Repression im Schatten des Krieges

(((i))) ralpho 20.03.2003 23:09 Themen: 3. Golfkrieg Indymedia Medien Militarismus Repression Soziale Kämpfe
Jetzt ist Krieg! Es wurde weltweit in allen Medien gesendet, selbst bei Indymedia kann mensch es lesen.
Der Krieg nimmt viel Raum ein, ist ein Spektakel, zu dem auch die grossen Demonstrationen gegen ihn gehören. Er ist multimedial inszeniert und eine der besten Reality-Shows. Lange musste mensch warten auf Tag X, nun ist es soweit. Der Krieg polarisiert, mensch muss sich positionieren, muss aktiv werden, muss Lichterketten veranstalten, muss Veranstaltungen besuchen, muss auf die Strasse gehen, muss sich äussern. Die ganze Gesellschaft der Welt ist eingebunden in dieses Spektakel. Unter dem Krieg leidet die Zivilbevölkerung, soviel ist klar. Es wird viele Tote geben. Doch das ist bei weitem nicht alles, Krieg ist viel mehr als Bomben auf Bagdad, so schlimm diese auch sind.
Krieg dient auch dazu aufzuräumen. Die weltweite Aufmerksamkeit ist auf den Krieg gelenkt, das Spektakel geht seinen Lauf, doch in dessen Schatten - weitab von jeglicher Beachtung - gibt es den Regierungen die Möglichkeit unpopuläre Massnahmen durchzuführen, die nur in Kriegszeiten so widerstandslos möglich sind. Meist bedeutet dies die repressive Bekämpfung von sozialen Bewegungen, den Abbau von sozialen Rechten oder die Militarisierung der Gesellschaft.

Ein Beispiel dafür ist die Repression in Argentinien, mit der die Regierung nun im Schatten des Krieges versuchen will die sozialen Bewegungen zu zerschlagen. Gestern, wenige Stunden vor dem offiziellen Kriegsbeginn, wurde wenige Meter von der - aktuell durch Räumung bedrohten - besetzten Bank "Banco Mayo", in der sich Indymedia Argentinien und die Asamblea Lezama del Sur befinden, und dem - ebenfalls durch Räumung bedrohten - autonomen sozialen Zentrum Tierra del Sur, ein Haus der Piquetero-Organisation MTL geräumt, welches Wohnraum für einige arbeitslose Familien bot. Die Polizei ging äusserst brutal gegen die Menschen vor, die gegen die Räumung protestierten. Obwohl sich diese - etwa 40 Menschen - friedlich verhielten, wurden 7 Leute gewaltsam zu Boden gerissen, geschlagen und verhaftet. Weitere versuchte Verhaftungen konnten verhindert werden. Es war dabei klar ersichtlich, dass die Polizei gezielt gegen die BewohnerInnen des sozialen Zentrums Tierra del Sur und gegen die AktivistInnen der Asamblea Lezama del Sur vorging. Diese scheinen der Polizei ein Dorn im Auge zu sein, da sie mit zu den aktivsten autonomen Gruppen Buenos Aires gehören. Ebenso gab es gezielte (versuchte) Übergriffe gegen IndymediaaktivistInnen. Die Übergriffe ereigneten sich gegen 17 Uhr.

Fotos:
(Räumung)  http://argentina.indymedia.org/news/2003/03/92184.php
(Repression)  http://argentina.indymedia.org/news/2003/03/92197.php


Doch damit noch nicht genug. Im Anschluss an die Übergriffe standen noch bis 24 Uhr zwischen 50 und 80 Menschen aus Solidarität mit den Verhafteten vor dem Polizeirevier, in das die AktivistInnen geschleppt wurden. Als plötzlich, ohne Grund, ein Polizeibeamter auf zwei Menschen, die sich am Rande der Solidaritätskundgebung aufhielten (u.a. ein Bewohner von Tierra del Sur), zulief und seine Pistole zog, um diese auf die zwei zu richten. Erschrocken sprangen sie in die Menschenmenge, die Pistole richtete sich auf die Kundgebung, es entstand eine panische Situation, alle sprangen erschrocken auf und durcheinander. Der Polizist steckte seine Pistole wieder ruhig ein und verschwand vom Ort des Geschehens. Nach und nach beruhigte sich die Situation wieder. 3 Aktivisten der Asamblea Lezama del Sur und des sozialen Zentrums Tierra del Sur sind noch immer im Gefängnis. Ihnen wird vorgeworfen, ein Mobiltelefon eines Polizisten geklaut zu haben. Voraussichtlich übermorgen werden sie wieder freigelassen.

Die AktivistInnen werteten diese Eskalation der Räumung als ein erstes Anzeichen auf das, was in den nächsten Tagen auf sie zukommen wird. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Repression noch weiter verschärft. Die Lage bezüglich der Asamblea Lezama del Sur und Indymedia Argentinien hat sich erstmal wieder etwas entspannt, da nun erst in zwei Wochen mit einer Räumung gerechnet werden muss. Die Lage in Bezug auf Tierra del Sur bleibt weiter angespannt, da es hier nach wie vor jeden Tag zu einer Räumung kommen kann.

Um zurück zum Krig zu kommen. Kurz nachdem der Polizist gestern abend seine Pistole zog, flogen die ersten Bomben auf den Irak. Zwar war während der ganzen Zeit gestern Presse anwesend, doch heute waren die Seiten der Zeitungen nur mit Krieg gefällt. Das Spektakel hat begonnen. Von der Repression in Buenos Aires und der Räumung war (ausser in der linken Zeitung Pagina/12) nichts zu lesen. Eine Position gegen den Krieg muss aus dieser Sicht auch immer ein Kampf gegen das Verschweigen sein. Wenn der Krieg als Spektakel dazu dient die Repression gegen soziale Bewegungen zu verschweigen, dann muss die Position der sozialen Bewegungen gestärkt und Informationen verbreitet werden, die der Berichterstattung über das Spektakel Krieg zum Opfer fallen. Krieg hat viele Seiten, Repression ist eins seiner häufigsten Gesichter.

Kein Krieg - keine Repression!

Ein Gruss aus Buenos Aires an die vielen Menschen auf den Strassen Deutschlands, die gegen den Krieg protestieren: Wandelt Wut in Widerstand!
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Ergänzungen

Krieg nach außen bedeutet Krieg nach innen

21.03.2003 - 09:49
Egal ob am Rande der "zivilisierten" Welt oder am Rande der Gesellschaft. Es geht um Kontrolle!