FANTASMA NR. 2, klandestine anarchistische Zeitung, September 2018

Die anhaltende Ungewissheit ähnelt einem freien Fall mit verbundenen Augen. Die Zeit scheint mit rasendem Tempo und gleichzeitigem Stillstand vorbeizuziehen. Ein Gefühl von hochtrabender Freiheit und tiefstürzendem Fall zugleich. Und ehe ich mich versah, befinde ich mich plötzlich mitten im Dschungel auf dem Boden sitzend, umgeben von Bäumen, Gestrüppen und Ästen, welche mir die Sicht versperren, mir meine Arme und Beine zerkratzen und hier und da sogar tiefe Wunden zufügen. Doch ich bin umgeben von Leben, von Bewegung, und nach und nach füge ich mich in den Rhythmus ein. Tief in mir drin weiß ich jedoch, dass ich immer noch falle. So suche ich Halt und Orientierung im Außen. Ich greife nach einer herunterhängenden Liane, um mich aufzurichten. Sie fühlt sich echt an, beständig, sicher. Ich ziehe mich an ihr hoch, in der Hoffnung, noch andere Lianen zu erblicken, mit deren Hilfe ich neue Wege beschreiten kann.

 

NEUE WEGE BESCHREITEN

EDITORIAL

 

 

Die anhaltende Ungewissheit ähnelt einem freien Fall mit verbundenen Augen. Die Zeit scheint mit rasendem Tempo und gleichzeitigem Stillstand vorbeizuziehen. Ein Gefühl von hochtrabender Freiheit und tiefstürzendem Fall zugleich. Und ehe ich mich versah, befinde ich mich plötzlich mitten im Dschungel auf dem Boden sitzend, umgeben von Bäumen, Gestrüppen und Ästen, welche mir die Sicht versperren, mir meine Arme und Beine zerkratzen und hier und da sogar tiefe Wunden zufügen. Doch ich bin umgeben von Leben, von Bewegung, und nach und nach füge ich mich in den Rhythmus ein. Tief in mir drin weiß ich jedoch, dass ich immer noch falle. So suche ich Halt und Orientierung im Außen. Ich greife nach einer herunterhängenden Liane, um mich aufzurichten. Sie fühlt sich echt an, beständig, sicher. Ich ziehe mich an ihr hoch, in der Hoffnung, noch andere Lianen zu erblicken, mit deren Hilfe ich neue Wege beschreiten kann.

 

In unbeständigen Zeiten, wie wir sie erleben, verkörpert die Fantasma für uns diese Liane, echt, beständig, sicher. Durch sie haben wir uns die Möglichkeit geschaffen, mit Gefährt*innen von überall her in Kontakt zu treten, um sich über das spezifische Thema der Klandestinität auszutauschen. Über all die verschiedenen Facetten, Blickwinkel, Betroffenheiten und Perspektiven, die eine solche Situation mit sich bringt. Und im besten Fall kann diese Zeitung mentale Verbindungen erschließen, kann Gefährt*innen dazu ermutigen, sich mit der Möglichkeit des Untertauchens intensiver auseinanderzusetzen, kann eine anonymisierte Plattform bieten, um über das Unaussprechliche zu sprechen.

 

Im Editorial der ersten Ausgabe schrieben wir „[wir] wollen mit diesem Projekt einen Beitrag zum anarchistischen Projekt leisten und uns zusammen mit ihm weiterentwickeln“. Beim erneuten Durchlesen stolperten wir über diesen Satz, da er uns nicht mehr wirklich präzise erschien. Die Entscheidung unterzutauchen hat an sich nichts offensives, genauso wie dieses Zeitungsprojekt an sich nicht subversiv ist. Die Fragen sind vielmehr, wie man damit umgeht, für was man sich darin entscheidet und was für Potential man im Jeweiligen erkennt und folglich auch umzusetzen vermag. Denn das anarchistische Projekt, die soziale Revolution, benötigt eine relevante soziale Dimension an Konfliktualität entschlossener und mutiger Individuen, welche vor unmissverständlichen Worten nicht zurückschrecken und konkrete Taten der Subversion darauf folgen lassen. Wir hegen immer noch das starke Bedürfnis, die soziale Konfliktualität auf allen Ebenen zu schüren. Wir wollen immer noch mehr sein als umherschweifende Gespenster auf dem Nebenschauplatz einer Gesellschaft, die nicht die unsrige ist. Wir wollen immer noch, unserer Situation zum Trotz, offensiv sein im Kampf gegen jede Herrschaft und Unterdrückung. Wie aber können wir sozial intervenieren, uns offensiv auf die Seite der Unterdrückten stellen und unsere freiheitlichen Ideen unmissverständlich zum Ausdruck bringen, ohne uns dabei dem Feind auf dem Silbertablett zu präsentieren? Es sind diese Fragen, die uns, und so glauben wir viele andere in einer ähnlichen Situation auch, beschäftigen und die wir in den kommenden Ausgaben vertiefen möchten.

 

Abschließend wollen wir noch sagen, dass wir uns über die Zusendungen von Artikeln und die schnelle deutsche Übersetzung der ersten Ausgabe sehr gefreut haben. Wir behalten uns aus sicherheitstechnischen Gründen vor, in den folgenden Ausgaben die uns zugesendeten Artikel nicht als solche zu definieren. Ausgenommen davon sind historische Schriften oder öffentlich zugängliche Publikationen wie z.B. das Inkognito, die wir zwecks Bekanntmachung ihrerseits gerne mit einer Quellenangabe versehen werden.

 

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