Babylon: Mit und für die Belegschaft

Carlo Columna 24.10.2009 00:11 Themen: Kultur Soziale Kämpfe
Die Belegschaft des Babylon Mitte hat diese Woche einen Forderungskatalog für Tarifverhandlungen aufgestellt, der von drei Viertel der Belegschaft getragen wird. Die FAU Berlin unterstützt diese Forderungen voll und ganz und kündigt an, weiterhin die Belegschaft zu unterstützen, damit die Forderungen nicht unter den Tisch fallen.
In dem Katalog sind diverse Punkte genannt, die die Belegschaft als besonders wichtig erachtet und die v.a. auf die Mängel des ver.di-Tarifvertrages gemünzt sind. U.a. werden darin höhere Löhne gefordert, als sie ver.di-Verhandler Andreas Köhn anstrebt (dem eigentlich nur eine Übernahme des Flächentarifvertrages vorschwebt), und betriebsspezifische Regelungen verlangt, die die Rechte der MitarbeiterInnen stärken sollen. Letzteres scheint unbedingt notwendig, da die Geschäftsführung für ihre Kündigungspolitik und Angriffe auf die betriebliche Mitbestimmung bekannt ist.

Besonders erwähnenswert ist die innovative Forderung nach mehr Einkommensgleichheit innerhalb der Belegschaft, die einen solidarischen Geist ausdrückt. Auch die Forderung nach einem Schutz für alle gewerkschaftlich oder im Arbeitskampf engagierten KollegInnen darf nicht unterschätzt werden. Ver.di dagegen zielt auf eine Schlussbestimmung ab, die nur für die wenigen ver.di-Mitglieder gelten soll. Damit führt sie das Prinzip dieser Schutzklausel ad absurdum, deren Zweck es ist, ArbeiterInnen, die sich im Arbeitskampf (der i.d.R. einem Tarifvertrag vorausgeht) engagiert haben, vor Beachteilungen zu bewahren. Im Babylon sind es jedoch gerade nicht ver.di-Mitglieder, die den Arbeitskampf geführt haben, der die Tarifverhandlungen erzwang. Auch sollen defizitäre Regelungen aus dem ver.di-Flächentarifvertrag nicht hingenommen werden, die z.B. eine Benachteiligung für nach dem Vertragsabschluss eingestellte oder unverheiratete Beschäftigte darstellen.

Die FAU Berlin (ob selbst am Verhandlungstisch oder nicht) möchte nun den nötigen Druck auf alle Zuständigen aufbauen, damit der Belegschaftswille nicht noch weiter übergangen wird. Die Einbeziehung aller Betroffenen betrachtet die FAU, die für eine offene Betriebsarbeit steht, die allen Mitsprache erlaubt, als eine Selbstverständlichkeit. Deutliches Beispiel hierfür ist der Tarifvertragsentwurf der FAU Berlin, an dessen Erarbeitung sich fast die gesamte Belegschaft beteiligt hatte und der von Anfang an die Forderungen integriert hatte, die auch jetzt weiterhin aufrecht erhalten werden. Das typische DGB-Prozedere, demzufolge nur die eigenen Mitglieder angehört werden dürfen (wenn überhaupt), ist für die FAU indiskutabel.

Auch der Geschäftsführung wird die FAU Berlin wie bisher ihre Aufmerksamtkeit schenken. Denn auch wenn sich akzeptable Verbesserungen abzeichnen, ist bis jetzt noch nichts in trockenden Tüchern. Solange dies nicht der Fall ist, befindet sich die FAU Berlin im Konflikt mit den Herren aus den Chefetagen.

Die Forderungen der Belegschaft im Einzelnen finden sich auf www.prekba.blogsport.de. Dort findet sich auch eine Gegenüberstellung der Tarifvertragsentwürfe von FAU und ver.di.
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Ergänzungen

Was zuletzt geschah...

robert 24.10.2009 - 12:33
Arbeitsgericht Berlin greift Gewerkschaftsfreiheit an

Am 7.10. gab das Arbeitsgericht Berlin dem Antrag auf Einstweilige Verfügung gegen den Boykottaufruf der FAU für das Kino Babylon Mitte statt. Grund für dieses Urteil war laut Angaben der Richterin die angeblich fehlende Tariffähigkeit der Basisgewerkschaft Freie ArbeiterInnen-Union (FAU): die Gewerkschaft sei zu klein. Damit war ausdrücklich nicht der Organisierungsgrad im Kino selbst gemeint, wo über ein Drittel der Belegschaft einen FAU-Ausweis besitzt, sondern die betriebsübergreifende Mitgliederzahl.

"Wie soll eine Gewerkschaft tarifmächtig werden, wenn ihr von Anfang an die Arbeitskampfmittel für einen Tarifvertrag verboten werden?", fragt sich Lars Röhm, Sekretär der FAU Berlin. "Das ist absurd. Die Feststellung der Tariffähigkeit dient eigentlich dazu, dass den Arbeitgebern kampffähige Gewerkschaften gegenüberstehen und Lohnstandards nicht von Phantomgewerkschaften untergraben werden. Hier wird dieses Prinzip auf den Kopf gestellt, wurde ein Arbeitskampf doch von außen durch ver.di unterlaufen."

Die FAU-Betriebsgruppe im Babylon Mitte hält den bisherigen Arbeitskampf dennoch für einen Erfolg, denn es gilt als sicher, dass die Geschäftsführung einen Tarifvertrag unterzeichnet. Sie wird darüber mit der Gewerkschaft ver.di verhandeln, die zwar im Betrieb kaum verankert ist, aber gemeinhin als tariffähig gilt. Ver.di wurde der Babylon-Geschäftsführung als Verhandlungspartner von der Linkspartei vermittelt, nachdem der Druck auf das Babylon und die Politik zu stark angewachsen war. "Dass es zu dieser Vertragsunterzeichnung kommen wird, ist einzig und allein der FAU zu verdanken, die seit Monaten mit uns gemeinsam kämpft. Wir finden es skandalös, dass uns die Freiheit genommen wird, über welche Gewerkschaft wir Kollektivverträge für uns erwirken", empört sich Andreas Heinze, Filmvorführer im Babylon und Betriebsrat.

Die FAU-Betriebsgruppe kündigte indessen an, die Verhandlungen genau zu beobachten und möglichst viel Einfluss auf ver.di geltend zu machen, deren Intervention sie äußerst kritisch beurteilt. Die FAU Berlin selbst prüft derzeit die Möglichkeiten einer Revision des Urteils, um das Grundrecht auf Gewerkschaftsfreiheit zu verteidigen. "Dieses Urteil verstößt gegen die verfassungsmäßige Koalitionsfreiheit und internationale Standards. In anderen Ländern sind kämpferische Basisgewerkschaften selbstverständlich, hier muss ihre Anerkennung noch mühsam erkämpft werden", so Röhm. In Frage stellen wird die FAU dabei auch, dass eine hohe ver.di-Funktionärin als Schöffenrichterin in einem Prozess fungierte, der einen Arbeitskampf mit ver.di-Verwicklung und die Tariffähigkeit einer anderen Gewerkschaft zum Gegenstand hatte.

Morgen!

Kolumbien-Soli 24.10.2009 - 15:13
Kino Babylon (Rosa- Luxemburg- Str. 30) 25.10.09:
Videokundgebung (16.30-17.30 Uhr) gegen die Expo Kolumbien. Heute um 17.00 Uhr wird die Filmreihe der Expo Kolumbien eröffnet. Und das ausgerechnet im ehemals linken Kino Babylon, dessen Belegschaft seit fünf Monaten für einen Tarifvertrag kämpft.
Die Expo Kolumbien ist eine Messe, auf der sich Kolumbien als Land präsentieren möchte, in dem ausländische Investoren gute Rendite erwarten dürfen. Unterschlagen wird dabei, dass diese Rendite nur durch massive und systematische Menschenrechtsverletzungen möglich werden. Jeden Tag werden 1000 Kleinbauern von ihrem Grund und Boden vertrieben und jeden dritten Tag wird ein Betriebsrat oder Gewerkschafter ermordet.
Kolumbien darf sich nicht als Staat wie jeder andere in Berlin präsentieren! Wir protestieren mit einer Videokundgebung vor dem Kino Babylon und zeigen Zeugenaussagen von verfolgten kolumbianischen Gewerkschaftern und MenschenrechtsaktivistInnen.
Gleichzeitig werden wir Solidarität mit den kämpfenden Beschäftigten im Babylon üben, die für einen Haustarif kämpfen und die Geschäftspolitik der Babylon-Geschäftsführung kritisieren.
VeranstalterInnen: Berliner Solidaritätskomitee für den Widerstand in Kolumbien, kanalB, FAU Berlin und Betriebsgruppe Babylon.

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robert 25.10.2009 - 12:48
Ver.dis Intervention im Babylon
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