Antifa Ost - Prozessbericht vom 2. Prozesstag
Bericht vom 2. Prozesstag im Antifa Ost-Verfahren nach §129 am OLG Dresden.
Der zweite Prozesstag am OLG Dresden wurde am Vortag auf 13:00 Uhr verschoben. Wesentlich weniger Presse und auch weniger Zuschauer:innen sammelten sich einige Stunden vor Beginn der Verhandlung am Eingang des Hochsicherheitsgebäudes des OLG. Entsprechend wurde auch das Aufgebot der sächsischen Bereitschaftspolizei reduziert. Die im Saal und Gebäude befindlichen BFE-Kräfte, die noch zum ersten Prozesstag ein entsprechendes Bild vermittelten, wurden durch Justizbeamte ersetzt. Gegen 13:00 Uhr wurden die Angeklagten in den Verhandlungsraum geführt, wieder begleitet durch Kamerateams der Presse und viel Beifall von den Plätzen der Zuschauer:innen.
Die Angeklagten ließen verkünden, dass sie derzeit auf Einlassungen verzichten und sich nicht zu den Tatvorwürfen äußern möchten. Hierbei wollte die Verteidigung feststellen, dass etwaige Erklärungen zu im Prozess vorgetragenen Sachverhalten auch später noch verkündet werden könnten. Der Vorsitzende kritisierte diese Auffassung und stellte klar, dass Erklärungen zeitnah verkündet werden müssten. Bundesanwalt Vogler pflichtete dem bei und versuchte unter Berufung auf seine Interpretation der Strafprozessordnung die Möglichkeiten der Verteidigung weiter einzuschränken. Der Diskurs endete in einer Übereinkunft man möge Erklärungen nicht 2 Wochen später vortragen.
Es folgte ein weiterer Antrag auf Änderung der Sitzordnung derjenigen Verteidiger:innen, die hinter dem Zeug:innen Tisch platziert wurden, da sie keinen adäquaten Blick auf die aussagenden Personen hätten und somit Mimik und Gestik der zu hörenden Person nicht wahrnehmbar sei. Der Richter verschob die Entscheidung auf einen späteren Zeitpunkt, billigte aber den betroffenen Verteidiger:innen zu, während der Vernehmung von Zeug:innen „auf Probe“ einen anderen Tisch zu wählen. Die Nebenklage Anwälte nutzten die Möglichkeit sich profilieren zu können und schlossen sich dem Antrag der Verteidigung an, um zu fordern, den Platz der Bundesanwaltschaft zu übernehmen bzw. hilfsweise dahinter sitzen zu dürfen. Hierzu äußerte sich der Vorsitzende Richter gar nicht erst. Bundesanwalt Vogler erklärte jedoch, die Bundesanwaltschaft wolle auf gar keinen Fall umgesetzt werden.
Die Verteidigung stellte ein weiteren Antrag, in dem das Gericht dazu aufgefordert wurde Enrico Böhm wieder abzuladen und heute nicht zu hören. Hintergrund ist, dass dieser unter anderem wegen Falschaussage bereits vor Gericht stand und erst nachgeforscht werden muss inwieweit und wie oft er noch gelogen haben könnte. Die Befürchtung, Enrico Böhm könnte auch in diesem Fall die Angeklagten falsch und bewusst unwahr verdächtigen beziehungsweise in den Ausführungen, was am Tattag passiert war, lügen, dränge sich geradezu auf. Während der Verlesung des Antrags durch RA Nießing unterbrach der Vorsitzende Richter Schlüter-Staats mehrfach dessen Ausführungen, weil diese ihm zu detailliert und zu lang erschienen. Es entstand eine kurze Auseinandersetzung um den Umgang im Gerichtssaal, explizit um die abfällig wirkenden Bemerkungen des Vorsitzenden. Zwischendurch wurde Böhm gebeten den Saal zu verlassen und im Zeug:innenzimmer zu warten, da immer wieder Teile der seine Aussage betreffenden Sachverhalte besprochen wurden. Nach einer Stellungnahme auch anderer Verteidiger:innen beschwert sich Bundesanwalt Vogler, dass Stellungnahmen, die nicht in der StPO vorgesehen sind, nicht geduldet werden sollen. Richter Schlüter-Staats lehnt die Umladung Böhms ab und erklärt es gäbe bereits einige Blätter zur Recherche, die der Richter selbst angefordert hätte, um zu prüfen inwieweit die rechten Aktivitäten Böhms öffentlich recherchierbar sind.Die Verteidigung beantragte eine Unterbrechung um Einblick in die genannten Blätter zu erhalten.Die Verhandlung wird nach einer halbstündigen Unterbrechung fortgesetzt. Nachdem der Senat feststellen musste, dass die vorliegende Recherche nicht ausreicht, wurde Böhm abgeladen und nach Intervention der Verteidigung gebeten zu gehen. Widerwillig verlässt er mit RA Hohnstädter, nicht ohne Spitzen gegen die Anwält:innen, den Raum.Der einzige Zeuge, der neben Böhm noch für den Tag geladen wurde, ist ein Sachverständiger des sächsischen LKA. Bevor dieser den Raum betreten konnte, wurde RA Hanning aufgefordert sein Tablet zur Seite zu drehen, da die Kamera des Geräts auf die Bänke der Angeklagten gerichtet war und zu befürchten stand, dass dieser Fotos anfertigte.Vor der Aussage des Sachverständigen sollten noch Bilder des Tatorts, an dem Enrico Böhm überfallen worden sein soll, gezeigt werden. Der Einsichtnahme bzw. der Verlesung der Bildunterschriften wurde widersprochen, da diese einen Sachverhalt nicht sachgerecht beschreiben.Der Vorsitzende sparte entsprechende Stellen aus und führte seine Verlesung fort.Währenddessen entstand im Zuschauer:innenraum Unruhe. Nach Intervention einer Zuschauerin richtete sich die Aufmerksamkeit auf den Anwalt der Nebenklage Frank Hanning. Dieser surfte offensichtlich trotz Verbots und abgewiesenen Antrags im Internet, was auch die Brisanz der Positionierung seiner Tablet Kamera erhöht. Bevor der Vorsitzende Konsequenzen verkünden konnte, verließ Hannig schlecht gelaunt den Gerichtsraum. Somit befand sich von nun an kein Vertreter der Nebenklage mehr im Saal.Rechtsanwalt Nießing stellte im Anschluss an die Einsichtnahme in die Lichtbilder einen Antrag auf Umladung des Sachverständigen Dr. Lippold und eine entsprechende Anpassung der zukünftigen Ladungen der mit der DNA-Auswertung beauftragten Biologen des LKA, um die Reihenfolge der erstellten Gutachten einzuhalten. So sollten die Sachverständigen schließlich nur Stellung zu dem von ihnen selbst durchgeführten Gutachten nehmen. Hierbei unterbrach der Vorsitzende erneut den Verteidiger, wieder entsand ein hitziges Wortgefecht. Die Verteidigung beantragte einen Gerichtsbeschluss über die Verfügung des Vorsitzenden, welcher nach drei minütiger Unterbrechung die vorliegende Entscheidung bestätigte.Der Sachverständige Dr. Sebastian Lippold wurde daraufhin in den Saal gebeten. Nach Erörterung seiner Personalien erklärte er, er habe lediglich ein Gutachten basierend auf zwei anderen Gutachten vorgenommen. Hierbei habe er das DNA-Muster eines Tatverdächtigen mit dem Spurenmuster, welches an einer Tüte genommen wurde, verglichen. Das Muster sei zumindest in einem Abstrich der gefundenen Spur mit hoher Wahrscheinlichkeit identisch, bei einem weiteren Abstrich könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Tatverdächtige auch hier der Spurenverursacher sei. Der dominante Teil der DNA gehöre jedoch zum Geschädigten Böhm.Die Verteidigung intervenierte, als der Zeuge auf mitgebrachte Bilder Bezug nehmen wollte, um die Dokumente vor Aufnahme in die Hauptverhandlung in Augenschein nehmen zu können. Der Antrag wurde auch abgelehnt, Richter Schlüter-Staats fand, es handele sich lediglich „um simpel zu erfassende“ Bilder. Die Stimmung im Saal kippte an dieser Stelle und RA von Klinggräff reagierte laut auf die Herabwürdigung der Verteidigung durch den Vorsitzenden Richter mit einem Antrag auf Unterbrechung, um diese „Frechheit“ mit den Mandant:innen besprechen zu können. Weitere Verteidiger:innen schließen sich dem Antrag an, nichtsdestotrotz lehnte Schlüter-Staats diesen ab. Woraufhin ein Gerichtsbeschluss über diesen Antrag beantragt wurde. Somit wurde die Verhandlung für eine halbe Stunde unterbrochen, um über eine Unterbrechung der Verhandlung zu entscheiden. Bei Fortsetzung der Verhandlung verkündete der Senat den Beschluss die Verhandlung nicht zu unterbrechen zu bestätigen.Eine Verteidigerin bat im folgenden um das Wort, um die „Wogen ein bisschen zu glätten“. Es wurde ausgeführt, dass die bisherige Vorgehensweise und vor allem die im Subtext mitschwingenden Äußerungen des Vorsitzenden an Respekt für die Verteidigung vermissen ließen. „Als Vorsitzender kann man vieles denken, sagen kann man es nicht.“ Ebenso sollten Entschuldigungen selbstverständlich sein, wenn sich Kollegen beleidigt fühlten. Zudem wurde darum gebeten, dass der Sachverständige nur jene Vorgänge erläutert, die er auch selbst vorgenommen hat oder entsprechend die Arbeit anderer als solche ausweist. Der Vorsitzende Richter entgegnete vor allem in Bezug auf den Sachverständigen, so sei dies ebenso sein Gedanke gewesen den Zeugen dahingehend zu belehren. Des weiteren würde beziehungsweise wolle er sich entschuldigen sofern jemand das Gefühl habe beleidigt worden zu sein. RA Nießing merkte an, dass bisher keiner seiner Anträge ohne Unterbrechung gestellt werden konnte. Dies sei nicht tragbar.Die Beweisaufnahme wurde fortgesetzt und der Zeuge Dr. Lippold erläuterte welche:r Mitarbeiter:in des LKA, welches Gutachten umsetzte beziehungsweise welche Arbeit verrichtete. Im folgenden befragte der Vorsitzende den Sachverständigen zu allgemeinen Fragen der DNA-Analyse und deren Beweiskraft. Dazu schlossen sich einige Fragen der Verteidigung an, welche jedoch nicht abschließend geklärt werden konnten, da die Verhandlung aufgrund der fortgeschrittenen Zeit (18:30h) unterbrochen werden musste.Fortgesetzt wird die Verhandlung am Montag, 13.09.21 um 09:30Uhr