Narzissmus: Wenn die Leere nie gefüllt wird, zerstört sie uns

Einige Überlegungen zum Narzissmus in antiautoritären Szenen. Ohne "professionellen" Anspruch, aus Erfahrungen geschrieben. Narzisstische Persönlichkeiten und Charaktere sind tatsächlich ein ernstzunehmendes Problem, was der Verwirklichung unserer eigenen Ansprüche, als auch unserer Organisations- und Aktionsfähigkeit entgegensteht.

 

Wenn die Leere nie gefüllt wird, zerstört sie uns

 

Einige Überlegungen zu Narzissmus und antiautoritärer Szene

 

 

 

 

 

Warum und wie über Narzissmus thematisieren?

 

 

 

Ein weit verbreitetes Phänomen wie Narzissmus in der antiautoritären/autonomen/anarchistischen Szene zu thematisieren ist nicht unproblematisch. Denn seit den Siebziger Jahren wurde es zunehmend populärer, Verhaltensweisen von anderen Menschen pseudo-psychologisch zu deuten, als auch die eigenen Gedanken und Gefühle unter Beobachtung zu stellen und damit zu formen. Es spricht nichts dagegen, das eigene Selbst kennenzulernen, zu verstehen und zu gestalten. Im Gegenteil ist die Produktion des eigenen Selbst, ein Kennzeichen einer libertär-sozialistischer Gesellschaftsform, welche für Alle die Bedingungen zur Verfügung stellen soll, dass sie ihre Leben selbst gestalten können. Problematisch ist eine solche Selbst-Erforschung und Selbst-Formung mittels verschiedener Techniken (aus Psychoanalyse, Lebensberatung, Religion) jedoch, da sie im Kontext der bestehenden Herrschaftsordnung geschieht. Damit wird also die Integration in diese gefördert und die Identifikation mit ihr angeregt. Wir sollen unsere Leben konform, gehorsam und produktiv verbringen. Das Konzept der „Resilienz“ ist dafür ein gutes Beispiel: Im selben Zuge, wie wir angehalten sind, psychische Mechanismen zu entwickeln, um irgendwie in dieser zerstörerischen, gewaltsamen und Konkurrenz-betonten Welt zu überleben, akzeptieren wir auch ihre schlechten Grundlagen und verhalten uns konform und ruhig. Daher ist es schwierig, eine potenziell rebellische Szene unter einen pseudo-psychologischen Blickwinkel zu stellen, wie es gelegentlich auch Wissenschaftler*innen und Journalist*innen tun, welche mutmaßliche persönliche Ursachen für „Radikalität“ ans Licht zerren.

 

 

 

Und trotzdem habe ich mich entschieden über „Narzissmus“ zu schreiben, um damit ein echtes Problem zu erfassen, was meiner Wahrnehmung nach in unseren Kreisen besteht. Damit verbinde ich auch ein persönliches Leiden, weil ich mit einer pathologisch narzisstischen Person in einer toxischen Liebesbeziehung war und mir das sehr schlecht getan hat. Diese schreckliche Erfahrung bildete den Anlass, mich mit diesem Thema weiter auseinanderzusetzen. Dadurch gewann ich einen Blick dafür, dass narzisstische Persönlichkeiten in meinem früheren und jetzigen Umfeld weit häufiger anzutreffen sind, als ich es vorher für möglich gehalten hätte. Im Folgenden geht es nicht darum, einzelne Menschen anzugreifen, ihren Ausschluss zu fordern oder diffuses Misstrauen zu streuen. Denn es ist klar, dass Narzissmus ein gesellschaftliches Problem ist. Mit diesem sollten wir meiner Ansicht nach einen Umgang finden. Nicht allein, damit es uns in unseren Zusammenhängen besser miteinander geht. Sondern auch, damit wir die radikale emanzipatorische Szene so aufstellen, dass wir mit ihr effektiv in die Konfrontation mit der bestehenden Herrschaftsordnung gehen können.

 

 

 

Was ist Narzissmus?

 

 

 

Ich habe weder die Ausbildung noch finde ich es angemessen, an dieser Stelle eine psychologische Definition von Narzissmus anzubringen und sie anschließend auf Beispiele in meinem Umfeld anzuwenden. Worum es mir geht, ist, bestimmte Verhaltensweisen zu problematisieren, weil sie unserem sozialen Miteinander, damit unserem politischen Lager und also unseren Kämpfen schaden. Ob ein Kopfdoktor dieser oder jener Person eine bestimmte Diagnose ausgestellt hat, interessiert mich dabei nicht. So etwas voneinander zu wissen, kann sicherlich dazu beitragen, bestimmte Verhaltensweisen besser einordnen zu können und Menschen nicht zu verurteilen. Aber letztendlich ist eine Diagnose kein Kriterium dafür, ob wir miteinander zurecht kommen oder nicht.

 

Mit den folgenden Formulierungen erhebe ich deswegen keinen Anspruch auf eine psychologisch fundierte Beschreibung der narzisstischen Persönlichkeitsstörung als Krankheitsbild. Vielmehr gehe ich einfach von Verhaltensweisen aus, die ich wiederholt wahrgenommen habe und mit denen ich gezwungen war, mich auseinanderzusetzen. Wer sich damit bereits auseinandergesetzt hat, kann auch nach unten springen.

 

Ich verwende an dieser Stelle für eine bessere Lesbarkeit die männliche Schreibweise, weil Narzissmus auch (aber nicht nur) mit patriarchalen Hierarchien und Denk- und Verhaltensweisen verknüpft ist. Hierbei geht es um die Struktur eines gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisses und nicht um einzelne Personen in diesem. Diagnostiziert werden narzisstische Persönlichkeitsstörungen öfter bei Männern*, aber Frauen* können ebenso davon betroffen sein.

 

 

 

Narzissmus ist eine Charakterstruktur, die aus einem Grundgefühl der Leere und Sinnlosigkeit hervorgeht. Aufgrund dieses fehlenden Gefühls für die eigene Person, können Narzissten sich schwer oder gar nicht emotional in andere hinein versetzen. Sie haben kaum wirkliche Empathie, verwenden allerdings enorme Energie darauf, verschiedene Gefühlszustände zu simulieren. Weil narzisstische Personen kein echtes Selbstwertgefühl haben, entwickeln sie eine übertriebene Überzeugung von sich selbst, um dies zu verbergen und zu kompensieren. Dies geht oftmals soweit, dass sie sich anderen grundsätzlich überlegen fühlen. Es ist ihnen kaum möglich, sich in andere Perspektiven hinein zu versetzen oder diese auch nur stehen zu lassen.

 

Paradoxerweise sind sie jedoch (als soziale Wesen logischerweise) auf andere Menschen angewiesen, um ihr falsches Selbstbild aufrecht erhalten zu können. Dies bedeutet zum einen, dass sie Andere extrem abwerten können, um sich ihnen überlegen zu fühlen, um vor Anderen als überlegen zu erscheinen oder Personen aus Gruppen herauszudrängen, wenn sie sie als Konkurrenten wahrnehmen. Andererseits führt dies dazu, dass Narzissten permanent Bestätigung und Anerkennung bei Anderen suchen. Anstatt sich aber aus freiwilligem Entschluss von Anderen mit Bestätigung beschenken zu lassen, erschleichen sie sich diese durch Prahlerei oder Erpressung. Sie wollen insbesondere die Aufmerksamkeit von echten oder scheinbaren Führungspersonen, weil sie der vermeintlichen Grandiosität des Narzissten gerecht werden. Sie versuchen Anhänger*innen um sich zu scharen, die ihnen folgen und huldigen sollen. Narzissten können in der Regel enorm schlecht mit Kritik umgehen, weil sie Kritik an bestimmten Verhaltensweisen von ihnen oder dem Ergebnis von Aufgaben, die sie übernommen haben, sofort als eine Infragestellung ihrer gesamten Person empfinden. Deswegen kann auch eine sachlich vorgetragene und berechtigte Kritik bei einem Narzissten große Wutanfälle auslösen und/oder zu grausamen Wünschen nach Rache führen. Mitunter führen sie überzogen dramatische Szenen auf, wenn ihnen nur der geringste Widerspruch entgegen schlägt. Damit setzen sie Andere gezielt unter Druck. Unsicherheiten oder Selbstzweifel formulieren Narzissten hingegen nicht, ebenso wenig geben sie zu, wenn sie von einem bestimmten Thema einfach keine Ahnung haben.

 

Narzissten sind peinlich genau darauf bedacht, ihr falsches Selbstbild und das Lügengeflecht, welches sie um sich weben, aufrecht zu erhalten. Damit sie nicht auffliegen, entwickeln sie Techniken, um andere zu täuschen und in die Irre zu leiten. Manchmal ziehen die psychische Zurechnungsfähigkeit von Anderen in Zweifel oder sprechen sie ihnen regelrecht ab. Narzissten tendieren dazu, Intrigen zu spinnen, um ihre Machtbasis in einer Gruppe zu sichern und Menschen manipulieren zu können. Dazu isolieren sie Einzelne, erzählen ihnen Lügen über Andere und stellen sich selbst als Opfer dar. Generell projizieren sie eigene übersteigerte Bedürfnisse und Vorstellungen auf Andere, um sie nieder zu machen und von ihrer eigenen Selbstsucht abzulenken. Beispielsweise kann es vorkommen, dass sie Andere in ihren prinzipiell berechtigten Wünschen nach Anerkennung und Bestätigung abwerten, um mit ihrem eigenen Geltungsdrang an anderer Stelle umso nachdrücklicher präsent zu sein.

 

Narzissten sind davon überzeugt, dass sie der Mittelpunkt der Welt wären. Dies ist deswegen sehr gefährlich, weil sie deswegen keine Skrupel haben, ihre Mitmenschen zu benutzen, zu manipulieren, auszubeuten und zu belügen. Dazu gehört auch, dass Narzissten Andere in der frühen Phase einer Beziehung - beim Kennenlernen - mit Aufmerksamkeit, Komplimenten und Nähe überschütten, sich scheinbar umfassend für die*den Anderen interessieren und Versprechungen machen, die sie nicht einhalten können. Zum Einen wird das – aus narzisstischer Sicht – „Objekt“ damit emotional an den Narzissten gebunden. Zum Anderen erforscht der Narzisst sein Opfer, um es abhängig zu machen und manipulieren zu können. Umgekehrt gibt der Narzisst jedoch nur wenige oder falsche Informationen von sich preis, wodurch er ein systematisches Machtungleichgewicht schafft. Im Verlauf der genossenschaftlichen, freundschaftlichen oder romantischen Bekanntschaft konsumiert er sein Opfer, indem er immer mehr und mehr Aufmerksamkeit und Bestätigung von ihm verlangt, sich seine Kontakte und Fähigkeiten zu nutze macht und sich seine Ressourcen aneignet. Ich spreche hierbei von einer Täter-Opfer-Beziehung, weil sie auf einem grundlegenden Machtungleichgewicht beruht, auch wenn dieses verschleiert wird und oftmals für Außenstehende nicht so erscheint. Eine Vertrauensbeziehung auf Augenhöhe ist mit einer Person, die eine echte narzisstische Persönlichkeitsstörung hat, nicht möglich.

 

Der Narzisst saugt sein Opfer systematisch aus, was dazu führt, dass sich dieses irgendwann selbst leer, sinnlos und kraftlos fühlt. Vermutlich hat das Opfer wie erwähnt auch seine Kontakte, Fähigkeiten und Ressourcen in den Dienst des Narzissten gestellt. Damit kann es auch nicht mehr die übertriebene Forderung nach Aufmerksamkeit und Bestätigung des Narzissten erfüllen. Dies ist der Zeitpunkt, wo der Narzisst sein Opfer teilweise kaltblütig fallen lässt und möglicherweise grausam von sich stößt. Manipulationstechniken wie das absichtliche Vermeiden („ghosting), das wissentliche Brechen von gemeinsam ausgehandelten Vereinbarungen und die Zerstörung des Selbstwertgefühls und Realitätssinns des Opfers („gaslighting“), wendet der Narzisst in der Phase der Zerstörung der vorherigen toxischen Beziehung vermehrt an. Wenn das Opfer diese Form des psychischen Missbrauchs zu durchschauen beginnt, kann es sein, dass der Narzisst die Schuld daran einseitig seinem Opfer zuspricht und die Verantwortung für die gescheiterte Beziehung, wie auch die erfahrenen Verletzungen (wenn nicht gar der tatsächlichen Zersetzung des Selbstwertgefühls und der Persönlichkeit des Opfers) vollständig ihm selbst anlastet. Dies propagiert der Narzisst dann ebenfalls nach Außen oder spielt ein scheinbares Bedauern über die gescheiterte Beziehung vor. Entscheidend ist für ihn, nicht aufzufliegen, damit er sich neue Opfer suchen und das gleiche Programm von vorne abspielen kann.

 

 

 

Ursachen für Narzissmus

 

 

 

Konservative Psychotherapeut*innen behaupten, die Verbreitung des Narzissmus hänge damit zusammen, dass traditionelle Familienstrukturen erodiert worden wären. In der patriarchalen Kleinfamilie wären die Machtverhältnisse eben noch klar. Durch die angeblich alt hergebrachten Rollen von Vätern und Müttern könnten die aufwachsenden Kinder Orientierung im Leben finden. Hierarchische gesellschaftliche Institutionen wie im Militär oder der Fabrik, würden die Einzelnen auf ihre Plätze verweisen und ihren Allmachtsphantasien entgegenwirken. Damit einhergehend solle Respekt vor Obrigkeiten und dem sozialen Status von privilegierten Personen geübt werden. Die Einbettung in religiöse Weltbilder ermögliche den Einzelnen einerseits die abstrakte Bestätigung ihres Selbst durch Gott und wirke ebenfalls der Vorstellung entgegen, dass die ganze Welt um sie selbst kreise. Mit einer derartigen Erzählung ist man dann schnell bei der Aussage, „die Achtundsechziger“ hätten die Gesellschaft durch ihren Kulturmarxismus verdorben und wären für die moralische Verkommenheit, als auch für die Verbreitung des Narzissmus verantwortlich.

 

Diese Vorstellung ist ziemlicher Unsinn. Zunächst handelt es sich bei diesem konservativen Ideal, um eine Rückprojektion, welche es in der unterstellten Form nie gegeben hat. Weiterhin beruhte die vermeintlich heile und klar strukturierte bürgerliche Welt direkt auf dem Ausschluss verschiedener Gruppen, deren Sozialstatus einfach festgesetzt war, ohne, dass sie Ambitionen zeigen sollten, über diesen hinaus zu wachsen. Weder die traditionelle Kleinfamilie (als konstruiertes Idealbild) noch klare hierarchische Institutionen ohne Mitbestimmungsrechte sind erstrebenswerte Orientierungspunkte, um dem heutigen Narzissmus entgegen zu wirken. Weiterhin hängt die Verbreitung des Narzissmus stark mit der Veränderung des Kapitalismus seit den Siebziger Jahren zusammen. In der sogenannten westlichen Welt kam es auf Basis der Auslagerung von industrieller Produktion in ehemalige Kolonialstaaten, neuer Produktionstechniken und einer anhaltenden Ausbeutung der Natur, zu einer Verschiebung vom Industrie zum Dienstleistungssektor. Neue Berufszweige verlangten höhere Bildung, weswegen die Zugänge zu ihr ausgebaut und für proletarische Klassen geöffnet wurden. Und sie verlangten (tendenziell) auch einen wesentlich höheren Einsatz der eigenen Persönlichkeit und das individuelle Engagement für das Unternehmen des Arbeitgebers. Individuelle Charaktereigenschaften wurde damit zur herzustellenden und flexibel zu handhabenden Ware, was sich auch auf die sozialen Beziehungen der Menschen auswirkte. Die Bereitschaft, Konkurrent*innen auszustechen und sich durch Leistung zu profilieren wurde ebenso gefragt, wie die sogenannten „soft skills“, also „Teamfähigkeit“ und „soziales Verhalten“ - unabhängig davon, ob sie einfach zur Schau getragen wurden oder es sich tatsächlich um Fähigkeiten der Kooperation oder Kritik handelte. Damit einher ging in der Phase des neoliberalen Kapitalismus die Vertiefung der Vorstellung, alle Menschen wären selbst Schmied ihres persönlichen Glücks. Zudem kam es in diesem Zeitraum zu einer weiteren Zunahme der Individualisierung von Arbeits- und Lebenswelten, weswegen es den Einzelnen immer schwerer fiel, sich in einem größeren sozialen Zusammenhang zu verorten. Wenn die eigene Persönlichkeit zur Ware wird, für deren Erzeugung Menschen selbst verantwortlich gemacht werden, ist es kein Wunder, dass es Menschen enorm schwer fällt, einen positiven Bezug zu ihrem Selbst aufzubauen, welcher unabhängig von kapitalistischen Leistungs- und Verwertungsverhältnissen besteht. Hinzu kommt, dass der eigene soziale Status immer stärker durch den individuellen Konsum symbolisiert wird, sei es in Quantität, oder in der Qualität des vermeintlich individuellen Geschmacks. Durch den kapitalistischen Konsum lässt sich die emotionale Leere stopfen, welche erzeugt wird, wenn wir gezwungen werden, unseren eigenen Selbstwert durch unseren Status in der gesellschaftlichen Hierarchie zu gewinnen. Es handelt sich dabei jedoch um ein Fass ohne Boden. Je mehr wir dort hinein werfen, desto leerer und wertloser fühlen wir uns. Die neuen sozialen Medien gaben der Verbreitung und Normalisierung narzisstischer Verhaltensweisen schließlich einen weiteren großen Schub. Scheinbarer Status, Aufmerksamkeit und Bestätigung ließen sich nun noch schneller erzeugen, indem virtuelle Inhalte produziert werden – welche freilich Eigentum der jeweiligen kommerziellen Plattformen ist.

 

 

 

Somit ist pathologischer Narzissmus meines Erachtens nach als Ausdruck für ein bestimmtes Herrschaftsverhältnis und verbunden mit der bürgerlichen Subjektform zu verstehen. Wenn wir für eine andere Gesellschaftsform kämpfen, können wir das nicht mit, sondern nur gegen den Narzissmus tun. Allerdings nicht, indem wir ihn einfach ignorieren oder scheiße finden, sondern ihn als gesellschaftlichen Phänomen begreifen und ihm entgegenwirken. Denn wir können nun einmal nur mit den Menschen arbeiten, welche da sind und es wäre gut, wenn es uns gelingt unter bestimmten Voraussetzungen auch mit Personen zu arbeiten, welche problematische narzisstische Tendenzen aufweisen. Ansonsten würden wir ein Moralregime aufrichten und uns auf exklusive Kreise von Personen zurückziehen, welche die von uns erwünschten Verhaltensweisen absolut teilen.

 

Neben den gesellschaftlichen Ursachen für narzisstische Tendenzen, prägen sich diese individuell offensichtlich sehr unterschiedlich aus. Dies hat mit persönlichen Erfahrungen zu tun und insbesondere mit den Kontexten, in denen Menschen aufwachsen. So ist es kein Geheimnis, dass narzisstische Persönlichkeitsstörungen ihre Ursache oftmals in schwerer Vernachlässigung und Gewalterfahrungen in der Kindheit haben. In der Regel liegen dort die Gründe für ihre narzisstische Kränkung, welche sie ein Leben lang als emotionale Behinderung mit sich herumtragen. Damit sind sehr traurige Geschichten verbunden. Sie können eine Erklärung für narzisstische Verhaltensweisen sein und zu ihrem Verständnis beitragen. Wenn Menschen jedoch verschiedene Möglichkeiten hatten, sich damit auseinander zu setzen und Rückmeldungen zu erhalten, ist die eigene Geschichte keine Rechtfertigung.

 

 

 

Schwierigkeiten im Umgang mit Narzissten

 

 

 

Nach der oben skizzierten Beschreibung einer Person mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung wäre es leicht zu sagen: Nein, mit solchen „gemeinen“, „bösen“ (oder eben: „psychisch gestörten“) Personen möchte ich nichts zu tun haben! Ihr Verhalten untergräbt zwangsläufig einen vernünftigen, vertrauensvollen, gleichberechtigten und solidarischen Zusammenhalt in einer Gemeinschaft und beeinträchtigt die Beziehungsfähigkeit von Menschen. Sie stehen somit grundsätzlich den Zielen entgegen, die wir als radikale und emanzipatorische Gruppen anstreben und verunmöglichen, dass wir als antiautoritäre/autonome/anarchistische Szene stark werden und kämpfen können. Dies stimmt in gewisser Hinsicht. Ich glaube, wir sollten uns vor Personen schützen, die erwiesenermaßen eine narzisstische Persönlichkeitsstörung haben, damit unseren Gemeinschaften und Einzelnen darin massiv und wiederholt schaden und sich unwillig oder unfähig zeigen, kontinuierlich an sich zu arbeiten, um sich zu verändern. Wir haben meiner Ansicht nach auch jedes Recht uns von ihnen zu distanzieren und deutlich zu machen, dass wir ihr Verhalten nicht (mehr) dulden. Dies sollte aus sachlichen Gründen und dem Bedürfnis nach Selbstschutz geschehen und keineswegs leichtfertig angewendet werden. Der Ausschluss von pathologischen Narzissten aus einer Gemeinschaft kann nur gelingen, wenn es eine gemeinsame Verständigung darüber gibt, was und wie diese Personen etwas verursacht haben und wie dies in Zukunft verhindert werden kann. Selbstverständlich gelingt dies auch nur, wenn den Opfern geholfen wird.

 

 

 

In der Praxis ist dies dennoch eine deutlich kompliziertere Angelegenheit. Zunächst sind ja nicht einzelne Menschen für ihre Charakterstrukturen verantwortlich, sondern jene Gesellschaftsform, die sie hervorgebracht hat. Das heißt, wir können auch Narzissmus nur überwinden, wenn wir ihn als Auswuchs einer hierarchischen Gesellschaftsform verstehen, die auf Konkurrenz, Ausbeutung und Unterdrückung beruht und in welcher Menschen mit Intrigen und Manipulation Macht erlangen können. Wir können Narzissmus nur mit der narzisstischen Gesellschaftsform selbst überwinden – und zwar mit möglichst vielen Menschen gemeinsam, die davon in ihrer Persönlichkeitsstruktur oder als Opfer betroffen sind.

 

Zweitens hat die narzisstische Persönlichkeitsstörung, welche ich oben relativ frei beschrieben habe, leider durchaus einigen Wahrheitsgehalt. Sie ist als umfassende Charakterstruktur jedoch zu unterscheiden von einzelnen narzisstischen Persönlichkeitsmerkmale, die wir selbstverständlich ebenfalls als problematisch angesehen können. Dass Einzelne phasenweise ein gesteigertes Aufmerksamkeitsbedürfnis haben, etwa weil sie sich einsam fühlen oder ihren Platz in einem sozialen Zusammenhang noch nicht gefunden haben, kann nervige Auswüchse haben, ist jedoch nachvollziehbar. Eine ausgewiesene Rechthaberei macht Menschen nicht gleich zu Narzissten. Dass Menschen um uns herum teilweise ein geringes Selbstwertgefühl haben und dieses kompensieren wollen, indem sie sich als besonders klug, toll oder schön darstellen, kommt ebenso vor. Und auch mit dem Aussprechen und Annehmen von Kritik haben vermutlich viele von uns ihre Schwierigkeiten und neigen allzu schnell dazu, sich als Person insgesamt in Frage gestellt zu fühlen. Auch das Klüngeln und Netzwerke spinnen sollte unbedingt kritisiert werden – ist für sich selbst genommen aber kein Kriterium für Narzissmus. Und das in Beziehungen große Verletzungen entstehen können, ist zwar nicht der Lauf der Dinge, sondern liegt im Bereich unserer Verantwortung, kommt jedoch der Erfahrung nach leider immer wieder vor. Auch ohne jeden Narzissmus. Schließlich sind antiautoritäre Gruppen auch keineswegs frei von Hierarchien, weswegen es zu Konkurrenz um Machtpositionen, Aufmerksamkeit und Anerkennung kommt. Dies widerspricht unserem eigenen Anspruch, ist aber weder damit gelöst, dass wir behaupten, es wäre nicht so, noch allein mit formellen Regelungen oder Strukturen. Stattdessen braucht es kontinuierliche Arbeit an unseren Beziehungen, damit wir unsere eigenen Vorstellungen von Gleichheit und Solidarität, aber auch von Kontinuität und Verbindlichkeit, gerecht werden.

 

Drittens ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass narzisstische Menschen über ihre Verhaltensweisen reflektieren, damit offen umgehen, versuchen, ihnen entgegen zu wirken und dazu auch professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Wenn wir Menschen kein Veränderungspotenzial zugestehen, haben wir gleich verloren. Dennoch können frühere Verletzungen Einzelne verständlicherweise dahin führen, dass sie bestimmte Verhaltensweisen nicht tolerieren können und sich im Zweifelsfall gar nicht auf Personen einlassen wollen, die narzisstische Charaktermerkmale haben. Es kommt also jeweils auf den konkreten Fall an, weswegen generelle Handlungsempfehlungen nicht getroffen werden können.

 

Schließlich ist es auch so, dass es nicht einfach ist, Narzissten zu erkennen. Immerhin verwenden sie ungeheuer viel Energie darauf, sich zu verstellen, anderen etwas vorzuspielen oder auch sie zu manipulieren. Widersprüche, Manipulation und Intrigen lassen sich nur aufdecken, wenn es einen gemeinsamen Austausch über das Agieren von eventuell narzisstischen Personen gibt. Zur gemeinsamen Verständigung kommt es jedoch selten, wenn die Folgen der toxischen Beziehung noch nicht sichtbar auftreten, einfach keine Worte für das Geschehene gefunden werden oder Unbeteiligte den Austausch über unsere Beziehungen als „Privatangelegenheiten“ abtun.

 

Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass wir narzisstische Personen sympathisch finden, selbst mit dem Wissen um ihre problematischen Eigenschaften oder ihre gefährliche Charakterstruktur insgesamt. Möglicherweise tun sie viel für eine gemeinsame Sache. In vielen Fällen wirken sie äußerst charismatisch und es mag sich gut anfühlen, in ihrer Nähe zu sein. Solche Eindrücke von einer narzisstischen Person oder Gefühle ihr gegenüber sind ja keineswegs „falsch“. Sie sollten allerdings kritisch überprüft werden, weil das nach Außen dargestellte Bild und das zur Schau getragene Selbstbild einer Person möglicherweise grundlegend falsch sein kann.

 

 

 

Aus all diesen Gründen ist es also im konkreten Fall sehr schwierig, mit narzisstischen Menschen einen Umgang zu finden, der emanzipatorischen Ansprüchen gerecht wird. Dennoch glaube ich, dass die Ignorierung dieses Themas keine Lösung ist, weil wir damit unseren eigenen Ansprüchen nach gelingenden Beziehungen nicht gerecht werden können. Außerdem untergräbt die stillschweigende Duldung von Narzissten oder problematischen narzisstischen Tendenzen unser Potenzial, radikale und emanzipatorisch Kämpfe zu führen. Letzteres ist auch deswegen der Fall, weil es Narzissten – trotz anders wirkender Außendarstellung – niemals wirklich um eine gemeinsame Sache geht, sondern letztendlich immer nur um ihr Ego. Sobald sie dafür keine Bestätigung erfahren, endet auch ihr Engagement. Um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich sollten die Auseinandersetzungen, welche wir führen, mit uns persönlich zu tun haben, sollten wir in ihnen – wenn es möglich ist – auch Freude und eine gewisse Erfüllung finden. Wenn wir uns für eine gemeinsame Sache engagieren, ist auch die Anerkennung für individuelles Engagement dafür keineswegs verwerflich, sondern im Gegenteil wünschenswert. Gerade jene Tätigkeiten, mit denen wir uns leidenschaftlich und kontinuierlich für etwas engagieren, sollten wir gegenseitig wertschätzen und uns dafür anerkennen. Dies ist jedoch etwas anderes, als dauernd die Löcher gekränkter Egos zu stopfen, was per se nicht abgeschlossen werden kann, weil der Narzisst niemals den Hals voll kriegt.

 

 

 

Beispiele für die Folgen für unsere Organisationen und Beziehungen durch den Narzissmus

 

 

 

In antiautoritären Kontexten habe ich verschiedene Situationen erlebt, welche ich mit etwas Abstand betrachtet sehr merkwürdig finde. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass sich Narzissten vor allem in antiautoritären Szenen finden. Wie gesagt handelt es sich um ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, welches in verschiedenen sozialen Milieus und Klassen vorkommt. Einer der Gründe, warum sie sich von antiautoritären und selbstorganisierten Szenen angezogen fühlen, besteht möglicherweise tatsächlich darin, dass es in diesen kaum festgesetzte und transparente Strukturen und Hierarchien gibt. Dies führt im Umkehrschluss dazu, dass Menschen sich insbesondere durch ihr Charisma, durch ihr zeitweiliges persönliches Engagement und ihre Netzwerke profilieren und Bestätigung erhalten können. Übrigens habe ich den Eindruck, dass narzisstische Personen unabhängig von den jeweiligen Strömungen auftreten.

 

 

 

Beispiel Eins: Ein absolut von sich selbst überzeugter Macher-Typ zieht innerhalb eines kurzen Zeitraums die Aufmerksam einer gesamten Szene an sich. Wo er auftritt, macht er Ansagen, was zu tun ist. Er spricht, als wenn er die Weisheit mit Löffeln gefressen hat über Dinge und in Worten, die er sich erst vor Kurzem angeeignet hat. Er spricht, als würde „die“ Bewegung selbst aus seinem Mund sprechen. Dabei geht es vor allem um den Status und den Raum, welchen er sich innerhalb der Szene nimmt. Darüber hinaus hat er einen ausgeprägten Hang zum Tratschen und erfragt persönliche Angelegenheiten von verschiedenen Leuten, um sie bei Gelegenheit weiter zu erzählen und somit seine Vernetzung und Informiertheit zur Schau zu stellen. Kritik kann er nicht zulassen. Er gründet verschiedene Gruppen und Initiativen und kommuniziert durch sie in der „Wir“-Form, auch wenn er sie teilweise alleine stemmt. Vor anderen spricht er darüber, wer vertrauenswürdig und verlässlich sei – und wertet jene ab, die ihn kritisiert haben und die ihm darum als Konkurrenten auf dem Weg zu seiner Alleinherrschaft erscheinen.

 

 

 

Beispiel Zwei: Ein scheinbar äußerst verständiger und überaus gebildeter Mensch entwickelt eine tiefgehende Depression. Mit dieser geht er so um, dass er sich Bestätigung von verschiedenen anderen sucht. Wenn er sie jedoch nicht in dem Maß erhält, wie er es sich vorstellt oder sogar Grenzen gesetzt bekommt, neigt er zu Wutanfällen. Schließlich entwickelt er (als weißer Mann mit gutbürgerlichem Hintergrund) die Idee, dass er Opfer eines undefinierten Herrschaftsverhältnisses sei. Nämliches jenes von stumpfsinnigen über sensible Menschen. Während er sich klar Letzteren zurechnet, spricht er anderen das Empfindungsvermögen ab, nur, weil sie sich weigern, ihm die Bestätigung zu geben, welche er fordert.

 

 

 

Beispiel Drei: Eine Person kommt neu in eine Gruppe hinein, nach dem sie sich als sehr aktiv und erfahren dargestellt hat. Sie kann scheinbar verständnisvoll kommunizieren und zuhören. Im Verlauf der Gruppentreffen, bricht sie jedoch immer wieder emotional zusammen und erwartet von den anderen getröstet zu werden. Bei anderen Gelegenheiten übernimmt sie wiederholt freiwillig Aufgaben, welche sie nur ungenügend oder gar nicht erfüllt. Während dessen meldet sie sich nicht bei Genoss*innen, mit denen sie etwas zusammen organisieren wollte beziehungsweise ignoriert wiederholt deren Versuche, sich zu melden – wirft ihnen dann aber vor, sie hätten mit ihr nicht gut kommuniziert. Als sie merkt, dass sie sich einzelne Menschen aus der Gruppe weigern, ihr die erwartete Bestätigung zu geben, spinnt sie Intrigen und beginnt, jene aus der Gruppe herauszudrängen. Nachdem dies geschehen ist und die bedrängte Person gegangen ist, meint er, die Bedürfnisse der Gruppe wären nun einmal andere gewesen. Womit er seine eigenen Bedürfnisse meint, welche er gegen andere durchgedrückt hat.

 

 

 

Beispiel Vier: Ein Aktivist inszeniert sich relativ offensichtlich als Person, welche viele Kontakte und Wissen hat und wisse, wie Dinge zu machen wären. Kontinuierlich bringt er neue Vorschläge für neue Projekte und bringt somit rüber, dass er Initiative ergreift und aktiv wäre. Zugleich gelingt es ihm, mit vielen einzelnen Leuten in Kontakt und Austausch zu treten, die er in seine Vorhaben einspannt. Bei einem größeren Vorhaben laufen alle Kontakte immer wieder bei ihm zusammen, sodass keinerlei Entscheidungen ohne ihn getroffen werden können. Letztendlich stellt sich heraus, dass er gar nicht mehr Wissen, Erfahrungen oder Beziehungen hat, als alle anderen Beteiligten in diesem Zusammenhang.

 

 

 

Beispiel Fünf: Eine Person ist seit Jahren sehr aktiv an einem Ort und verfügt daher über viel Wissen und Kontakte. Bei gemeinsamen Aktionen punktet sie durch ihr Organisationstalent und übernimmt selbst stets die wichtigen Leitungsaufgaben. Damit dies auch so bleibt, macht sie Informationen nicht transparent, informiert andere nicht über Entwicklungen, welche wichtig für die gemeinsame Tätigkeit sind und äußert sich nicht dazu, mit wem sie sonst über Angelegenheiten kommuniziert, welche die Gruppe insgesamt betreffen. Sie hat die Fähigkeit entwickelt, Entscheidungen stets in die von ihr gewünschte Richtung zu drängen. In den seltenen Fällen, wo entgegen ihres Willens der Vorschlag einer anderen Person angenommen wurde, findet sie Wege, die Entscheidung zu boykottieren und den gemeinsamen Gruppenprozess zu sabotieren.

 

 

 

Beispiel sechs: Jemand wertet offensichtlich immer wieder andere Menschen oder Gruppen von Menschen ab. Einerseits hat er eine grundlegend zynische Haltung, die in Äußerungen gegenüber Schwachen mündet. Andererseits hetzt er kontinuierlich gegen andere „Linke“, wobei er im Grunde genommen hauptsächlich Klischees von ihnen bedient. Seine Sprache ist verletzend und Hass erfüllt, worin nicht zuletzt ein Selbsthass zum Ausdruck kommt. Daraufhin angesprochen, tut er so, als wenn dies alles nicht ernst gemeint wäre. Grundsätzlich fühlt er sich anderen überlegen, welche er permanent als dumm und unfähig bezeichnet. Er diffamiert jede Aktion, mit welcher sich Menschen ermächtigen oder ins Handeln kommen möchten und glaubt, dass er damit „Kritik“ übt.

 

 

 

Die von mir formulierten Beispiele waren notwendigerweise sehr vage gehalten, weil es mir damit nicht darum ging, bestimmte Personen zu diskreditieren und ich außerdem keine Strukturen offenlegen wollte. Dementsprechend bräuchte es auch weitere Hintergrundinformationen, um verständlich zu machen, warum es sich bei den erwähnten Personen meiner Einschätzung nach um Narzissten handelt. Diese kann ich hier aus den erwähnten Gründen nicht geben, glaube aber, dass es sich hier zu unterschiedlichen Graden um narzisstische Verhaltensweisen handelt. Dies empfinde ich als sehr problematisch, auch wenn es in den beschriebenen Fällen so ist, dass die Aspekte direkter Manipulation und Ausbeutung noch in einem überschaubaren Rahmen sind. In diesem Sinne würde ich also nicht so weit gehen, den betreffenden Personen eine pathologische narzisstische Persönlichkeitsstörung zu unterstellen. Stattdessen möchte ich unbedingt festhalten, dass sie jeweils zumindest versuchten, mit ihren als problematisch wahrgenommenen Charakterzügen und Verhaltensweisen umzugehen und gegen sie anzukämpfen. Dennoch schienen mir die Beispiele auch geeignet um zu verdeutlichen, welche negativen Konsequenzen es hat, wenn wir Narzissten keinen Einhalt gebieten und sie einfach immer wieder durchkommen lassen. Darüber hinaus denke ich auch, dass sich derartige Verhaltensweisen an ganz verschiedenen Orten immer wieder zeigen, weswegen die Beispiele übertragbar sind. Auch mit dieser Aussage soll es nicht darum gehen, Leute, die wir aufgrund einzelner dominanter Verhaltensweisen nervig finden, zu diffamieren. Es geht um die Sensibilisierung für diese Thematik mit der Betonung darauf, dass eine Zusammenarbeit mit Personen, die narzisstische Züge aufweisen, durchaus möglich ist. Dies gelingt jedoch nur in Fällen, wo das Thema transparent gemacht und ihrem Geltungsdrang und ihrer Anerkennungssucht etwas entgegen gesetzt wird.

 

 

 

Zuletzt noch einige Ansatzpunkte, wie eine antiautoritäre Szene mit Narzissmus umgehen kann:

 

 

 

  • Wenn wir uns gegenseitig als eigenartige Personen anerkennen und ernstgemeinte Wertschätzung füreinander ausdrücken, beugen wir Ängsten vor, dass Einzelne sich übersehen fühlen oder zu kurz kommen.

  • Wenn jemand an sich selbst beobachtet, wie eine andere Person in den oben geschilderten narzisstischen Muster zu agieren scheint, ist der erste Schritt dieses Unbehagen mit einer vertrauenswürdigen Person zu teilen. Nach weiterer Beobachtung und Verschärfung des Verdachts, kann es angemessen sein, dass sich eine Person in der Opfer-Position einen kleinen Unterstützer*innen-Kreis sucht, mit dem sie sich berät und gegebenenfalls weitere Schritte tun kann.

  • Wenn narzisstische Charaktere im Kontext einer politischen Gruppe oder eines festen Freundeskreises ausgemacht werden, ist es sinnvoll, dies vor die gesamte Gruppe zu tragen und zu problematisieren. Die Problematisierung darf sich nicht auf diffuse Behauptungen stützen, sondern muss sich an handfesten Belegen festmachen lassen. Dabei geht es nicht um die einseitige Verurteilung einer bestimmten Person, sondern um die Gruppe insgesamt.

  • Der Klüngelei muss konsequent entgegengewirkt werden, wenn es sich um Angelegenheiten handelt, die andere oder eine Gruppe insgesamt betreffen. Narzissten isolieren Menschen, erzählen ihnen Lügen und binden sie emotional an sich. Um in derartige Machtdynamiken nicht eingestrickt werden, braucht es unbedingt die Verbundenheit mit anderen.

  • Lassen wir uns nicht vom Charisma einer Person blenden, sondern bleiben wir skeptisch, wenn jemand Menschen in seinen Bann ziehen kann und damit plötzlich ganz viel Raum einnimmt. Lasst uns auf den Coolness-Faktor scheißen!

  • Reden wir über die Funktionen in unseren Zusammenhängen, welche Macht, Ressourcen, welches Wissen und welche Kontakte mit bestimmten Positionen in denen Menschen sind, verbunden sind. Narzissmus lässt sich neben der Beziehungsarbeit am besten mit einer wirklich egalitären, horizontalen Organisationsstruktur entgegenwirken. Das bedeutet die Rotation von Aufgaben, die Transparenz und Nachvollziehbarkeit unserer Tätigkeiten, die Entwicklung von Kritikfähigkeit und das Aussprechen unserer Ansprüche und Erwartungen aneinander und an die Gruppe.

 

 

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