(B) Demostrategien diskutieren!
Immer wieder reden wir darüber, wie wir unsere Demonstrationen gestalten können. Wir lesen Texte der letzten Hundert Jahre, sehen Konzepte, die es gab und die immer wieder angewandt werden. Wir schreiben neue Konzepte und rufen zu verschiedenen Strategien auf, um unsere Präsenz auf der Straße zu verbessern.Diese Diskussion darf nicht stagnieren, sondern muss immer weiter geführt werden. Die Umstände ändern sich und wir sollten uns nicht auf Muster versteifen, die mal oder sogar für eine lange Zeit funktioniert haben oder funktionieren. Wir müssen unsere Strategien ständig überdenken, erweitern und uns ausprobieren. Da wir momentan nicht zu einer offenen Versammlung einladen können und trotz dessen die Diskussion zu Demonstrationskonzepten führen wollen, versuchen wir einige Alternativen zu veröffentlichen und so das Interesse an einem kontinuierlichen Austausch zu fördern.
Am Samstag, den 28.3., versammelten sich nachmittags einige Leute rund um das Kotbusser Tor in Berlin-Kreuzberg,die internationalen Verschärfungen der kapitalistischen Zustände in Zeiten von Corona auch auf der Straße sichtbar zu machen. Aufgrund der Abstände zueinander, ist es schwer abzuschätzen wie viele wir waren, vielleicht um die 100.
Polizeistaat
Die aktuellen Zustände erlauben es fast niemandem, sich noch frei zu bewegen, ausser den Bullen. Die Restriktionen geben ihnen einen fast uneingeschränkten Handlungsspielraum, um ihre Macht auszuüben, Menschen zu kontrollieren und mit Schikanen zu überziehen. Erschreckend ist, dass sie von einigen als die Retter der Nation angesehen werden. Leider genießen sie mit ihrer Präsenz und ihren Maßnahmen eine hohe Akzeptanz, Denunziationen gehören nun mehr denn je zum Alltag und die Reflexion über den Kontrollmechanismus und seine Auswirkungen und Ziele gibt es wenig. Die soziale Kontrolle ist so umfassend, dass es massive Repression gegen jede sichtbare Solidarität gibt, sofern sie nicht ausschließlich in den sozialen Medien kundgetan wird. Auch wenn sich an die geforderten Maßnahmen gehalten wird, ist das Ziel der Regierenden erst mit der kompletten Isolation der Menschen erreicht und dies funktioniert bisher schon teilweise.
Alternativen zum Durchbrechen der Kontrolle
Um die momentane Informationshegemonie zu durchbrechen, ist die Sichtbarkeit unserer Kämpfe auf der Straße von großer Bedeutung. Ein Moment, in dem wir erneut darüber nachdenken sollten, warum wir demonstrieren, als auch was unsere Ziele und Möglichkeiten sind. Die Aufgabe von Demos, Kundgebungen und anderen öffentlich wirksamen Protesten ist es, Themen die (aktuell) verschwinden, ins Bewusstsein zu holen und auf Dinge aufmerksam zu machen, die unsere Wut, Kritik und Beachtung verdienen.
Die Versammlung am Kottbusser Tor hat gezeigt: Mit Rücksicht auf alle anderen, aber trotzdem miteinander, ist es noch immer möglich, sich die Straße zu nehmen. Das Konzept der unangemeldeten Versammlung beinhaltete, dass wir uns und alle anderen schützen und genügend Abstand zueinander hatten. Durch dieses Konzept waren alle Transpis und Schilder gut lesbar. Der Mundschutz, also jegliches Tuch im Gesicht, ist unter den gegebenen Umständen legitimer Hygiene Selbstschutz und durchbricht das Vermummungsverbot.
Das Ganze fand selbstverständlich ohne Anmeldung statt. Aktuell ist mehr denn je jegliche Kooperation mit den Bullen ausgeschlossen, alles ist illegal, jeder nicht digitale, politische Protest wird sofort unterbunden. Trotz dessen beteiligten sich sehr viele Menschen und wir konnten sehen, dass die Eigenverantwortung steigt. Der einfache Konsum einer Demonstration unter aktuellen Bedingungen und vor allem im gestrigen Konzept, ist nicht sinnvoll. Eine umfassende Selbstorganisation war nötig, da es keine Masse gab, in der jemand sich einreihen konnte. Die notwendige Distanz führte dazu, dass sich alle eigene Ideen machen mussten, eigenes Material mitbringen, um sichtbar zu sein. Es reichte nicht, sich einfach nur hinter einem Transpi einzureihen.
Während der Kundgebung konnten wir die Rücksichtslosigkeit Einiger beobachten, wie sie sehr nah an Leuten vorbeigefahren sind. Sich die Straße nehmen braucht Mut, da die Ignoranz der Leute, die nur auf Autorität reagieren, jedoch nicht auf die anderen achten, ein gefahrloses Demonstrieren erschweren. Gerade, wenn die Straßen nicht für eine angemeldete Demo von den Bullen frei gemacht werden, sondern wir selbst die Geschlossenheit aufbringen müssen, sie uns zu nehmen.
Die fehlende inhaltliche Ausrichtung sehen wir kritisch, erkennen aber, dass es momentan wenig Spielraum gibt, zu demonstrieren und wir unsere Ideen gemeinsam darlegen sollten. Die vielen Themenfelder machten diverseZustände und Konflikte sichtbar, doch war es schwer, sich auf Parolen zu einigen. Dadurch blieben wir über einen längeren Zeitraum eher leise. Trotz unserer Kritik an den beliebigen Inhalten, empfanden wir es als empowernd gemeinsam auf die Straße zu gehen.
Die Kontrolle
Die Taktik der Bullen, die sich beobachten ließ, ist die, sich zunächst zu sammeln und erst ein zu schreiten, sobald sie eine Übermacht darstellen. Sie waren sichtbar verunsichert von der neuen Situation und unserer dezentralen Anordnung rund um das Kottbusser Tor. Ihre Lösung, virusmäßig denkbar dumm, war dieselbe wie immer, sie drängten alle Menschen zusammen, hielten selbst keinen Abstand und förderten somit riskante Situationen, die wir selbst vermieden. Alle von der Straße in eine Ecke, viel Körperkontakt und Anschreien, nicht selten mit feuchter Aussprache. Die riesigen Abstände zwischen uns machten die Situation unkontrollierbarer, das Ziel der Uniformierten deswegen die Konzentration der Demo auf eine Ecke, um sie dann in gewohnter Manier auflösen zu können.
Offensichtlich sind die Cops damit überfordert, sich selbst an die Schutzmaßnahmen zu halten. In der Konfrontation und den Kontrollen, kamen sie Menschen zu nahe, drängten sie zusammen, fassten sie an und trugen dabei keine Schutzvorrichtungen.
Mindestens drei Hundertschaften, ein Helikopter und Zivis versuchten die Leute einzuschüchtern. Das Infektionsschutzgesetz ist beliebig anwendbar und die Bullen zögern nicht, dies den Menschen direkt ins Gesicht zu sagen, ohne Masken und Abstand.
Solidarischen Menschen wird es verunmöglicht ihre Solidarität zu zeigen, da es mittlerweile verboten ist, an einem Ort zu verweilen. Sobald die Cops Leute anhalten, kontrollieren oder einsperren, werden alle Umstehenden angewiesen weiterzugehen. Somit können sie machen, was sie wollen und es gibt nicht die Möglichkeit einer kritischen Beobachtung.
Wir glauben an Eigenverantwortung, Solidarität und Selbstorganisierung und brauchen dazu keine Bullen, die uns Anzeigen aufbrummen. Die große Solidarität der Menschen in der Kiezen, Nachbarschaften und vielen anderen Orten, die sonst häufig vergessen werden, freut uns sehr, es ist jedoch wichtig, diese auch weiter auf die Straße zu tragen, sie einzufordern und sichtbar zu machen.
Ergänzungen
Die venezianischen Genossen
Die venezianischen Genossen*innen kommen in ihrem Text am Ende zu einem sehr ähnlichen Vorschlag sich "verantwortlich" zu zeigen und mit Masken und Abstand zueinander zu demonstrieren und auch sonst ist er sehr empfehlenswert, hier übersetzt und vertont:
https://www.freie-radios.net/101034
https://www.heise.de/tp
https://www.heise.de/tp/features/Wenn-Demonstranten-zu-Gefaehrdern-erkla...
Unser Video
hier unser Video von dieser Demo am 28.3. in Berlin:
https://youtu.be/XIM_jLH6Qhg
Rede auf der Demo in Berlin, 28.3.
in unsrem Video (Link oben) dokumentieren wir den ganzen, mit dem zu sehenden Lautsprecher, abgespielte Audiobeitrag.
Auszüge:
„Wir wollen keinen Trend zur Isolation und freiwilligen Selbsteinsperrung.“.
Nicht der Virus an sich sondern die Herrschaftsstrukturen seien für das Ausmaß der Krise verantwortlich.
„Das Problem heißt Rassismus, Kapitalismus und Patriarchat.“
###
Freundeskreis Videoclips
YOUTUBE www.youtube.com/freundeskreisvideo
TWITTER www.twitter.com/freundeskreisv
INSTAGRAM www.instagram.com/FreundeskreisVideoclips
MASTODON https://masthead.social/@Freundeskreis_Videoclips
FACEBOOK https://m.facebook.com/Freundeskreis-Videoclips-2-431924590975977/
KONTAKT: videoclips(aet)gmx. de
unser Partnerprojekt:
KOMM:ON
YouTube: http://bit.ly/kommonyt
Website: https://kommon.jetzt/
Facebook: http://bit.ly/kommonfb
Twitter: http://Twitter.com/kommonjetzt
Instagram: https://www.instagram.com/kommon.jetzt/
Kontakt: Kommon.jetzt@gmail.com
Raus auf die Straße - mehr dezentrale Demos
Super eure Aktion am Kotti. Auch in Lüchow gab es schon eine Demo trotz Corona, aber mit Respekt vor der Gesundheit anderer. Mehr davon. Es ist die Zeit, neue Ideen zu entwickeln um weiterhin widerständig zu sein.
Am Tag gegen Rassismus (21.März) beteiligten sich viele Menschen an einer Kundgebung 2.0 in Lüchow. Viele Einzelpersonen und Gruppen von maximal 3 Leuten waren in der Stadt verteilt mit Transparenten und Schildern präsent um an die Situation von Geflüchteten zu erinnern.
Das Ordnungsamt hatte den Protest im Vorfeld verboten, was die Menschen nicht daran hinderte, den Protest auf die Straße zu tragen.