Massenprozesse gegen baskische Organisationen

Ralf Streck 23.11.2005 08:46 Themen: Repression Weltweit
Am Montag hat in der spanischen Hauptstadt Madrid die Prozesse gegen fast 200 Mitglieder der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung begonnen. Wir sprachen mit Teresa Toda, Vizedirektorin der Zeitung Egin, deren Verbot 1998 den Auftakt einer Repressionswelle markierte über das Verfahren, das nun mit 59 Angeklagten begonnen hat.
Welche Hintergründe stehen hinter den diversen Verfahren, die jetzt mit dem Kernverfahren begonnen habe?

Sie laufen unter dem Aktenzeichen 18/98 vor dem Nationalen Gerichtshof und folgen der These, die Organisationen der linken Unabhängigkeitsbewegung seien der bewaffneten Organisation ETA untergeordnet. Anfang 1998 wurde gegen Firmen vorgegangen, die in die Finanzierung der ETA verstrickt gewesen seien. Im Juli wurde die Zeitung und das Radio Egin geschlossen und die gesamte Leitung verhaftet.  http://de.indymedia.org//2003/07/57475.shtml

Danach wurde die Organisation Xaki verboten, die international über die Lage im Baskenland informierte. Dann wurde gegen eine Stiftung vorgegangen, die den zivilen Ungehorsam propagiert und gegen die Organisation Ekin, die auf Basis der Dörfer und Stadtteile für ein sozialistisches Baskenland warb. So setzt sich der Kern zusammen und gegen 59 Angeklagte wird nun das Hauptverfahren begonnen. Daran hängen Unterverfahren, gegen weitere Organisationen die später verboten wurden. Es handelte sich um einen politischen Angriff, mit dem die Arbeit für ein freies Baskenland unterbunden werden sollte.

Gegen drei verbotene Jugendorganisationen wurde aber schon verhandelt?  http://de.indymedia.org/2005/02/106270.shtml

Der Prozess wurde vorgezogen, weil im spanischen Staat nur vier Jahre Untersuchungshaft erlaubt sind. Man beachte: Gerade wird in Großbritannien versucht, Menschen 90 Tage zu inhaftieren, bis konkrete Vorwürfe formuliert werden müssen. Hier kann man vier Jahre im Knast sitzen, ohne konkrete Vorwürfe zu kennen.

Ging es nicht eher darum, das Terrain zu bereiten?  http://de.indymedia.org//2005/08/124836.shtml Jugendliche aus diesen Organisationen sind immer mal wieder in der ETA aufgetaucht.

Das ist zu vermuten, das ist ihnen aber deutlich auf die Füße gefallen

Könnten die weiteren Verfahren dann nicht gleich eingestellt werden?

Das Urteil besteht ja aus zwei Teilen.  http://de.indymedia.org//2005/06/121223.shtml
Festgestellt wurde, dass keine Verbindung zur ETA besteht und ihnen auch nicht der Straßenkampf angelastet werden konnte. Bis zu dreieinhalb Jahre Haft bekamen einige aber wegen Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation. Um das festzustellen, wird im Urteil auf Ekin oder der Koordination für eine sozialistische Alternative (KAS) verwiesen, die angeblich zur ETA gehörten. Das ist eine juristische Absurdität, denn darüber wird ja erst jetzt verhandelt.

Wie lauten die konkreten Vorwürfe gegen Sie?

Wir werden beschuldigt, wie die Jugendlichen Mitglieder oder Unterstützer der ETA zu sein. Dazu kommen bei einigen Finanzvergehen, Betrug der Sozialversicherung und ähnliches. Dafür ist das Sondergericht aber gar nicht zuständig. Die Strafforderungen schwanken zwischen 10 und 51 Jahren Haft.

Bei den Jugendlichen wurde keine Verbindung zur ETA bewiesen und im Fall von Xaki und Ekin hatte das eine Kammer des Sondergerichts die Verhafteten frei gelassen, weil die Richter keine Indizien für die Vorwürfe sahen. Wie kann so ein Urteil erreicht werden?

In einem rechtstaatlichen Prozess kann man das nicht beweisen, weil es nicht stimmt. Es ist aber bekannt, dass die Richter nach den Freilassungen abserviert wurden, weil sie den politischen Vorgaben nicht gefolgt waren.
Ist es Zufall, dass der Prozess direkt nach dem 30. Todestag des Diktators Franco beginnt?

Das ist wohl Zufall, gibt ihm aber eine besondere Dimension. Es zeigt sich, dass 30 Jahre nach der Diktatur noch immer gravierende politische Probleme bestehen. Zeitungen werden geschlossen und mehr als sieben Jahre prüft das kein Gericht. Die Regierung Aznar war Pionier dieser Politik, die sich unter dem Stichwort Kampf gegen den Terrorismus ausbreitet. Deshalb weist der Prozess weit über unseren Konflikt hinaus. Werden wir verurteilt, kann damit gerechnet werden, dass sich derlei Vorgänge schnell auch woanders ereignen. Deshalb sind auch die internationalen Beobachter von großer Bedeutung. Die Zeitung und das Radio wurden aber vernichtet, auch wenn wir jetzt frei gesprochen würden. Sogar das gesamte Material, Druckmaschinen, Fotoarchiv über 20 Jahre, etc wurde zerstört, weil die ganze Zeit keine Maßnahmen zur Sicherung angestellt wurden.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián den 20.11.2005
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