Stillegung Morslebens verschoben

K.T. 17.01.2005 02:15 Themen: Atom Medien

Am Freitag (14. Januar) ist bekanntgeworden, dass das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als verantwortliche Behörde die Stillegung des maroden DDR-Endlagers Morsleben (ERAM) ein weiteres Mal verschoben hat. Wie der Genehmigungsbehörde, dem Umweltministerium Sachsen-Anhalt, zu entnehmen war, kündigte das BfS bereits Anfang Dezember im Länderausschuss Atomkernenergie eine Verzögerung um ein weiteres Jahr bis zum Mai 2006 an. Erst jetzt ist diese Information öffentlich bekannt geworden.


Pressereaktionen:
Presseinfo des Morsleben-Netzwerks | Netzwerk befürchtet Hinauszögerung der Stilllegung von Morsleben (ddp - 14.01.05) | Morsleben-Schliessung weiter verschleppt (junge Welt - 15.01.05) | Die Zeitbombe darf vorerst weiterticken (taz - 17.01.05) | Ein Endlager findet kein Ende (Neues Deutschland - 17.01.05)


Hintergründe:
Atommüllendlager Morsleben | Was kommt nach der Stillegung? | Morsleben-Netzwerk initiiert | kritische Stimmen | Morsleben-Workshop | Themenspecial Juni 2004

Weitere Verzögerungen bekanntgeworden:
BfS schiebt Stillegung Morslebens weiter hinaus!
Morsleben-KritikerInnen fordern zügige Stillegung der unsicheren Atomanlage


Ursprünglich sollte der Planfeststellungsbeschluss schon im Jahr 2000 vorliegen. 1997 erfolgte durch das sachsen-anhaltinische Umweltministerium das Scopingverfahren zur Klärung des Untersuchungsrahmens. Danach sollte das BfS entsprechende Gutachten einholen und alle notwendigen Unterlagen für das Stillegungsverfahren einreichen. Erst nach Feststellung der Vollständigkeit der Unterlagen durch die Genehmigungsbehörde wird das Verfahren eröffnet und die Auslegung der Unterlagen erfolgt. Doch die Vervollständigung der Antragsunterlagen wurde in den letzten Jahren immer wieder verschoben.

"Die derzeitigen Gefahrenabwehr-Maßnahmen im ERAM verdeutlichen, dass eine zügige Schließung der Anlage notwendig ist. Das BfS muss endlich die fehlenden Unterlagen einreichen und alle bisherigen Gutachten und Unterlagen zum ERAM sofort veröffentlichen", sagt einE AktivistIn vom Morsleben-Netzwerk. "Außerdem müssen die betroffenen Menschen endlich Mitbestimmungsrechte in dieser noch auf viele Generationen wirkenden Entscheidung bekommen. Angesichts des bisherigen Ausschlusses der Öffentlichkeit - so bei der Einrichtung des Endlagers in der DDR und auch nach der Übernahme durch die BRD - wäre dieser Schritt ein wichtiges Zeichen."

Das Morsleben-Netzwerk fordert außerdem die Untersuchung weiterer Schließungsvarianten wie der Rückholung des Atommülls aus dem maroden Endlager oder die dauerhafte überwachte Lagerung untertage. AktivistIn: "Das derzeitige Konzept des BfS sieht die vollständige Verfüllung und weder kontrollierbare noch rückholbare Lagerung der radioaktiven Abfälle vor. Im Rahmen der Untersuchungen für ein möglichst optimales Stillegungskonzept müssten diese Varianten zumindest einbezogen werden."

Das Morsleben-Netzwerk hatte bereits im letzten Jahr die damalige Verschiebung des Stillegungstermins angeprangert und dem BfS eine Verzögerungstaktik vorgeworfen. Nun bestätigen sich die Vermutungen, dass das Bundesamt die Schließung der Anlage von Jahr zu Jahr verschiebt, während es die akuten Gefahren im Endlager zum Anlass nimmt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit Fakten zu schaffen. Mit dem derzeitigen Verfüllprogramm werden bis 2008 650.000 Kubikmeter im ERAM verfüllt. Insgesamt beträgt das Hohlraumvolumen etwa 1,5 Millionen Kubikmeter.

Gegen den Betrieb des ERAM liegen schwere Sicherheitsbedenken vor, die in der Vergangenheit überwiegend auch vom BfS bestätigt wurden. So sind mehrere Zuflüsse dokumentiert, über die zum Teil auch Wässer vom Deckgebirge eindringen. Hier besteht die Gefahr, dass mittel- oder langfristig radioaktive Stoffe an die Biosphäre transportiert werden. Weiterhin ist keine Standsicherheit gegeben, weswegen derzeit Gefahrenabwehrmaßnahmen laufen. Diese sollen einem Einsturz des Zentralteils entgegenwirken. Nicht zuletzt ist das Grubengebäude derart komplex, dass es in keinem Genehmigungsverfahren zugelassen würde. Dadurch sind verlässliche Abschätzungen zur Sicherheit kaum möglich. Hinzu kommen geologische Probleme, die die vorliegenden Probleme verschärfen.

"Die Situation im Endlager Morsleben macht deutlich, dass es keine sichere Entsorgung für den strahlenden Atommuell gibt. Auch andere Standorte, die nicht die spezifischen Probleme des ERAM aufweisen, können für den unglaublich langen Zeitraum, den der Müll zum Zerfall braucht, keine Sicherheit gewähren. Es ist unverantwortlich mit diesem Wissen weiteren Atommüll zu produzieren. Das als 'Ausstieg' bezeichnete Auslaufmodell der Bundesregierung muss in einen Sofort-Ausstieg umgewandelt werden!"

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Ergänzungen

Pressemeldungen

ACN 15.01.2005 - 11:23
junge welt vom 15. Januar
Morsleben-Schliessung weiter verschleppt
 http://www.jungewelt.de/2005/01-15/016.php

ddp auf yahoo-news vom 14. Januar
Netzwerk befürchtet Hinauszögerung der Stilllegung von Morsleben
 http://de.news.yahoo.com/050114/336/4dj3h.html

Presseinfo bei AntiAtom in Magdeburg vom 14. Januar
Weitere Verzögerungen bekanntgeworden
 http://www.gruenes-blatt.de/extern/AntiCastorMD.php3?ausgabe=presse/&seite=pi-133.txt

Termine zu Morsleben

GK 15.01.2005 - 19:32

Ausstellung
"Das Tafelsilber der deutschen Einheit? Endlager Morsleben – Geschichte eines umstrittenen Atomprojekts"
9. Februar bis 24. April 2005
in der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn

In der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn ist - nach dem Magdeburger Uniklinikum im September 2004 - die zweite Station der Wanderausstellung "Morsleben - Geschichte eines umstrittenen Atomprojekts". Sie ist das Ergebnis von anderthalb Jahren Recherchen und Forschungen in verschiedenen Archiven und Institutionen sowie ZeitzeugInnen-Gesprächen.

Seine aktuelle Bedeutung erhält das Projekt durch die bevorstehende Schließung des Endlagers für radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM). Nach einem Jahrzehnt öffentlicher Auseinandersetzungen um den Weiterbetrieb des ERAM soll die risikoreiche Anlage stillgelegt werden. Akute Gefahrenlagen während der letzten Jahre unterstreichen die Dringlichkeit der Schließung.

Die Ausstellung dokumentiert Errichtung und Betrieb der Anlage. Ein wichtiger Aspekt sind dabei die gesellschaftlichen und politischen Umstände, die sich auf den Umgang mit Sicherheitsproblemen und deren Darstellung in der Öffentlichkeit auswirkten.

Schwerpunkte dieser Dokumentation sind die Geschichte der Schachtanlage, Sicherheitsprobleme, die Situation in der Region mitten im ehemaligen Grenzgebiet und der Einsatz des MfS im Endlager. Neu bei dieser Station hinzugekommen sind außerdem Tafeln zur Bedeutung der Grenztruppen für das ERAM, zum Einsatz von sogenannten "Gamma-Kanonen" an der Grenzübergangsstelle Marienborn, zur Energiepolitik der DDR und zum Widerstand in der Region.

Vernissage
Mittwoch, 9. Februar 2005, 16.00 Uhr

Eröffnung der Ausstellung durch den Leiter der Gedenkstätte Dr. Joachim Scherrieble und Falk Beyer von den Greenkids Magdeburg e.V.

mit vertonten Erich Mühsam-Gedichten gesungen von Gregor Hause

und ökologisch-veganem Buffet durch die USK-Volxkueche

Rahmenprogramm zur Ausstellung

90 Minuten vor jeder Veranstaltung wird eine kostenloser begleiteter Rundgang über das Gelände der Gedenkstätte angeboten.

Dienstag, 15. Februar 2005, 16.00 Uhr
"Wie lang dauern 100.000 Jahre? Atommüll im Endlager Morsleben"
Gesprächsnachmittag und Ausstellungsbesuch für SchülerInnen und LehrerInnen

Als Voraussetzung für die Endlagerung von Atommüll gilt der Nachweis der Langzeitsicherheit. Zeithorizonte von 100.000 oder gar einer Million Jahren, in denen nur minimale Radioaktivitätsmengen in die Biosphäre übergehen dürfen, können wir uns kaum vorstellen. Im Mittelpunkt dieses Gesprächsnachmittags stehen geologische Zusammenhänge, Eigenschaften radioaktiver Abfälle und technische Konzepte am Beispiel des ERAM.

Dienstag 22. Februar 2005, 18.00 Uhr
"Das Tafelsilber der deutschen Einheit?"
Geschichte des Widerstands gegen das Endlager für radioaktive Morsleben (ERAM)

Schon zu Zeiten der DDR gab es einige wenige kritische Stimmen im Osten und auch in der BRD entstand Unruhe, als bekannt wurde, dass direkt an der Grenze Atommüll gelagert werden sollte. Die Hauptzeit des Widerstands gegen das Endlager Morsleben begann 1990, als zahlreiche Gerichtsverfahren angestrebt wurden, Demonstrationen, Sitzblockaden und andere Aktionen stattfanden, die zu einem intensiven öffentlichen Diskurs über den Betrieb des ERAM führten. Ein Diavortrag dokumentiert das bürgerschaftlichem Engagement gegen den Betrieb des ERAM in Ost und West und nach der Vereinigung.

Dienstag, 15. März 2005, 17.15 Uhr
"Die (DDR-)Geschichte des Atommüll-Endlagers Morsleben"

Die in der Reihe Sachbeiträge bei der Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR des Landes Sachsen-Anhalt neu erscheinende Broschüre zur Entstehung und den politischen Umständen beim Betrieb des Endlagers Morsleben wird gemeinsam vom Autor und der Herausgeberin präsentiert. Die Publikation geht u.a. auf den Einsatz von Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS) in der Atomanlage und auf den Umgang mit dem Wissen um Sicherheitsprobleme ein. Auch auf aktuelle Entwicklungen wie die Gefahrenabwehr-Maßnahmen zum Schutz vor Einstürzen und die bevorstehende Stillegung wird Bezug genommen.

Dienstag, 15. März 2005, 18.00 Uhr
Zeitzeugen-Gespräch

Dr. Klaus Ebel, ehemaliger Leiter des Endlagers Morsleben, wird im Gespräch mit Dr. Joachim Scherrieble, Leiter der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn, aus der Anfangszeit der Atomanlage und über die Abläufe im ERAM berichten. Im Anschluss können Fragen aus dem Publikum gestellt werden.

Sonntag, 2. April 2005, 14.00 Uhr (TERMIN STEHT NOCH NICHT)
"Ausstieg aus der Atomenergie und Endlagerpolitik"

Podiumsdiskussion mit Bundesumweltminister Jürgen Trittin (angefragt), Peter Dickel von der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad, dem Mitglied des AkEnd Dr. Detlef Appel, Holger Bröskamp von der Gesellschaft für Nuklearservice mbH (angefragt) und dem Greenpeace-Atomexperten Thomas Breuer.

Schlagworte der aktuellen Endlagerpolitik der Bundesregierung sind beispielsweise das vom Bundesrechnungshof kritisierte Ein-Endlager-Konzept und das verschobene Endlagersuchgesetz. Daneben wird die Beibehaltung der Standorte Gorleben und Schacht Konrad als Entsorgungsorte im Kontext des "Atomausstiegs" und der zögerliche Umgang bei der Schließung der Endlager Asse und Morsleben sein.

Freitag, 22. April 2005, 16.00 Uhr bis Samstag, 23.4.2005, 17.00 Uhr
"Morsleben stilllegen"

Seminar u.a. mit dem Gutachter Jürgen Kreusch von der Gruppe Ökologie Hannover zu Fragen der Endlagerung. Hier werden die Grundlagen der Endlagerthematik, beispielsweise die Langzeitsicherheit oder die Anforderungen an geologische Formation behandelt. So sollen Kenntnisse zum Endlager Morsleben vermittelt werden.

Zum Abschluss der Veranstaltung findet ein Morsleben-Workshop statt. Die Teilnahme ist für alle Interessierten offen. Anmeldung unter mail[at]greenkids.de erwünscht.

Wegbeschreibung zur Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn:

BAB A2 aus Richtung Berlin:
Abfahrt Alleringersleben.
BAB A2 aus Richtung Hannover:
Abfahrt ESSO-Tankstelle Marienborn.
B1 aus Richtung Helmstedt:
In Morsleben weiter in Richtung Marienborn.
B245:
Sommersdorf, Harbke/OT Autobahn Völpke.

Öffnungszeiten:
Dienstag - Sonntag 10.00 – 17.00 Uhr

Morsleben-Workshop nächsten Freitag

ACN 18.01.2005 - 01:46
Freitag, 21. Januar, ist in Helmstedt der nächste Morsleben-Workshop. Das ist sozusagen ein bundesweites Vernetzungstreffen. Dazu soll auch ein Typ vom BfS kommen und Rede und Antwort zu diesen ganzen Verzögerungen stehen. Im Anschluss noch mal ne Infoveranstaltung zu Morsleben.

15:30 Uhr im Gemeindesaal St. Christophorus, Calvörder Str. 1, Helmstedt

20:00 Uhr gleicher Ort, Diashow "Morsleben - Einblicke in die Tiefen eines Endlagers"

alles öffentlich & Teilnahme ausdrücklich gewünscht...

weitere Pressemeldungen

info 18.01.2005 - 02:17
taz 17.01.2005
Die Zeitbombe darf vorerst weiterticken
 http://www.taz.de/pt/2005/01/17/a0141.nf/text.ges,1

Neues Deutschland 17.01.2005:
Ein Endlager findet kein Ende
 http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=65972&IDC=9