Nachbar*innen verteidigen das anarcha-queer-feministische Hausprojekt Liebig34

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Auf einer fast zweistündigen Pressekonferenz vor der Liebigstraße 34 in Berlin-Friedrichshain haben sich Nachbar*innen, Stadtteil- und Mieter*inneninitiativen am Mittag des 2. Juni 2020 mit dem räumungsbedrohten Hausprojekt Liebigstraße 34 solidarisiert. 

 

Auf einer fast zweistündigen Pressekonferenz vor der Liebigstraße 34 in Berlin-Friedrichshain haben sich Nachbar*innen, Stadtteil- und Mieter*inneninitiativen am Mittag des 2. Juni 2020 mit dem räumungsbedrohten Hausprojekt Liebigstraße 34 solidarisiert. Mehrmals versuchte die zahlreich anwesende Polizei die Pressekonferenz mit Verweis auf das Infektionsschutzgesetz und eine angebliche Nichtanmeldung aufzulösen. Doch die Nachbar*innen ließen sich nicht einschüchtern und schließlich musste sich die Polizei darauf beschränken, massiv am Dorfplatz aufzutreten und aktive Mieter*innen zu fotografieren. Dass es zu keinen Personalienfeststellungen und keinen weiteren Polizeimaßnahmen kam, lag an der anwesenden Presse auch daran, dass sich die Nachbar*innen von den Drohungen der Polizei nicht einschüchtern ließen und darauf bestanden, dass eine Pressekonferenz den Medien nicht aber der Polizei bekannt gemacht werden muss.  Vor den Pressetischen war ein langes Transparent zu sehen, dass das Motto der Pressekonferenz  optisch deutlich machte. Auf dem Transparent waren alle Initiativen zu finden, die sich mit den Bewohner*innen der Liebigstraße 34 solidarisch zeigten.  Es war eine beachtliche Anzahl. Darunter waren zahlreiche Hausprojekte wie Mieter*innen aus der Voigtstraße, Villa Felix, Villa Kunterbunt, von Räumung bedrohte Projekte wie die Meuterei und das Drugstore, geräumte Projekte wie der Sabot Garden. Aber es waren auch zahlreiche Mieter*innenprojekte darunter wie die Bezirksgruppe Friedrichshain der Berliner Mietergemeinschaft (https://www.bmgev.de/verein/bezirksgruppen/), der Mieterladen in der Kreutziger Straße (https://www.ubi-mieterladen.de), die Stadtteilgruppe „Wir bleiben alle Friedrichshain, das Projekt Padowatch (https://padowatch.noblogs.org), in dem sich Bewohner*innen von Padowicz-Mieter*innen organisiert haben. Auch die Liebigstraße 34 ist von der Immobilienfirma Padowicz gekauft worden. 

 

 

CG-Gruppe bedeutet Verdrängung

 

 

 „Wie viele andere Eigentümer*innen ist die Immobilienfirma Padovicz- seit Jahren dafür bekannt, auf die Interessen der Mieter*innen wenig Rücksicht zu nehmen“, heißt es in der Erklärung der Bezirksgruppe Friedrichshain der Berliner Mieter*innengemeinschaft. Die Stadtteilinitiative „Wir bleiben alle Friedrichshain stellt die drohende Räumung der Liebigstraße 34 in Zusammenhang mit der Gentrifizierung im Friedrichshainer Nordkiez. So wird auf den Nobelbau der CG-Gruppe in der Reichenbergerstr. 71- 73 hingewiesen, der nach einer mehr als 2 jährigen Bauzeit gerade bezogen wird.  Die CG-Gruppe ist nach den Investor Christoph Gröner benannt, der mit dem Film „Ungleichland“ als einer aus der kapitalistischen Elite bekannt wurde, der gar keinen Zweifel daran lässt, dass jemand mit viel Geld auch viel Macht im Staat haben will. Gegen diesen Bau richtete sich Widerstadt von Mieter*innen im Kiez, die Verdrängung von Menschen mit wenig Einkommen befürchteten. Ihre Befürchtungen haben sich schon bestätigt, bevor der CG-Bau fertig wurde. In der Nachbarschaft kaufen sich andere Investor*innen ein, die ebenfalls die Mieten erhöhen wollen wie die  Pears Global bei dem Eckhaus Rigaer Straße/Samariterstraße. Die Verdrängung von linken Hausprojekten soll solchen Gentrifizierungsbestrebungen vorantreiben, so die Stadtteilbewohner*innen. Deshalb, so die klare Botschaft, sollen die Bewohner*innen nicht spalten lassen. „Egal, ob mensch in einem Hausprojekt oder in „Normalmietverträgen“ wohnt, wir bleiben alle“, das war die Botschaft der Pressekonferenz, die so lang dauerte wie das Transparent lang war, weil es eben doch sehr viele aktive Bewohner*innen gibt, die wollen, dass die Liebigstraße 34 bleibt. Wenn sie Ihr Versprechen wahrmachen, sich solidarische menschliche Schutzschilde vor das Haus zu stellen, wenn es zu einen Räumungsversuch kommen sollte, dann muss die Gerichtsvollzieherin oder der Gerichtsvollzieher wieder umdrehen und seinen Auftraggeber*innen sagen: Sorry, da war kein Durchkommen.  

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Ergänzungen

 

Erklärung des Mieter*innenladens in der Kreutziger Straße 23 zur drohenden Räumung der Liebigstraße 34
Um zu verstehen, warum der Mieterladen die Bemühungen der Bewohner*innen unterstützt, weiter im Haus Liebig 34 wohnen zu bleiben, lohnt ein Blick in die Geschichte des Hauses, der hier nur verkürzt dargestellt werden kann. Inmitten 100er Besetzungen ab dem Jahr 1990 in Ostberlin, reiht sich  auch dieses Haus ein. Kurz darauf wurden Teile des Hauses legalisiert.
 Wir waren damals bei verschiedenen Begehungen und ersten Vertragsverhandlungen als Unterstützer*innen mit dabei, weil wir schon damals den Standpunkt vertraten, dass Wohnen keine Ware sein darf, sondern ein Menschenrecht ist.  Kurz vor der Jahrtausendwende entschieden die kollektiven Bewohner*innen, dass Haus Liebig 34 als Frauen- und Lesbenprojekt weiter zu führen. Bis heute ist es ein Haus, in dem alle Identitäten willkommen sind, mit einer Ausnahme: Cis-Männer. Das Haus ist ein geschützter Raum für Menschen, die aufgrund ihrer Identität in der Gesellschaft bis heute große Diskriminierungen erfahren. Die Chroniken der Register sprechen eine klare Sprache. So wurden im Segment LGBTIQ*-Feindlichkeit im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg im Jahr 2019 14 Propagandavorfälle bekannt, 1 Pöbelei, 2 Beleidigungen und es kam zu 20 Angriffen auf Personen. Umso wichtiger ist ein geschützter Rückzugsraum für Betroffene. Unseres Wissens nach ist die Liebig 34 eins der wenigen Queer-Feministischen Häuser Europas und schon aus diesem Grund schützenswert.
2008, als das Haus in den Besitz des nicht ganz unbekannten neue Eigentümers Gijora Padovicz wechselte, gab es keine Möglichkeit mehr für die Bewohner*innen, die Bemühungen, das Haus selbst zu kaufen, voranzutreiben. Padovicz ist ein bekannter Rausmodernisierer, der gewachsene Hausprojekte gerne zerstört, wie an verschiedenen Beispielen bis heute deutlich abzulesen ist. Es konnte jedoch ein Pachtvertrag über 10 Jahre abgeschlossen werden. Auch das war nicht einfach, aber letztendlich ließ sich P. darauf ein, möglicher Weise auch, um in die betrieben Öffentlichkeitsarbeit Ruhe zu bringen.
Die ca. 40 hier lebenden Menschen brauchen einen Ort, an dem es Raum für kollektives leben gibt, wo Geschlecht und Identität ein Zuhause haben, wo antipatriarchische Strukturen möglich sind und Machtstrukturen und Privilegien keine Rolle spielen. Darüber hinaus ist das Haus auch
schon immer ein wichtiger Standort für unabhängige Projekte, wie z. B. den Infoladen. Das Hausprojekt ist ein politisches Projekt. So unterschiedlich di  Bewohner*innen sind, so vielfältig sind die politischen und sozialen Kämpfe der Kollektivmitglieder*innen. Das Engagement richtet sich u.a.  auf Anarcha- oder Queer-Feminismus aber auch gegen Repression, Gentrifizierung oder Tierbefreiungen werden unterstützt. Alles politische Kämpfe, die nicht nur für einzelne Individuen wichtig sind, sondern für unsere ganze Gesellschaft. Seit dem Auslaufen des Pachtvertrages Ende 2018 zog für die Bewohner*innen wieder ein neuer (alter) Kampf in das Haus ein, der
Kampf um den Wohnraum. Und dieser hält bis heute an. Dieses Haus mit seinen Bewohner*innen und Unterstützer*innen setzt vielmehr auch ein wichtiges Zeichen dafür, in welchen
gesellschaftlichen und politischen Zusammenhängen wir zukünftig wohnen, arbeiten und
leben können und wollen. Nicht zuletzt deshalb erklärt sich der
Mieterladenmit den Bewohner*innen solidarisch.

 Liebig 34 muß bleiben! Wohnraum darf keine Ware sein! Padovicz,
Deutsche Wohnen und Co enteignen!

Solidarische Grüße gehen auch an andere bedrohte Wohn- und
Kulturprojekte, die teils nach Jahrzehnten wichtiger Jugend- und
Nachbarschaftsarbeit für Profitmaximierung Einzelner aus dem Berliner
Stadtbild verschwinden sollen.
 Für den Erhalt der Liebig 34 und aller bedrohten Häuser und
 Einrichtungen! Für Vielfalt und Toleranz!

 

BI KLiZ e. V. / Mieterladen
Kreutzigerstr. 23 | 10247 Berlin

 

Erklärung der Bezirksgruppe Friedrichshain der Berliner Mietergemeinschaft zur drohenden Räumung des Hausprojekts Liebigstraße 34

 

 Am 3.Juni entscheidet das Berliner Amtsgericht über die Räumungsklage der Padovicz-Immobilienfirma gegen das queerfeministische Hausprojekt Liebigstraße 34. Die Bestätigung der Räumungsklage wird befürchtet, weil die Bewohner*innen des Hauses einen Gewerbemietvertrag besitzen, obwohl bekannt ist, dass  in dem Haus Mieter*innen wohnen. Damit werden die Rechte von Mieter*innen ausgehöhlt. Wie viele andere Eigentümer*innen ist die Immobilienfirma Padovicz- seit Jahren dafür bekannt, auf die Interessen der Mieter*innen wenig Rücksicht zu nehmen. Davon zeugen viele Berichte von Mieter*innen aus Padovicz-Häusern, die auf dem Blog Padowatch zu finden sind. 

Die Bezirksgruppe Friedrichshain der Berliner Mietergemeinschaft setzt sich dafür ein, dass auch Wohn- und Mietverhältnisse jenseits des üblichen Standards ihre Berechtigung haben und unter den Schutz des Allgemeinen Mietrechts fallen. Im vorliegenden Fall der Liebigstraße 34 wurde für Wohnräume ein Gewerbemietvertrag mit einem Trägerverein abgeschlossen. Der Trägerverein stellt die angemieteten Räume letztlich wiederum für Wohnzwecke zur Verfügung. Der rechtliche "Umweg" über einen Gewerbemietvertrag sollte daher nicht zu einer Ungültigkeit oder rechtlichen Abwertung des am Ende stehenden "Wohn-Mietverhältnisses" führen.

Angesichts der gegenwärtigen und vermutlich auch zukünftig angespannten Wohnungssituation sollten auch mietrechtlich formal ungewöhnliche Vertragskonstellationen unter den Schutz des allgemeinen Mietrechts fallen, da für die betroffenen Mieterinnen und Mieter kaum Alternativen zu Ihrer jetzigen Wohnsituation existieren.

  

 Bezirksgruppe Friedrichshain der Berliner Mietergemeinschaft

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Erklärung der Stadtteilinitiative „Wir bleiben alle Friedrichshain"
zur drohenden Räumung des querfeministischen Hausprojekts Liebigstraße
34 

Unsere Schwerpunktarbeit als Aktionsgruppe Wirbleibenalle-Friedrichshain
richtete sich auf die Verhinderung des CG-Projekts in der Rigaer Straße
71-73. Wir wollen auf den Zusammenhang zwischen solchen Projekten und
der Verdrängung von Mieter*innen in der  Liebigstraße 34 aber auch in
anderen Häusern in der Nachbarschaft hinweisen.  

Der unmittelbare Anlass unseres Engagements in der Stadtteilgruppe
„Wirbleibenalle-Friedrichshain"  war der Abriss der
denkmalgeschützten Basalthäuser, die bis 2016 auf den Gelände
standen. In einer Nacht- und Nebelaktion wollte der Eigentümer des
Grundstücks Christoph Gröner im wahrsten Sinne Fakten schaffen. Er
wollte damit dokumentieren, dass ihn weder Denkmalschutz noch
Nachbarschaftsprotest davon abhalten kann, an der Stelle  ein
Nobelprojekt für Besserverdienende zu errichten.  

Nun sind die bereits die ersten  Wohnungen in dem Projekt bezogen und
die Folgen für die Umgebung werden deutlich Wir haben von Anfang an
gesagt, CG-Gruppe bedeutet Verdrängung. Und wir hatten allen Grund.
Denn das CG-Projekt ist ein Motor der Verdrängung von Menschen mit
wenig Geld im Nordkiez. Dafür stehen Christoph Gröner und die nach
seinen Initialen benannte CG-Gruppe    "Immobilien sind für uns eine
Weltanschauung", lautet der Unternehmensslogan. 

Wenn es um die Zielgruppe geht, die in den von der CG-Gruppe gebauten
Häusern wohnen sollen, wird weniger kryptisch formuliert. „Wer in
Tokio arbeitet und in zwei Wochen einen neuen Job in Berlin antreten
soll, hat gar keine Zeit, sich vorher Wohnungen anzuschauen. Einzug
komplett abgewickelt werden können" erklärt Oliver Wolf aus dem
CG-Management. Die Zielgruppe der CG-Gruppe ist also vor allen die
junge, flexible Schicht von Manager*innen aus dem Bereichen  Wirtschaft,
Politik und Kunst. Auf den  Fotos und den Videos der CG-Gruppe sind Loft
zu sehen, die ganz auf die Bedürfnisse einer Schicht zugeschnitten
sind, die in Berlin von Wirtschaft und Politik umworben wird. Die
Menschen, die aktuell noch mehrheitlich rund um die Rigaer Straße
leben, sieht man dort nicht.  Dass sind die Hintergründe für die
Räumungsdrohungen von Mieter*innen, die dem kapitalistischen
Kommerzbestrebungen nicht nachgeben wollen oder können.  Unsere
Nachbar*innen aus der Liebigstraße 34 gehören dazu. Wir sind mit ihnen
solidarisch und sagen: Liebigstraße 34 bleibt- CG-Gruppe ist nicht
willkommen.  

Stadtteilinitiative „Wir bleiben alle Friedrichshain