Clausnitz und die Folgen

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Polizei macht Opfer zu Tätern Clausnitz: Ermittlungen gegen Flüchtlinge statt gegen den rechten Mob

Only local images are allowed.Gegründet 1947 - Sa. / So., 27. / 28. Februar 2016, Nr. 49

 

Aus: Ausgabe vom 22.02.2016, Seite 2 / Inland

Polizei macht Opfer zu TäternClausnitz: Ermittlungen gegen Flüchtlinge statt gegen den rechten MobVon Markus BernhardtOnly local images are allowed.Ein johlender rassistischer Mob versuchte, die Feuerwehr an Löscharbeiten zu hindern. Bautzen, 21. Februar 2016Foto: Rico Loeb/dpa - Bildfunk

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Nachdem ein rassistischer Mob am Donnerstag abend im sächsischen Clausnitz den Einzug von rund 20 Flüchtlingen, darunter viele Frauen, Kinder und Jugendliche, in eine Unterkunft durch eine Blockade zu verhindern versuchte, gerät auch die Polizei in die Kritik. So zeigen im Internet veröffentlichte Videosequenzen, wie Beamte mit brutaler Gewalt gegen einen verängstigten jugendlichen Flüchtling vorgehen, um diesen aus dem Bus in die belagerte Flüchtlingsunterkunft zu nötigen.

 

Die sächsische Linksfraktion kündigte am Sonntag an, eine Sondersitzung des Innenausschusses des Landtages beantragen zu wollen. Dabei soll es keineswegs nur darum gehen, warum der rechte Mob die Ankunft der Schutzsuchenden über eineinhalb Stunden blockieren konnte, sondern auch das offensichtliche Fehlverhalten der Polizei soll thematisiert werden. »Langsam beginne ich an eine selbstverordnete, rechtsäugige Blindheit von Teilen der sächsischen Polizei und vor allem ihres Dienstherrn zu glauben«, konstatierte Linksfraktionschef Rico Gebhardt am Sonntag. Nicht zuletzt aus der am Sonnabend durchgeführten Pressekonferenz des Chemnitzer Polizeipräsidenten Uwe Reißmann ergäben sich Fragen, die nunmehr »dringend geklärt werden« müssten. Warum werde beispielsweise nicht von Amts wegen gegen den Mob vor der Flüchtlingsunterkunft ermittelt, fragte Gebhardt.

 

Polizeipräsident Reißmann wuss­te gegenüber der Presse zu berichten, dass den Polizisten vor Ort kein Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Explizit verteidigte er auch die gegen den jungen Flüchtling gerichtete Polizeigewalt. »Es war zum Schutz des Kindes, weil wir davon ausgegangen sind, dass das Gebäude wesentlich sicherer ist«, so Reißmanns Kommentar. »Was wir sicherlich ausweiten werden, sind Ermittlungen gegen den einen oder anderen Insassen des Busses«, kündigte der Beamte an. Politische Schützenhilfe bekamen die Beamten erwartungsgemäß auch vom Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt. Dieser hatte trotz der veröffentlichten Videoaufnahmen vor einer »Vorverurteilung« der Polizisten gewarnt.

Mit unverhohlener Freude haben derweil am Samstag abend Schaulustige bei einem Feuer in einer geplanten Flüchtlingsunterkunft in Bautzen zugesehen. Während des Brandes mitten in einem Wohngebiet versammelten sich in der Nacht zu Sonntag nach Polizeiangaben schätzungsweise 20 bis 30 Menschen. Verletzt wurde nach erstem Erkenntnisstand niemand. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich und Innenminister Markus Ulbig (beide CDU) verurteilten das Verhalten der Schaulustigen. Tillich betonte auch mit Blick auf die fremdenfeindlichen Ereignisse am Donnerstag abend in Clausnitz, die Vorfälle seien erschreckend und schockierend zugleich. »Das sind keine Menschen, die so was tun. Das sind Verbrecher«, sagte er am Sonntag den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

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