Morsleben-Workshop

Mensch 21.06.2004 01:25 Themen: Atom

Am Samstag fand in Magdeburg der erste Morsleben-Workshop seit den 1990er Jahren statt. Ein Bericht darüber und über aktuelle Entwicklungen.

In den Räumen des BUND Sachsen-Anhalt trafen sich einige VertreterInnen von NAJU, Greenkids, BSÖ, BI Morsleben/Helmstedt, der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad und andere. Bei diesem bundesweiten Vernetzungstreffen, das die Tradition der "alten" Morsleben-Workshops der 1990er Jahre wieder aufnehmen sollte, wurde von den Aktivitäten der einzelnen Gruppen berichtet (wobei der Schwerpunkt klar in Magdeburg lag), über die geplante Einwendungskampagne zur Morsleben-Verfahren diskutiert und Absprachen für die Zukunft getroffen.

Es gab in den vergangenen drei Monaten Gespräche mit verschiedenen Organisationen und PolitikerInnen, um langsam eine breite Sensibilisierung für das Thema zu erreichen. Das Ergebnis ist die Zusage von verschiedenen Seiten, bei der Hintergrundrecherche zu unterstützen, politische Forderungen mitzutragen und durch parlamentarische Vorgänge (Anfragen, Anhörngen in Bundes- bzw. Landtag etc.) sowie Informationsveranstaltungen Öffentlichkeit für die Stillegung Morslebens zu schaffen. Das Problem in diesem konkreten Verfahren ist, dass es nicht darum geht, weitere Einlagerungen zu verhindern (denn das ist schon geschafft), sondern nun mit dem Problem des bereits eingelagerten Mülls umzugehen. Erfahrungsgemäß lässt sich für solche Angelegenheiten viel weniger Öffentlichkeit mobilisieren, als wenn es um den Stopp von Atomtransporten geht.

Hier muss also noch vermittelt werden, dass auch die ungestörte Lagerung des Atommülls in Morsleben die Atompolitik unterstützt, dass hier ein Präzedenzfall für andere Atomverfahren entstehen kann, wenn einfach hingenommen wird, dass der Müll in Morsleben bleibt, ohne enormen politischen Druck zu erzeugen, der die Politik dazu zwingt Maßnahmen zu ergreifen, die den Betrieb von Atomanlagen auf Dauer unökonomisch machen. In Morsleben ist zum Beispiel klar, dass die Sicherheitsbedingungen miserabel sind und Atommüll dort auf keinen Fall dauerhaft lagern dürfte. Durch die Alternativlosigkeit - es gibt kein sicheres Endlager - entsteht der Status quo, der es der Politik ermöglicht, einmal eingelagertes dort zu belassen. Wir müssen jetzt soviel Druck erzeugen, dass dies zum einen nicht im Stillen durchgezogen werden kann, zum zweiten auch politisch unangenehme Varianten wie die Rückholung des Atommülls wissenschaftlich untersucht werden und zum dritten, dass alles nur mögliche unternommen wird, um alle bekannten und denkbaren Sicherheitsprobleme bestmöglich anzugehen. Dabei muss bewusst gemacht werden, dass es keine optimale Lösung geben wird, sondern nur eine möglichst gute. Darauf muss immer wieder hingewiesen werden, damit die Politik nicht später sagen kann "seht doch, da haben wir ein Endlager, mit dem auch die AtomkraftgegnerInnen einverstanden waren. Es geht also doch mit der Entsorgung...".

Die erarbeiteten Einwendungspunkte umfassen grundlegende Bereiche wie die Geologie der Region, wasserbedingte Probleme, chemische Aspekte, Morsleben-spezifisches und Forderungen an das Verfahren. Sie werden bis zur offiziellen Eröffnung des öffentlichen Beteiligungsverfahrens weiter ausgefeilt und zuletzt auch durch kritische WissenschaftlerInnen untermauert werden, bevor daraus Einwendungs-Unterschriftenlisten entworfen werden können. Außerdem soll nach der vollständigen Einreichung aller Planunterlagen durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) bei der Genehmigungsbehörde, dem Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt (MLU) eine Schwachstellenanalyse bei einem unabhängigen Institut in Auftrag gegeben werden.

Um diese gutachterliche Tätigkeit und die nötige Öffentlichkeitsarbeit finanzieren zu können, wird demnächst ein Spendenkonto bekannt gegeben werden. Die vorbereitenden Aktivitäten könnt (und sollt ihr auch gerne!) ihr durch Spenden auf folgendes Konto unterstützen: Greenkids Magdeburg e.V., KNr.: 30120859, BLZ: 81053272, Stadtsparkasse Magdeburg. Schon jetzt fallen viele Kosten durch die Recherchen und die Vorbereitung von Informationsmaterialien an, die nur zum Teil über Projektanträge abgedeckt werden konnten. Wir sind also auf diese Unterstützung angewiesen!

Stillegungs-Seminar im Oktober
Zur Vorbereitung eines Kolloquiums im Frühjahr 2005, das die einzelnen Stillegungskonzepte kritische behandeln soll, findet am 9. und 10. Oktober in Alleringersleben nahe Morsleben ein Seminar statt. Am ersten Tag findet eine Auseinandersetzung mit den Basics für Entsorgungsfragen im Atombereich statt. Diese soll die Voraussetzung dafür schaffen, um zu wissen, auf welche Fragestellungen es für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Stillegungskonzept des BfS es besonders ankommt. Den zweiten Tag wird der nächste Morsleben-Workshop füllen, in dessen Rahmen auch organisatorische Fragen zum Kolloquium zu klären sind.

Wer sich über die wissenschaftlichen Hintergründen der Atommüll-Entsorgung informieren und/oder sich in die Vorbereitung des Kollouqiums einbringen möchte, ist herzlich eingeladen!

Forderungen
Zunächst soll das BfS "Zwischenstandsberichte" zur Stillegung Morsleben herausgeben, die auch vor der Eröffnung des Beteiligungsverfahrens in für Normalsterbliche verständlicher Sprache die Probleme und Lösungsansätze für die Schließung des Endlagers für radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM) darstellen. Dabei sind auch die Alternativen zum verfolgten Stillegungskonzept darzulegen und zu begründen, warum diese schlechter sind als die aktuelle Variante.
Weiterhin sollen BfS und MLU aktiver an die Öffentlichkeit herantreten und selbstkritisch die in Morsleben vorhanden Probleme darstellen. Dabei wird es sich nicht vermeiden lassen, Fehler einzugehstehen und anzuerkennen, dass das ERAM für den Atommüll ungeeignet ist. Hier muss die bisherige Politik des Verharmlosens und Verschweigens, die jahrzehntelang herrschte, endlich gebrochen werden. Die Entscheidung über die Lagerung von Millionen Jahre strahlenden Mülls ist einfach zu wichtig, als dass sie von einigen wenigen gefällt werden dürfte. Die Auseinandersetzung darüber muss öffentlich geführt werden. Auch fachliche Probleme müssen dabei für die Bevölkerung verständlich gemacht werden und die Meinung der Betroffenen eingeholt und berücksichtigt werden (nicht formal, sondern tatsächlich).
Bei den Untersuchungen zur Stillegung Morslebens muss das BfS sich auch damit auseinandersetzen, ob eine Rückholung des Atommülls vielleicht besser und mit weniger Risiken machbar wäre, als die unkontrollierte Lagerung in dem problematischen Bergwerk. Hier genügt es nicht, abzuwinken und zu behaupten, die Rückholung wäre sowieso schlechter, sondern eine wissenschaftliche Begutachtung muss her. Weiterhin ist es überlegenswert, den Atommüll dauerhaft zu überwachen; also nicht einfach zu verschließen und zu hoffen, sondern ein Kontrollsystem einzubauen, dass auch Eingriffe bei Notfällen ermöglicht. Das passt natürlich garnicht in die Philosophie des Verfüllens und damit das Problem los zu sein.

Mehr Entscheidungsrechte für Betroffene
Es könnte in der öffentlichen Auseinandersetzung Sinn machen, die von der BRD mitgetragene Aarhus-Konvention als Aufhänger zu nehmen und sie so zu interpretieren, dass die Bevölkerung an Verwaltungs- und Gesetzgebungsverfahren mehr Mitspracherechte haben soll. Zwar geht Aarhus nicht sehr weit und die Umsetzung in der BRD noch weniger weit, aber sie könnte einen Ansatz für diese Forderung sein.

Um sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen, findet am 24. August um 18°° Uhr in Magdeburg (Thiembuktu, Thiemstr. 13) eine Infoveranstaltung mit Michael Zschiesche vom Unabhängigen Institut für Umweltfragen Berlin statt. Er wird dort die Aarhus-Konvention erläutern und darauf eingehen, welche Möglichkeiten diese für die Öffentlichkeitsarbeit im Morsleben-Verfahren bieten könnte.

Ausblick
In den nächsten sechs Wochen wird sich zeigen, ob die Zusage des BfS das Stillegungsverfahren jetzt endlich voranzubringen und bis Juli alle notwendigen Unterlagen vorzulegen sich bewahrheiten wird. Wenn dies der Fall ist, wird Anfang nächsten Jahres die öffentliche Phase des Verfahrens starten. Wenn nicht, sollte entsprechender Druck auf das BfS ausgeübt werden; denn das Verfahren hat es lange genug verschleppt; die Gefahren - z.B. des Absaufens der Anlage - steigen dagegen ständig.

Die nächste Etappe der Öffentlichkeitsarbeit stellt die Eröffnung der Wanderausstellung zum Endlager Morsleben dar, an der gerade gearbeitet wird. Die Vernissage findet am Abend des 9. September im Blutspendedienst des Uniklinikum Magdeburg statt.

Danach wird die Ausstellung dort zwei bis drei Monate zu sehen sein, bevor sie zur Gedenkstätte Marienborn bei Morsleben wandert. Dort soll es dann ein umfangreiches Rahmenprogramm geben und die Auseinandersetzung mit dem Thema in die Region getragen werden. Danach sind noch keine Ausstellungsorte festgemacht. Wer sich vorstellen kann, diese Ausstellung in ihrer/seiner Stadt zu zeigen sollte sich bei uns melden.

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Ergänzungen