Impfpflicht, Solidarität und Vergesellschaftung

Als Kommunisten stehen wir auf dem Boden der Wissenschaft. Zur Wissenschaft gehören nicht nur die bezüglich Corona bedeutsamen Naturwissenschaften, sondern auch eine Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse. 

 

Die Impfung leistet einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der Pandemie. Wer geimpft ist, schützt sich selbst, aber auch andere Menschen vor einer Ansteckung. Weiter verhindert die Impfung regelmäßig eine Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen, welche dann Menschen in anderweitigen Leiden zur Verfügung stehen. Bei dem Impfen handelt es sich daher auch um einen Akt der Solidarität. Dies gilt insbesondere für jüngere, gesunde Menschen, welche einen schweren Verlauf der Krankheit oder Spätfolgen nicht zu fürchten brauchen. 

 

Dass Impfen solidarisch ist, erklärt auch, warum es in reaktionären Kreisen auf derart erbitterte Ablehnung stößt. Der AfD und anderen Faschisten ist der Gedanke der Solidarität fremd. Ihre gesamte Ideologie basiert darauf, dass sich (vermeintlich) Stärkere gegenüber Schwächeren durchsetzten müssen. Dies gilt nicht nur im klassisch rassistischen und nationalistischen Kontext faschistischer Ideologie. Ein solches Durchsetzen findet nach ihren Vorstellungen auch innerhalb einer Gesellschaft statt. Daher ist ihnen die Rücksichtnahme oder Solidarität mit älteren und/oder vorerkrankten Menschen, also Schwächeren, bei der Bekämpfung der Pandemie so fremd. 

 

Hier zeigt sich auch ein verbindendes Element faschistischer und liberaler Ideologie. Während es den Faschisten um das Obsiegen und Durchsetzen des Stärkeren geht, befürwortet auch der extreme Liberalismus unter dem Deckmantel einer „Eigenverantwortung“ eine rücksichtslose und unsolidarische Ellenbogengesellschaft. Das gemeinsame Auftreten von Faschisten und Liberalen, etwa im Rahmen von Querdenken-Demonstrationen, ist auch Ausdruck dieser Schnittmenge. 

 

Die nun diskutierte Impflicht durch den Staat ist dennoch kein Ausdruck grenzenloser Solidarität. Sie ist zynisch und verlogen. Es war der Staat selbst, welcher den Kapitalismus und sein grenzenloses Profitstreben auch noch das Gesundheitswesen übernehmen ließ. Den privaten Krankenhausbetreibern, Krankenkassen und Pharmakonzernen geht es nicht um die Gesundheit der Menschen, sondern einzig und allein um den Profit. Hierbei stellt auch der Impfstoffhersteller Biontech/Pfizer keine Ausnahme dar. Das erklärt seine ausdrückliche und hartnäckige Weigerung zur Patentfreigabe. Eine Freigabe der Patente wäre ein schneller Weg zu einem weltweiten Ende der Pandemie, allerdings mit weniger Profit. Ein solcher Verzicht ist für die Konzerne natürlich undenkbar. Dieser Sichtweise hat sich unlängst auch der neue Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen - trotz anderslautender Bekundungen noch im Wahlkampf - inzwischen angeschlossen. 

 

Vereinzelt wurden dennoch Stimmen der Herrschenden laut, etwa innerhalb der US-Regierung, welche eine solche Patentfreigabe forderten. Diese Fürsprecher handelten aber nicht aus einem Humanismus oder solidarischem Denken heraus. Es ging ihnen lediglich darum, eine mögliche Einflussnahme konkurrierender Mächte wie China oder Russland mittels Bereitstellung ihrer Impfstoffe in anderen Ländern zu verhindern. Nachdem sich die medizinische Überlegenheit, insbesondere bezüglich Omikron, der westlichen Impfstoffe zeigte, wurde es daher wieder leiser um diese Forderungen.

 

Wenn nun die Bundesregierung also eine Impfpflicht diskutiert, hat sie die Grenzen der vermeintlichen Solidarität bereits abgesteckt. Sie endet da, wo die Profite der Konzerne beginnen. Diese heilige Kuh des Kapitalismus bleibt auch nach drei Jahren Pandemie und andauerndem Ausnahmezustand unangetastet. Das gilt nicht erst seit der Impfstoffentwicklung. Schon frühere Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, etwa Kontaktbeschränkungen und Lockdowns zielten vordergründig auf die Freizeit ab. Wirtschafts- und Arbeitsleben hingegen sollten so lange wie möglich weiterlaufen. 

 

Entweder eine Gesellschaftsordnung ist von Grund auf solidarisch oder sie ist auf Profit für eine Minderheit ausgelegt. Kompromisse gehen dabei immer zu Lasten der Menschen. Eine konkurrenzbasierte Weltordnung ist schlichtweg unfähig, globale Herausforderungen im Sinne aller Menschen zu lösen. Das gilt für Pandemien genauso wie für den Klimawandel. 

 

Unsere Aufgabe liegt nicht darin, das zynische Handeln des Staates gegen seine faschistischen und liberalen Kritikern zu verteidigen. Unsere Aufgabe liegt darin, für eine Gesellschaftsordnung einzutreten, welche sich am Wohl der Menschen und nicht an Profiten orientiert. Das bedeutet, den Reichtum und das Wissen der Menschheit wieder zurück in die Hände aller zu geben. Das Gesundheitswesen ist hier ein guter Anfang!

 

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