Die Mobilisierung des Widerstands in einer kritischen Phase

 Frankreich - Der Kampf gegen die Arbeitsrechts-„Reform“ - 14. Bericht von Bernard Schmid (Paris)

...... Es ist hauptsächlich die Weiterexistenz der Platzbesetzerbewegung, die seit dem 31. März dieses Jahres nicht abreißt, die die Flamme des Sozialprotests derzeit unterhält. Denn die größeren Gewerkschaftsverbände, sofern sie (im Gegensatz zur CFDT..) die Proteste gegen das geplante „Arbeitsgesetz“ unterstützen, rufen erst am Donnerstag, den 28. April wieder zu einem Protesttag auf, also fast drei Wochen nach dem letzten vom Samstag, den 09. April. (Die Parlamentsdebatte zu dem umkämpften Gesetzentwurf beginnt nun am 03. Mai dieses Jahres.) Die erhebliche Distanz zwischen beiden Terminen würde ansonsten verhindern, dass eine – über einen brav zu absolvierenden Latschdemo-Termin hinaus reichenden – Dynamik zustande kommt.

Die beteiligten Gewerkschaftsverbände hatten den letzten „Aktionstag“ auf einen Samstag gelegt, im Glauben, dass die Teilnahme an den Demonstrationen dadurch verbreitert werden könne – denn viele abhängig Beschäftigte können es sich „unter der Woche“ (jedenfalls ohne breit befolgten Streik-Aufruf in ihrer Branche) nicht erlauben, einfach einen Tag von der Arbeit abwesend zu bleiben. Die Ergebnisse entsprechen jedoch nicht den Absichten. Die Teilnehmer/innen/zahl war, jenseits der braven Erfolgsmeldungen seitens der betreffenden Gewerkschaften, welche auch von manchen deutschen linken Medien gerne „sieges“besoffen übernommen wurden, rückläufig. – In diesem Zusammenhang übrigens eine große, wirklich wichtige Bitte an deutsche linke Berichterstatter/innen, Medien und Aktive: Hört endlich auf mit besoffenen Erfolgsmeldungen, die in diesem Ausmaß keinerlei Realitätsgrundlage besitzen! Hört auf, Revolutionstouristen zu spielen, und wenn doch, behaltet gefälligst den Bezug zur Wirklichkeit! Nein, wir befinden uns in Frankreich zum jetzigen Zeitpunkt keineswegs im „Generalstreik“, wie mancherorts (völlig fälschlich) zu lesen ist! Nein, es waren am Samstag, den 09. April nicht „100.000 Menschen“ auf der besetzten place de la République in Paris, wie in einer linken Tageszeitung zu lesen war! – So viele Menschen passen auch nie und nimmer auf den verkehrsberuhigten Teil des Platzes, und der Verkehr drumherum wurde zu keinem Zeitpunkt eingestellt. „100.000“ war die Zahl der Gewerkschaftsführungen über die Gesamt-Teilnehmerzahl an der nachmittäglichen Demonstration, die Realität liegt eher bei 40.000 oder vielleicht 50.000, und diese Menschen waren bestimmt nicht alle die Nacht über als Platzbesetzer/innen unterwegs.

 Da beißt die Maus nun wirklich keinen Faden ab: Alle Enzelmeldungen aus kleineren Städten belegten, dass an diesem 09. April – am vergangenen Sonnabend – teilweise ein Drittel, mitunter auch zwei Drittel WENIGER Teilnahme zu verzeichnen war als beim letzten Demonstrationstag am Donnerstag, den 31. März d.J. In Alençon beispielsweise waren es sogar nur 250 Demonstrierende am 09. April, gegenüber 1.200 am letzten Märztag (reale Zahlen). Man muss erst einmal die Wirklichkeit nüchtern zur Kenntnis nehmen, um zu analysieren, wo unsere derzeitigen strategischen Stärken & Schwächen liegen. Sicherlich, die Tatsache, dass in Teilen Frankreichs (aber noch nicht etwa in Toulouse, wo die Teilnahme am Samstag ebenfalls zurückging) Schulferien begonnen haben, ist auch mit ursächlich für die rückläufigen Teilnehmerzahlen geworden. Ebenso wie die miesen Wetterbedingungen – nur waren diese am 31. März noch erheblich schlimmer. Und, natürlich, das Fehlen einer über den Sonntag hinausweisenden Kampfperspektive, bis zum weit nach hinten gelegten nächsten „Aktionstag“ am 28. April, motivierte nicht unbedingt zur Teilnahme.

In Paris war der Rückgang hingegen nicht so stark. Und es könnte mit daran gelegen haben, dass die Platzbesetzerbewegung hier besonders sichtbar ist. Auch in anderen Städten finden nächtliche Platzbesetzungen statt, in bis jetzt fünfzig Städten an bislang mindestens einem Abend. Aber nur in Paris bleibt ein zentraler Platz seit dem 31. März dauerhaft und ohne Unterbrechung – abgesehen von kurz anhaltenden Räumungen im Morgengrauen - besetzt, und dies mit (oft) mehreren Tausend Menschen, die daran beteiligt sind.

Die Polizei sprach für Paris von 22.000 Teilnehmenden am 09. April, gegenüber (ihr zufolge) „26.000 bis 28.000“ am 31. März. Die realen Zahlen liegen in Wirklichkeit höher, aber gleichzeitig unterhalb derer der Gewerkschaften, welche offiziell von 100.000 Demonstrierenden in der Hauptstadt sprachen.- Auf ganz Frankreich bezogen, sprach die Polizei in Bezug auf den vergangenen Samstag von „120.000“ Demonstrierenden. (Vgl. bspw. http://www.i24news.tv) Die Realität liegt wohl knapp doppelt so hoch....

….. Am Samstag Nachmittag, 09. April war es auf der place de la Nation – dem Ankunftsort der Demonstration – zu länger anhaltenden Scharmützeln gekommen. Diese hängen sowohl mit der provokativen Strategie der Polizei als auch mit jener der Autonomen (die Reibereien mit der Polizei sowie Angriffe auf Geldautomaten von Banken sowie auf Werbe-Schautafeln für eine revolutionäre Großtat halten) zusammen. Insgesamt kam es, laut Angaben des französischen Innenministeriums, am Samstag zu 26 Festnahmen.

Die Polizei spart seitdem nicht mit Provokationen. Am Montag Abend strich sie auf der Pariser place de la République quasi permanent um den Platz. Eine halbe Stunde lang schaltete sie die Lautsprecheranlage ab, dann wurde diese jedoch wieder in Betrieb genommen. Kurz darauf belästigten die eingesetzten Polizisten die Menschen in der „Kantine“ – der Essensausgabestelle -, um danach einen Riesenpott mit Suppe in aller Öffentlichkeit in die Gosse zu kippen. (Siehe eine Abbildung unter: https://www.facebook.com/) Am Montag früh gegen 05.30 Uhr war der Platz bereits polizeilich geräumt worden (vgl. http://www.lefigaro.fr/), die Wirkung hielt allerdings nicht lange vor (vgl. http://nanterrereseau.blogspot.fr/) Allem Anschein nach sucht die Polizei durch Provokationen nach einer Gelegenheit, die Situation zum Eskalieren zu bringen und die Platzbesetzung endlich los zu werden; oder, falls dies nicht gelingt, jedenfalls den Aufbau und die Anwesenheit von festeren Bauten (Lautsprecheranlage, Kantine, Infozelte..) zu unterbinden. Leichtere Aufbauten, wie die tragbaren Buchläden auf Tapeziertischen – es gibt inzwischen einen anarchistischen und einen trotzkistischen auf der place de la République –, wird sie nicht verhindern können......

Leseauszug aus dem 14. Bericht von Bernard Schmid
http://www.trend.infopartisan.net/trd0416/t460416.html 

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