forderungen aus diesem Gewerkschaftsapparat bekannt. Tatsächlich gibt es aus den Spitzen der Gewerkschaften mehr oder weniger deutliche Angriffe gegen die protestierenden Menschen. Scheinbar wartet man erstmal ab, wieviel Durchhaltevermögen die Menschen in dieser Auseinandersetzung haben. Ob man da noch alibimäßig mitmischen muss, oder doch lieber das ungetrübte herzliche Verhältnis zu Macron besser aufrechterhält. Das kann natürlich keine vertretbare Haltung für ehrliche Gewerkschafter und andere fortschrittliche Menschen sein. Und wir gehen davon aus, dass solche Menschen sowieso in diese Kämpfe involviert sind.

 

Wir würden das so sehen, dass kommunistische und andere sich als revolutionär verstehende Organisationen noch eine ganz andere Verantwortung haben sich in solche gesellschaftliche Auseinandersetzungen einzubringen. Wir wissen ja nun nicht welche Fassung der Marseillaise die Menschen auf Frankreichs Straßen so singen, es gibt ja verschiedene. Die schlechteste unter den Nationalhymnen ist diese aber ja auch nicht. Immerhin drückt sie revolutionären Kampf aus. Wenn die empörten Menschen scheinbar auch in Frankreich alleingelassen werden, dann muss man sich auch nicht wundern, wenn Lieder gesungen werden, die nicht unbedingt die erste Wahl der sogenannten Avantgarde sind.

 

Zum hundertsten Jahrestag der Revolution von 1918 in Deutschland fand eine Kundgebung am Brandenburger Tor statt. Das haben wir begrüßt und auch daran teilgenommen. Neben einigem Langweiligen, einigem Richtigen, gab es auch die Äußerung, dass leider heutzutage viel zu wenige große Demonstrationen von Arbeitern und Angestellten in unserem Land stattfinden. Das fanden wir denn doch sehr verwunderlich (aber eigentlich auch wieder nicht), denn kurz vorher hat es eine riesige Demonstration mit weit über 20.000 beteiligten Kollegen aus dem Bergbau und der Stromerzeugung gegeben. Die Kollegen wehren sich gegen ein Plattmachen dieser Bereiche durch Ökokapitalisten und ihrem Anhang.

Wehren sich gegen diesen ganzen Schwachsinn der sogenannten Energiewende und pochen darauf eine vernünftige Existenzgrundlage zu haben. Das ist dann aber scheinbar eine Demonstration, wie sie in weiten Teilen der sich hier als Linke verstehenden Menschen nicht so wohl gelitten ist.

Falsche Themenwahl, geht nicht gegen Dieselfahrzeuge, nicht für vegane Ernährung, auch nicht für überteuerte und unsichere Energiegewinnung mittels Solarzellen und Windräder. Nicht mal für irgendwelche dekadenten Entwicklungen in diesem Land, dann wird das erkennbar nicht wahrgenommen oder sogar bekämpft.

Stattdessen werden junge Leute total in die Irre geführt, so dass sie letzten Endes in Baumhütten über längere Zeit kampieren um ein angeblich 12.000 Jahre altes Waldstück zu schützen. 12.000 Jahre alt, so alt wird kein Baum, hört sich aber erstmal wichtig an. Dass an anderen Stellen ein Vielfaches dieses bedrohten Waldstückes abgeholzt wird, um Windräder zu errichten, erwähnt man in diesem Zusammenhang dann lieber nicht. Und auch nicht, dass massenhaft Greifvögel, diverse andere Vögel und Fledermäuse regelrecht durch diese Windräder geschreddert werden.

Die Kohlekumpel und die Menschen in Energiebetrieben haben eine Berechtigung für ihre Forderung nach Absicherung ihrer Existenz und die Verteufelung von Kohle ist Schwachsinn. Selbstverständlich sollte die Menschheit weiterschreiten bei den Methoden der Energiegewinnung und tut es ja auch. Allerdings ist solch eine desaströse Vorgehensweise in der Frage der Energieerzeugung wie sie in unserem Land stattfindet, in ihrer Dimension weltweit auch einzigartig.

Kernenergie wäre doch eine gute Alternative zur Kohle, ist aber angeblich Teufelszeug. Oder ist diese Form der Energiegewinnung vielleicht viel zu fortschrittlich, ist das das Teuflische, das die gesellschaftliche Überwindung des Kapitalismus durch eine moderne Energieerzeugung beschleunigt wird, aber wer muss davor Angst haben. Co2 ließe sich durch den Einsatz von Kernenergie ebenfalls erheblich reduzieren, aber so wichtig ist es denn doch scheinbar wieder nicht mit dem ach so apokalyptischen Klimawandel.

 

Die chaotische und schwachsinnige Ausgangsidee und Umsetzung der sogenannten Energiewende hat dazu geführt, dass Gaskraftwerke nicht mehr vernünftig und wirtschaftlich betrieben werden können. Also werden so lange, bis man die Verhältnisse hier wieder vom Kopf auf die Füße gestellt hat, auch Kohlekraftwerke gebraucht.

Unsere Kollegen in den oben beschriebenen Gewerken führen einen berechtigten Kampf und es ist nur zu hoffen, dass sich in diesem Bereich, aber möglichst aus den Bereichen aller arbeitenden Menschen, solche gesellschaftlichen Merkpunkte in Gestalt von riesigen Arbeiter- und Angestelltendemonstrationen bilden. Vielleicht ist es an der Zeit auch hier die verstaubten gelben Warnwesten rauszuholen, von uns aus könnten es allerdings auch rote Warnwesten sein, deutschlandweit, europaweit, weltweit.

Und das ist wirklich überfällig.

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