[HGW] Von Neonazis ermordet – Gedenken zum 17. Todestag von Eckhardt Rütz

Gedenkstein für Eckhardt Rütz

Greifswald – Zahlreiche Menschen gedachten am gestrigen Samstag dem von Neonazis ermordeten Eckhardt Rütz in Greifswald. Rütz, wie auch Klaus-Dieter Gerecke, wurden im Jahre 2000 von Neonazis in der Hansestadt ermordet. Störungen und Zwischenfälle der Gedenkveranstaltung blieben aus.

 

Zum gestrigen 17. Todestag von Eckhardt Rütz gedachten seiner in der Hansestadt Greifswald etwa 70 Menschen. Der wohnungslose Rütz wurde in der Nacht vom 24. zum 25. November 2000 von Nazi-Skinheads ermordet. Die drei Täter schlugen und traten zunächst auf den neben der Mensa schlafenden Rütz ein und erschlugen ihn dann mit Holzpfählen. Einer der Täter sagte in der Gerichtsverhandlung aus, dass so einer wie Rütz dem deutschen Steuerzahler nur auf der Tasche liege.

Auf der gestrigen Veranstaltung sprach wie in den Vorjahren der Greifswalder Dompfarrer Matthias Gürtler. Ein weiterer Beitrag wurde vom Bündnis „Schon vergessen?“ gehalten. Die Sprecherin zeigte die Kontinuität der Beurteilung und des Umgangs mit als „asozial“ diffamierten Menschen vom Nationalsozialismus bis in heutige recht Ideologien auf und ordnete die Morde an Rütz und Gerecke entsprechend ein.

Abgerundet wurde die Veranstaltung mit Musik- und Gedichtbeiträgen. Während einer Schweigeminute legten Anwesende Blumen, Kerzen und Gestecke am Gedenkstein nieder. Zu Störungen oder Zwischenfällen kam es nicht.

Die Kampagne „Schon vergessen?“, initiiert von der Antifaschistische Aktion Greifswald, rief 2006 erstmals zum Gedenken an die Opfer rechter Gewalt auf und verband damit gleichzeitig die Forderung nach der Setzung eines Gedenksteins am Tatort. Die Stadt sträubte sich unter CDU-Bürgermeister Arthur König lange Zeit gegen den spendenfinanzierten Gedenkstein mit dem eindeutigen Hinweis auf eine rechte Tatmotivation. Letztlich setzte sie sich mit dem Begriff "rechtsextremistisch" im Gedenktext durch. In der ursprünglich Fassung lautete es zur Gesinnung der Täter noch "neonazistisch".

Mit der Einweihung des Steins zum siebten Todestag vor zehn Jahren, etablierte die Kampagne „Schon vergessen?“ das Gedenken an Rütz und konnte den geforderten Gedenkort schaffen.

Eckhardt Rütz ist jedoch nicht der einzige Mensch ohne Obdach, der von Neonazis in Greifswald ermordet wurde. Wenige Monate zuvor am 24. Juni 2000 wurde Klaus-Dieter Gerecke ebenfalls von drei Neonazis, darunter zwei Frauen, ums Leben gebracht. Unter den Worten „da ist der Assi, klatsch ihn tot!“, traten die Täterinnen auf ihn ein. Greifswald war damals Hochburg faschistischer Aktivitäten und Gewalt, in der insbesondere die NPD tonangebend war. Die Täter und Täterinnen beider Taten gehörten zu jener rechten Szene.

Die Beteiligung am Gedenken für die Ermordeten ist von Jahr zu Jahr kontinuierlich, sodass mittlerweile von einem fest verankerten Termin im Stadtgeschehen gesprochen werden kann. Nach wie vor wird die Veranstaltung nicht von städtischer Seite, sondern durch engagierte Antifaschist*innen organisiert. Neben dem Gedenken an die Menschen Eckhardt Rütz und Klaus-Dieter Gerecke hat auch die Beschäftigung mit den Tatmotiven nichts an Aktualität eingebüßt. Die sozialdarwinistische und elitäre Denkweise vom schaffenden deutschen Arbeiter und Studenten, der die Volksgemeinschaft von „Asozialen“ und „Schmarotzern“ reinzuhalten hätte, ist Teil rechter Ideologie von Kameradschaftsnazis bis hin zur identitären Faschisten.

Nicht zuletzt ist die Tat auch geleitet von einem pervertierten kapitalistischen Verständnis von der Verwertbarkeit und dem Wert des Menschen und lässt nicht grundlos Assoziationen zu diversen hetzerischen Schlagzeilen großer deutscher Tageszeitungen aufkommen. In der alltäglichen Propaganda zur Leistungsbereitschaft, die vermitteln will, dass nur derjenige einen Wert und etwas zu bekommen hat, der sich möglichst ungehemmt ausbeuten lässt, liegt ein Antrieb zu diesen Taten. Der von den Tätern benannte „deutsche Steuerzahler“ ist nicht bereit, sich gegen das System zu wenden, das ihn ausbeutet. Er ist nicht bereit die Wirtschaft und Gesellschaft so einzurichten, dass sie allen Menschen dient. Stattdessen projiziert er seinen Hass auf diejenigen, die ihm vermeintlich etwas wegnehmen wollen oder ohne Gegenleistung zugeteilt bekommen und wenn auch nur in Form von Steuern. Die Opfer dieses Hasses sind vielfältig und je nach gesellschaftlicher Stimmung gewählt: geflüchtete Menschen, Menschen ohne Arbeit oder ohne Obdach, wie Eckhardt Rütz und Klaus-Dieter Gerecke. Die Neonazis, die die beiden Greifswalder ermordeten, sahen sich wohl als vermeintlich gerechte Vollstrecker dieses Hasses und führten ihn zu seiner traurigen Konsequenz. In beiden Fällen zeigt sich deutlich eine Verquickung von kapitalistischer Verwertungs- und nationalistischer Volksgemeinschaftsideologie.

Online finden sich zahlreiche Texte, Bilder und Audiobeiträge, die sich mit dem Mord an den beiden Menschen und dem Gedenken beschäftigen und auch in der Stadt sind die Taten und die Erinnerung daran bekannt. Es wäre wünschenswert, wenn das Gedenken im kommenden Jahr auch über die Grenzen Greifswalds hinaus wieder mehr Aufmerksamkeit erfahren würde und auch die Beteiligung durch die antifaschistische Linke des Bundeslandes wieder stiege. Denn Eckhardt Rütz und Klaus-Dieter Gerecke sind zwei von zwölf Menschen, die Neonazis seit 1990 in Mecklenburg-Vorpommern ermordeten!

 

Kampagnenseite „Schon vergessen?“ (Website inaktiv)

 

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