Genua 2001 in der Nachspielzeit oder der kollektive Gedächtnisschwund

ggsoli 17.02.2005 13:39 Themen: Globalisierung Repression
Das folgende Interview wurde am Rande einer Informationsveranstaltung (im Rahmen einer Veranstaltungsreihe zum Tag des politischen Gefangenen 2005 - am 08.01.2005 im Berliner Mehringhof von der Gruppe Göteburg/ Genua Soli - mit Laura Tartarini (Rechtsanwältin aus Genua) und Luka (einem Mitarbeiter vom "Rechtlichen Sekretariat", einer Gruppe aus Genua die die Prozesse beobachtet) geführt. Es ging dabei um den Stand der Prozesse im Rahmen der Ereignisse in Genua 2001, bei dem Haftstrafen von 6-15 Jahren drohen.
Genua 2001 in der Nachspielzeit - oder der "kollektive" Gedächtnisschwund einer Bewegung

Laura, kannst Du kurz etwas über den Stand des Verfahrens gegen die 26 Menschen sagen, die seit März wegen der Proteste in Genua 2001 vor Gericht stehen? Was ist im Laufe des Jahres 2004 passiert?

Laura:Die Prozesse haben am 2. März 2004 angefangen. Es gab bisher 33 Sitzungen, bei denen wir bisher 90 ZeugInnen der Staatsanwaltschaft gehört haben. Die ersten ZeugInnen der Anklage schilderten die allgemeine Atmosphäre und Situation in Genua während des Gipfels. Zumeist bestätigten sie dabei nicht die These der Staatsanwälte, nach der es zu noch nie da gewesenen Verwüstungen und Plünderungen gekommen sei. Einwohner von Genua und auch einige Polizisten sagten aus, dass sich die Sachschäden und Plünderungen in Grenzen gehalten hätten. Ich denke, dass wir erst ab März oder April dieses Jahres mit der Anhörung unserer Zeugen beginnen werden.

Gibt es eine gemeinsame Verteidigungsstrategie?

Laura:Ja, es gibt eine gemeinsame Strategie, doch es ist ein sehr schwieriger Prozess. Die Ankläger haben das Konstrukt der "neuen" Straftat "Verwüstung und Plünderung" fabriziert. Alle 26 werden sind wegen diesem Strafbestand angeklagt, obwohl ihnen sehr unterschiedliche Sachen vorgeworfen werden.
Bis jetzt lief unsere Strategie ziemlich gut. Wir haben es zum Beispiel geschafft zu aufzuzeigen, das der Polizeifunk eindeutige Befehle, wie z.B.: "Geht auf die Strasse und massakriert sie", ausgab. Das ist für unsere Beweisführung sehr wichtig, weil es klar macht, dass die Polizei sehr gewalttätig war. Wir werden mit unseren ca. 150 ZeugInnen versuchen aufzuzeigen, dass es völlig anders in Genua aussah, als wie die Anklage suggeriert. Die Polizei spielte eine aktive Rollein den Auseinandersetzungen und griff Menschen an. Die Gewalt ging in erste Linie von der Polizei aus. Wir wollen zeigen, dass das, was den Leuten jetzt vorgeworfen wird, eine normale Reaktion auf diese außergewöhnliche Situation war.

In unserem letzten Interview hast du gesagt, dass du noch die Eröffnung von 50 weiteren Verfahren erwartest. Bis jetzt hat sich in dieser Hinsicht nichts getan. Kannst du etwas über deine heutige Einschätzung sagen?

Laura:Niemand äußert sich dazu. Wenn wir versuchen, mit der Staatsanwaltschaft über die 50 noch offenen Verfahren zu reden, sagen sie, dass sie derzeit nicht in der Lage sind, die Ermittlungen zu beenden, weil sie so viel zu tun haben. Wir denken, dass dieser Prozess der Staatsanwaltschaft peinlich ist, weil er aufzeigt, wie die Polizei und der Staat damals agierten, um die Proteste in Genua zu kriminalisieren. Wahrscheinlich wollen sie jetzt erst den weiteren Verlauf der Prozesse abwarten. Vielleicht machen sie nach diesen Prozessen mit den anderen weiter, doch das könnte noch ein paar Jahre dauern.

Kannst du etwas über den Prozess in Cosenza erzählen. Seit wann und gegen wen läuft dieser Prozess?

Laura:Der Prozess in Consenza hat vor ca. zwei Jahren angefangen. Zu Beginn sah es so aus, als ob dieser Prozess wegen der Auseinandersetzungen in Neapel im Zusammenhang mit dem global forum einige Monate vor Genua stattfindet. Damals waren 13 Menschen verhaftet worden, GenossInnen von Cobas und Sud Ribelle - einem Netzwerk in Süd Italien und jemand von den Disobbedienti. Im Laufe des Jahres stellten wir aber fest, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ausweiten wollte. Die Auseinandersetzungen in Genua wurden in die Anklageschrift aufgenommen und mittlerweile wird den Angeklagten vorgeworfen, eine subversive Vereinigung mit dem Ziel die wirtschaftliche Basis Italiens zu zerstören gebildet zu haben. Abhörprotokolle von Telefongesprächen, e-mails, aber auch “normale” Sachen, so wie Flugblätter und Pamphlete, die die ökonomische Globalisierung oder die europäische Migrationspolitik kritisieren, wurden als Beweismaterial aufgenommen. Die Angeklagten sollen nun die OrganisatorInnen der Krawalle von Genua und Neapel gewesen sein. Ihnen droht 6 bis 15 Jahren Knast. Am Anfang haben wir noch gelacht, weil sich die Anklage sich so absurd anhörte und dachten, sie könnte so nie standhalten. Aber sieht der Vorwurf so aus.

Luka (Name geändert):Es ist nicht notwendig zu erzählen das die Anklage total absurd ist. Es ist total verrückt zu denken, das 13 Menschen in der Lage sind 300.000 Leuten auf die Strassen zu bringen.

Laura:Ihnen droht 6 bis 15 Jahren Knast. Am Anfang haben wir noch gelacht, weil sich die Anklage sich so absurd anhört. Wir haben nicht geglaubt das diese Anklage standhalten würde. Jetzt werden sie doch mit dieser Anklage angeklagt.
Die "Anti"-Globalisierungsbewegung, die bis dahin noch wenig von Repression betroffen worden war, bekam in Genua undGöteborg einen Vorgeschmack auf das, was passiert, wenn Menschen mit radikalen Mitteln die herrschenden Verhältnisse in Frage stellen.

Was läuft deshalb gerade politisch zu den Prozessen in Italien? Wie gehen die Organisationen damit um, die damals zu den Protesten gegen den G8-Gipfel aufgerufen haben?
Gibt es Anregungen von euch, wie aus den Erfahrungen von Genua und anderer Ereignisse gelernt werden kann, auch in Bezug auf die kommenden Gipfel in Schottland 2005 und 2007 in Deutschland?


Luka:Die machen gar nichts. Im Allgemeinen gibt es keine große politische Organisationen, die sich um die juristischen Konsequenzen von Genua kümmern. Sie verhalten sich nicht solidarisch mit den Angeklagten und zeigen auch kein Interesse an den Prozessen gegen die Bullen. Die einzigen Gruppen, die sich praktisch verhalten, sind kleine Kollektive, die z.B. Informationen auf lokaler Ebene verteilen. Es gibt das Komitee für Wahrheit und Gerechtigkeit, das Presse-Arbeit macht, sich aber vor allem für die Prozesse gegen die Bullen und deren Übergriffe interessiert.
Das, was gerade gut läuft, ist die Verbreitung von Informationen. Die Medienkollektive in ganz Italien verfolgen die Prozesse und informieren über sie in ihren Medien. Bei Indymedia z.B. gibt es Menschen, die die Prozesstage verfolgen und Berichte darüber in mehreren Sprachen veröffentlichen. Die Medien der linken Bewegung funktionieren also. Was aber fehlt ist, dass diese Informationen dazu benutzt werden, um zu mobilisieren oder eine Kampagne zu beginnen. Eine andere Solidaritätsarbeit als das Weiterleiten von Informationen an die eigenen Medien gibt es kaum. Das ist ein großes Problem.
Anregungen? ...Ich habe nur die Erfahrungen aus Genua und Evian. Ich denke dass es sehr wichtig ist die Leuten zu informieren wenn diese ankommen: über Gesetze, über ihre Rechte, über was sie tun und nicht tun sollen und sie sollten Telefonnummern von Anwälten oder eines legal team haben. Was aber sehr wichtig ist, ist das es Kontakte gibt mit den Anwälten vor Ort. Was für mich in Genua sehr gut lief war das es ein Legal Team gab mit ÜbersetzerInnen. Nur hätten wir uns auf eine mögliche Zerschlagung dieser Struktur vorbreiten sollen...

Im Juli 2001 waren 300.000 Menschen in Genua auf der Strasse und auch in Göteborg war viel los. Du hast auf unserer Veranstaltung erzählt, dass viele in Italien ähnlich wie in Deutschland die Ereignisse von damals vergessen zu haben scheinen und dieses ein Grund für die geringe Solidarität mit den Angeklagten ist.
Wie kannst du Dir diesen "kollektiven" Gedächtnisschwund erklären?


Luka:Ich denke, dass viele von den Ereignissen traumatisiert sind.
Das ist ein Problem für uns, einerseits weil für uns in Genua jegliche Demonstrationsfreiheit aufgehoben wurde und zum anderen, weil es so viele gab, die in diesen Tagen dem etwas entgegensetzten. Und diejenigen sind jetzt angeklagt, weil sie für alle 300.000 viele Jahre Knast riskierten. Deshalb müssen wir sie heute unterstützen und dürfen sie nicht einfach vergessen. Alle Leute, die in Genua waren, sind verantwortlich für das, was passiert ist.

Gibt es Initiativen in Italien, die versuchen diesem "kollektiven" Gedächtnisschwund etwas entgegenzusetzen?

Luka:Nicht auf der psychologischen Ebene. Die italienische Bewegung zeigte noch nie Stärke im Umgang mit kollektiven Traumata, das passt nicht in ihren politischen Umgang. Aber es gibt einige, die versuchen Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, und das kann dazu beitragen, dass die Leute sich wieder anfangen zu erinnern.

Einige politische Gruppen in Italien verstehen die Repression von Genua, als einen Versuch der Berlusconi-Regierung die italienische Opposition einzuschüchtern. Wie seht Ihr das?

Laura:Ich denke das nicht, weil die Ankläger alles "linke" Ankläger sind, die in Verbindung stehen mit der Sozialdemokratische Partei von Italien. In Italien haben wir eine rechte Regierung und die will das die Gerichte weniger Macht haben, auch in Bezug auf die Prozesse gegen Berlusconi und die Mafia. Die institutionelle Linke in Italien aber will das RichterInnen mehr Macht haben, weil das Recht respektiert werden soll. So verteidigt sie auch die angeklagten PolizistInnen von Genua und hat große Probleme mit diesen Prozessen von Seiten der Bewegung.

Luka:Ich denke die Regierung hat gar keine Angst vor diesen Menschen, weil sie meint alles unter Kontrolle zu haben. Sie haben aber Angst vor Gesetzen und RichterInnen, weil sie die nicht unter Kontrolle haben scheinen und deshalb selber wegen ihrer Geschichte rechtlich verfolgt werden könnten. Die Linke in Italien hat sich mehr und mehr in Richtung der gesellschaftlichen Mitte bewegt und nunmehr eine legalistische Haltung eingenommen. Sie machen zwar viel Lobbyarbeit und das hat dazu geführt das es in Italien viele „linke“ RichterInnen gibt, die auch in Genua aktiv sind. Doch die institutionelle Linke grenzt sich von sogenannten „gewalttätigen“ Demonstranten ab und es ist ihr Ziel zu zeigen , dass ihre RichterInnen korrekt sind. Also es gibt einen politischen Willen ihrerseits es der Rechten zu zeigen, das so wohl die Regierung als auch sogenannte "gewalttätige" Demonstranten bestraft werden. Damit hätte das Recht gesiegt und alle leben glücklich bis ans Ende der Welt.

Luka, kannst Du noch etwas über die Arbeit der Ünterstützungsgruppen in Genua sagen!

Luka:Es gibt zwei Gruppen: die eine ist das rechtlichen Büro, eine Gruppe von 10 Leuten dass die Vorbereitungsarbeit für die Prozesse macht , d.h.: das Sortieren von Beweismaterial - Videos, Dokumente, Fotos und so weiter. Wir unterstützen so zu sagen die Anwälte in ihrer Vorbnereitung, weil es so viel Material gibt, das gesichtet werden muss. Die rechtliche Unterstützungsgruppe ist ein größeres Umfeld. Sie kümmert die sich um die Finanzen und das Verbreiten von Informationen. Also das Publizieren von Prozessberichten und die Übersetzung dieser in verschiedene Sprachen.

Was für Unterstützung braucht ihr?

Luka:Auf der einen Seite wollen wir das die Information so breit verbreitet werden wie es geht. Damit mehr Menschen wissen was passiert und die Notwendigkeit sehen sich wieder zu erinnern, und daraus auch politische Konequenzen ziehen.
Auf der andere Seite brauchen wir Geld um die technischen Kosten zu tragen.



Libera-Info NR 2: http://www.libera.squat.net/

Aufruf zum Tag des politischen Gefangenen 2005 - Auszug:

Repression kennt keine grenzen - unsere solidarität auch nicht

demonstration in berlin am 19.03.05 13:00 treptowcenter elsenstraße

Im Sommer 2001 beteiligten sich mehrere hunderttausend Menschen an den Protesten gegen den EU-Gipfel in Göteborg und das Treffen der G8 in Genua. Auch in der BRD hatten viele verschiedene linke Spektren dorthin mobilisiert. Neben dem großen Mobilisierungserfolg blieben die beiden Ereignisse vielen auch wegen der Repressionsmaßnahmen in Erinnerung. Schon im Vorfeld sprachen die Behörden Ein- und Ausreiseverbote aus, vor Ort wurden Hunderte verhaftet oder von Polizeieinheiten schwer misshandelt, einige durch Schusswaffen schwer verletzt und ein Carabiniere erschoss Carlo Giuliani. (...)

....

freiheit für die politischen gefangenen - gegen repression und staatliche unterdrückung

Seit 1996 wird in der BRD der 18. März wieder als Tag für die Freiheit der politischen Gefangenen und gegen Repression und staatliche Unterdrückung begangen. Aus Anlass dieses Datums rufen wir bundesweit zu einer Demonstration am 19. März 2005 in Berlin, unter dem Motto:

Repression kennt keine Grenzen - Unsere Solidarität auch nicht!
- dem ausbau des eu-repressionsapparates gemeinsam entgegentreten!
- solidarität mit den angeklagten der g8-proteste in genua!
- gegen die kriminalisierung linker proteste weltweit!
- freiheit für alle politischen gefangenen!

Vollständiger Aufruf unter: http://www.libera.squat.net/tagdespolitsichengefangenen2005.htm

Wenn Ihr den Aufruf unterstützen wollt, meldet Euch bei uns !


Bisherige ÜnterstützerInnen:
- ARI Antirassistische Initiative Berlin
- Autonome KommunistInnen
- Bündnis gegen Isolation und das neue Strafvollzugsrecht in der Türkei, Berlin
- FelS intersol
- FIB Flüchtlings Initiative Brandenburg
- gegeninformationsbüro berlin
- ggsoli genuagöteborgsoli
- Gruppe Internationale Solidarität Magdeburg
- Libertad!
- OIHUKA (Baskische Solidarität)
- PIRAT
- rote aktion berlin
- Rote Hilfe e.V. OG Berlin
- Tayad-Komitee
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Ergänzungen

Wichtiger Hinweis an den Autor

ein mod 17.02.2005 - 13:52
Bitte bitte, das nächste mal normales HTML posten und nicht komplette Webseiten mit all ihren HTMl-Tags wie "html" oder "body" und überhaupt mit sauberem HTML.

Danke

Genova-Libera-Soli T-Shirt

disorder - counterculture 17.02.2005 - 15:26
Zur unterstützung der Angeklagten gibt es unter: www.disorder-berlin.de ein Benefit T-Shirt zu bestellen.

Angriff auf legal support

Zwischenfall 18.03.2005 - 12:51
Genua: GLF-Unterstützer angezeigt



Kurzmeldung über einen Zwischenfall, der zu denken gibt.
Gegen 14,30 Uhr ist bekannt geworden, dass Zivilbeamte der politischen Polizei Digos zwei Personen, die heute einer Gerichtsverhandlung in Genua beiwohnten ansprachen und darüber belehrten, dass die Staatsanwälte Canepa und Canciani gegen sie Anzeige wegen Verleumdung bzw. übler Nachrede erstattet haben. Es handelt sich bei den Betroffenen um einen Sachverständigen des GLF (Genoa Legal Forum) und einen Aktivisten von Supportolegale. Ihre Rechner wurden beschlagnahmt, der Versuch, die beiden zum Polizeipräsidium mitzunehmen scheiterte Aufgrund der Proteste von Anwesenden. Canepa und Canciani führen u.a. die Anklage im Verfahren gegen 25 Personen, die in Zusammenhang mit dem G8 2001 in Genua der „Verwüstung und Plünderung“ angeklagt sind. Ersten Informationen zufolge wird den beiden die Urheberschaft von Kommentaren vorgeworfen, die innerhalb von Mitschriften von Gerichstverhandlungen rund um den G8 und anderen Verfahren gegen Aktivisten zu finden sind. Eine Mitteilung von Supportolegale, der Gruppe, die unterstützende Arbeit für die Segreteria Legale des GLF (Rechtssekretariat des Genoa Legal Forum) leistet, dürfte in Kürze folgen.

Bericht eines Betroffenen


heute früh extrem gespannte atmosphäre, die begrüßung erfolgt durch carabinieri und polizei in kampfanzug schon auf der piazza de’ ferrari und dann um die häuserblöcke die das gericht säumen. Vor dem gerichtsgebäude waren dutzende digos-leute anwesend, die aus mehreren städten kamen. während der verhandlung greifen diese auch gegenüber von leuten ein, die bereits vor dem saal waren. insbesondere sind es die begleitschutzbullen der canepa, die sich besonders heftig aufführen und versuchen, einem aktivisten den hut abzunehmen. während einer pause des richterkollegiums, das sich über das urteil beraten wollte, sind wir zum ausgang und von da aus losgegangen, um etwas essen zu gehen. wir merken sofort, dass uns über zehn digos folgen, am ausgang bildet sich eine ganz lange reihe von über 30 bullen, die uns nach einem häuserblock gegen die scheiben eines mc donald’s festsetzen und uns anweisen, in die autos zu steigen, um ihnen aufs präsidium zu folgen. sie versuchen auch, uns nicht die anwälte kontaktieren zu lassen, man hält die stellung dank dem eingreifen der aktivisten und aktivistinnen, die im saal anwesend waren und die anwälte treffen ein. wir werden in das gerichtsgebäude gebracht, wo man die beschlagnahme durchgeführt hat. die anzeige ist in wahrheit gegen unbekannt und die beschlagnahme beruht auf der vermutung, dass sich die informationen auf diesen rechnern befinden.

entschuldigt die kürze, das ist für den augenblick alles.

die akten hier:  http://italy.indymedia.org/uploads/2005/03/sequestropc160305.pdf

Quelle:  http://italy.indymedia.org/news/2005/03/753219_comment.php#753247

Update
- 16.03.2005

Heute wurden in Genua die Computer von zwei Sachverständigen des Genoa Legal Forum beschlagnahmt. Mit der Belehrung über die richterliche
Der folgende Text wurde auf der Website con Supportolegale veröffentlicht:

Beschlagnahmeverfügung ging eine Belehrung über eine Anzeige wegen Verleumdung einher, die von Anna Canepa und Andrea Canciani erstattet wurde, Staatsanwälte im Verfahren gegen 25 Demonstranten, denen Verwüstung und Plünderung während des G8 im Juli 2001 vorgeworfen wird.

Die beiden beschlagnahmten Rechner enthalten Material zu den laufenden Verfajren so wie auch den Rest der digitalen und papiernen Dokumentation des Rechtssekretariats und den server auf dem die website www.supportolegale.org gehostet ist.

Der Vorfall hat sich während des letzten Verhandlungstags gegen zwei der vier Antifaschisten aus Mailand ereignet, die durch die selben Staatsanwälte Canepa und Canciani des Überfalls und Raubs angeklagt sind, weil sie eine kleine Gruppe von Faschisten aus einem Zug voller Demonstranten entfernt haben, ein Verfahren, in dem heute um 15:00 Uhr das Urteil gesprochen wurde. In diesem Verfahren wurde am Nachmittag das Urteil gesprochen: Freispruch für Milo und eine Strafe von drei Jahren und acht Monaten für Orlando mit Aufhebung der Auflagen bis zum Berufungsverfahren.

Quelle:  https://supportolegale.org/ at 16 Mar 2005 - 15:17

Interview mit einem Betroffenen


Blicero: heute, am 16. März, zwei Jahre nach dem Tod von Dax, ist mir und einem anderen, der auch in der Eigenschaft eines Sachverständigen für das Genoa Legal Forum im Rahmen der Genua-Verfahren (mit den gleichen Staatsanwälten) tätig ist, bei der Unterbrechung weil sich das Gericht zurückgezogen hatte, um das Urteil für Orlando und Milo zu besprechen, eine schar Digos-Typen aus dem Gerichtsaal gefolgt. Sobald wir um die Ecke gebogen waren, haben sie versucht, uns festzusetzen und ins Polizeipräsidium zu bringen um uns, wie sie sagten, über einen richterlichen Akt zu belehren. Wir haben gesagt, dass es überhaupt nicht nötig war, uns zum Präsidium zu bringen, um uns über was auch immer zu belehren, weil unsere Anwälte bereits vor Ort waren, dass wir sie rufen würden, wenn sie einen Moment warten würden, damit sie uns über alles belehren, worüber sie uns belehren mussten. Es sind daraufhin andere Leute hinzugekommen es ist ein großes Durcheinander entstanden und am Ende haben sie uns im Beisein von unseren Anwälten zu verstehen gegeben, was sie von uns wollten und es wurde klar, dass es unsere Rechner waren, durch eine Verfügung des Oberstaatsanwalts Pellegrino, der einem Antrag zur Beweisaufnahme in Zusammenhang mit einer Anzeige wegen Übler Nachrede von Seiten der Staatsanwälte Canepa und Canciani stattgegeben hatte, Staatsanwälte, die sowohl im Verfahren gegen Marta, Milo, Orlando und Fede als auch im Verfahren gegen die 25 tätig sind. Kurzum, in dem Antrag steht: „schnappt euch jeden, der einen Rechner benutzt, um sich während der Verhandlung gegen Milo und Orlando Notizen zu machen und beschlagnahmt seinen Rechner, weil er es sein könnte, der uns auf der internetsite italy.indymedia.org diffamiert und so weiter. Da haben wir verstanden, warum die beiden Staatsanwälte für die Dauer der gesamten Verhandlung vor sich hin gegrinst hatten, das ist aus unserer Sicht ein unglaublicher Akt, wir sind etwas schockiert, weil es sich um einen wirklich über jedes erdenkliche Maß hinausgehenden autoritären Akt handelt, für den es keine Worte gibt. Die Rechner, mit denen Sachverständige in einem Gerichtsverfahren arbeiten unterschlagen ist ein Einschüchterungsakt auf dem Niveau eines Regimes wie sie wirklich nicht in der Lage sind sich vorzustellen. Offensichtlich versuchen sie ... (unverständlich, der text ist die Abschrift eines radiostreams) und noch viel mehr. Wir hoffen natürlich, dass sich diese Sache gegen sie richtet und allen zeigt, sofern es noch welche geben sollten, die es noch nicht begriffen haben, wie sehr die Justiz dem Versuch funktional ist, einen Käfig um die Proteste zu bauen, und um jene, die sich einem bestimmten System von vorhandenen Dingen widersetzt.

Radio: Hör mal, ich wollte dich fragen, natürlich werdet ihr schon mit euren Anwälten darüber gesprochen haben, was habt ihr jetzt vor?

Blicero: auf rechtlichem Weg wird es natürlich einen Widerspruch geben und ich nehme an, auch weitere Schritte. Aus unserer sicht wäre nichts Schlechtes dabei, ganz offen eine Interdiktion der beiden Staatsanwälte zu fordern, die glauben, über alles und jeden das gute und das schlechte Wetter machen zu können – etwas, das über dem Gesetz ist.

Radio: Leider wissen wir, dass das Urteil für Orlando schlecht ausgefallen ist – sehr schlecht. Ich denke aber, dass dieser Vorfall die Arbeit von Supportolegale besonders in Bezug auf die Verfahren wegen Genua nicht blockieren wird, habe ich recht?

Blicero: Nein, natürlich wird keinerlei Art von Arbeit blockiert, weil wir in der Lage sind, die Funktionsfähigkeit von jenen Materialien wieder herzustellen. Sicher handelt es sich um Signale, die sich immerzu wiederholen, siehe die Sendung auf Sky-TV und die auf Raidue. Die Arbeit, das zu vermitteln, was im Inneren der Gerichtssäle passiert und die Zerbrechlichkeit von einer Ganzen Reihe von Mechanismen offen zu legen gefällt offenbar einem ganzen Haufen Leute überhaupt nicht.

Radio: In der Tat, zumal wir seit Oktober sehen, wie es mit der Beschlagnahme des Indymedia-Servers durch den FBI gegangen ist, bis heute gibt es eine Reihe von verketteten Zwischenfällen, die nicht unbedingt zufällig sind.

Quelle:  http://italy.indymedia.org/news/2005/03/753210_comment.php
:

Update - 16.03.2005

Der folgende Text wurde auf der Website con Supportolegale veröffentlicht:

Heute wurden in Genua die Computer von zwei Sachverständigen des Genoa Legal Forum beschlagnahmt. Mit der Belehrung über die richterliche ... Beschlagnahmeverfügung...

Dankeschön

Die erste Agenturmeldung und ein Kommentar da
- 16.03.2005

Die Nachrichtenagentur ANSA hat folgende Meldung veröffentlicht. Sie dürfte die Grundlage der mogigen Presseartikel sein. Zu beachten, dass die Betroffenen irgendwann bereits "Angeklagte" genannte werden. Höchstwahrscheinlich ein freudscher Versprecher, trotzdem unheimlich.

Agenturmeldung

G8: Staatsanwälte erstatten Anzeige wegen übler Nachrede. In Genua wurden zwei Jungen Leuten aus Mailand die Beiträge in einem Prozess mitschrieben beschlagnahmt. (ANSA) – Genua, 16. März – Zwei Rechner Zwei tragbare Computer sind heute früh im Laufe der Abschlussverhandlung in einem Prozess gegen zwei Angehörigen des sozialen Zentrums Orso in Mailand die der Gewaltanwendung in privater Auseinandersetzung und des bewaffneten Raubs an Naziskins im genuesischen Justizpalast zwei jungen no global aus Mailand beschlagnahmt worden. Die jungen Männer, Sachverständige des Genoa Legal Forum und von Supportolegale (die den no global Beistand leisten, die wegen der Ereignisse während des G8 unter Anklage stehen), hatten auf ihren Laptops die Beiträge in der Heutigen Verhandlung mitgeschrieben. Die Beschlagnahme wurde vom genuesischen Staatsanwalt Giancarlo Pellegrino im Zuge von einer Anzeige gegen Unbekannt wegen übler Nachrede verfügt, die von den beiden genuesischen Staatsanwälten erstattet wurde, welche die Untersuchungen über die Gewalttaten der black block beim G8 leiten. Die beiden Staatsanwälte haben in Folge von Berichten zu den Verfahren gegen 26 mutmaßliche ‚schwarze overalls’, die auf der website von Indymedia erschienen waren Anzeige erstattet, weil sie diese für diffamierend halten. Die beiden jungen Männer aus Mailand sind Sachverständige der Verteidigung in jenen Verfahren und haben die Aufgabe, die Wortbeiträge mitzuschreiben. Heute gingen sie der gleichen Tätigkeit im Rahmen des Verfahrens gegen zwei Angehörige des mailändischen sozialen Zentrums, aber ohne einen Auftrag der Anwälte der Verteidigung. Die Beschlagnahme der tragbaren PCs ist am Ende der Verhandlung erfolgt, als sich die drei Richter zur Beratung über das Urteil zurückgezogen haben. Die Polizisten der genuesischen Digos haben die beiden jungen Männer aufgefordert, ihnen zur Beschlagnahme der Rechner ins Polizeipräsidium zu folgen. Die Anwälte der Angeklagten sind eingeschritten und haben die beiden überredet, die PCs gleich zu übergeben. Die Akte zur von den beiden genuesischen Staatsanwälten erstatteten Anzeige wegen übler Nachrede ist der Zuständigkeit halber der Staatsanwalt Turin übergeben worden. Die Beschlagnahme wurde von der genuesischen Staatsanwaltschaft aus Dringlichkeitsgründen verfügt worden. „Wir werden die Rechtmäßigkeit der Maßnahme prüfen“, sagte der Anwalt xxx (ANSA)

In den Kommentaren zur Meldung wurde folgender Text veröffentlicht:

Kommentar zum Posting mit der Agenturmeldung

16. März. Ein dunkler Tag

Durch einen seltsamen, schicksalhaften Zufall, meldet sich das Datum 16. März zyklisch zurück, um die Geschichten des italienischen Staates zu skandieren.

Es war der 16. März in der Via Fani in Rom, als der Hinterhalt gestellt wurde, um Aldo Moro zu entführen.

Es war der 16. März in der Via Brioschi in Mailand, als Davide Cesare von einer Gruppe von Faschisten umgebracht wurde, 27 Jahre alt, Aktivist der Werkstatt für sozialen Widerstand O.r.s.o. In jener Nacht verzögerte die Polizei auf schwerwiegende weise das Eintreffen der Krankenwagen. Dann, im Krankenhaus San Paolo in Mailand, griff sie mehrere male sehr brutal die Genossen an, die Auskunft über Davide bekommen wollten, innerhalb und außerhalb des Krankenhauses.

Heute, 16. März 2005, wird das Urteil gegen Orlando gesprochen, mailändischer Antifaschist, auch er Angehöriger des O.r.s.o.: drei Jahre und sechs Monate weil er faschistische Provokateure aus einem Sonderzug für eine Demonstration verjagt hat. Sowohl Orland als auch die anderen drei Genossen, die im Verfahren verwickelt waren, (einer wurde frei gesprochen, die anderen beiden wurden zu zwei Jahren verurteilt) waren über Monate restriktiven Maßnahmen ausgesetzt.

Heute, 16. März 2005, genau während der Verhandlung im oben genannten Prozess, der in Genua abgehalten wurde, Sitz der post-G8-Verfahren, führen die Ordnungskräfte bei zwei Medienaktivisten aus der Gruppe supportolegale.org, die als Sachverständige des Rechtssekretariats des Genoa Legal Forum arbeiten, die Beschlagnahme von zwei PCs durch.

Es ist wichtig, die repressive Tragweite von diesen beiden Ereignissen nicht zu unterschätzen, die vom Datum her in einer mal näheren, mal weiter zurück liegenden Vergangenheit zufällig synchron mit anderen sind.

Auf der einen Seite, die unverhältnismäßige Strafe für Orlando, die, auch wenn sie irgendwie voraussehbar war, die kontroverse Rolle von einigen Zentren der Justizmacht, wie dem Gericht von Genua, wo derzeit reihenweise „Schlüsselverfahren“ durchgeführt werden, was die Bewegung angeht und nicht nur.

Die Logik erscheint die des guten Alten Tanzes auf zwei Hochzeiten: auf der einen Seite, werden mit Worten, die eigentlich die Säulen der Macht erzittern lasen müssten, verschiedene Vertreter der Ordnungskräfte vor Gericht gestellt, die in den Folterungen des G8 verwickelt sind, auf der anderen werden gegen einzelne Aktivisten Vorwürfe erfunden, sie werden vor dem Prozess für Monate eingesperrt und man droht ihnen mit empfindlichen Strafen um sie als Beispiel vorzuführen.

Zwei etwas voneinander entfernte Sichtweisen der Justiz: Ist der Staat faul, oder liegt die Schuld bei den Revolutionären? Halten wir zuerst die Kontrollierten oder die Kontrolleure an? Die Antwort scheint offenkundig: Die Verfahren gegen den Staat wegen dem G8 sind parteiisch, wahrscheinlich werden viele Anklagepunkte verjähren, vielleicht wird der eine oder der andere büßen, aber viele haben ihren Arsch warm gebettet. Für die mailändischen Genossen hingegen existiert eine Realität aus Tötungen, Angriffen, Gefängnis und verbrannten Zentren.

Der Angriff auf die Informationsfreiheiten wiederum hat eine Qualität, die jemand schon auf dem Niveau eines „Regimes“ definiert hat. Die Laptops werden bei Personen beschlagnahmt, die seit Monaten regelmäßig das Gerichtsgebäude besuchen, wegen den Prozessen Diaz, Bolzaneto, Perugini... und mit ihrer Arbeit (die der Unterstützung des Rechtssekretariats des GLF dient) genau den Staatsanwälten gegenüberstehen, die sie wegen übler Nachrede angezeigt und die Untersuchung verursacht haben, die zur Beschlagnahme geführt hat.

Das heißt: Du störst mich, du veröffentlichst fast in Echtzeit was ich in eine, öffentlichen Gerichtssaal sage, du machst zuviel Gebrauch von deinen Rechten, aber wisse, dass ich dich wann ich will zur Strecke bringe.

Höchste Solidarität mit den betroffenen Genossen, aber auch jenseits der persönlichen Ebene, bleibt die Angelegenheit etwas überaus Schwerwiegendes: es geht ja immerhin um Personen, die aktiv und öffentlich in der Verteidigung der verschiedenen Verfahren, die im vollen Gang sind engagiert sind: Die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft bei diesen Leuten mit der althergebrachten Entschuldigung der Veröffentlichung auf Indymedia beliebiges Material beschlagnahmen kann, kommt einem Kartenspiel gleich, bei dem dir der Gegner an einem Gewissen Punkt die Pistole an den Kopf hält, dir in die Karten sieht und dann weiterspielt.

Das ist auch angesichts der Umstände, unter denen sich die Beschlagnahme ereignet hat, der Beweis für eine Willen zur Einschüchterung, der darauf abzielt, die Verteidigung von ziviler Seite oder von Seiten der Bewegung in den G8 Verfahren zu verschrecken und die Farce noch mehr Farce sein zu lassen, mehr als es die Verfahren bereits sind, auch ohne, dass man zu irgendwelchen Urteilen gekommen wäre, zu den großen Missetaten, zu den Leichen im Keller der Macht in Italien, von den Kasernen bis zu den Palästen.

Quelle beider Texte:  http://italy.indymedia.org/news/2005/03/753358_comment.php#753370

Genua G8: Beschlagnahme und Strafen

http://supportolegale.org 29.03.2005 - 00:18


von supportolegale - 25.03.2005

 http://www.germany.indymedia.org/2005/03/110226.shtml