Wir hielten unser Wort - Warum wir Bullen angreifen und wie es weiter geht nach der Linksuntendemo

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Als Beitrag zur aktuellen Debatte folgen einige Überlegungen zur politischen Einordnung der Ereignisse der letzten Wochen rund um Connewitz und das Linksuntenverbot. Gleichzeitig rufen wir  bei einem Verbot von de.indymedia.org zu bundesweiten Aktionen auf.

DER KONTROLLVERLUST - SILVESTER

Die Öffentlichkeitsarbeit der Bullen und weite Teile der Politik im Nachgang zu Silvester hatten offensichtlich einen bestimmten Zweck: Ziel war, die Bullen als Opfer schrecklicher Gewalt seitens der Autonomen darzustellen und dadurch ein härteres Durchgreifen gegen linke Strukturen und linke Praxis politisch zu rechtfertigen. Dies geschah vermutlich insbesondere mit Blick auf die anstehende Demo anlässlich des Verbotsverfahrens gegen linksunten.indymedia.org. Man forderte öffentlich den starken Staat und redete mal wieder eine "neue Qualität der Gewalt" herbei, um dann am 25.01.2020 die Zähne zeigen zu können. (1)

Dummerweise ging diese Strategie ein wenig nach hinten los. Während noch in den ersten Tagen der herbei phantasierte versuchte Mord nach Silvester in der gesamten Bundesrepublik die Schlagzeilen dominierte und sich PolitikerInnen und JournalistInnen über das neue Problem linksextremer Gewalt in Connewitz empörten, wendete sich kurz darauf das Blatt. Die öffentliche Meinung wurde zunehmend von Berichten über Polizeigewalt, Lügen und Falschdarstellungen seitens der Bullen sowie einen privat auf Twitter ausrastenden Pressesprecher geprägt. Es zeigte sich: Das Bild, das die Leipziger Polizei versucht hatte von Silvester am Kreuz zu zeichnen hatte nicht viel mit der Realität zu tun.

Wir glauben weder an "rechtsstaatliche Standards" noch an ein "korrektes Presseverhalten" der Bullen. Wir wissen, dass sie lügen, wann immer es ihnen passt, und dass ihnen die Wahrheit so egal ist wie die Gesundheit von Menschen. Die Polizei ist ein politischer Akteur, der immer versucht bestimmte Interessen durchzusetzen, mit dem jeder Dialog zwecklos ist und der meist nur so weit zurückweicht, wie wir ihn dazu zwingen können. Deshalb sind natürlich auch Forderungen an die Bullen sinnlos, genauso wie das Anzeigen ihrer Gewaltausbrüche. Dass das so gut wie allen Leuten bewusst ist, ist daran zu sehen, wie viele Menschen sich auf den Zeugenaufruf der Cops gemeldet haben: Niemand. Dass die Bullen sagen, man solle Fälle von Polizeigewalt doch bitte anzeigen, dann würden diese aufgeklärt, zeugt wenigstens von einem gewissen Sinn für Humor. Dass zeitgleich viele sich als links verstehende Personen auf den Propagandazug des Staates mit aufgesprungen sind und die "Gewalt gegen Polizisten" als ablehnenswert darstellten, war zu erwarten. Die Distanzierung unter Linken ist so alt wie der Wunsch nach einer Zuspitzung des Konflikts selbst.

Wir teilen auch nicht das Narrativ, dass die Gewalt an Silvester ausschließlich von den Bullen ausging. Gerade um uns von den staatlichen Lügen abzuheben, ist es wichtig, dass wir bei der Wahrheit bleiben. Warum auch nicht? Wir haben nichts zu verbergen, es ist nichts Schlechtes daran, die Bullen mit Steinen zu bewerfen und vielen Leuten ist das auch bewusst.

 

 

ESKALATION MIT ANSAGE - DIE LINKSUNTENDEMO

Wie gesagt, ging die polizeiliche Medienstrategie etwas nach hinten los und am Ende war allen klar: Die spinnen, die Bullen. Deshalb mussten sie sich für den Tag (((i))) etwas überlegen, um ihr politisches Image wieder ein wenig aufzubessern. In der Chefetage wurde sich deshalb für eine "deeskalative" Polizeitaktik entschieden inklusive deeskalativer Öffentlichkeitsarbeit, nachdem die beiden allseits bekannten Pressesprecher Andreas Loepki und Udo Voigt abgeschossen wurden. Es sollte gezeigt werden, dass die Eskalation von uns Autonomen ausgeht und nicht von den Bullen.

Für uns bringt das eine neue Situation mit sich, die wir so nicht gewohnt sind: Uns wird eine weitgehend bullenfreie Demo zugestanden, die Cops halten sich mit Angriffen zurück und Vergehen werden nicht geahndet. Das bedeutete für uns, dass wir das Ziel der Demonstration einen kämpferischen und selbstbestimmten Ausdruck zu verleihen, der dem Anlass angemessen ist, erreichen konnten. Wir freuen uns auch über das zahlreiche Erscheinen und die wahrnehmbare Wut und Entschlossenheit der Anwesenden. Dass die Bullen mehrfach mittels Anwendung unmittelbaren Zwanges der Demo verwiesen werden konnten, ist ebenfalls schön. Es war seit längerem der erste erfolgreichere Versuch einer militanten Demonstration in Leipzig und auch die bis dato konfrontativste in der Bundesrepublik seit G20 in Hamburg. Vorangegangen war der Versuch eine militante Kampagne anzustossen um dem Thema linksunten mehr Raum zu geben und gleichzeitig eine mobilisierende Wirkung zu erreichen. Das Thema entfaltete aber bundesweit keine größere Relevanz, trotz einer Fokussierung militanter Intervention und Kritik aus dem Leipziger Raum. Die militante Kampagne wurde kaum aufgegriffen, dennoch schien Leipzig generell eine stärkere Mobilisierungskraft im militanten Spektrum zu haben.

Was wir als einen Punkt betrachten, der der Diskussion und Selbstkritik würdig ist, ist die Tatsache, dass unsere Mobilisierung und Auseinandersetzung mal wieder nicht über Szenekreise hinausreichte. Linke Politgruppen und Organisationen schlossen sich der Kampagne kaum bis gar nicht an, zivilgesellschaftliche Akteure wurden so gut wie nicht erreicht. Das ist schade vor dem Hintergrund, dass Verbote freier Medien sehr viele Menschen betreffen sollten und nicht nur eine kleine linksradikale Minderheit. Wir müssen allerdings zugeben, dass die Mobilisierung von Anfang an auch nicht wirklich darauf ausgelegt war, breite gesellschaftliche Gruppen zu erreichen, sondern eher szeneintern blieb. Angesichts zunehmender gesellschaftlicher Isolation und der immer bedrohlicher werdenden Faschisierung von Staat und Teilen der Gesellschaft sollte uns dies jedoch nachdenklich stimmen.

Dennoch blieb die befürchtete Konsequenz einer kleinen und wenig kämpferischen Demonstration aus. Trotz der ca. 2000 Menschen die sich auf die Strasse bewegten und der vielen zum Angriff Motivierten unter ihnen, waren wir aber zu wenige, um dem martialischen Bullenaufgebot etwas entgegenzusetzen. So ist es auch verständlich, dass die Angst viele dazu veranlasste die Demo während der Konfrontationen zu verlassen. Die Demo wurde schlussendlich gespalten und die Zahl der Teilnehmer*innen deutlich minimiert. Die Bullen hatten die Demo schnell unter ihrer Kontrolle und vermieden weitere Eskalationen indem sie auf einen Kessel und Festnahmen verzichteten.

Somit erreichten die Bullen eines ihrer Ziele, abseits ihrer Reinwaschung in der öffentlichen Meinungsbildung. Nämlich einen Kontrollverlust zu verhindern, mit dem Nachteil aber selber nicht offensiv agieren zu können. Sie mussten in Kauf nehmen, dass sie angegriffen wurden und die Angreifenden nicht verfolgen konnten. Dass sie diese Strategie verfolgten ist nicht nur ausschließlich der wütenden Mobilisierung und Silvester zu verdanken. Letztendlich war die Linksuntendemo eine Zuspitzung verschiedener autonomer Mobilisierungen in Leipzig, in der wir uns in der Konfrontation mit den Bullen üben konnten. Den Auftakt dessen bildete die linksunten Solidaritätsdemo im Sommer und erstreckte sich über die drei Kiezdemonstrationen, die in der zahlen- und ausdrucksstarken 13.12.-Demo endete. Angefangen mit kleinen Regelbrüchen mit Pyro, erweiterte sich die Konfliktbereitschaft durch Vermummung, Gefangenenbefreiung, bis hin zu Angriffen auf die Bullen. Das Konfrontationslevel war gestiegen und gipfelte an Silvester in einer Situation, in der die Bullen eine Stunde brauchten um die normale Ordnung wieder herzustellen. Das Bedrohungsszenario einer Out-of-Control Situation wurde real geschaffen und zwang die Bullen zur Zurückhaltung. Wir konnten nun oft beobachten, dass die Bullen diesem Bedrohungsszenario mit einer deeskalativen  Strategie begegneten und auch Erfolg damit hatten. Oft wurde der Raum nicht genutzt, der uns gegeben wurde und eine Eskalation so auch von uns selbst verhindert. Als Beispiele möchten wir die Black-Triangle Demo, die Bullen-Kongressdemo und die 13.12. Demo nennen.  Darin sehen wir eine Motivation weiter an einer konfrontativen Strategie in unseren Kämpfen festzuhalten, und an selbstbestimmten Demonstrationen und einer Herbeiführung einer Out-of-Control Situation zu arbeiten.

Zunächst scheint all dies also ein Erfolg zu sein. Nicht ausschließlich ein Erfolg der militanten antistaatlichen Angriffe und Mobilisierungen der letzten Monate - wir machen uns nicht die Illusion, dass die Schweine so große "Angst" vor uns haben - sondern  auch ein Erfolg der Gegenöffentlichkeit, die nach Silvester geschaffen wurde, und ein Erfolg des solidarischen Verhaltens vieler Menschen. Wir hüten uns jedoch davor, das Verhalten der Bullen als Zeichen der Schwäche zu werten. Dahinter steht vielmehr die strategische Entscheidung, die Auseinandersetzung auf eine andere Weise zu führen. Weniger mit Knüppel und Pfefferspray und mehr mit den Mitteln der Propaganda und der Selbstdarstellung. Es wurde sich bewusst dazu entschieden, ein mediales Bild zu zeichnen, in dem die Bullen als die friedlichen und deeskalativen Hüter der Ordnung erscheinen, die niemandem etwas Böses wollen, und die Autonomen als hasserfüllte Hooligans, die ohne jegliche Gründe Gewalt gegen alles und jeden anwenden. (2)

Vor diesem Hintergrund werden nun zunehmend Stimmen aus dem linken Spektrum laut, die ebenfalls die Gewalt gegen Bullen auf der Linksuntendemo verurteilen. Mal wieder überbieten sich VertreterInnen von Parteien und anderen Organisationen gegenseitig in Distanzierungen und Entsolidarisierungen. Besonders dominant ist dabei das Narrativ: "Die Polizei hat doch überhaupt nichts gemacht, sie war so deeskalativ und freundlich, und trotzdem wurde sie angegriffen. Das finde ich nicht gut." Wir wollen dazu ein paar Worte sagen.

 

 

GUTE BULLEN, BÖSE BULLEN

Es gilt in linken Kreisen allgemein die Ansicht, dass es legitim und richtig ist, sich gegen Angriffe der Bullen zu verteidigen. Was ebenfalls die meisten verstehen, ist dass es legtitim und richtig ist, die Bullen anzugreifen, wenn diese sich umittelbar vorher unpassend verhalten haben, bspw. Leute verprügelt oder misshandelt haben. Woran sich nun die Geister scheiden, ist die Frage, ob es auch dann in Ordnung ist, Bullen anzugreifen, wenn diese konkret an diesem Tag noch gar nicht so negativ aufgefallen sind, weil sie bspw. einer "deeskalativen" Einsatztaktik folgen.

Dabei scheinen einige derer, die sich zu Wort melden, nicht über das beste Gedächtnis zu verfügen. Wenige Tage vor der Linksuntendemo wurde die Antifaschistin Maria in ihrer Wohnung von Berliner Bullen exekutiert. An Silvester haben die Leipziger Bullen massenweise Leute krankenhausreif geschlagen. In den letzten Monaten häuften sich die Berichte von gewalttätigen Übergriffen im Connewitz seitens der Bullen, von rassistischen Kontrollen, Schikanen, Beleidigungen und Entführungen. In den Zeitungen reiht sich ein Naziskandal bei der sächsischen Polizei an den anderen. All die Bullenmorde der letzten Jahre, all die "Suizide" in deutschen Gefängnissen, all die Abschiebungen in Kriegsgebiete, die die deutsche Polizei durchführt, all die Misshandlungen und Übergriffe, all die Erniedrigungen und Beleidigungen, die jede und jeder von uns schon erlebt hat, die Leichensäcke und der Ätzkalk, die Todeslisten und dazu die neuen Polizeigesetze - wie kann man all dies so schnell vergessen? Wie kann man angesichts dieser gesellschaftlichen Zustände ernsthaft behaupten, es sei verwerflich eine immer offener faschistisch auftretende Staatsgewalt anzugreifen?

Wir wollen uns entschieden gegen die Lügenerzählungen von guten Bullen und bösen Bullen aussprechen. Bullenschwein ist Bullenschwein, da die Struktur dahinter dieselbe bleibt und für uns ausschlaggebend ist. Wer sich dazu entscheidet, dieser Organisation beizutreten und die menschenverachtende kapitalistische Ordnung zu schützen, der trifft eine politische Entscheidung und muss auch mit den Konsequenzen dieser Entscheidung leben. All die, die jetzt meinen sich distanzieren zu müssen von linken Chaoten und moralische Urteile zu fällen über militante Demonstrationen, die sollten sich nochmal in Ruhe überlegen, ob es gerade der richtige Zeitpunkt ist, sich von linker Praxis zu distanzieren und sich auf die Seite der Bullen zu stellen.

 

BULLEN ANGREIFEN - WARUM ODER WARUM NICHT?

Doch weg von der Legitimität, hin zur politischen Strategie: Was ebenfalls viel diskutiert wird, ist die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Angriffen auf die Bullen.

Wir sind der Überzeugung, dass eine unversöhnliche Haltung gegenüber dem bürgerlichen Staat unverzichtbar ist, wenn wir es mit der sozialen Revolution ernst meinen. Linksunten.indymedia.org war ein Medium der antikapitalistischen, revolutionären Linken in Deutschland. Sein Verbot war ein Angriff auf verschiedenste soziale Kämpfe und auf unser aller Interessen. Ein solcher Angriff kann nicht friedlich verhandelt werden. Es gibt darüber nichts mit dem Staat zu diskutieren. Es ist deshalb ein wichtiges politisches Zeichen gewesen, die Bullen trotz ihrer Zurückhaltung anzugreifen. Damit legen wir die Konfliktlinien fest, an welchen entlang wir uns zukünftig bewegen wollen. 

Wir glauben, dass es existenziell ist, dass soziale Kämpfe auch auf eine militante Art und Weise geführt werden. Die Bahnen der Legalität sind der Versuch, die Bevölkerung ihrer Fähigkeit zu berauben, zu handeln, Druck auszuüben und gesellschaftliche Veränderungen hervorzurufen. Das Recht sich zu erheben und sich gegen die Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen wird dadurch stark eingeschränkt. Eine komplett friedliche Masse wird wenig bewirken bis gar nichts, weil sie keinerlei Gefahr für einen Staat darstellt und deshalb auch keine Aufmerksamkeit bekommt. Eine komplett militante Masse wiederum wird schnell durch militärische und repressive Einwirkung zerschlagen ẃerden. Erst die Synthese macht die gefährliche Mischung aus, die alle Staaten dieser Welt fürchten. Deswegen ist diesen Staaten auch der ideologische Kampf um die Deutungshoheit über gute und schlechte Gewalt so wichtig. Der Staat wird neben Repression immer auf Vereinnahmung setzen, wird gleichzeitig versuchen, linke Kräfte voneinander zu spalten und zu isolieren. Die von den bürgerlichen Medien geführte "Gewaltdebatte" ist ein Beitrag dazu. Traurigerweise lassen sich viele Linke auf genau diesen Diskurs ein und akzeptieren die Vorannahmen der Polizei und der bürgerlichen Presse. Diese Linken tragen dazu bei, militantes Agieren zu entpolitisieren - Stichwort Hooliganismus, Gewaltfetisch, etc. Sie hilft dabei mit, die Bevölkerung vergessen zu lassen, dass es ihr gutes Recht ist, sich auch mit Gewalt gegen die  Ungerechtigkeiten des Staates und der Unternehmen zu wehren.

Anhand sozialer Bewegungen der letzten Jahre überall auf der Welt - Griechenland, Ägypten, Frankreich, Hong Kong, Chile, etc. - kann man erkennen, wie wichtig es ist, den Staat und seine Diener, neben Symbolen und Infrastruktur des Kapitals, anzugreifen. Oft geschieht dies aus reiner Selbstverteidigung; denn ein Staat, der um seine Macht fürchtet, wird alle ihm verfügabren repressiven Mittel auf der Straße auffahren und dabei auch Tote in Kauf nehmen. Dies bezeugen die Bilder und Berichte der Gewalt seitens der Polizei- und Militärkräfte, die sich den zahlreicher werdenden Aufständen auf der ganzen Welt entgegenstellen. Oft werden Bullen auch angegriffen, um als Bewegung selbstverwaltete Freiräume zu erstreiten, die frei von staatlicher Kontrolle sind und in die sich prügelnde Faschisten mit und ohne Uniform nicht hineintrauen. Diese Freiräume können sich auf unterschiedliche Weisen formen und ausdrücken: Massenansammlungen, Demonstrationen, Platz-, Fabrik- und Hausbesetzungen, rebellische Viertel und Quartiere. Sie sind existentiell für die Selbstorganisierung der Bevölkerung, die die Umwälzung der Verhältnisse zum Ziel hat. In ihnen können neue Formen erprobt werden, wie man diskutiert, streitet, kämpft, sich organisiert und kennenlernt. Die Synthese eines von staatlicher Kontrolle befreiten Raumes mit den kämpfenden Kollektiven und Individuen, die darin wohnen, und der Selbstorganisation des Lebens birgt die Möglichkeit sich von der kapitalistischen Ausbeutungslogik zu befreien und den Staat zu zersetzen. Aus dieser Verbindung können sich neue revolutionäre Keimzellen bilden, aus denen befreiende Gesellschaftsmodelle entstehen können. Rojava, Chiapas, Exarchia, die Gemeindeversammlungen der Gelbwesten und der chilenischen Bevölkerung sind solche Versuche.

Auch in Connewitz verfolgen wir ein ähnliches Konzept. Es ist der Versuch einen Raum zu gestalten, in den die Bullen sich nicht hinein trauen. Oder es zumindest schwerer haben sich dort ungefährdet zu bewegen, weil ein großer Teil der BewohnerInnen ihnen feindlich gesinnt ist. Sie sollen keine ruhige Minute im Viertel haben, weil sie sich der ständigen Gefahr angegriffen zu werden bewusst sind. Dort wo die Staatsmacht herausgefordert wird, zeigt sich ihr wahres Gesicht. Das ist nicht immer angenehm und kann zu Gewaltexzessen der Bullen führen, wie wir sie in den letzten Jahren häufig erlebt haben. Doch nichts ist gefährlicher als eine friedliche Koexistenz, ein Sich-Einrichten in den herrschenden Verhältnissen, wie es weite Teile der linken Subkultur praktizieren. Dies führt zu einer Aufgabe der sozialen und antifaschistischen Kämpfe und notwendig zu einer Rückentwicklung.

Wäre ein befreiter Raum erreicht, wird auch der Kampf gegen die Immobilienhaie leichter sein, da ihre Baustellen ungeschützt wären. Es gäbe den Raum für Besetzungen, Selbstvewaltung und -organisation, aus denen neue kämpfende Kollektive entstehen können, bereit die bestehenden Verhältnisse zu ändern. Doch soweit sind wir natürlich noch lange nicht. Auf dem Weg dahin ist aber jeder Angriff auf die Bullen ein Schritt nach vorne.

Somit sehen wir einige gute Gründe die Bullen anzugreifen. Im Folgendem möchten wir diese nochmal zusammenfassen:
- Wahrung einer legitimen Widerstandsform im kollektiven Gedächtnis
- Das Gewaltmonopol des Staates wird mit jedem Angriff in Frage gestellt
- Die Erkämpfung bzw. Verteidigung eines definierten Gebietes, in dem Widerstand und Selbstorganisation gedeihen können
- Verbreitung von antistaatlicher Propaganda; es gibt sehr viele Menschen, die die Bullen genauso wenig mögen wie wir
- Solidarische Angriffe als Reaktionen - z.B. nach Abschiebungen, Räumungen, Verhaftungen, Verboten, Schikanierungen, Gewaltausbrüchen, Morden, etc.

 

 

DIE GESELLSCHAFT DES SPEKTAKELS - ANGRIFFE AUF JOURNALISTINNEN

Auf der Linksuntendemo wurden Berichten zufolge mehrere JournalistInnen am Filmen gehindert, auch teils handgreiflich. Eigentlich bedürfte es einer eigenen Debatte, wie wir damit umgehen können, dass heutzutage die Gesellschaft des Spektakels von jedem und allem Bilder und Videos aufzeichnen will. Dazu gehört nicht nur die Presse, sondern auch Hobby-FilmerInnen und Demonstrierende selbst. Wir befinden uns bei diesem Thema im Widerspruch mit uns selbst. Natürlich will man sich selbst schützen, aber tausende Momentaufnahmen sind wie tausende Blickwinkel mit einem individuellen Wahrheitsgehalt. Sie können Polizeigewalt dokumentieren oder verhindern, widerständige Momente festhalten und Bilder verbreiten, die für sich und für uns sprechen. In Momenten des Aufstands bilden sie ein Pendant zur staatlich-kapitalistischen Propagandamaschinerie. Diese Bilder gehen um die Welt und bestärken auch uns. Smartphones sind kaum mehr von Protestbewegungen und Aufständen weg zu denken. Wie denn auch, wenn viele gerade auch in den sozialen Medien entstehen und organisiert werden? Andererseits setzt auch die Strafvefolgung in Deutschland auf genau diese Aufnahmen. Nach Events wie G20 wird öffentlich dazu aufgerufen, man möge alle Aufnahmen, die man von dem Event hat, an sie schicken. Die Verfolgungsbehörden scheinen nicht davor zurück zu schrecken gigantische Mengen an Videomaterial auszuwerten. Hunderte Öffentlichkeitsbilder nach Hamburg sind Beweise dafür.

Wir müssen also als Bewegung Wege finden, mit der Präsenz von MedienvertreterInnen auf unseren Demonstrationen umzugehen. Es ist kein Widerspruch für Pressefreiheit zu kämpfen und gleichzeitig nicht gefilmt werden zu wollen. Natürlich ist es nicht hinzunehmen, wenn Porträtaufnahmen von Einzelpersonen aus kurzer Distanz unter der Verwendung von Scheinwerfern gefertigt werden. Erstens, weil diese der Strafverfolgung dienen und Repression nach sich ziehen können. Zweitens, weil diese keinerlei Informationsgehalt transportieren, sondern lediglich das Verhalten von Einzelpersonen kontextlos skandalisieren sollen. Drittens, weil wir wissen, dass auch immer wieder Nazis auf unseren Demos unterwegs sind, um heimlich Aufnahmen zu fertigen, so auch auf der Linksuntendemo. Solche "Nahaufnahmen" zu unterbinden ist deshalb eine legitime und notwendige Selbstschutzmaßnahme, auch wenn Gewalt bzw. die Androhung von Gewalt dabei nicht unbedingt das erste Mittel sein sollte - außer natürlich bei Nazis. Auch erschwert die Benutzung von Handys statt großen Videokameras seitens JounarlistInnen den Demonstrierenden die Differenzierung zwischen privaten und öffentlichen Aufnahmen. Wenn man nicht gefilmt werden will - und das wollen viele nicht, egal von wem - spricht man das an, logisch. Die Menschen, die filmen, müssen darauf eingehen, das respektieren und bestenfalls unterbinden, auch logisch. Wird dies nicht gemacht, kann es in stressigen Situationen - wie einer Demonstration - zu hitzigeren Reaktionen kommen, auch irgendwie logisch. Viel zu oft können wir erleben wie eine sensationsgeile Presse die Selbstbestimmung derer, die nicht gefilmt werden wollen, dreist missachtet. Einige Beispiele durften wir in letzter Zeit anhand der Kamarateams erleben, die neuerdings die Connewitzer Bevölkerung fast täglich teilweise aufdringlich belästigen.

Wir können die auch in unseren Kreisen mittlerweile verbreitete Unmut auf Teile der Medien nachvollziehen. Die Berichterstattung über Connewitz und Autonome in Leipzig in den letzten Wochen und Monaten war geprägt von Verleumdungen, Falschdarstellungen und Überspitzungen, nicht selten auch von Chauvinismus. (3) Dennoch müssen wir mit der Anwesenheit von Presse auf unseren Demonstrationen leben, so ist das nun mal mit Demonstrationen. Wer klandestin und ungesehen agieren möchte, sollte das nicht auf Demonstrationen versuchen, sondern lieber im Schutze der Nacht zu einem selbstgewählten Zeitpunkt losziehen und seine Meinung auf andere Weise kundtun.

Eine mögliche Lösung für die Zukunft wäre einen beidseitig kooperativeren Umgang mit der Presse zu entwickeln, vorausgesetzt sie hält sich an ein paar Regeln wie eben dass keine Porträitaufnahmen gefertigt werden und kein Material den Bullen zur Verfügung gestellt wird. Dabei kann natürlich auch zur Debatte gestellt werden, wie mit denunziatorischen und menschenverachtenden Hetzblättern der Springerpresse umgegangen wird.

 

 

WIE WEITER NACH DEM VERBOT?

Jetzt ist die Demo vorbei, es hat geknallt und wir sind mit dem guten Gefühl nach Hause gefahren, doch noch fähig zu sein, eine gewisse Schlagfertigkeit zu entfalten. Wir haben auch hoffentlich gerlernt, dass es einer Niederlage gleichkommt sich zu einer Sache wie dem Linksuntenverbot einfach gar nicht zu verhalten. Nochmal dürfen wir die gleichen Fehler nicht begehen. Nach dem Verbot ist vor dem Verbot, leider im wahrsten Sinne des Wortes. Das Bundesinnenministerium hat nun ein Zensur-Instrument in der Hand, bis das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe etwas anderes sagt. Das wird ewig dauern und gibt uns sowieso keine Garantie. Nur auf unsere eigene Stärke können und müssen wir uns verlassen. Die Linksuntendemo hat gezeigt, das wir gewillt sind diesen Konflikt auch auf der Straße offensiv auszutragen.

Das sächsische Innenministerium stellte bereits einen Antrag zu einem möglichen Verbot von de.indymedia.org an das BMI. Wir sollten auf ein nächstes Verbot vorbereitet sein. Dazu gehört eine Diskussion, ob wir zwischenzeitlich auf ein anderes Medium ausweichen können bis wieder ein vor Repression sicheres geschaffen wurde. Das Vorhandensein einer Plattform der revolutionären Linken ist unabdingbar um uns zu vernetzen, auszutauschen und aufeinander zu beziehen. Wir müssen davon ausgehen, dass die Zensur weiter gehen wird.

 

 

DESWEGEN RUFEN WIR AUF, AB DEM TAG (((i))), DEM TAG AN DEM de.indymedia.org VERBOTEN WIRD, BUNDESWEIT ZURÜCKZUSCHLAGEN! JEDE SOLIDARITÄTSBEKUNDUNG IST WERTVOLL!

 

Baut kämpfende Kollektive auf! Schafft Räume außerhalb staatlicher Kontrolle!

 

Für eine revolutionäre Linke!

 

(1) Zu einer Beschreibung und Einordnung der Silvesterereignisse siehe: https://de.indymedia.org/node/57755

Für eine Analyse der Öffentlichkeitsarbeit u.a. der Bullen siehe: https://de.indymedia.org/node/58066

(2) Als Beispiel hierfür können diverse Videobeiträge der letzten Wochen herangezogen werden, z.B.: https://www.youtube.com/watch?v=5v5OeHaeSWQ

(3) https://www.youtube.com/watch?v=xZgb4YeTPSY

webadresse: 
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Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen

Ergänzungen

wo finden sich informationen zum Antrag auf das Verbot von de.indymedia.org?

Klasse Artikel !!

...und von a bis z richtig !

solo la lucha nos hara libres - die Solidarität genau in diesem Sinne muss wachsen.

>Energie in ein neuen indymedia Webauftritt zu stecken wäre Meiner Meinung nachaltiger.
+1
Es ist nicht falsch Bullen anzugreifen. Nur bringt es eine verbotene Seite nicht zurück.
Auf ins Darknet. Schafft ein, zwei viele Indymedia.

Leute!

Is doch Schwachsinn in einem Land wie Deutschland mit über 80 Millionen Einwohnenden alles auf ein paar Webseiten zu konzentrieren. Selbst wenn das traditionsreiche Indynetzwerk verboten wird, kann rumheuln nicht die Lösung bringen. Was dagegen hilft sind dezentrale Netzwerke für einzelne Regionen, da kann auch mal ne Menge ausfallen, und trotzdem wäre der Informationsfluss gewährleistet.In Frankreich gibt es das MUTU Netzwerk, in dem linke eigenständige Regionalseiten aktiv sind, siehe:

 

Das Mutu-Netzwerk: die Wiederbelebung der radikalen Medien

https://barrikade.info/article/1235

I

- "Das Mutu-Netzwerk" in diesem PDF des 'Autonomen Blättchens" auf Seite 25

https://de.indymedia.org/sites/default/files/2018/12/nr35web.pdf

 

Bitte um Nachtrag: wie viele der 20.000 Connewitzer möchten denn in "befreiten" und "selbstverwalteten" Räumen leben, wie sie hier gepriesen und angestrebt werden. In meinem kompletten Familien- und Arbeitskollegenkreis, unter befragten Connewitzer Kleingewerbetreibenden, bei hiesigen Schulen, Kitas oder Ärzten gibt es keinen, dort kennt auch keiner einen, der einen kennt der so leben will.

Unter http://raxuatgmxdvnp4no.onion und http://nwaieflvu7iods2o.onion/ (nur text) haben wir zwei Spiegel von de.indymedia.org online gestellt. (Beide Spiegel sind nur über Tor erreichbar. Ihr könnt Tor hier runterladen: https://www.torproject.org/download/ ) Falls de.indymedia.org auch der Repression zum Opfer fallen sollte, sind die bisherigen Posts weiterhin zugänglich.

von http://4sy6ebszykvcv2n6.onion/node/56256