Migration an Europas Südgrenze

Z(11#) 19.09.2004 01:19 Themen: Antirassismus Indymedia Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Spanien, das neue "El Dorado" der Migrationspolitik für die Massenmedien wird in vehementem Kampf der Betroffenen und ihrer UnterstützerInnen demaskiert. Zweiteiliges Feature.

- Marokko/Spanien in repressiver Interaktion
- Was ist madiaq.net, die neue Indymediaseite?
- Tödliche Paradiese
"Vorbild Spanien" - Ausländer(innen) rein" titelte die taz diese Woche und schweigt damit tot, was die dortigen selbstorganisierten Betroffenen und die enstprechenden UnterstützerInnenorganisationen anklagen - Menschenrechtsverletzungen in drei gravierenden Punkten:

1) Gemeinsame Repression von marokkanischem Militär und spanischer Guardia Civil im Ramen des brandneuen Abkommens gemeinsamer Grenz- und Flüchtlingskontrolle.
(von: Kollektiv Unruhen bei den Vertreibungen an der Südgrenze)

Einen Sommer lang bedienten die öffentlichen Medien die übliche Unglücksrethotik der "MigrantInnenlawine" und bezogen sich dabei auf alle Menschen die versucht hatten spanischen Boden, entweder an den Küsten über die Canarischen Inseln oder die Städte Ceuta und Melilla zu erreichen.
Die gemeinsame Kontrolle von Spanien und Marokko führte in zahllosen Fällen zu Mißhandlungen; Ausraubung und der Verletzung der AusländerInnengesetze (es: Ley Extranjeri'a) beider Länder. Bei Ceuta trennt ein hochgesicherter Grenzzaun Spanien von Marokko - die Zahl der Ausweisungen von Spanien nach Marokko und seitens Marokkos nach Argelia steigt beständig. Diese Länder-Kooperation aber hat den makaberen Preis der düstersten Menschenrechtsverletzungen welche die MigrantInnen, mehrheitlich schwarz-afrikanischer Herkunft, tagtäglich erleiden.

Am 08.Sept.fand die bislang grösste Razzia in einem Lager subsahaurischer Flüchtlinge auf marokkanischem Territorium statt. Eine 800 Mann starke Truppe verschiedener Einheiten (Militär und verschiedene Polizeien) erschienen um 6 Uhr früh."Es war unmöglich zu entkommen, vor allem für Frauen mit kleinen Kindern, so ein Migrant aus Guinea Konarky.
Diese Razzia hat nicht nurt nicht nur wegen der Quantität der Einsatzkräfte markierenden Charakte sondern auch, weil die Truppen geschlagene 6 Stunden lang die Wälder mit Hunden nach MigrantInnen durchkämmten. Wie schon gewohnheitsmäßig während solcher Razzien kam es zu Diebstählen von seiten der "Hüter öffentlicher Ordnung" die den Flüchtlingen die einzigen Wertsachen und Geldmittel raubten und dann die Elendshütten des Camps verbrannten und zerstörten.

Die offiziellen Stellen beziffern die Festnahmen auf 150, die Flüchtlinge auf 115 Personen. Viele der LagerinsassInnen wurden verletzt; der Großteil erlitt ein Trauma. Viele der Jüngsten standen unter Schock und Panik.Die Festgenommenen wurden zum Komissariat in Frideq verfrachtet welches an Ceuta grenzt und dort alle zusammen in einer Sammelzelle festgehalten - auch zwei Schwangere; ein 9 jähriges Kind und eine hochbetagte Frau. Den Kranken wurde dort die medizinische Versorgung verweigert.Es gab lediglich ein Minimum an Wasser und trokenes Brot (in anderen Fällen gab es auch schon überhaupt keine Grundversorgung).

Nach aktuell gültigem Gesetz müssen Flüchtlinge von einem richterlichen Tribunal, unter Anwesenheit eines Pflichtverteidigers uns eines Übersetzers angehört werden, welches dann über Abschiebung oder nicht entscheidet. Schwangere und Hochbetagte geniessen Abschiebeschutz.

Hier jedoch wurden, entgegen diesen Bestimmungen, alle 115 Festgenommenen ohne irgendeine Anhörung, direkt nach Oujda gefahren. Oujda ist Grenzstadt mit Argelia und an dieser, seit 1994 wegen diplomatischer Differenzen geschlossenen, Grenze sind die Flüchtlinge schlicht ihrem "Schiksal" überlassen. Mehrheitlich heisst dies Mißhandlungen seitens der marokkanischen Militärs; zahllose mündliche Anklagen berichten von Ausraubung und Folterungen in diesem Grenzgebiet. Die unhaltbaren Behandlungen von marokkanischer Seite mehren sich ebenso wie jene bei den Rückführungen durch die Guardia Civil bei Ceuta (Anmrkg. Bereits im August sollten dort 20 weitere "Antiterrorspezialisten" eingesetzt werden .Das Auffanglager in Ceuta hat Kapazität für 420 Personen - interniert sind dort jedoch 900 Menschen).

"Der letzte Monat war eine Hölle. Sie verprügelten uns ; zerstörten unsere Papiere und staheln uns unser Geld - und dies unter den Augen der Guradias Civil die dazu lachten. Es ist egal ob wir uns an der Grenze aufhalten oder in der Stadt; sie attackieren uns wo und wann sie wollen. So gut wie immer schlagen sie zu wobei sie sich gegenseitig anstacheln (hier ist die Guardia Civil gemeint)", so ein Migrant aus Kongo.

Die gegenwärtige Eigenmächtigkeit begünstigt die Ausweisungen; Raub und Gewalt werden als Mittel gezielter Abschreckung eingesetzt. Diese Politik gemeinsamer Grenzkontrollen Spaniens und Marokkos führt zu nichts weiter als einer sich verschärfenden Militarisierung der Grenzregionen.
Es sei daran erinnert, dass die Betroffenen nicht einfach BürgerInnen sind, sondern vielfach Vertriebene, Traumatisierte; beraubt; gefoltert; vergewaltigt. Viele von ihnen sterben an dem Versuch zu entkommen....

Die Verantwortung für dieses Geschehen ist global - es ist diese eine Welt die wir alle bewohnen. Die soziale Gemeinschaft, die Öffentlichkeit, die Regierungen tragen Verantwortung für das was, auch in anderen Ländern geschieht. Das Geld des Westens welches für die Entwicklung Marokkos ausgegeben wird bestimmt diese Repression wider MigrantInnen - diese Repression ist die Konsequenz europäischer Politik und .... unseres Schweigens.
(Quelle: www.redasociativa.org/dosorillas/?q=node/view/775 und http://madiaq.indymedia.org/news/2004/09/9181.php )

(Anmrkg: Zu den sog. "Hütern öffentlicher Ordnung" hier die Guardia Civil gab es auf der Gegeninformationsseite "La Hain " (mit Verweis auf die entsprechenden Artikel in den span. Tageszeitunggen "El Mundo" oder "El pais" ) eine Auflistung der Delikte und Korruption der institutionellen Politik . Die Liste kommt dabei, gezählt von Januar bis Mai 2004 auf mind. 20 geoutete Guardias Civil die in den Drogenhandel grossen Stils und mit den entsprechenden Kartellen verwickelt waren. Meist schützten sie Umladungen in Häfen wie u.a. im Großraum Alicante (siehe: www.barcelona.indymedia.org/newswire/display/118361/index.php

Zu Drogen und Politik siehe auch: das NARCOS -Feature

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2) Vorwurf zwei: Apartheit
"Vorbild Spanien" - Ausländer(innen) rein", damit war primär der Vorschlag des Arbeits-und Sozialministers Jesu's Caldera gemeint, der auf wunderbare Weise zur Integration der ca. 1 Million illegalisierten "sin papeles" (MigarntInnen ohne Papiere) führen soll - indem diese Arbeitsverträge für ein Jahr, inclusive Sozialabgaben nachweisen, auch wenn sie zuvor "illegal" eingereist und schwarz beschäftigt gewesen waren. Der theatralische Vorwurf "einer verdeckten Politik von Papiere für alle" der rechtskonservativen Opposition wirkt zusätzlich als "Geschmacksverstärker".
Die Betroffenen und die sie Unterstützenden jedoch empfinden die Option als unverdaulich bitter:

"Der neue Vorschlag zur Regulierung tritt die Rechte der MigrantInnen weiterhin mit Füssen" (von: papelesparatodosytodas@yahoo.es; Papiere für Jede und Jeden)

Der Vorschlag Calderas ist absolut realitätsfremd. MigrantInnen ohne Papiere sind ein Kollektiv in völliger Ausgeliefertheit; ohne jede Möglichkeit zu gewerkschaftlicher Organisierung; in radikal - prekären Arbeitsbedingungen totaler Irreguliertheit lebend. ArbeitgeberInnen stellen sie meist als TagelöhnerInnen ein ... ihre Unsichtbarkeit und Mariginalisiertheit ist Kalkulationsfaktor Nummer eins der UnternehmerInnen. Mit welcher Macht sollten sie einen 1 Jahresvertrag einfordern können?

Caldera lügt und er weiss dies - sein Vorschlag wird für die Mehrheit der "sin papeles" nichts ändern und er wird nicht die "Untergrund-Ökonomie" verändern. Er bedeutet stattdessen, genau gegenteilig, die Aufrechterhaltung der Irreguliertheit. Wer glaubt ernsthaft daran, dass die UnternehmerInnenschaft auf ihre immensen Vorteile die ihnen durch diesen Prekärsektor entstehen, verzichten. Es gibt 100 000de die zu ihren Bedingungen zu arbeiten genötigt sind - wer einen Vertrag einfordert, wird entlassen werden. Sie haben es nicht nötig Verträge auszustellen...
Was für Verträge sollten die SaisonarbeiterInnen der Obst-und Gemüseplantagen aufweisen; oder die unsichtbaren ArbeiterInnen der Hauswirtschaft? Die Frauen und Minderjährigen die Familien ernähren oder die von den Mafias, unter dem akzeptierenden Auge der Institutionen, ausgebeuteten Prostituierten? ....

Was die Regierung auslöst wird eine Welle von Entlassungen sein. Die ArbeitgeberInnen haben mehr als genug Spielraum um weiterhin schwarz zu beschäftigen. Die Politik der POSE gleich mehr und mehr jener der P.P.: einem Pakt gegen die Rechte der MigrantInnen und aller die gegen Ausbeutung und Mariginalisierung kämpfen.
Deshalb werden wir, MigrantInnen mit und ohne Papiere und die uns Unterstützenden mit Demonstrationen und sonstigen Aktionen unsere Forderungen weiterhin zum Ausdruck bringen: Papiere und gleiche Rechte und Pflichten wie alle ....
(Quelle: www.barcelona.indymedia.org/newswire/display/120206/index.php)

Siehe auch: Die Kämpfe der "sin papeles" im Sommer diesen Jahres

Arbeitskreis: Gleichheit der Kulturen; Forum Barcelona:
"Das AusländerInnen-Gesetz (Ley Extranjeri'a) verhandelt MigrantInnen als bloßen Kalkulationswert ("Humankapital") und institutionalisiert so Ungleichheit und "Kasten" der sozialen Ungerechtigkeit und Apartheit. Es autorisiert zu einer pur ökonomischen Selektion und verletzt dadurch die fundamentalen Prinzipien von Menschenrechten und Verfassung: esbenachteiligt aufgrund der "Rasse", der Herkunft und der Lebensumstände".
(Quelle: www.quesevayantodos.net)

Die schweizer Gewerkschaft SAC - Syndikalisterna kämpft mit den MigrantInnen ohne Papiere für gemeinsame ArbeiterInnenrechte einheitlich zusammen:
www.sac.se
www.sac.se/es/nadieesilegal.html
E-Mail: utanpapper[@]sac.se

Weitere Beiträge:

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Ergänzungen

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Z(11#) 19.09.2004 - 02:05
Die neue Regulierung ist eine Falle
Die Regierung lügt wenn sie Papiere
verspricht ....

( und mit ihr lügen die Massenmedien
auch der anderen europäischen Länder )

Aufruf von heute zur Demonstration
der " sin papeles " am 26.09.04

Argelia

sub 24.09.2004 - 13:19
Vielen Dank für diesen wertvollen Beitrag!

Wer vom Begriff "Argelia" irritiert ist, das ist der spanische Namen für "Algerien".

Nochn Tipp

ape 24.09.2004 - 18:36
In der aktuellen Jungle World ist eine lesenswerte Reportage aus Sidi Ifri, einem Ort in Südmarokko, von dem aus viele Flüchtlinge in Schlauchbooten Richtung Kanaren starten. Das Thema Flucht mal aus einer anderen Perspektive. Ohne größeren politischen Erkenntnisgewinn, einfach so mal interessant und lesenswert.

Kryptische Einleitung

The great GATSby 25.09.2004 - 21:29
Ledier ist der erste und einzige Bandwurmsatz der Einleitung völlig unverständlich.

" Spanien, das neue "El Dorado" der Migrationspolitik für die Massenmedien wird in vehementem Kampf der Betroffenen und ihrer UnterstützerInnen demaskiert."
Wer kämpft, wer wird demaskiert, wer ist betroffen von was? Ich werde nicht schlau daraus.

Schreibt bitte so, daß Sätze nicht zu Rätseln werden.

KONTAKT

KCTU/ETU-MB 30.09.2004 - 05:59
wir, migrantInnen in suedkorea, seit nunmehr 320 tagen im sit-in-streik auf dem gelaende der myeong-dong kathedrale in seoul, wuerden gerne mit den genossInnen in spanien kontakt bekommen. wir hatten auch schon eine diesbezuegliche nachricht in indymedia barcelona, mediaq.net und www.redasociativa.org hinterlassen - reaktion: null.

weiss jemand, wie mensch mit den aktivistInnen dort in kontakt kommt?