Keine Corona-Pause für räumungsbedrohtes Wohnprojekt Unfug in Lüneburg

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* Auseinandersetzung um Bauwagen als Wohnraumergänzung zwischen Wohnprojekt Unfug und Lüneburger Stadtverwaltung dauert an
* Stadt zeigt sich trotz neuen Vorschlägen durch die Bewohner*innen und veränderter Situation vor Ort nicht gesprächsbereit
* Wohnprojekt erhält Solidaritätsbotschaft aus Darmstadt, wo die Stadt das Leben in Bauwagen explizit und unbürokratisch unterstützt.

Stadt macht keine Corona-Pause in ihren Vorgehen gegen wohnprojekt Unfug

Nachdem die Anfrage vom Lüneburger Wohnprojekt Unfug auf Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans sowohl im Bau- als auch im nicht-öffentlichen tagenden Verwaltungsausschuss abgewimmelt wurde, protestieren die Bewohner*innen und über 20 Sympathisant*innen während der Sitzung des Rates im Februar 2020. Die Stadtverwaltung versprach notgedrungen einen Gesprächstermin mit Unfug. Die Bewohner*innen baten um Verschiebung des für März anberaumten Termins aufgrund der Coronapandemie und erklärten, eine Telefonkonferenz sei der Komplexität der Angelegenheit nicht gerecht. Seitens der Stadt besteht keine Bereitschaft auf den Vorschlag einzugehen.. Die Stadtverwaltung habe bereits erläutert wie sie zu den Bauwagen auf dem Grundstück steht.

„Die Stadtverwaltung läuft wegen Corona auf Sparflamme. Meine Erfahrung ist, dass selbst eine Akteneinsicht beim Ordnungsamt derzeit nicht möglich ist, die Akte wird stattdessen verschickt. Die Stadt will aber den Termin mit Unfug auf die Zeit nach dem Kontaktverbot nicht verschieben, dies begründet sie mit „Dringlichkeit“. Woher diese Dringlichkeit rührt haben wir bis heute nicht erfahren.“ kritisiert Bewohner Sven.

Die Stadt argumentiert mit Dringlichkeit und droht einerseits mit einer Nutzungsuntersagung der Bauwagen zum 1. Juli 2020. Anderseits wird die Genehmigung von Wohnraum verzögert. Die Stadtverwaltung hält sie sich nicht an ihre Aussage aus dem Sommer 2019, als Unfug beim Treffen mit dem Oberbürgermeister eine Baugenehmigung für das Nebengebäude (damit sind nicht die Bauwagen gemeint, sondern ein Gebäude mit Fundament) Aussicht gestellt wurde. Der Bauantrag wurde ende 2019 gestellt und bis liegt keine Baugenehmigung vor.

Die Stadt erklärte damals, das Nebengebäude auf dem Grundstück hätte keine Baugenehmigung und forderte Unfug dazu auf, einen Bauantrag zu stellen. Dies verwunderte Unfug sehr, da das Nebengebäude sich bereits auf dem Grundstück befand, als dieses noch im Besitz der Stadt war.

„Wo sollen wir hin? Will die Stadt uns obdachlos machen und das während Corona?“, fragt Bewohnerin Jana.

 

Darmstadt: unbürokratisches Bauwagenleben

Beispiele anderer Städte zeigen auf, dass es auch anders gehen kann. Ganz ohne Bürokratie, wie Wagenbewohner*innen und Ratsmitglieder*innen aus Darmstadt Unfug in einer Solidaritätserklärung mitteilen (siehe unten). Dort gibt es 5 Wagenplätze, 3 davon auf öffentlichem Grund. Das Gelände hat jeweils einen unterschiedlichen Status auf dem dortigen Flächennutzungsplan. Doch das war kein Hindernis für die Projekte, unbürokratische Lösungen wurden gefunden. Dies ist allerdings nur dann möglich wenn der politische Wille da ist. Es ist keine baurechtliche- sondern eine politische Frage.

Die Stadt Lüneburg argumentiert unter anderem damit, dass es in Lüneburg bereits einen baurechtlich genehmigten Bauwagenplatz gibt. Also sollen die Bauwagen weg vom Unfug-Gelände. Es handelt sich jedoch um zwei sehr unterschiedliche Wohnprojekte. Unfug ist kein Wagenplatz. Die Bauwagen sind eine Ergänzung des bestehenden Wohnraums im Haus (und hoffentlich demnächst Nebengebäude). Somit leben aktuell 12 Menschen, dort wo früher 2 Personen gelebt haben. Das Bestehen eines Wagenplatzes in Lüneburg darf nicht als Legitimation dienen, die Entstehung anderer alternativer Wohnprojekte in Lüneburg zu verunmöglichen!

Wohnprojekte sind außerdem keine Zwangsgemeinschaft und entscheiden in Eigenregie über die Aufnahme von neuen Mitbewohner*innen.

 

Unfug schlägt Ortstermin vor

Nach Rücksprache mit einem Baurechtsanwalt, schlägt Unfug einen neuen Weg ein. Die Bauwagen wurden zunächst so umgestellt, dass damit die bauordnungsrechtlichen Vorschriften im Außenbereich (Abstandsregelungen zwischen den einzelnen Bauten) eingehalten werden.
Daher versucht Unfug einen Ortstermin mit dem zuständigen Sachbearbeiter des Bauamtes zu vereinbaren. Die Verwaltung simuliert zwar Gesprächsbereitschaft, hat sich aber bereits festgelegt: Weder das Gutachten zur Vereinbarkeit der gewählten Wohnform mit dem Baurecht, noch die veränderte Situation vor Ort, interessieren sie.

Unfug hat zugleich einen Bauantrag für die Bauwagen gestellt und die längerfristige Aufstellung von Bauwagen als Wohnraumergänzung der bestehenden Wohngebäude beantragt.

Es ist auch im Außenbereich möglich, im Einzelfall, eine Baugenehmigung zu erhalten. Eine Baugenehmigung kann grundsätzlich erteilt werden, wenn keine „öffentlichen Belange“ beeinträchtigt werden und die Abstände die für den Außenbereich gelten, eingehalten werden.

„Für uns spricht: keine Versieglung von Fläche, Grundstück liegt zwar im Außenbereich, aber ein Einfamilienhaus und ein Nebengebäude sind bereits vorhanden. Wohnsiedlungen sind in Sichtweite und das Gelände ist bereits erschlossen. Wir bezweifeln, dass uns eine Baugenehmigung für die Bauwagen erteilt wird, da die Stadt nicht gewillt ist, den Spielraum den es baurechtlich gibt, zu unseren Gunsten zu nutzen.“ erklärt Bewohnerin Cécile und fährt fort:

„Wo ein politischer Wille da ist, ist auch eine Lösung. Nur: die Stadt will nicht. Sie will ein Wohnprojekt wie Unfug bekämpfen, weil wir dem OB und einem großen teil der politischen Akteur*innen mit unserem politischem Engagement ein Dorn im Auge sind. Aber wir sind entschlossen, weiter bezahlbarem inklusivem selbstverwaltetem Wohnraum zu kämpfen“.

Homepage: https://unfug-lg.de

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Erklärung aus Darmstadt

auch hier zu finden: https://unfug-lg.de/wp-content/uploads/2020/04/Soli-Unfug_DA-end.pdf

Solidaritätsbekundung zum Wohnprojekt Unfug Lüneburg

Wir sind drei Wohnprojekte aus Darmstadt, die in Bauwägen auf städtischen Gelände wohnen.

Selbstbestimmt und in Eigenregie. Wir haben Pachtverträge, welche zum Teil schon bereits seit über 2Jahren bestehen. Die Kooperation mit den städtischen Stellen funktioniert sehr gut. Grundlage hierfür sind beidseitige Offenheit, aber vor allem das gemeinsame Beschreiten unbürokratischer und flexibleWege. Wenn es den politischen Willen dazu gibt, ist vieles möglich.

Bei uns in Darmstadt gibt es zur besseren Vernetzung zwischen den Wagenplätzen, Wohnprojekten under Stadtverwaltung einen runden Tisch ( http://www.wohnprojekte-darmstadt.de/runder-tisch/ ).

Die Stadt Darmstadt fördert Wohnprojekte zB das Heinersydikat ( http://www.heinersyndikat.de/ ) und hat damit sehr gute Erfahrungen gemacht.

Des weiteren beteiligen wir uns auch kulturell und bereichern hiermit das Gesellschaftsleben der Stadt (zB https://www.figurentheatertage-darmstadt.de/start/).

Das Leben in Wohnprojekten ist eine wertvolle Bereicherung, sowohl für die Bewohnerinnen als auch für das Stadtleben und leistet einen wertvollen Beitrag für die Zivilgesellschaft. Dabei ist es den Bewohnerinnen wichtig, ihre Wohnform selbst zu bestimmen.

Wohnprojekte sind keine Zwangsgemeinschaft sondern selbst gewähltes Zusammenleben. Wir wünschen der Stadt Lüneburg noch viele engagierte Menschen, die es wagen im Wohnprojekt zu leben und sich für mehr sozialen Zusammenhalt einzusetzen. Ebenso wünschen wir der Stadt, in Anbetracht von steigenden Mieten und Gentrifizierung, solche Projekte als Chance und Möglichkeit zu begreifen. Außerdem fordern wir die Stadtregierung auf das Wohnprojekt Unfug zu unterstützen und zu erhalten in der vom Projekt gewählten Form.

Es gibt kein Problem. Nur eine Herausforderung!

Unterzeichner:

Wagenplatz Diogenes
Wagenplatz Babajaga
Wagenplatz Klabauta
Fraktion UFFBASSE (https://www.uffbasse-darmstadt.de/)

Bilder: 
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