"Unsere Klagen sind berechtigt"

Ralf Streck 17.01.2006 12:45 Themen: Repression Weltweit
Seit November läuft in Spanien ein Prozess gegen 56 Mitglieder der baskischen Linken  http://de.indymedia.org//2005/11/132915.shtml. Sie sollen Untergrundorganisation ETA angehören. Das Verfahren wird von vielen Anomalien begleitet und wurde für drei Wochen ausgesetzt  http://de.indymedia.org/2006/01/136309.shtml. Wir sprachen mit der Angeklagten Teresa Toda, stellvertretende Direktorin der Tageszeitung Egin, deren Verbot 1998 den Auftakt einer Repressionswelle unter dem Aktenzeichen 18/98 bildete.  http://de.indymedia.org//2005/11/133500.shtml
Wieso sollen Sie gestern vor dem Nationalen Gerichtshof im 500 Kilometer entfernten Madrid antanzen? Das Verfahren ist doch bis zum 30. ausgesetzt.

Mussten wir letztlich nicht. Es war ein neuer Fehler des Nationalen Gerichtshofs, uns persönlich durch Polizeibesuche vorzuladen. Dass der Prozess weitere zwei Wochen durch die Vorsitzende Angela Murillo ausgesetzt wurde, hat mir offiziell niemand mitgeteilt. Daran zeigt auch wie nervös das Sondergericht ist und welches Chaos  http://de.indymedia.org//2005/11/133511.shtml dort herrscht.

Warum wurde das Verfahren letzten Montag nach der kurzen Befragung unterbrochen?

Es ist von vielen Anomalien geprägt, welche die Verteidigungsrechte aushebeln. Der Prozess hätte nie beginnen dürfen, weil Anklagedokumente fehlten. Selbst bei den Befragungen tauchen die nicht auf, wenn die Anwälte sie sehen wollen. Wir Angeklagte werden sofort abwürgt, selbst wenn wir erklären wollen, warum wir auf die Fragen des Sondergerichts nicht antworten, usw.  http://de.indymedia.org//2005/12/135585.shtml Um den jetzigen Abbruch zu verstehen, muss man zum 20. Dezember zurückgehen. Da wurden formell 104 Aktenkisten, mit 100.000 Blatt, ins Verfahren eingefügt. Diese Dokumente, ohne jegliche Ordnung, waren geheim und den Verteidigern vorenthalten worden.  http://de.indymedia.org//2006/01/135999.shtml

Man sollte annehmen, dass den Verteidigern Kopien zum Studium der Akten zur Verfügung gestellt werden, wenn die ins Verfahren eingeführt werden.

Ihnen wurde in der Prozesspause zwischen den Jahren aber nur gewährt, für wenige Stunden an ein paar Tagen Einsicht zu nehmen. Dass ist angesichts der Masse und der Unordnung unmöglich. Am letzten Montag führten sie das bei der Vernehmung von Xabier Alegria vor. Sie wollten einige Anklagedokumente sehen auf die sich die Anklage wesentlich stützt. Das Gericht konnte sie den gesamten Tag über nicht finden und setzte schließlich für eine Woche aus. Wir waren umsonst nach Madrid gefahren.

Finden sich die Polizeiberichte über Alegrias angebliche Verbindungen zur ETA also in den geheimen Akten?

Das sollte man annehmen, denn in dem Akten wird stets darauf verwiesen. Sie sind die Grundlage des Verfahrens. Aber wer weiß das schon, bei der Form der Richter Baltasar Garzón die Ermittlungen geführt hat.

Wie erklären Sie sich, dass den Anwälten nun weitere zwei Wochen Einsicht gewährt wird?

Die hatten sich geweigert, unter diesen Bedingungen weiter zu verteidigen, weil das unmöglich ist. Sie haben dafür den Beistand ihrer Anwaltskammern erhalten. Deren Präsidenten trafen sich am Freitag mit dem Präsidenten des Nationalen Gerichtshof. Im Vorfeld reagierte Murillo und verlängerte schnell die Einsichtszeit. Ihr Beschluss dazu ist aber wieder völlig widersprüchlich. Sie argumentiert auf der einen Seite, den Anwälten sei schon Zeit zum Aktenstudium gewährt worden. Trotzdem setzt dann aber den Prozess für weitere zwei Wochen aus trotzdem aus, um angeblich „jede Spur der Verteidigungslosigkeit zu vermeiden“ Sie somit aber das fatale Vorgehen an. Beim Treffen mit dem Gerichtspräsidenten am Freitag wurde dann vereinbart, dass die Anwälte auch Kopien machen dürfen, etc.

Ein kleiner Sieg?

Ja. Es ist eine Bestätigung, dass unsere Klagen berechtigt sind. Es bleibt aber ein politischer Prozess, der auf Berichten der Polizei- und der Guardia Civil basiert, die von der Justiz nie geprüft wurden. Von Aussagen, die unter Folter erpresst wurden, gar nicht zu sprechen. Am Nationalen Gerichtshof wurde bisher hier eine Aussage abgelehnt, weil sie unter Folter gemacht wurde.

Ist der Prozess nun auf eine rechtstaatliche Bahn gelenkt worden?

Nein. Dass mehr auf formale Rechte geachtet wird, löst das Problem nicht. Das Verfahren hätte nie beginnen dürfen und die bisherigen Vorgänge haben es diskreditiert. Es muss annulliert werden und sie sollen uns nach mehr als sieben Jahren in Frieden lassen. Im Prozess wird es weiter Anomalien geben. So waren die Gutachter, die demnächst auftreten, selbst an den Ermittlungen der Polizei und der Guardia Civil gegen die verschiedenen Organisationen und die Zeitung beteiligt. Das ist absurd. Ohnehin bezahlen wir Angeklagte auch diese Vertagung wieder. Ab Februar müssen alle 56 dann an vier Tage die Woche in Madrid sein, um die verlorene Zeit aufzuholen.

© Ralf Streck, Donostia - San Sebastián den 17.01.2006
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Ergänzungen

@Alex

Wow 18.01.2006 - 09:49
Tolle Ergänzung, echt eh!

Siehe auch:

Ralf 18.01.2006 - 16:47
Batasuna erneut verboten  http://de.indymedia.org/2006/01/136757.shtml

Absurderweise hat der Nationale Gerichtshof die baskische Partei Batasuna schon wieder verboten. Der Ermittlungsrichter Grande - Marlaska hat
Batasuna erneut "vorläufig" für zwei Jahre verboten, läßt alle Webseiten und Büros schließen, die mit der Partei zusammen hängen könnten, um den Parteitag am Samstag in Bilbao zu verhindern.

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