Repressionswelle anlässlich einer Serie von Scheinbesetzungen des „Für Lau Hauses“ in München

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Die Repressionswelle gegen zwei Personen, denen vorgeworfen wird, im Zeitraum von Juli bis Dezember 2017 insgesamt sieben Hausfriedensbrüche unter dem Label “Für Lau Haus” begangen zu haben, geht in die nächste Runde: Durch das Amtsgericht München wurde am 26. April 2018 die Entnahme von DNA-Material bei den beiden Beschuldigten angeordnet. Eine darauf folgende molekulargenetische Untersuchung soll klären, ob es Übereinstimmungen mit im Rahmen der Stürmung von scheinbesetzten Häusern durch Bullen sichergestellten DNA-Spuren gibt.

Einer der beschuldigten Personen wurde bereits Mitte Juni von Beamt*innen des Staatsschutzes DNA-Material entnommen, die andere Person konnte bislang von der Polizei nicht angetroffen werden. Sie wurde für den 10. Juli 2018 zur Entnahme einer DNA-Probe auf das Polizeipräsidium München vorgeladen.

Eine Welle der RepressionHausdurchsuchung(en) am 31. August 2017

Die Repression begann Ende August 2017: Damals ordnete das Amtsgericht München Hausdurchsuchungen gegen die beiden Beschuldigten an, die einen Tag darauf, am 31.08.2017 von Staatsschutz-Bullen und USKlern vollstreckt wurde. Allerdings hatten die Bullen dabei nur teilweise Erfolg: Bei einem der Beschuldigten standen sie nämlich vor der falschen Tür. Das bemerkten sie jedoch ganz offensichtlich erst, nachdem sie die Tür bereits aufgebrochen hatten und feststellen mussten, dass der Beschuldigte nicht mehr in dieser Wohnung wohnte. Sie verursachten dabei einen Schaden in Höhe von über 400 Euro, den sie dem Beschuldigten nun in Rechnung stellen wollen, wie sie Anfang April 2018 ihm gegenüber mitteilten.

Bei dem anderen Beschuldigten dagegen hatten die Bullen Erfolg: Sie drangen gewaltsam in die Wohnräume des Beschuldigten, sowie die Gemeinschaftsräume und die Privaträume seiner Mitbewohner*innen ein. Dabei beschlagnahmten sie nicht nur den Rechner und diverse Mobilfunkgeräte des Beschuldigten, sondern unter anderem auch einen Stapel Bettlaken. Zurück ließen die Bullen Chaos und mutwillig verursachte Schäden (siehe auch http://www.beobachternews.de/2017/09/02/chaos-nach-hausdurchsuchung/).

Anlass für die damaligen Hausdurchsuchungen waren bei einer Personenkontrolle am 26. August 2017 beschlagnahmten Transparente, die im Besitz eines der Beschuldigten gefunden worden waren. Auf ihnen wurde Solidarität mit dem “Für Lau Haus” ausgedrückt. Unter dem Namen “Für Lau Haus” hatte es rund einen Monat zuvor, am 22. Juli 2017, eine Hausbesetzung des sogenannten Schnitzelhauses im Münchner Westend gegeben (siehe auch http://fuerlauhaus.blogsport.eu/2017/07/22/aktionserklaerung-zur-besetzung-des-schnitzelhauses-im-muenchner-westend-am-22-07-2017/), die für einige öffentliche Aufmerksam gesorgt hatte. Der Fund von Transparenten, auf denen Solidarität mit dem Für Lau Haus erklärt wurde, hatte für Polizei und Justiz offenbar ausgereicht, um einen so schwerwiegenden Eingriff in die Intimsphäre der Beschuldigten wie den einer Hausdurchsuchung zu rechtfertigen. Doch das war erst der Anfang einer ganzen Serie von Repressionsmaßnahmen, die die beiden Beschuldigten seither über sich haben ergehen lassen müssen.

Hausdurchsuchungen am 28. September 2017

Rund einen Monat später, am 28.09.2017, kam es erneut zu Hausdurchsuchungen bei den beiden Beschuldigten. Diesmal hatten die Bullen ihre Hausaufgaben gemacht und standen auch bei der zweiten beschuldigten Person vor der richtigen Tür. Während der erste Hausdurchsuchungsbeschluss vom Gericht noch mit dem Polizeiaufgabengesetz gerechtfertigt worden war, also der Abwehr einer drohenden Gefahr dienen sollte, wurden die beiden Beschuldigten dieses Mal verdächtigt, insgesamt fünf Hausfriedensbrüche begangen zu haben. Brisant dabei ist jedoch, dass nur für einen einzigen dieser Hausfriedensbrüche zu diesem Zeitpunkt ein Strafantrag gestellt wurde. Zu den übrigen vier Hausfriedensbrüchen war nur lapidar vermerkt, “Strafanträge der jeweiligen Strafantragsberechtigten” würden eingeholt. Tatsächlich handelt es sich bei einem Hausfriedensbruch um ein sogenanntes Antragsdelikt, das nur auf Antrag verfolgt wird. Dem*der zuständigen Richter*in Kugler am Amtsgericht schien es darauf jedoch nicht anzukommen. Durchgeführt wurden die Hausdurchsuchungen beide in Abwesenheit der Beschuldigten. Bei einem der Beschuldigten brachen die Bullen dabei sogar die Wohnungstür auf, obwohl ein Mitbewohner des Beschuldigten anwesend war und die Tür hätte öffnen können. Auf eine schriftliche Beschwerde des Beschuldigten darüber antwortete Oberstaatsanwältin Tilmann darauf nur: “Ein schlagartiges gewaltsames Eindringen in Ihre Wohnung […] war unvermeidbar und verhältnismäßig, um eine Beweisvernichtung insbesondere in Bezug auf vorhandene EDV zu vermeiden. Wer und wie viele Personen sich zum Zeitpunkt der Wohnungsöffnung in der Wohnung befanden, war vor der Öffnung der Wohnung nicht bekannt und nicht erkennbar”. Die Bullen hatten also allem Anschein nach nicht einmal geklingelt.

Wie auch bei der ersten Hausdurchsuchung wurden durch die Polizei Rechner und Mobilfunkgeräte bei beiden Beschuldigten beschlagnahmt. In der Wohnung des Beschuldigten, den die Bullen bei der ersten Hausdurchsuchung nicht angetroffen hatten, entleerten die Bullen verschiedene Müllbehältnisse und verteilten den Müll auf dem gesamten Fußboden. Ganz offenbar eine gezielte Schikane. Deshalb packte der betroffene Beschuldigte den Müll kurzerhand in ein Paket und übersandte ihn den zuständigen Staatsschutzbullen Meyer und Knigge zusammen mit der Aufforderung, ihn nach Wertstoffen getrennt zu entsorgen.

Observationen und Telekommunikationsüberwachungen Ende September/Anfang Oktober

Was beide Beschuldigte zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen konnten: Die Hausdurchsuchung bei ihnen war damals nur eine von mehreren gegen sie und ihr Umfeld gerichteten Maßnahmen, von denen sie erst ein halbes Jahr später erfahren würden: Zu diesem Zeitpunkt wurden sowohl die beiden Beschuldigten, als auch jeweils mindestens eine*r ihrer Mitbewohner*innen observiert und ihre Telekommunikation abgehört (siehe auch https://kritischeprozessbegleitungmuc.blackblogs.org/repressionsfaelle/observation-und-telekommunikationsueberwachung-mehrerer-personen-ende-septemberanfang-oktober-2017/). Für derartige Maßnahmen reichte natürlich der Tatvorwurf des Hausfriedensbruchs, selbst der in mehreren Fällen, keineswegs aus. Deshalb konstruierten sich die Bullen einfach einen neuen Tatvorwurf: Im September 2017 waren im gesamten Münchner Stadtgebiet mehrere hundert Graffiti aufgetaucht. Außerdem hatte es einen Tag vor Beginn der Graffitiserie und offenbar zufällig im selben Stadtteil in dem die Graffitiserie begann, einen Brandanschlag auf ein Wohnmobil der Bayernpartei gegeben, bei dem dieses vollständig ausbrannte. Die beiden wegen Hausfriedensbrüchen Beschuldigten wurden nun kurzerhand auch beschuldigt, das Wohnmobil angezündet und die Graffitiserie begangen zu haben. Die Begründung für diesen Verdacht: Bei der ersten Hausdurchsuchung bei einem der Beschuldigten war der Staatsschutzbulle Unglaub beteiligt. Ein oder zwei der mehreren hundert Graffiti erwähnten auch den Namen Unglaub. Eines lautete etwa: “Denning grüßt das K43, Herr Unglaub”. Das Denkkonstrukt der Bullen war also: Als Rache für die Hausdurchsuchung hätten die Beschuldigten kurzerhand mehrere hundert Graffity im gesamten Münchner Stadtgebiet gesprüht. Unter anderem, um sich an KOK Unglaub zu rächen. Da die Graffiti-Serie gleichzeitig mit dem Brandanschlag auf das Wohnmobil der Bayernpartei begann, wurde auch hier ein Zusammenhang konstruiert.

Nachvollziehbar ist, dass Menschen sich für Repression rächen. Nicht nachvollziehbar ist, dass diese Rachebotschaften beliebig in der Stadt verteilt statt an Wohn- oder Arbeitsorten der Bullen angebracht werden und dabei mal eben noch ein Wohnmobil angesteckt wird.

Aber das Amtsgericht hielt die Konstruktion der Bullen offenbar für plausibel. Die Folge dieser abstrusen Denkkonstrukte: Observations- und Telekommunikationsmaßnahmen gegen die beiden Beschuldigten und ihr betroffenes Umfeld. Abgehört wurden mehrere Mobilfunkanschlüsse des einen Beschuldigten. Ironischerweise waren all diese Geräte bei den beiden Hausdurchsuchungen zuvor durch die Polizei beschlagnahmt worden. Außerdem wurde die E-Mail-Adresse dieses Beschuldigten und der Festnetzanschluss seines Mitbewohners überwacht. Über den zweiten Beschuldigten steht in den Akten, dass er “auf technische Kommunikationsmittel verzichten” würde, um einer Überwachung zu entgehen. Deshalb wurde das Mobiltelefon seiner Mitbewohnerin abgehört. Grund dafür war ein zuvor abgehörtes Gespräch zwischen seiner Mitbewohnerin und dem anderen Beschuldigten, in dessen Verlauf sie das Gespräch an ihn übergeben hatte. Dem Gericht genügte das als Beweis dafür, dass die Mitbewohnerin eine Mittelsperson sei und es ordnete die Überwachung ihres Mobiltelefons an.

Nach rund zwei Wochen wurden die Observations- und Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen jedoch eingestellt. Die Bullen hatten sich in der Zwischenzeit zwei andere Sündenböcke für die Graffitiserie gesucht und diese festgenommen. Einer der beiden sitzt bis heute in Untersuchungshaft und wartet auf seinen Prozess (siehe https://freemax.noblogs.org).

DNA-Entnahme, DNA-Entnahmeversuch und Vorladung zur DNA-Entnahme

Momentan versuchen die Bullen den nächsten Streich zu vollstrecken. Einer Anordnung des Amtsgerichts vom 26. April 2018 nachkommend haben einige Staatsschutzbullen, darunter abermals Unglaub, Knigge und Meyer am Freitag den 18. Juni eine DNA-Probe bei einem der Beschuldigten entnommen. Schon am Tag davor hatten sie versucht, bei dem anderen Beschuldigten eine DNA-Probe zu entnehmen, hatten diesen jedoch wieder einmal nicht angetroffen. Er wurde nun für den 10. Juli 2018 zur DNA-Entnahme vorgeladen.

Abgeglichen werden soll die DNA der Beschuldigten mit insgesamt 26 Spuren. In dem Beschluss werden den Beschuldigten sieben tatmehrheitliche Fälle des Hausfriedensbruchs vorgeworfen. Für diese Fälle liegen mittlerweile tatsächlich auch Strafanträge vor. Allerdings sind insgesamt 11 der bezeichneten Spuren aus Gebäuden sichergestellt, für die kein Strafantrag vorliegt.

Wie könnt ihr helfen?

Repression kostet vor allem Geld. Einerseits wird es früher oder später zu einer Hauptverhandlung gegen die beiden Beschuldigten kommen. Womöglich werden die Beschuldigten dort zu einer Geldstrafe verurteilt, auf jeden Fall jedoch benötigen sie anwaltliche Hilfe, die Geld kostet. Andererseits kostet auch die anwaltliche Hilfe zur Verteidigung gegen willkürliche Gerichtsbeschlüsse, etwa die zu den Hausdurchsuchungen, die zur Observation oder die Beschlüsse zur DNA-Entnahme Geld. Die Rote Hilfe unterstützt politisch Verfolgte in solchen Fällen finanziell und mit anderen Angeboten. Egal ob es in diesem Fall also zu einem Prozess oder einer Verurteilung kommt oder nicht, eure Spenden sind dort sicher gut aufgehoben und kommen ansonsten einer Person in einer ähnlichen Lage zugute.

Deshalb spendet an die Rote Hilfe OG München und unterstützt damit den Kampf gegen jede Repression des Staates:

Rote Hilfe e.V. OG München
IBAN: DE61 4306 0967 4007 2383 06
BIC: GENODEM1GLS
GLS Bank

Aber Geld ist nicht alles. Die Betroffenen von Repression benötigen auch moralische Unterstützung. Zeigt ihnen, dass ihr sie unterstützt, zum Beispiel indem ihr Solidaritäts-Aktionen organisiert, vor allem aber indem ihr diejenigen, die im Gefängnis sitzen nicht vergesst und ihnen Briefe und Postkarten schreibt.

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