Krise in Haiti

Übersetzung von www.indymedia.org // ergänzung p. 25.02.2004 19:54 Themen: Globalisierung Repression Weltweit
Am 1. Januar diesen Jahres feierte Haiti den 200. Jahrestag seiner Unabhängigkeit. Haiti war nach einem landesweiten Sklavenaufstand der erste Staat der westlichen Hemisphäre, der die Sklaverei abschaffte. Während dieses Jubiläum fast unbemerkt von den Medien vorüberging, ist wenig später Haiti wegen bürgerkriegsähnlichen Unruhen in den Nachrichten. [siehe Artikel vom 18.2.04: Unruhen in Haiti]

Letzte Woche haben paramilitäre Gruppen in Haiti wiederholt Häuser niedergebrannt und Polizeiwachen angegriffen, während die "Opposition" weiterhin Verhandlungen verweigert und den Präsidenten Jean-Bertrand Aristide zur Resignation auffordert und dabei von den Regierungen der Vereinigten Staaten und Kanada zu unterstützt wird.

IMC Berichterststattung über dieses Thema: [Argentinien] [Brasilien] [Lille] [Belgien] [FTAA IMC]

Die internationale Presse zum Haiti-Konflikt
Unterdessen ignoriert die herkömmliche Presse (und einige "alternativen" Medien) weiterhin zahlreiche Aspekte der Situation: die finanzielle Unterstützung der Opposition durch die USA, vorherige Beteiligung der USA in der Region (einschließlich die Unterstützung von Militärdiktatoren, das Sperren von über 500 Millionen $ für internationale Hilfsmittel und Darlehen, und Anstrengungen zur Verhinderung die Mindestlöhne zu heben). Haiti ist das ärmste Land der westlichen Hemisphäre, und Firmen wie Disney, Wal-Mart und KMart nutzten die Landsleute als billige Arbeitskräfte. ArbeiterInnen bekommen pro Stunde weniger als 11 Cent.

US-amerikanische und kanadische Diplomaten gaben Aristide die Schuld, der sich öffentlich dazu bekannte, für Verhandlungen mit der Opposition bereit zu sein. Die Opposition besteht aus einigen Parteien, die durch US-Fonds, haitischer Medien und der Wirtschaftselite Haitis unterstützt werden, deren willkommene Unterstützung schätzungsweise zwischen 8 und 12 % liegt.

Haiti hat eine lange Widerstands-Geschichte:

Das Jahr 2004 markiert den 200. Jahrestag der Unabhängigkeit Haitis. Im Jahr 1791 lehnten sich 400,000 in Haiti versklavte AfrikanerInnen gegen die französische Kolonialmacht auf. Jean-Jacques Dessalines erklärte 1804 Haiti zu einer freien Nation, was für die damaligen Sklaven die weltweit erfolgreichste Revolution bedeutete. >Von Anfang an, sah sich Haiti isoliert und belagert. Die Vereinigten Staaten führten einen weltweiten Boykott gegen Haiti und weigerten sich bis 1864, die neue Nation anzuerkennen, da sie fürchteten dass die Freiheit Haitis eine Gefahr für das US-amerikanische Sklavensystem darstellen könnte. 1825 wurden die haitischen Menschen dazu gezwungen eine Zahlung an Frankreich über 90 Millionen Gold-Francs anzunehmen (was heute ungefähr $21.7 Milliarden entspricht) als "Entschädigung" an ihre früheren "Besitzer", als Gegenleistung für diplomatische Anerkennung und Handel. Um die erste Zahlung leisten zu können schloss Haiti seine öffentlichen Schulen, was die erste strukturelle Angleichung der Hemisphäre genannt wurde.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Noch ein Bericht auf de.Indy

übersetzer 25.02.2004 - 20:04

gute übersetzung, aber...

verirrter 25.02.2004 - 20:24
wie schon gesagt, guter bericht, allerdings werde ich auf keine verlinkten seiten weitergeleitet... an was liegt es???

es scheint zumindest neben den beiden

der nestscheißer 25.02.2004 - 20:34
bewaffneten Parteien auch noch so etwas wie unabhängige Gewerkschaften ( siehe:  http://www.workersliberty.org/modules.php?op=modload&name=News&file=article&sid=1857&mode=thread&order=0 ) oder kleine linke Gruppen zu geben, vielleicht sind diese unterstützenswert

not funny

weist 25.02.2004 - 21:39
Die USA haben ja nun komplett das Lager gewechselt - Aristide wurde ja im Oktober 1994 qua US-Intervention ('Operation Uphold Democracy') wieder eingesetzt, nachdem er 1111 Tage zuvor von konservativen Kräften aus dem Amt geputscht wurde (darunter auch etliche der jetzigen Rebellenführer).
Tatsächlich sind die Vorwürfe gegen Aristide (Unfähigkeit, Machtgeilheit, Korruption) nicht unbegründet - ein Land wie Haiti aus dem Sumpf zu ziehen, in dem es seit Anfang des letzten Jahrhunderts steckt (angefangen mit dem US-Protektorat 1915-34, die Duvaliers 1957-86 etc) ist jedoch nicht einfach, und Aristide HAT immerhin das Militär aufgelöst und versucht, die sozialen Verhältnisse zu verbessern; Nepotismus mag ihm nicht fremd sein, aber er ist der beste head honcho, den Haiti seit Ewigkeiten aufzuweisen hatte (aber besser geht eh immer ;-)).
Formell gesehen ist Aristide völlig im Recht; vielleicht wäre es aber besser, er würde zurücktreten, weil der Eifer, mit dem die 'Lavalas'-Bewegung ('die reinigende Flut', die die Hinterlassenschaft des Duvalier-Terrorregimes beseitigen sollte) anfänglich angetreten war, doch ziemlich zum Erliegen gekommen ist: nach Aristides Wiederwahl 2000 war die Luft ziemlich 'raus.

Ungeachtet der Tatsache, daß Aristide vielleicht besser gehen sollte, weil er im Amt zunehmend beratungsresistent geworden ist, ist eins klar: die Massenmörder von vor 10 Jahren sind kein Ersatz! Ein großer Teil des 'Fußvolks' der Rebellen ist sicher aus ehrlichem Frust über den 'Reformstau' motiviert, aber in der Führungsriege sind mir persönlich zu viele Typen wie die Narco Mettayer vertreten, die dem ehemaligen Militär hinterhertrauern und ganz gerne mal ihren Gegnern benzingefüllte, brennende Autoreifen um den Hals legen lassen (Aristides AnhängerInnen sind auch keine Engelchen und machen sowas auch  http://www.n-tv.de/images/200402/5216668_gonaives_reifen_feuer.jpg, aber die Rebellen werden halt von Leuten angeführt, für die das Massakrieren von Menschen ein alltägliches politisches Kampfmittel ist).

Ein Motiv der Regierung Bush, abgesehen von den üblichen begründeten oder unbegründeten Verdachtsmomenten ist sicher auch, daß die Rebellen momentan die Oberhand haben, eine Unterstützung Aristides also den Bürgerkrieg weiter verlängern wird: das kategorische 'Nein' der US-Regierung zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Haiti ('wer es in die USA schafft, wird direkt wieder abgeschoben'  http://quote.bloomberg.com/apps/news?pid=10000087&sid=aXg85iUTdxHg&refer=top_world_news) dürfte, wenn die Kämpfe nicht bald ein Ende finden, ziemlich schnell untragbar werden; wird hingegen wieder 'Ruhe und Ordnung' hergestellt (nach Definition der Bushisten, die da ja nicht gerade zimperlich sind, was die von irgendwelchen Kriegsverbrechern angewandten Methoden angeht), hat sich das Flüchtlingsproblem erledigt; wer aufmuckt kriegt ein Halsband von Dunlop.
Tatsache ist jedenfalls, daß die US-Regierung mal wieder ihre komplette Unfähigkeit, bei Krisen anderswo auf der Welt mit Rat und Tat zur Seite zu stehen demonstriert. Im Wahljahr 2004 scheinen völlig verarmte (das Durchschnittseinkommen in Haiti beträgt US$2 im Monat) Flüchtlinge noch unerwünschter als sonst; ob sie für Wal-Mart produzieren oder angezündet werden, scheint Dubya ziemlich egal zu sein, solange sie nicht in *sein* schönes Land kommen.

Aber um mal zwei Haitianer sprechen zu lassen,

"Of course Aristide is not a good President. But we are going to vote him out of power. We. We. It's that we thing, rather than the chosen few. The educated and propertied minority are not going to choose the best for this country." (Patrick Elie, ehemaliger Aristide-Anhänger)

"We're the problem. Me, you, them, us. So who will resolve the problem? Us, the people. But low-minded people, and a low standard of living with misery and hunger, are destroying the country. So it all comes back to one thing - the people." (Jack, Student in Port-au-Prince).

Es ist immer wieder kraß, wie wenig common sense die Herrschenden haben, verglichen mit irgendwelchen Leuten auf der Straße.

Links

kh. 25.02.2004 - 23:58
Hier sind noch einige Links zur Situation in Haiti (die Berichte sind z. T. widersprüchlich):

deutsch:
 http://www.npla.de/poonal/p610.html#ha
 http://www.npla.de/poonal/p609.html#ha
 http://www.npla.de/poonal/p606.html#ha

engl:
 http://www.zmag.org/
 http://www.flashpoints.net/
 http://www.nynewsday.com/news/printedition/newyork/nyc-wohait163672601feb16,0,2324959.story?coll=nyc-nynews-print
 http://www.haitireborn.org/

frz. mit langen engl. Textzitaten u. weiteren, oft engl-sprachigen Links:
Tous ensemble contre la démocratie haitienne!  http://paris.indymedia.org/article.php3?id_article=16242
SOS Haiti vs. Impérialisme -  http://paris.indymedia.org/article.php3?id_article=16219
La France impliquée? -  http://paris.indymedia.org/article.php3?id_article=15980



parallelen allerorten

mastermindchaos(muss sich vom lernen ablenkn) 26.02.2004 - 00:22
wieso sollte auch die (bush)us-regierung nicht einen durch sie (clinton) eingesetzten präsidenten schassen - das machen sie doch auch in anderen regionen ständig (jüngste beispiele: taliban, hussein). die interessen sowohl "der usa" (meint: der jeweiligen lobby, die ihren affen tanzen lässt) als auch der entsprechenden marionettenregierungen (und deren hintermafia) ändern sich nunmal von zeit zu zeit.
tragisch ist das immer wieder für die zivilbevölkerung, die unter chaotischen zuständen leidet. sie, und nicht irgendwelche nutznießer gewisser interessen verdient die unterstützung. durch welche organisationen die einfachen leute nun jeweils am besten vertreten werden, lässt sich aus der entfernung schlecht abschätzen, da (fast) alle quellen manipuliert sind. und auch dies natürlich im auge der/s betrachter/in liegt.
eine gute adresse sind da immer so basisorientierte grassroots-bewegungen, die natürlich im zuge chaotischer zustände gerne mit repression belegt werden - nicht dass die menschen auf die idee kommen, sie könnten sich selbst am besten helfen....
wenn natürlich menschenrechtler/innen ihren "zivilisierten" regierungen vorhalten können, direkt an der terrorisierung solcher netzwerke beteiligt zu sein, könnte man den menschenfeinden vielleicht in die suppe spucken?
spontan gegoogelt:
 http://africa.oneworld.net/article/view/78257/1/
 http://www.grassrootsonline.org/haiti_main.html
 http://www.unesco.org/education/efa/know_sharing/grassroots_stories/haiti.shtml
 http://haitisupport.gn.apc.org/ab_who_main.html

alles auf englisch und teilweise nicht wirklich aktuell...
übrigens sollte eine gewisse nationalistische einfärbung kein dorn im auge bestimmter pedanten sein, es kann sich nunmal nicht jeder den ganzen tag gedanken um konstrukte machen (schön wär's... naja) und "haiti den haitianer/inne/n(?)" zb kann operativ durchaus positive auswirkungen haben - patria o muerte ist auch nicht grad emanzipatorisch, bewahrt aber cuba vor den neokolonialisten aus miami.

man kann nur hoffen, dass nicht allzu viele unbeteiligte den aktuellen unruhen in haiti und anderswo zum opfer fallen.
wie heißt's doch so schön: kommunismus oder barbarei! bewahrheitet sich immer wieder - also für die anarchie! und zwar die kooperative! (kommunismus wie ich ihn verstehe(n möchte))

Aristide kein Unschuldlamm

Enzo 26.02.2004 - 16:08
Haiti ist auch wieder einmal ein Konflikt, bei dem es nicht foerdlich ist die Schwarz/Weiss-Brille: Hier die Retter der Armen - dort die kapitalisten und US Amerikaner. aufsetzen kann. Aristide Milizen nehmen sich nicht viel, was die Brutalitaet gegen Zivilpersonen angeht, verglichen mit den Rebellengruppen. Aristide hat auch eine sehr verengte Clientelpolitik durchgefuehrt - und - er hat dafuer gesorgt, dass ueber ein Jahr kein Parlament mehr existiert. Mit der Demokratischen Legitimitaet ist es also bei Arsitide auch nicht mehr soweit her - da er sich zumindest zeitweise der legeslative entledigt hat.
Das Bush/Clinton Argument des Vorposters zieht nicht. Die Taliban und Hussein Unterstuetzung existiert nicht erst seit Clinton. Bei der Unterstuetzung von Hussein und dem Aufbau seinen chemischen Waffenpotentials fuer den Irankrieg, war gerade ein gewisser Mr. Cheney verantwortlich. Der sich in den 80ern, ganz gern nebem Sadam ablichten liess.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 2 Kommentare an