US: Occupy, Polizeigewalt, Justiz + Gefängnis

RADIO AKTIV 15.06.2012 19:01 Themen: Antirassismus Blogwire Medien Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Anfang Juni sprachen wir in Berlin am Rande eines Vortrages der Free Mumia Bewegung mit zwei libertären Aktivist_innen aus Virginia über die Auswirkungen der Occupy Bewegung, Rassismus, Polizeigewalt,Justiz und die Gefängnisindustrie in den USA. Dieses Interview wird in akustischer Form in naher Zukunft auch auf „Freie Radios“ veröffentlicht werden.
Radio Aktiv: Ich begrüße euch beide aus Richmond, Virginia in den USA. Könnt ihr euch unseren Hörerinnen und Hörern vorstellen?

Aron: Aron
Sarah: Hallo, ich bin Sarah, 24 Jahre alt und aus Richmond in Virginia.




Radio Aktiv: Vorhin habt ihr mir erzählt, dass ihr in den USA an sozialen Kämpfen teilnehmt. Könnt ihr uns einen kurzen Überblick über die Kämpfe geben, die für besonders wichtig haltet?

Aron: Das größte Ereignis im vergangen Jahr war die Occupy Bewegung, welches allen in den USA bewusst ist. Gerade in Richmond, Virginia hat diese Bewegung viele motiviert, die vorher noch Obama unterstützt haben. Sie wurden von ihm enttäuscht und gingen daher in die Occupy Bewegung. Das radikalisierte ihre politischen Ansichten. Inzwischen ist die Occupy Bewegung dort wieder eingeschlafen - sie existiert momentan nicht wirklich - aber viele organisierte und fortschrittlich eingestellte Menschen haben sich daraus entwickelt. So wird nun gegen mehrere frauenfeindliche Gesetze organisiert, die zum Teil bereits erlassen wurden. Es geht hier um ein Abtreibungsverbot u.a. Es gab zahlreiche, us-weit wahrnehmbare Proteste gegen diese Gesetze, was der Republikanischen Partei den Ruf eingebracht hat, frauenfeindlich zu sein.

Sarah: Zusätzlich gibt es nicht nur in Virginia sondern im ganzen Land inzwischen ein steigendes Bewusstsein über die Ungerechtigkeit des Schuldnersystems. Eine Menge der Student_innen hatten in den letzten 15 - 20 Jahren Darlehen.Sie zahlen dafür noch immer die Zinsen ab. So etwas bekommt nun mehr Aufmerksamkeit. Studiengebühren sind erhöht worden, Wohngegenden sind überall wg. der Zuzugs von Student_innen gentrifiziert worden. Natürlich haben die mehr Geld zur Verfügung, aber gleichzeitig auch mehr Schulden. In den vergangenen 50 Jahren entstand eine große Mittelklasse in den USA. Nun sehen wir überall eine Teilung dieser Mittelklasse. Zum erste Mal seit langer Zeit ist unsere Generation ärmer als die unserer Eltern.




Radio Aktiv: Du sagtest zuvor, dass die Mehrheit der Occupy Aktivist_innen zuvor Obama unterstützt haben. Im Zusammenhang mit der sich teilenden Mittelklasse: die Occupy Bewegung hat für sich immer in Anspruch genommen, die 99% der Bevölkerung darzustellen, die gegen die 1% der Nutznießer_innen des Systems aufbegehrt. Inwieweit denkt ihr, hat diese Bewegung wirklich die us-amerikanische Gesellschaft erreicht?

Sarah: Das ist schwer zu beantworten. Ich denke, dass viele der durch diese Bewegung mobilisierten sich persönlich verändert haben und weiterhin Einfluss auf die Gesellschaft nehmen werden, vor allem auf lokaler Ebene. Sie haben sich viele Mittel und Techniken der Proteste und Demonstrationen angeeignet und denke, dass sie das in ihrer eigenen Umgebung weiter anwenden werden. Zum aktuellen Zustand der Occupy Bewegung denke ich an die Rolle der Medien, die sich sehr angestrengt haben, Verwirrung zu stiften. Es kamen so viele unterschiedliche Menschen zu Occupy Aktionen und Demonstrationen, dass wir nur schwer von einer durchgängigen Bewegung sprechen können. Das beste Ergebnis ist, dass es nun viel mehr Leute gibt, die ein Interesse an den laufenden Auseinandersetzungen haben und sich einmischen wollen. Und sie wissen, wie sie sich dafür organisieren können.

Aron: Diese Bewegung hat das Bewusstsein über die soziale Frage in den USA stark erhöht. Seit den 1960igern kommst du um viele Fragen nicht mehr herum - sei es die Rechte von Schwulen, Morde von Polizisten an Afroamerikaner_innen, Frauenrechte - alle diese Fragen komme nun in die Mitte der Gesellschaft. Diese Themen können nicht mehr ignoriert werden und das ist ein großer Erfolg der Occupy Bewegung.




Radio Aktiv: People Of Color machen fast 20% der US Bevölkerung aus. Sie haben zum großen Teil keine Möglichkeit der Teilhabe. Hat die Occupy Bewegung diesen Teil der Bevölkerung mobilisiert? Sind people Of Color daran beteiligt?

Aron: Es war mehrheitlich eine weiße Mittelstandsbewegung. Aber, wie bereits gesagt, hat diese Bewegung das soziale Bewusstsein erhöht. In Richmond gibt es z.B. ein monatliches Aktivist_innen Treffen. Dort treffen sich z.B. der NAACP (1), frühere Occupiers bis hin zu politisch radikalisierten Menschen, wo es um lokale Angelegenheiten geht. Dort werden gemeinsame Ansätze gesucht. Am Anfang war das hauptsächlich weiß, aber inzwischen fühlen sich People Of Color und andere ausgegrenzte Gruppen davon angesprochen.

Sarah: Ich kann das nicht für alle Occupy Bewegungen beurteilen, aber zu Beginn war genau das ein Teil der Kritik, die ältere Aktivist_innen aus Richmond geäußert haben. Es wurde eine Verbreiterung der Arbeit und ein bewusstes Zugehen auf die unterschiedlichen Communities gefordert. Mir scheint es, als ob die Occupy Bewegung diese Kritik konstruktiv umgesetzt hat. Es gab den "Occupy The Hood" Event, wo Occupy Praktiken zusammen mit People Of Color nach ihren Notwendigkeiten und ihren Gemeinden praktiziert wurden. Zuvor waren die überhaupt nicht wahrgenommen worden. Das klappte sehr gut, auch in Zusammenarbeit mit Gruppen, die bereits seit sehr langer Zeit aktiv sind.




Radio Aktiv: Im Februar diesen Jahres gab es einen Aktionstag namens "Occupy The Prisons". Dann kam es am 24. April zu einer Occupy Aktion zu einer Occupy Aktion vor dem Justizministerium und Weißen Haus in Washington, wo es um ein Ende der Masseninhaftierung und die Freilassung von Mumia Ab-Jamal ging. Und vor kurzem kam es dann in Chicago zu den Protesten gegen den NATO Gipfel. Im Vorfeld wurden viele verhaftet. Gegen einige wurden Terrorismusanschuldigungen erhoben, obwohl diese lediglich Farbeier gegen Regierungsgebäude geworfen haben sollen - was nicht besonders terroristisch anmutet. Trotzdem bleiben diese Leute in Haft und die Anklagen werden sehr ernst verfolgt. Der Protest gegen die Versammlung der NATO Militärführung wurde äußerst brutal von der Polizei angegriffen. Haben solche Vorgänge Auswirkungen auf die Occupy Bewegung? Hilft das, Aktivismus zu verbreitern oder schüchtert es die Menschen ein?

Sarah: Obwohl die Polizeigewalt eine schreckliche Sache ist, steigert auch das das Bewusstsein. Viele Menschen werden auch für völlig gewaltfreie Aktionen verhaftet. Polizisten haben jedes Maß verloren. Es passiert sehr viel und wir sehen eine totale Überreaktion seitens der Polizei. Aber das ist auch gut, denn mehr Leute aus der Mittelklasse sehen nun durch eigene Erfahrung, dass die Polizei schon immer gegen alle Stimmlosen so brutal war. Mehr und mehr berichten über ihre Erlebnisse und das steigert das Bewusstsein über die Institution Polizei und ihre fortgesetzte, unkontrollierbare Brutalität.

Aron: Das erschreckende ist, dass die Polizeigewalt schlimmer wird. Viele meiner Freunde sind verhaftet. Wir sehen eine unbeschränkte Polizeigewalt, die überhaupt keine Reaktion in der Justiz auslöst. Das ist furchteinflößend, da es der Polizei in den USA alles erlaubt.

Sarah: Trotzdem steigert es das Bewusstsein. Diese Gewalt hat sich für Jahrzehnte in afroamerikanischen Gemeinden und gegen Migrant_innen abgespielt. Es gibt nun härtere Gesetze gegen Immigrant_innen. Menschen können jederzeit gestoppt und überprüft werden, wenn sie lediglich wie ein_e Immigrant_in aussehen. Es gibt sehr viel neue Möglichkeiten für die Polizei, Menschen zu drangsalieren. Und nun gehen sie nicht mehr nur gegen die bereits zuvor Unterdrückten sondern gegen alle vor. wenn alle grundlos inhaftiert werden, steigert das auf jeden Fall das Bewusstsein.




Radio Aktiv: Sicherlich praktiziert die Polizei das alles nicht einfach aus einer Laune heraus. Wer profitiert davon? Da steckt doch Kalkül dahinter oder denkt ihr, dass läuft einfach aus der Kontrolle?

Aron: Ich denke da an einen Fall in New York, wo J.P. Morgan (2) kurz vor einer großen Durchsuchungswelle gegen Occupy mehrere Millionen Dollar an die Polizei spendete. Ich weiß nicht mehr, wie viel es war. Aber sie spendeten privat einige Millionen Dollar an die New Yorker Polizei und das macht vielleicht am deutlichsten, für wen die Polizei arbeitet. Z.B. sind die meisten Gefängnisse für Flüchtlinge private Unternehmen, die Konzernen und manchmal sogar Politiker_innen gehören. Wenn du die Gefängnisse insgesamt betrachtest, fällt auf, dass Essen, Nahrung etc. meist von privaten Konzernen kommt. Sobald du ins Gefängnis kommt, bringt das jemandem Geld. Wer bezahlt das? Die US Regierung. Woher hat sie das Geld? Entweder benutzt sie dazu erhobene Steuern von dir oder sie druckt neues Geld.

Sarah: Selbst bei Massenfestnahmen nach friedlichen Protesten, auch wenn du nur eine Nacht im Gefängnis bist, hast du immer einen Gerichtstermin. Du musst Gebühren zahlen. Selbst an einer kurze Festnahme für nur wenige Stunden verdienen manche.

Aron: Du musst ihnen Geld zahlen, damit sie dich im Gefängnis einsperren. Auch für deinen Prozess musst du zahlen.




Radio Aktiv: Was ist deine Meinung über die Justiz?

Aron: Das ist nichts als Zirkus. Vermutlich ist es noch nicht ganz so schlimm wie die Schauprozesse in der früheren Sowjetunion, aber sie kommen denen ziemlich nahe.




Radio Aktiv: Bei den Inhaftierungsraten kommen sie inzwischen auf jeden Fall daran (5). Hier in Europa hören wir von dieser unvorstellbaren Menge von 2,5 Millionen Gefangenen, viele von ihnen in Privatgefängnissen. Gleichzeitig hören wir, dass über 90% dieser Gefangenen gar kein Verfahren in den USA hatten. Sie wurden mit sog. "Plea Bargains" (Schuld Handel) eingesperrt. Wie ist es eurer Erfahrung nach, wenn Angeklagte auf einem Prozess, eine selbstgewählte Verteidigung bestehen? Ist es möglich, dass durchzusetzen?

Aron: Es gibt theoretisch immer die Möglichkeit. Die allermeisten Festgenommenen haben jedoch kein Geld. Daher haben sie einen vom Gericht eingesetzten Anwalt, der wenig Erfahrung mit dem Gesetz hat. Und normalerweise sind diese Anwälte auch nicht auf deiner Seite, lehnen dich wg. der Anschuldigungen oft ab (3). In der Regel raten sie dir, auf den Schuldhandel einzugehen. Selbst wenn du die Verbrechen nicht begangen hast, die sie dir vorwerfen, fassen sie dein Festhalten an einem Prozess als Aggression auf. Staatsanwälte und Richter_innen werden dir dafür mehr Zeit auf brummen. Deshalb handeln sich die meisten Menschen da raus. Du bekommst z.B. ein Jahr Haft für einen "Plea Bargain". Gehst du vor Gericht und deutest auf den politischen Charakter der Anklage hin, bekommst du dann fünf Jahre für die selbe Anklage.

Sarah: Dem stimme ich zu.




Radio Aktiv: Viele Menschen, die so verurteilt werden, bestehen auf ihrer Unschuld. Braucht es vor Gericht überhaupt keinerlei Beweise? Oder gibt es überhaupt die Möglichkeit, Beweise der Polizei anzuzweifeln?

Aron: Nicht wirklich. Meine persönliche Erfahrung verlief so: ich wurde wg. Verschwörung verurteilt. Das passiert vielen Menschen. Diese Leute haben nie ein Verbrechen begangen, sondern wurden vom FBI (4) in eine Falle gelockt. Das passiert besonders oft bei politischen Aktivist_innen. Die Anklage lautet häufig "Verschwörung". Das bedeutet nicht, dass dir ein Verbrechen bewiesen werden muss. Das FBI sagt sogar, dass es konkret bisher vielleicht gar keine Straftat gegeben hat, aber Informanten andeuten, dass es dazu kommen könnte. Das reicht für eine Verurteilung aus. Natürlich gibt es auch Verhöre, wo Beschuldigte dann vor einer Spiegelwand in einem ansonsten kargen Raum mit Betonwänden sitzen. Dann sagen sie dir, dass du so und so lange in Gefängnis gehst, wenn du nichts zugibst oder jemand anderes belastet. Das schüchtert viele Menschen ein und sie gestehen Sachen, die nicht zutreffend sein müssen. Sie haben Angst um ihr Leben oder um ihre Kinder.

Sarah: Oft geht es in Juryverfahren nur darum, die Jury in deine Richtung zu beeinflussen. Mit gerichtsverordneten Anwält_innen ist das gegen den Staatsanwalt sehr schwierig. Es geht hier hauptsächlich um die Meinungsbeeinflussung der Jury. Wenn es nicht genügend Beweise gibt, präsentieren sie sog. "Charakterzeug_innen". Auch wenn du auf deiner Unschuld bestehst, geht es mehr um den Eindruck als um das Finden der Wahrheit oder die Substanz der Anklage.





Radio Aktiv: Falls du also keine eigenen finanziellen Mittel für eine Verteidigung hast, bist diesem System schutzlos ausgeliefert?

Sarah: Das ist genau der Grund, warum in den US Gefängnissen so viele People Of Color sind. Sie haben einfach nicht genügend Geld für eine qualifizierte Verteidigung. Da gibt es z.B. Anklagen gegen Konzern Vorstände, wo es um z.B. um Teilnahme an Korruption geht. Diese Leute werden eigentlich fast nie verurteilt, weil sie das Geld haben, sich zu verteidigen. In den Gefängnissen sitzen viele Menschen lediglich für unbedeutende Drogenvergehen. Das ist total sinnlos. Die meisten kommen aus armen Verhältnissen und so funktioniert das.




Radio Aktiv: Ich las vor kurzem, dass die Mehrheit der Inhaftierten in den USA nur zu geringen Teil für die Schäden verantwortlich sein soll, die durch Kriminalität verursacht werden (6). Demnach sollen die 2,5 Millionen schuldig gesprochenen Gefangenen der USA nicht einmal für ein Viertel der Kriminalitätsfolgen verantwortlich sein. Das ist sehr erstaunlich und in Europa (noch) sehr schwer nachzuvollziehen. Viele sind davon beeindruckt, wenn auch unterschiedlich. Manche sind darüber sehr entsetzt und glauben, dass sei ein spezielles Problem der USA. Andere sind sehr positiv davon beeindruckt und sehen die Möglichkeit der Bereicherung an so einem System und arbeiten daran, ähnliches auch hier zu etablieren. Ihr sagtet bereits, dass jeder Tag in Haft Profit für jemand anderes bedeutet. Beim Betrachten der Geschichte der USA und vieler anderer Länder hier in Europa fällt auf, dass Zwangsarbeit häufig ein sehr wichtiger Faktor für ökonomische Gewinne und industrielles Wachstum war. Wie beurteilt ihr das aktuelle Gefängnissystem in diesem Zusammenhang?

Aron: Es ist einfach eine moderne Form der Sklaverei. Überall in den USA gibt es Gefängnisse, die nach unterschiedlichen geografischen Vorgaben eigene Industrien entwickelt haben. Falls du in Las Vegas z.B. am Glücksspiel teilnimmst, sind die Spielkarten und Chips dafür in einem Gefängnis in Nevada produziert. Im Mittleren Westen gibt es gigantische Farmen, die mit Gefangenen bearbeitet und wo Konsumprodukte hergestellt werden. Die Gefangenen verdienen dabei höchsten 25 Cent in der Stunde. Ich bekam als Bibliothekar 20 Cent pro Stunde. Ich war "Großverdiener". Deine Kleidung oder die Möbel werden in einem anderen Gefängnis hergestellt, welches dann alle anderen in den USA beliefert. Ein anderes Gefängnis produziert Brillen für alle Gefangenen.




Radio Aktiv: Zentralisierte Produktion?

Aron: Ja, schon - regional zentralisierte Produktion.




Radio Aktiv: Bestehen diese zusammenhängenden Wirtschaftsbeziehungen zwischen staatlichen oder privaten Gefängnissen?

Aron: Beides, es ist gemischt. Privatgefängnisse in den USA profitieren von der Überfüllung der lokalen, staatlichen und föderalen Gefängnisse. Private Subunternehmer setzen stillgelegte Gefängnisse in Stand. Bevor Gefangene entlassen werden, weichen die Behörden ohne klare Regulierung auf private Gefängnisse aus. Als Gefangener sitzt du häufig erst einmal in einem Privatgefängnis - bei mir dauerte das drei Monate - bis es weiter in ein staatliches geht. Das sind Aufbewahrungszellen, die den behördlichen Gefängnissen fehlen.




Radio Aktiv: Die Behörden kaufen sich also Gefängnisplätze dazu. Zurück zur Produktion in Gefängnissen - ich vermute, dass es keine Möglichkeit der Arbeitsverweigerung gibt. Haben Gefangene irgendeine Form der Interessenvertretung? Gibt es Gewerkschaften oder Betriebsräte, an die du dich als Gefangene_r wenden kannst?

Aron: Nein, so etwas gibt es nicht. Sobald du eine Verurteilung für eine Straftat in den USA erhalten hast, giltst du für den Rest deines Lebens als Bürger_in zweiter Klasse, außer der Präsident hebt dein Urteil auf. Mit einer sog. "Felony", also mit einem kriminellen Eintrag bist du kein US Staatsbürger mehr.

Sarah: Wenn du eine Felony Verurteilung hast, nehmen sie dir das Wahlrecht weg. Eigentlich deine gesamte Bürgerrechte. Oft wird das für 5 - 10 Jahre begrenzt. Das unterscheidet sich in den einzelnen Bundesstaaten. Virginia ist z.B. einer der härtesten Bundesstaaten für Verurteilte, um ihr Wahlrecht zurück zu erhalten. Theoretisch kann das jede_r nach zehn Jahren in einem persönliche Brief an den Gouverneur beantragen. Unser gegenwärtiger Gouverneur (7) hat seit seinem Amtsantritt niemandem das Wahlrecht zurück gegeben. Dieses Beispiel unterstreicht, wie wichtig Rechte für verurteilte Gefangene sind.




Radio Aktiv: Vielen Dank für dieses Gespräch.


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Erklärungen:

(1) Die National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) wurde 1909 in den USA u.a. von W.E.B. DuBois gegründet und ist eine der ältesten und größten afroamerikanischen Bürgerrechtsvereine der USA. Unter Martin Luther King war der NAACP in den 1950iger Jahren federführend an der Abschaffung der institutionellen, juristischen und gesellschaftlich verankerten Apartheid in den USA beteiligt.
 http://www.naacp.org/

(2) J.P. Morgan Chase Co ist die größte Bank der USA und auch weltweit eine der größten. Sie spendeten im Herbst 2011 4,6 Mio. US-Dollar an die New York City Police Foundation. Diese größte Spende in der Geschichte der Stiftung wird laut offiziellen Angaben dazu eingesetzt, die Sicherheit im „Big Apple“ zu erhöhen. Sie ist eine von 29 Großbanken, die die US Regierung als "systemisch bedeutendes Finanzinstitut" ansieht ("too big to fail") und in der sog. "Bankenkrise" daher mit großen Steuersummen unterstützt hat.

(3) Auf Nachfrage sagte Aron später, dass er hier z.B. politisch motivierte Anschuldigungen meint, auf die er später noch eingeht.

(4) Das Federal Bureau of Investigation (FBI) ist die bundespolizeiliche Ermittlungsbehörde des Justizministeriums der USA. Das FBI ist in Realität eine unkontrollierte und eigenmächtig agierende Superpolizei, die in der Vergangenheit massiv an der Zerschlagung der Gewerkschaftsbewegung, der KP der USA, der Bürgerrechtsbewegung sowie der Black Power Bewegung beteiligt war. Infiltration, Fehlinformationen, Einbrüche sowie politische Morde gehören seit Ende der 1960iger fest zum Bestandteil ihrer Arbeit und sind mit dem "Patriot Act" unter Präsident George Bush Jr. auch weitesgehend legalisiert worden.

(5) In den USA sind laut Justizministerium derzeit knapp 2,5 Millionen Menschen in Haft. Weitere 4,2 Millionen sind unter Bewährungsauflagen, Fußfesseln oder in irgendeiner anderen Form unter Kontrolle der Justiz. Zumindest nach reinen Zahlen bahnen sich hier Parallelen zum Gulag System in der ehemaligen UdSSR unter Stalin an.

(6) Artikel von Kyrylo Tkachenko:
Aus dem Alltag der Armen-Bekämpfung - Ziele der Polizeibrutalität in den USA
 http://freiheit-fuer-mumia.de/kyrylotkachenko.htm

(7) derzeit Bob McDonnell, Republikaner
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Ergänzungen

Interessantes Buch zum Thema

prisons are obsolete! 15.06.2012 - 19:21


von Kyrylo Tkachenko:

Der Fall Mumia Abu Jamal
Rassismus, strafender Staat und die US-Gefängnisindustrie
 http://www.unrast-verlag.de/unrast,2,388,4.html

Ausgehend vom Fall des politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal behandelt das Buch die Entwicklung des monströsen US-amerikanischen strafenden Staates, in deren Zuge die Zahl der Gefängnisinsassen des Landes beinahe die Grenze von zweieinhalb Millionen Menschen erreichte. So wurde das US-amerikanische Strafvollzugsystem zum größten der Welt. Die Erörterung dieser Entwicklung zeigt unmissverständlich die entscheidende Rolle der Gefängnisse für die Etablierung des neoliberalen Staates in den USA.

Insbesondere wird die Aufmerksamkeit dem Zusammenhang zwischen dem Inhaftierungswahn und dem Abbau des sozialen Staates gewidmet. Außerdem wird die ausschlaggebende Rolle, die die Ausnutzung des rassistischen Ressentiments durch Medien und Politiker dabei gespielt hat, deutlich. Im Anschluss weist der Autor anhand der Auseinandersetzung mit den sozio-ökonomischen Ergebnissen der neoliberalen Wende nach, dass keineswegs nur »Sozialschmarotzer« bzw. »Kriminelle«, sondern die ganze Gesellschaft im Zuge der neoliberalen Wende betroffen wurde. Daraus wird klar, dass die einzigen tatsächlichen »Gewinner« zu einer dünnen und ohnehin reichen Oberschicht gehören.

Radiobeitrag in akustischer Form

Radio Aktiv 17.06.2012 - 17:32

hier der oben angekündigte Radiobeitrag mit deutschsprachiger Synchronisation:

Gespräch über Occupy, Justiz und Gefängnisse in den USA
 http://www.freie-radios.net/49107

Podcast

Radio Aktiv 20.06.2012 - 18:33
Dieses Interview lief im Original auch in verschiedenen Radiosendungen der vergangenen Tage und ist hier als Podcast zum freien Download oder nach hören:
 http://cba.fro.at/60577