Lebst Du noch oder wohnst Du schon? Antiautoritäre Kundgebung am 1. Mai 2020 in Hamburg-Harburg

Event Datum: 
Freitag, Mai 1, 2020 - 11:00
Stadt/Region: 
Antiautoritäre Kundgebung am 1. Mai 2020 Hamburg-Harburg, Herbert-Wehner-Platz (vor Karstadt) ab 11:00 Uhr

Ob am Stadtrand oder im schillernden Zentrum: Überall werden Menschen aus ihren Häusern vertrieben. Meistens geschieht dies still und heimlich, wenn Renovierungen eine Mieterhöhung nach der anderen mit sich bringen. Wer kann schon die finanziellen Mittel für einen Rechtsschutz aufbringen oder die Zeit, sich in Mieter*innenschutzbünden auszutauschen? Was bleibt bei der ständigen Sorge um die Miete an Lebenszeit auf der Strecke? Was bringen Mietendeckel und die Diskussion um Enteignungen? Wem nützt es, immer das Märchen zu wiederholen, dass Wohnungslose in Deutschland freiwillig auf der Straße leben würden? Wer lebt eigentlich von Deiner Miete?

Einige Räumungen verursachen mehr Lärm. Wie in Berlin stehen weltweit besetzte Häuser und Projekte vor dem Aus; aber wir wissen uns zu wehren. Und wir wissen, was wir an diesen Räumen haben, wo neue Gesellschaftsentwürfe und ein Denken jenseits von Kapital und Nation entwickelt werden. Wo in Frage gestellt wird, dass mit dem Vermieten von Lebensraum Milliardenprofite erwirtschaftet werden müssten, anstatt den Menschen ein angemessenes Leben zu ermöglichen. Solidarität mit Liebig34, Rigaer94, Potse & Drugstore, dem Hambi, dem RØG in Ljubljana und allen bedrohten Projekten weltweit!

Diese Themen begleiten uns ständig, denn Verdrängung und Wohnungslosigkeit betreffen einen Großteil aller Menschen. Wir stellen die Frage nach der moralischen Vertretbarkeit von Besitz. Und wir wissen, dass prekäre Arbeitsbedingungen, Dumping-Jobs, ‚Flexibilität‘ und all die anderen Unzumutbarkeiten der Lohnarbeit damit zusammenhängen. Wir stellen die Frage, welcher Einkommensschicht es nützt, dass Menschen zu Arbeit gezwungen sind, die sie gar nicht ausüben wollen.

Um im Kapitalismus überhaupt wohnen zu können, sind immer größere Teile des Lohns aufzuwenden. Wir müssen also auch im Arbeitskampf ansetzen. Von dort müssen die Anliegen in alle Lebensbereiche getragen werden, also sind (revolutionäre) kämpferische Gewerkschaften gefragter denn je. Daher ist der Kampf gegen die Gentrifizierung auch ein Anliegen der syndikalistischen Gewerkschaften, damit das Menschenrecht auf Wohnen verwirklicht werden kann.

Wie immer trifft es vor allem die Schwächsten. Personen, die ohnehin am Rand der Gesellschaft stehen, leiden besonders unter den Zuständen auf dem sog. Wohnungsmarkt. Dass wir als Gesellschaft immer noch nicht in der Lage sind, diesen Kampf gemeinsam anzugehen, spricht Bände. Die kapitalistischen Zustände zwingen uns in die Isolation: Zeitnot, Miet- und Geldsorgen, Repression wegen kleinster Besitzdelikte, Lohnarbeit und Entfremdung von allem, was uns zu Menschen macht.

Schulter an Schulter gegen den Faschismus!

Aber machen wir uns nichts vor. Das Menschsein wird ungebrochen auch ganz direkt und gewalttätig angegriffen, auch nach 1945. Eine faschistische Bewegung agiert im Fahrwasser eines nationalistischen Grundkonsens. Neonazis bilden terroristische Banden, schulen sich an Waffen und nutzen jede Gelegenheit, um sich auch in den Parlamenten breit zu machen. Dass sie dabei weder Scham- noch Mitgefühl kennen, zeigten nicht erst die Morde des NSU oder der Mordanschlag auf Walter Lübcke – Menschen, die nicht ins Weltbild der Faschist*innen passen, fallen seit Jahrzehnten dem strukturellen Rassismus der Behörden, der Gesellschaft und der Gewalt ihrer braunen Horde zum Opfer. Nicht selten steht das Handeln staatlicher Behörden sogar in direktem Zusammenhang mit rechtsterroristischen Taten.

Am Rande des Arbeiter*innenkampftages müssen wir uns also dummerweise auch noch mit den beiden Dinosaurier-Faschisten Wulff und Worch beschäftigen. Wir werden ihnen klarmachen, dass sie sich mit Harburg ein wirklich ungemütliches Pflaster für die Zurschaustellung ihres Größenwahns ausgesucht haben. Harburg hat eine lange Geschichte der Migration hinter sich. Menschen organisieren sich zunehmend von unten, es gibt eine solidarische Zivilgesellschaft und verlässliche, vielsprachige Netzwerke über den Stadtteil hinaus. Am Ersten Mai stehen wir alle gemeinsam gegen den Faschismus und verweisen die Nazis wie 2008 in ihre Schranken. Denn wir sind alles, wovor sie Angst haben: (Queer-)Feminist*innen, Antifaschist*innen, emanzipatorische Theoretiker*innen, Gutmenschen, Bahnhofsklatschende, „Ausländer“, Arbeitslose, Querulant*innen, Kids aus dem Viertel, wütende Schüler*innen und Klimaaktivist*innen. Vor allem als antiautoritäre Bewegung werden wir einen klaren Standpunkt gegen die Umtriebe der rechten Brut zu setzen wissen.

Der Erste Mai ist antiautoritär!

Aus diesen Gründen gehen wir wieder als anarchistische Bewegung zum Ersten Mai auf die Straße und entwickeln eine gemeinsame Sprache. Gegen die Stadt der Reichen, die Unzumutbarkeiten der Lohnarbeit und den faschistischen Backlash!

Demonstrieren in Zeiten der Pandemie

Lange war es unklar, ob Demonstrationen am 1.5. vom Staat verboten werden oder nicht. Unabhängig davon haben wir uns natürlich auch Gedanken gemacht, ob und wie eine Demonstration in Zeiten einer Pandemie verantwortungsvoll durchzuführen ist.

Wenn aber trotz der Ansteckungsgefahr die Arbeit in Großraumbüros weiterhin erlaubt ist, um das goldene Kalb des Kapitalismus weiter am Leben zu halten, denken wir, dass eine Demonstration unter freiem Himmel ein verhältnismäßig kleineres Risiko darstellt.

Wenn die Bullen überall zu sehen sind und der Polizeistaat mit Corona im Rücken Fahrt aufnimmt,denken wir, dass das nicht unwidersprochen bleiben kann.

Wenn Faschist*innen und militante Neonazis trotz der Krise ihren Hass auf der Straße verbreiten wollen, müssen wir dem entgegentreten.

Dennoch hier der Appell: Verhaltet euch der Situation entsprechend. Schützt euch und andere vor einer möglichen Infektion. Nur Solidarität hilft gegen die Ausbreitung des Virus.

Von staatlicher Seite haben wir folgende Auflagen bekommen:

- Unsere Kundgebung muss stationär bleiben, es kann also an diesem Tag keine Laufdemos geben.

- Es dürfen sich nur 20 Teilnehmer*innen gleichzeitig bei der Kundgebung aufhalten

- Diese Teilnehmer*innen müssen 1,5 Meter Abstand voneinander halten

 

Trotz dieser Auflagen freuen wir uns auf euren Support, kommt alle

Antiautoritäre Kundgebung am 1. Mai 2020

Hamburg-Harburg, Herbert-Wehner-Platz (vor Karstadt)

ab 11:00 Uhr

Wer bei unserer Kundgebung keinen Platz mehr findet: Da mit Nazis gerechnet wird, wird in Harburg vermutlich viel politisches Engagement nötig und geboten. Schaut euch um und haltet die Augen offen.

Bleibt gesund, bleibt besonnen, bleibt radikal! Der 1. Mai ist antiautoritär.

Das Bündnis Schwarz-Roter 1. Mai HH

 

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