Antifaschistische Demonstrationen in Lesbos am 14.03.2020: Demobericht

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Am 14.03.2020 fanden in Mytilini, der Hauptstadt von Lesbos, zwei Demonstrationen statt. Beide reagierten unmittelbar auf die Angriffe auf solidarische Strukturen durch Faschisten und sollten deutlich machen, dass es auch weiterhin eine deutliche Unterstützung für Geflüchtete auf der Insel gibt.

 

 

Am Morgen sammelten sich ca. 1000 Menschen auf der Plateia Sapfous, dem zentralen Platz an der Promenade Mytilinis. Auch aus Athen waren Menschen angereist, um dem faschistischen Mob, der die Nachrichten über die Insel in den letzten Wochen beherrscht hatte, etwas entgegenzusetzen.

 

Aus einem Flyer der Πρωτοβουλια Ανειδίκευτων Γιατρών Λέσβου (Initiative der Allgemeinmediziner Lesbos):
„Auf der Insel Lesbos sehen wir im vergangenen Monat ein Sperrfeuer an Vorfällen von eskalierender Spannung, in deren Fokus (was sonst?) die Migrant_innen stehen. Das produzierte Bedürfnis nach Schaffung von geschlossenen „Strukturen der Beherbergung“ auf den Inseln wurde in die Praxis umgesetzt auf junta-typische Weise, mit der Bereitstellung und Landung dutzender MAT-Spezialkräfte. […].
In den vergangenen Tagen beobachteten wir die Bildung parastaatlicher Gruppen, die wie „Sturmabteilungen“ (τάγματα εφόδου) agieren, mit Rückendeckung der allgemeinen Empörung der örtlichen Öffentlichkeit, der Unterstützung der örtlichen Verwaltung und der Tolerierung durch den Staat und die Polizei.“

 

Die Meldungen, die Deutschland erreichten, sind dabei nur die Spitze des Eisbergs dessen, was sich in den vergangenen Monaten auf Lesbos ereignet hat und sie zeigen das, was Geflüchtete und linke Politiker_innen sowie Personen des öffentlichen Lebens schon vorher zu spüren bekommen hatten: Angriffe auf Leib und Leben durch faschistische Gruppen, die offen agieren und seitens der Polizei kaum etwas zu befürchten haben. Eine unvollständige Chronik der Ereignisse der letzten Monate findet sich hier.

 

 

Die Demo war vielfältig und bunt und – trotz des Corona-Virus‘, das bis dahin auch Griechenland erreicht hatte – eine der größten Demos auf der Insel. Eine feindselige Haltung war dennoch zu spüren. Während auf den Demos mit demselben Thema einige Tage zuvor in Athen Anwohner_innen geklatscht und gejubelt hatten, wurden Demo-Teilnehmer_innen hier teilweise am Rand beschimpft und es zeigte sich kaum Solidarität. Die Stimmung war angespannt. Trotzdem konnte die Demo ohne nennenswerte Vorfälle durch die Stadt ziehen, Flyer wurden verteilt und den Menschen vor Ort, den Geflüchteten, die unter den beschissensten Zuständen leben sowie den Helfenden, denen nun neben ihrer unermüdlichen Arbeit nun auch noch Angriffe drohen, wurde Mut gemacht und gezeigt: Ihr seid nicht alleine!

 

Am Abend fand eine weitere Demo statt, organisiert von antifaschistischen Gruppen, mit einer geschätzten Teilnehmer_innenzahl von 400 Menschen. Diese waren auch am Morgen vor Ort gewesen, hatten aber beschlossen, eigene Akzente zu setzen. Zu Beginn fühlte es sich an wie auf einer „Strafexpedition“ in ostdeutsche Dörfer Ende der 90er und Anfang der 00er-Jahre. Ein Black Block zog durch die Straßen der Stadt und wurde eher feindselig begutachtet. Aus der Demo heraus wurden rechte Strukturen angegriffen und das Rathaus mit Farbe beschmiert, an dem die Regierung der Südlichen Ägäis ein Banner aufgehängt hat: „Gebt uns unsere Inseln zurück! Gebt uns unser Leben zurück!“ - Eine klarer Aufruf zur Unterstützung des Bürgermobs gegen Geflüchtete und helfende Strukturen. Teilweise wirkten die Demo-Sprüche fehl am Platz (Krieg dem Krieg der Bosse…), selbst wenn sie aus antikapitalistischer Perspektive der bestehenden Verhältnisse ihre Berechtigung haben.

Die Demo setzte allerdings einen nennenswerten Akzent gegen die rechten paramilitärischen Strukturen, die in den letzten Wochen die Insel terrorisiert hatten. Am Rand der Demo wurde viel gesprüht und Flyer wurden geworfen, so dass auch am nächsten Morgen noch sichtbar war, wer hier für kurze Zeit das Sagen hatte. Dass so viele Menschen – auch aus anderen Städten Griechenlands – so kurzfristig mobilisierbar waren, macht auch den Menschen vor Ort Mut, die sich über die rege Beteiligung freuten. Um die Demos herum wurde gemeinsam geplant und diskutiert und einige Genoss_innen waren auch vorher angereist oder blieben noch dort, um zu berichten und anzupacken, wo Hilfe gebraucht wird.

 

 

 

In diesem Sinne:

 

Με τις μετανάστριες είμαστε μαζί - Επαναπρωόθηση σε μπάτσους και ναζί!

 

Wir stehen zusammen mit den Migrant_innen – Abschiebung von Bullen und Nazis!

 

Bild 1 Banner am Rathaus von Mytilini

Bild 2: ΛΕΣΒΟΣ ΓΙ ΑΝΤΙΦΑΣΙΣΤΙΚΗ - Lesbos, antifaschistischer Boden / Am Tag nach der Demo von Nazis beschmiert (Antifaschistisch wurde übermalt)

Video der Demo am Morgen

 

 

 

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