[LE] Aktion gegen Verwertung und Verdränung: Cornern im Leopoldpark

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Gestern, am 18.02.2018, hat auf dem Gelände Leopoldstraße 1 eine Versammlung stattgefunden. Das Gelände, bis vor kurzen meist Leopoldpark genannt, wurde Anfang dieser Woche gerodet, um Platz für einen Immobilienneubau zu machen.

Aus Anlass der Rodung und der Zerstörung einer weiteren Freifläche im Leipziger Süden, aber primär Protest gegen Verdrängung, Wohnungsnotstand, und die Verwertung der alternativen Lebensweisen in Vierteln wie Connewitz und Plagwitz auf die Straße zu tragen, haben sich heute über 300 Menschen zusammengefunden. Trotz der hohen Polizeipräsenz konnte die Versammlung nach anfänglichen Einschüchterungsversuchen von Seiten der Polizei gut abgehalten werden.

Vor Ort wurde der nachfolgende Redebeitrag verlesen:

 

"Wir sind heute hier, um zusammen unsere Wut über das Verschwinden dieses Parks zu demonstrieren. Ein Park, welcher vielen Bewohner*innen von Connewitz als Freifläche und zur Erholung diente, muss nun dem umkämpften Leipziger Wohnungsmarkt weichen. Entgegen der Aussage der L-IZ geht es dabei nicht um den Bau von Sozialwohnungen. Die Bebauung der Fläche liegt in der Hand der Investor*innen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Preise für die entstehenden Wohnungen deutlich über dem Mietspiegel liegen werden.
Doch es geht uns nicht nur um diesen Park. Es geht uns darum, das Geschehene als einen größeren, zusammenhängenden Konflikt zu betrachten und zu benennen.
Dieser Konflikt bedeutet Verdrängung und die profitorientierte Aufwertung der Stadt und unserer Viertel.

Verfallene Gebäude werden luxussaniert, aus ehemaligen Brachflächen ragen riesige Neubauprojekte empor. Häuser in städtischem Besitz werden an private Investor*innen verkauft. Menschen in günstigen, unsanierten Altbauten werden entmietet, um diese zu sanieren und teurer weiter zu vermieten. Auch die städtische Baugenossenschaft LWB betreibt diese Praxis. Dies geschieht in einer Zeit, in der die Bevölkerung Leipzigs stetig wächst, es immer weniger Wohnraum gibt und die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt die Mieten steigen lässt. Einkommensschwache Menschen ziehen dabei immer den Kürzeren. Entweder sie arrangieren sich mit den steigenden Mieten, zu Lasten anderer Ausgaben oder sie müssen in unattraktivere Gegenden mit niedrigerem Mietspiegel ziehen. Die Devise dabei lautet offenbar: Wer ein umfangreiches kulturelles Angebot mit ausreichend Grünflächen haben will, muss auch einen höheren Preis dafür zahlen. Das können aber nur die besserverdienenden Menschen, die die neu entstehenden Wohnungen beziehen.

Auch Connewitz hat stark unter Gentrifizierung zu leiden. Beispielhaft wird eine Wohnung in den entstehenden Thalysia Höfen am Connewitzer Kreuz durchschnittlich 13,50 Euro pro Quadratmeter kosten. Kalt. Das ist fast das doppelte des Mietspiegels des Leipziger Südens, der bei ca. sieben Euro pro Quadratmeter liegt. Welch Student*innen sich eine Einzimmerwohnung für 8,50 Euro pro Quadratmeter im neuen Wohnheim auf der Karli leisten können ist ebenfalls fraglich.
Als wäre das nicht genug, müssen die Freisitze des Black Labels und der Atacolypse und der Ökogarten des VAGaBUND Platz machen für neue Immobilien.

In diesem Kontext wird die derzeitig herrschende kapitalistische Praxis wieder einmal deutlich: Im Mittelpunkt stehen Profite und deren Maximierung, sei es durch Ausbeutung am Arbeitsplatz oder auf dem Wohnungsmarkt. Soziale Aspekte werden ignoriert und ehemalige Errungenschaften, wie Arbeitsrechte und Sozialleistungen, werden abgeschafft oder untergraben. Nicht nur der Wohnraum wird weiter privatisiert. Andere gesellschaftliche Aufgaben, wie Pflege und Bildung, fallen der Privatisierung ebenfalls zum Opfer. Wohn-, Bildungs- und Pflegenot sind die Folgen. Wieder einmal lässt der Staat seine Maske fallen und es wird ersichtlich, wessen Interessen er tatsächlich bedient. Wirtschaftlicher Profit hat immer Vorrang gegenüber dem Wunsch der Menschen auf ein gutes Leben. Eigentum und dessen Vermehrung bleibt nur einigen Wenigen vorbehalten und wird vom Staat tatkräftig unterstützt. Ein großer Teil der Menschen bleibt von fremdem Eigentum abhängig und strebt ironischerweise nach dem, was ihn unterdrückt. Denn Reichtum bedeutet notwendigerweise die Ausbeutung anderer Menschen.

Wir müssen erkennen, dass wir nur durch ein solidarisches Miteinander die Zustände verändern können. Dass wir eine kritische Betrachtung von dem benötigen, was uns unterdrückt, verdrängt und erniedrigt. Dass wir eine befreiende Praxis in unserem Alltag aufbauen müssen, um fortzuschreiten. Fortschritt, so sagen sie uns, sind Erneuerungen, meist technologisch und ebenfalls profitorientiert, die uns das Leben erleichtern sollen. Für uns aber bedeutet Fortschritt Erneuerungen, die neue Lebensweisen ermöglichen, neue Konzepte von gesellschaftlichem Zusammenleben, bei denen nicht Profit, sondern die Menschen im Fokus stehen. Bei denen Ausbeutung und Unterdrückung nicht reproduziert, sondern bekämpft werden.

Umso zynischer ist es, dass diese Lebensweisen, die widerständige Kultur und das gesellschaftliche Zusammenleben, die in Vierteln wie Connewitz und Plagwitz gelebt werden, diese Orte so attraktiv machen, auch und gerade für Immobilieninvestor*innen, die mit ihrem Erscheinen all die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte gefährden und eventuell wieder zunichte machen.

Deswegen sind wir hier. Um zu sagen, dass es reicht. Um zu zeigen, dass wir wütend sind und diese Zustände nicht länger hinnehmen. Wir wollen dem Ausverkauf der Stadt und unserer Viertel nicht länger tatenlos zusehen. Wir dürfen nicht länger wegschauen, denn das haben wir zu lange gemacht. Wir müssen anfangen zu handeln, bevor es gravierendere Ausmaße annimmt. Bevor Connewitz die Ausmaße von Plagwitz annimmt, denn da geht die Tendenz gerade hin. Und dabei dürfen wir uns nicht erhoffen, dass die Stadtverwaltung ohne Druck etwas für uns tun oder unseren Forderungen nachgehen wird. Vielmehr müssen wir uns selbst zusammentun, uns organisieren und uns auf verschiedenste Arten und Weisen widersetzen. Damit der Mensch wieder im Vordergrund steht."

 

In diesem Sinne: Kampf der Verwertung und der Vereinzelung!

 

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