Dubcek und Havel

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Alexander Dubcek und Vaclav Havel prägten die politische Entwicklung nach der samtenen Revolution.

Die Samtene Revolution in der damaligen Tschechoslowakei ist eng mit den Personen Alexander Dubcek und vor allem mit Vaclav Havel verbunden. Am 28. Dezember wurde Alexander Dubček zum Parlamentsvorsitzenden gewählt, am 29. Dezember 1989 folgte die Wahl Václav Havels zum Staatspräsidenten durch die kommunistischen Abgeordneten.

Die blutige Niederschlagung des Prager Frühlings war eine Voraussetzung für die Samtene Revolution.

Am 5. Januar 1968 musste Novotny von seinem Posten als Erster Sekretär der KPC, der eigentlichen Machtposition, zurücktreten und für den slowakischen KP-Chef Alexander Dubcek Platz machen. NovotnÝ blieb Staatspräsident. Dennoch: Der Wechsel an der Parteispitze markierte den Beginn des "Prager Frühlings", einer zunächst von der Parteispitze verordneten Reform des sozialistischen Modells, die sehr bald von breiten Bevölkerungsschichten übernommen wurde und sich Ende Juni immer weiter verselbständigte, was den Druck auf die Reformer um Dubcek erhöhte. Der Idealist Dubcek, geschult in sowjetischen Partei- und Kaderschmieden, hatte sich weitgehend von der Doktrin gelöst und versucht, seine Vision eines "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" zu verwirklichen. Der Sozialismus erschien ihm weiterhin als beste Gesellschaftsform, doch hatte er sich von den Vorgaben aus Moskau weit entfernt.

Am 5. April 1968 folgte das entscheidende Plenum der KPC mit einem "Aktionsprogramm", das binnen zwei Jahren von der Regierung umgesetzt werden sollte und das in den an Moskau orientierten europäischen KP-Zentralen die Alarmglocken schrillen ließ: Die KPC verzichtete weitgehend auf ihr Machtmonopol, ein Schritt, den erst wieder Michail Gorbatschow Ende der 1980er Jahre wagte, mit dem Ergebnis des Endes der KP-Herrschaft und der Sowjetunion. Im Einzelnen wurde beschlossen, eine teilweise Privatisierung der Wirtschaft (Klein- und Mittelbetriebe) zuzulassen, die Wirtschaft von politischen Direktiven frei zu halten und Betriebsräten Entscheidungskompetenzen zu geben. Die Anerkennung der bürgerlichen Grundfreiheiten wurde vollzogen, von der Rede-, Reise- und Versammlungsfreiheit, der Freiheit von Wissenschaft, Kunst, Kultur, Medien bis zur Gründung von Vereinigungen. Das Verhältnis zwischen Tschechen und Slowaken sollte auf föderativer Basis neu geregelt werden.

Aus dem KPC-Plenum ging eine neue Führung hervor, die 15 der 19 neuen Minister in die neue Regierung unter Oldrich Cerník entsandte. Innenminister Josef Pavel stimmte Neubesetzungen im Geheimdienst nicht mehr mit der Moskauer KGB-Zentrale ab, wie es bis dahin Usus gewesen war. Zudem rücken Frantisek Kriegel und Jozef SmrkovskÝ in die erste Reihe der Reformer auf. Bei einer hastig einberufenen ZK-Sitzung in Moskau zur Lage in der CSSR kamen die Sowjetführer am 10. April 1968 zu folgender Sprachregelung: "Wir werden die Tschechoslowakei nicht aufgeben!" Diese grundsätzliche Willensäußerung wurde auf politischer und militärischer Ebene umgesetzt. Schon nach wenigen Tagen begann der Oberbefehlshaber der Truppen des Warschauer Pakts, Marschall Iwan Jakubowski, in Polen und daraufhin auch in Berlin, Sofia und Budapest Konsultationen. Das Ziel waren gemeinsame Militärmanöver in der Tschechoslowakei. Die militärische Lösung des Problems sollte zur politischen Option werden. Die Prager Führung kam - in realistischer Einschätzung des Zwecks des Manövers - in die Zwickmühle: Bündnisverpflichtung oder Ablehnung. Schließlich stimmte sie den Manövern zu. Die ersten, beschickt von Panzertruppen Polens und der Sowjetunion, begannen schon im Mai in Südpolen. Ab 19. Juni begannen schließlich in der Tschechoslowakei große Manöver des Warschauer Paktes ("Sumava"), von denen einzelne Truppenverbände bis zur Invasion nicht mehr abzogen.

Die SED-Führung in Berlin, insbesondere die Staatssicherheit, begann mit der Anlage von Dossiers über die führenden Persönlichkeiten in Prag. Sie dienten nach der Invasion als Basis für Säuberungen im Kaderapparat der KPC. Ostdeutsche Behörden begannen Ende April, die deutschen Sendungen von Radio Prag zu stören.

In der CSSR hatten sich die Reformer mit dem "Aktionsprogramm" und der Regierungsbildung fürs Erste gegen die "Konservativen" durchgesetzt. Die Regierungserklärung vom 24. April 1968 machte dies - trotz der Treuegelöbnisse gegenüber Moskau und dem Warschauer Pakt - deutlich, als man die Aufhebung der Zensur, die Rehabilitierung von politischen Opfern, die Erweiterung von Reisemöglichkeiten und Wirtschaftsreformen versprach. Der Sozialismus wurde nicht zur Diskussion gestellt.
In der CSSR hatte der politische Reformprozess zu einer starken Solidarisierung weiter Teile der Bevölkerung, besonders der Jugend und Intellektuellen, mit der KP-Führung geführt. Wesentlich trugen dazu die gewährten persönlichen Freiheiten bei, etwa die weitgehende Reisefreiheit, auch ins westliche Ausland und an die Adria. Zehntausende aus westlichen Staaten kamen im Gegenzug in das Land. Ein Spalt im "Eisernen Vorhang" hatte sich aufgetan. Dazu kamen die Aufhebung der Pressezensur ("Literani listy", die neue Zeitschrift des Schriftstellerverbandes unter Eduard Goldstücker, wurde zur publizistischen Plattform der Demokratisierung), Meinungsvielfalt und unzensierte Radio- und TV-Sendungen. Der tschechoslowakische Film (etwa von Milos Forman) setzte internationale Maßstäbe. Neue Vereine wie K231 (nach einem Strafgesetzartikel) und KAN (Klub engagierter Parteiloser) wurden zu Sammelbecken von Reformern außerhalb der Partei. Es kam zu Diskussionen über die Gründung einer Sozialdemokratischen Partei. Nach Jahren der Unterdrückung erlebte die katholische Kirche einen Aufbruch. Es gab berechtigte Hoffnungen der Slowaken auf mehr Mitsprache im Staat, auf Anerkennung ihrer nationalen Selbständigkeit im Rahmen einer Föderation und schließlich die Hoffnung vieler Tschechoslowaken, auf diesem Weg dem politischen, wirtschaftlichen und militärischen Block Moskaus entrinnen zu können.

Die Bewegung des "Prager Frühlings" kulminierte am 27. Juni 1968. An diesem Tag veröffentlichten der Schriftsteller Ludvík Vaculík und weitere 67 Intellektuelle, Schriftsteller und Künstler das so genannte "Manifest der 2000 Worte" (Dva tisíce slov), eine Abrechnung mit 20 Jahren der KP-Herrschaft. Die weitere Demokratisierung, so das Manifest, könne nur außerhalb der KPC gesichert werden. Damit stellte man den Sozialismus als Gesellschaftsform überhaupt in Frage. In Moskau brachte das Manifest das Fass zum Überlaufen. Noch in der Nacht darauf soll Breschnew von Dubcek einen "sofortigen Angriff der Volksmilizen gegen die konterrevolutionären Kräfte" gefordert haben. Für den Kreml war das Manifest ein Aufruf zur Konterrevolution in der Tschechoslowakei, obwohl sich die KPC vom Manifest distanziert hatte. Dubcek gehorchte dem KPdSU-Generalsekretär nicht, denn die Masse der Bevölkerung hatte das Manifest begeistert aufgenommen. Die Reformen in der Tschechoslowakei wurden insbesondere in Ost-Berlin mit Missfallen beobachtet. Es war die SED, welche die Reformen des "Prager Frühlings" zum ersten Mal als Konterrevolution bezeichnete. Unterstützung und Bekräftigung in ihrer Einschätzung fand sie vor allem durch die KP-Chefs Polens und Bulgariens, Gomulka und Todor Zivkov.

Nach der Wahl Dubceks beschränkte sich der Kreml darauf, die Lage in der CSSR als schwierig und widersprüchlich zu bezeichnen und "der tschechoslowakischen Führung soweit wie möglich zu helfen". Man sei, wie man der KPC-Führung immer wieder zu verstehen gab, mit den Beschlüssen des Januarplenums und dem eingeschlagenen Reformkurs einverstanden. Anders sahen dies dagegen vor allem die ostdeutschen, polnischen und bulgarischen Genossen. Nach der Lockerung der Zensur und den Absetzungen von KP-Funktionären begannen Teile der Moskauer Führung "besorgt" zu reagieren, vor allem nach einem Bericht von Außenminister Andrej Gromyko und von KGB-Chef Juri Andropow, den die beiden am 15. März 1968 dem Politbüro vorlegten. Das prognostizierte Horrorszenario: Ohne Gegenmaßnahmen drohe in der CSSR der Kapitalismus und damit die Spaltung des Warschauer Paktes.

Zivkov weilte in der Türkei, hatte aber zuvor Breschnew und Ministerpräsident Alexej Kossygin versichert, Bulgarien sei bereit, falls notwendig, seine Armee einzusetzen. Kaum ausgesprochen, tauchte am Vorabend von Dresden in der vorbereitenden Sitzung des Politbüros in Moskau bereits der Gedanke auf, man solle auch "auf der militärischen Linie nachdenken". Politbüro-Hardliner Kyrill Masurow sprach es offen an: "Wir haben uns auf die äußerste Maßnahme vorzubereiten." Die Führung der KPC fand sich in Dresden vor einem Tribunal wieder. Breschnew stellte gleich zu Konferenzbeginn klar, die Fragen seien viel zu ernst, um sie zu protokollieren. Dennoch ließ die SED sie aufzeichnen. Das Protokoll ist die einzige Primärquelle über das Treffen, bei dem die Konfrontation gegen den Kurs der Prager Reformer begann. Dubcek musste die Politik seiner Partei erläutern und sich dann von Breschnew nicht nur fragen lassen, was er unter "Liberalisierung der Gesellschaft" verstehe, sondern sich auch den Vorwurf anhören, dass in der CSSR die Gefahr einer Konterrevolution bestehe. Er forderte von Dubcek, das Machtmonopol der KPC wiederherzustellen: "Wir sind bereit, Ihnen moralische, politische und demokratische Hilfe zu geben." Drohend fügte er hinzu: "Wenn das aber nicht möglich ist oder wenn Sie das als falsch betrachten, dann können wir trotzdem gegenüber der Entwicklung in der Tschechoslowakei nicht teilnahmslos bleiben."

Das politische Ziel war formuliert: Die KPC sollte ihr Machtmonopol behaupten und die "Konterrevolution" aus eigener Kraft niederschlagen. Über das Dresdener Treffen wurde Stillschweigen vereinbart, an das sich vor allem Dubcek hielt; er ließ seine eigene Parteiführung im Unklaren über die sowjetischen Forderungen.

Ende April kam Zivkov zum Staatsbesuch nach Prag, wo er zum ersten Mal persönlich mit Dubcek zusammentraf. Als dieser seine Reformen verteidigte, war für Zivkov klar: Dubcek ist ein Revisionist, in der CSSR gibt es eine Konterrevolution und eine Restauration des Kapitalismus. Ebenso wie die SED hatten die Bulgaren an der Spitze der KPC zwei revisionistische Zentren ausgemacht und betont, der konterrevolutionäre Prozess in Prag gehe weiter. Ulbricht stimmte diesem Befund zu und forderte ein zweites Treffen. Zu diesem kam es am 8. Mai in Moskau, wenige Tage, nachdem die KPdSU bilateral mit der KPC verhandelt hatte. Bei den Moskauer Beratungen (ohne die KPC) gerieten die Sowjetführer in eine für sie wohl eigenartig prekäre Situation. Einerseits forderten die "Bruderparteien" äußerste Maßnahmen, andererseits war man sich im Kreml darüber im Klaren, dass solche nur den letzten Ausweg darstellen konnten. Daher sollte die KPC-Führung zunächst noch nicht im Gesamten attackiert werden, in der Hoffnung, die "gesunden Kräfte" würden an Einfluss gewinnen. Das wichtigste Ergebnis lag in der Zustimmung der Prager Führung zur Durchführung von Manövern der Truppen des Warschauer Paktes in der Tschechoslowakei, möglichst nahe der westdeutschen Grenze.

Von Mai an stand die "tschechoslowakische Frage" laufend auf der Tagesordnung der ZK-Gremien in Moskau. Dennoch war der Tonfall in den Besprechungen relativ moderat, weil man "Dubcek dazu bewegen (wollte), freiwillig im Land Ordnung zu schaffen". Parallelen zu Ungarn 1956 zog vor allem KGB-Chef Andropow, ehemals sowjetischer Botschafter in Budapest: "In Ungarn fing es auch so an." Zu den "Falken" im Politbüro und im ZK zählte neben Andropow, Masurow, Suslow und Gretschko auch der ukrainische KP-Chef Petro Selest, der ein Überschwappen des Reformprozesses auf die Ukraine und damit auf das Sowjetimperium befürchtete. Im Kreml wurden die freien Medien in der Tschechoslowakei im Mai und Juni 1968 zum größten Reizfaktor und waren mitentscheidend für den Entschluss zum militärischen Eingreifen. Das Manifest der "2000 Worte" brachte das Fass zum Überlaufen.

Es ist ein Zeugnis einer Emanzipation der Öffentlichkeit und wurde von Intellektuellen verschiedener Couleur unterzeichnet. Das Dokument entstand auf Anregung einiger Mitarbeiter der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften (u.a. Otto Wichterle, Jan Brod, Otakar Poupa und Miroslav Holub. Verfasst wurde es im Juni 1968 von dem bekannten Schriftsteller Ludvík Vaculík. Das Manifest erschien am 27. Juni 1968 in der kulturpolitischen Zeitschrift Literární listy und in den Tageszeitungen Lidové noviny, Práce, Mladá fronta und Zemědělské noviny.

Dennoch liefen parallel dazu die Vorbereitungen für den Einmarsch. Das Politbüro beauftragte offiziell am 22. Juli, wenige Tage nach dem Warschauer Treffen, Verteidigungsminister Gretschko damit, "Maßnahmen für die Zeit nach dem Einmarsch zu ergreifen". Noch einmal sollte mit Dubcek eine "politische Lösung" gesucht werden, und zwar auf Basis der Dresdener Forderungen. Ende Juli kam es zu bilateralen Verhandlungen im slowakischen Cierná nad Tisou (Schwarzau a. d. Theiß), die wider Erwarten aus Sicht des Kreml einigermaßen Erfolg versprechend endeten. Dubcek hatte eine letzte "Chance" erhalten, zumindest aber Zeit gewonnen. Doch am 3. August trafen in Bratislava die "Warschauer Fünf" mit der KPC zusammen und veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung, die einer Legitimation des ins Auge gefassten "bürokratischen Putsches" gleichkam. Während des Treffens übergab Vasil Bilak der sowjetischen Delegation den "Einladungsbrief der gesunden Kräfte" der KPC, in dem um eine "kollektive Hilfsaktion" gebeten wurde. Die Übergabe des Briefes soll auf einer Toilette stattgefunden haben.

Der angebliche Bruch der Erklärung von Bratislava durch Dubcek wurde von den Sowjets dazu benutzt, um den Einmarsch zu rechtfertigen. Am 13. August ließ Breschnew Dubcek in einem sehr emotionalen Telefonat fallen. Er warf ihm den Bruch der Absprachen von Cierná und Bratislava vor: Reformer wie Pelikán, Radiochef Zdenek Hejzlar oder Geheimdienstchef Ivan Svitak seien nicht ausgetauscht worden; er habe die "Konterrevolution" im Land und in den Medien nicht in den Griff bekommen und die Tschechoslowakei nicht auf einen moskautreuen Kurs zurückgeführt. Dubcek reagierte fast apathisch, war gereizt und flüchtete sich in Ausreden.

Als Zeichen der Solidarität mit den Reformern stattete der jugoslawische Staatschef Tito vom 9. bis 11. August der CSSR einen Besuch ab. Er lobte den Reformkurs und wurde von der Bevölkerung begeistert empfangen. In der Presse gab es Gerüchte über eine engere Zusammenarbeit der Donaustaaten Tschechoslowakei, Jugoslawien und Rumänien. Am 16. August kam Rumäniens Staatschef Nicolae Ceaucescu nach Prag, um einen Freundschafts- und Bündnisvertrag abzuschließen. Ein Blitzbesuch von UNO-Generalsekretär U Thant zum bereits festgelegten Datum des Einmarsches wurde von den Sowjets in letzter Minute verhindert, dafür traf sich Dubcek auf sowjetischen Vorschlag noch am 17. August abends mit Kádár in Komárno.

Die Entscheidung zur Intervention fiel in Moskau. Das vollzählig versammelte Politbüro des ZK der KPdSU entschied am 17. August einstimmig, den Einmarsch "zum ehest möglichen Zeitpunkt" durchzuführen. Am folgenden Tag trafen Zivkov, Kádár, Ulbricht und Gomulka in Moskau ein und stimmten der Entscheidung zu. Gleichzeitig wurden die USA, die schon vorher beruhigende Signale nach Moskau gesandt hatten, darüber informiert, dass der laufende Truppenaufmarsch nicht gegen die NATO gerichtet sei. In der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 begann die "Operation Donau". Das um Mitternacht noch versammelte ZK der KPC, beschäftigt mit dem für September geplanten außerordentlichen Parteitag, verurteilte den Einmarsch, wies jedoch die Armee an, den Truppen der Sowjetunion, Bulgariens, Polens und Ungarns keinen Widerstand entgegenzusetzen. Die bereitstehenden beiden Divisionen der DDR-Volksarmee wurden im letzten Moment gestoppt: Man wollte jede Erinnerung an den Einmarsch der deutschen Wehrmacht 1938/39 vermeiden. Lediglich kleinere Trupps gelangten kurzfristig auf tschechoslowakisches Gebiet, teilweise um Transparente zu entfernen: "1938 Hitler - 1968 Ulbricht".

Die wichtigsten Einrichtungen, die strategischen Punkte des Landes und die Redaktionen wurden besetzt, Untergrundsender zum Schweigen gebracht. Die Führung um Dubcek wurde verhaftet und im Flugzeug nach Moskau gebracht. Dennoch misslang der bürokratische Putsch. Svoboda weigerte sich, eine neue Marionettenregierung einzusetzen, flog nach Moskau und wurde dort als Staatsgast empfangen. Hier sprach er sich für die Absetzung Dubceks aus, wusste zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht, dass Breschnew bereits mit Dubcek gesprochen hatte und dem Kreml-Chef inzwischen klar geworden war, dass an Dubcek kein Weg vorbeiführe, wollte man in der Tschechoslowakei keinen Bürgerkrieg riskieren und aus dem Parteichef einen Märtyrer machen.

Der Blutzoll des Einmarsches und der Widerstandsaktionen der Bevölkerung wird mit bis zu 500 Opfern auf beiden Seiten angegeben. Die tatsächlichen Folgen von Prag 1968 waren viel langfristiger. Abgesehen von der bald so bezeichneten "Breschnew-Doktrin", die fortan die Souveränität jedes kommunistischen Staates beschnitt, erfasste eine Welle des Protestes die Tschechoslowakei, die freie Welt und zahlreiche kommunistische Parteien in Westeuropa; sie schwappte - trotz größter Vorsichtsmaßnahmen - auch auf die Ostblockstaaten, ja bis auf den Roten Platz in Moskau über. Prag 1968 bedeutete den Anfang vom Ende des Ostblocks.

 

In den Jahren 1988 und 1989 fand die ersten antikommunistischen Demonstrationen in der Tschechoslowakei statt. Dazu zählen die Kerzendemonstration in Bratislava am 25. März 1988 und eine Serie von Demonstrationen von 15. bis 20. Januar zum 20. Todestag Jan Palachs. Sie wurde von römisch-katholischen Dissidenten organisiert und war die erste große antikommunistische Demonstration in der Tschechoslowakei in den Achtzigern.

An der Demonstration nahmen rund 2.000 Menschen auf dem Hviezdoslav-Platz und ein paar tausend weitere Menschen in den umliegenden Straßen teil. Die anfangs ruhige Demonstration für Religionsfreiheit und Menschenrechte wurde von der Polizei niedergeschlagen. Entsprechende Nachrichten wurden beispielsweise vom ORF, Radio Free Europe, Voice of America, BBC und Radio Vatikan ausgestrahlt.

Der damalige slowakische Premierminister, Innenminister, Kulturminister und andere führende Persönlichkeiten verfolgten die "Operation" aus dem Inneren des Carlton Hotels am Hviezdoslav-Platz. Heute ist der 25. März in der Slowakei der Tag des Kampfes für die Menschenrechte.

Jan Palach war ein tschechoslowakischer Student, der sich aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings und gegen das Diktat der Sowjetunion selbst verbrannte. Er wollte damit, knapp fünf Monate nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei, ein Zeichen gegen die Rücknahme der Reformen der Regierung Alexander Dubčeks und die daraus folgende Lethargie und Hoffnungslosigkeit der tschechoslowakischen Öffentlichkeit setzen.

Jan Palach stand am 16. Januar 1969 zwischen 15 und 16 Uhr bei der Treppe des Nationalmuseums, welches den Prager Wenzelsplatz gegen Südosten abschließt, legte dort am Rande des Brunnens seinen Mantel und seine Aktentasche ab, in der sich die Abschrift einer zuvor außerdem an seine Verwandten und eine Anzahl seiner Kommilitonen gesandten Nachricht befand, übergoss sich mit dem Inhalt eines Benzinkanisters, entzündete ein Streichholz, stand augenblicklich am ganzen Körper in Flammen und rannte auf den Wenzelsplatz hinaus.

Noch am Nachmittag des Todestages von Palach strömten rund 200.000 Menschen auf dem Wenzelsplatz zusammen, um an der Stelle, an der Palach zu Boden gefallen war, Kränze niederzulegen. Unter der Führung von Palachs Kommilitonen begab sich die Menge quer durch die Prager Altstadt zur Philosophischen Fakultät der Karls-Universität, wo sie den Platz vor dem Hauptgebäude der Fakultät – der den Namen „Platz der Roten Armee” trug – durch das Auswechseln der Schilder in „Jan-Palach-Platz” umbenannte. Diese Maßnahme wurde von der Staatsführung umgehend rückgängig gemacht, so dass eine offizielle Umbenennung erst nach der Samtenen Revolution von 1989 erfolgte.

Die Sowjetunion zog es vor, diesen Vorfall nicht zu kommentieren, wenngleich die TASS von einer „antisozialistischen Provokation” sprach. Allerdings bemühte sich das Zentralkomitee der KPČ wenig später, die Tat Palachs herunterzuspielen, indem es eine offizielle Erklärung herausgab; bereits zuvor war versucht worden, Palachs Tat als die Handlung eines psychisch Kranken oder eines nicht aus freien Stücken handelnden Menschen hinzustellen.

Nach einer Schweigeminute im ganzen Land am 24. Januar und nach feierlicher Aufbahrung in der Karlsuniversität zu den Füßen einer Statue von Jan Hus wurde Palachs Begräbnis zu einer Massendemonstration, an der sich über 10.000 Menschen beteiligten.

Jan Palach wurde zu einem Märtyrer für eine freie Tschechoslowakei und zu einer starken Symbolfigur. Nicht zuletzt deswegen wurde er 1973 auf Druck der tschechoslowakischen Behörden auf den Friedhof der Stadt Všetaty umgebettet, in der zur Vermeidung von Kundgebungen und Gedenkveranstaltungen durchfahrende Züge alljährlich um den 16. Januar herum nicht halten durften und die in dieser Zeit nur eingeschränkt mit dem Auto zugänglich war. Jan Palach wurde erst nach der Samtenen Revolution wieder zurück auf den Prager Olšany-Friedhof umgebettet.

Diese friedlichen Kundgebungen wurden von der Polizei brutal niedergeschlagen und führende Oppositionelle, darunter Václav Havel, inhaftiert. Vom 10. bis zum 14. November 1989 fanden Demonstrationen in Teplice statt. Am 12. November, wenige Tage vor Ausbruch der Revolution, wurde Agnes von Böhmen von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen. Dieses Ereignis wurde vom Tschechoslowakischen Fernsehen übertragen.

Am 16. November 1989 fand in Bratislava eine Studentendemonstration statt. Die Polizei griff hier nicht ein und die Demonstranten konnten ungehindert durch die Stadt ziehen. Am Tag darauf, den 17. November fand in Prag anlässlich des 50. Jahrestags der Schließung tschechischer Hochschulen 1939 und des Internationalen Tag der Studenten eine genehmigte Studentendemonstration statt, an der laut Staatssicherheit 15.000 Menschen teilnahmen. Im Unterschied zu Bratislava begann die Polizei im Verlauf des Abends die Kundgebungen zu zerschlagen und etwa 600 Personen wurden von den Sicherheitskräften verletzt. Am nächsten Tag riefen die Prager Studenten zu einem zeitlich unbegrenzten Studentenstreik auf; die Schauspieler der Prager Bühnen schlossen sich an. Diese Aktionen werden allgemein als Anfang der Revolution gesehen.

Am 18. November verbreiteten sich die Nachrichten vom brutalen Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Studenten, was weite Teile der Bevölkerung mobilisierte, an den Gegendemonstrationen teilzunehmen. Sie forderten eine Untersuchung der Vorgänge und die Bestrafung der Verantwortlichen. Am 19. November 1989 wurde als Sprachrohr der Streikenden in Tschechien das Bürgerforum (OF) und in der Slowakei die Öffentlichkeit gegen Gewalt gegründet, um den Dialog mit den kommunistischen Machthabern zu suchen.

Ab 20. November griffen die Demonstrationen sukzessive auf das ganze Land über. Jeden Tag wurden nun in zahlreichen Städten Demonstrationen abgehalten. Der Großteil der Prager Hochschulen streikte. Das Bürgerforum traf sich zu Verhandlungen mit der Regierung. Am 21. November verkündete Generalsekretär Miloš Jakeš im Fernsehen dass die Regierung an ihrer kompromisslosen sozialistischen Linie festhalten werde. Einheiten der Volksmiliz wurden nach Prag gezogen. Der Prager Erzbischof Kardinal František Tomášek rief zur Unterstützung der Revolution auf. Am 22. November traten zwei Symbolfiguren des Prager Frühlings, Alexander Dubček und Marta Kubišová nach 20 Jahren wieder an die Öffentlichkeit. In Prag, Bratislava und Brünn waren täglich tausende Menschen auf der Straße.

Am 24. November sprachen Václav Havel und Alexander Dubček am Wenzelsplatz zu den Demonstranten und forderten den Rücktritt des Politbüros der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. Miloš Jakeš. Generalsekretär Jakeš verkündete am gleichen Tag seinen Rücktritt und den Rücktritt des Politbüros. Am 25. November versuchte Staatpräsident Gustáv Husák die Lage zu beruhigen indem er politischen Häftlingen Amnestie erteilte. Die Zahl der Demonstranten wird in Prag auf 800.000 und in Bratislava auf 100.000 geschätzt. Zum Symbol des sanften Widerstands wurde der Schlüsselbund. Die Menschen wollten mit ihren über den Köpfen klingelnden Schlüsseln die Wende einläuten.

Am 27. November fand der angekündigte, landesweite zweistündige Generalstreik statt. Am 28. November begannen Verhandlungen zwischen dem Bürgerforum und der Regierung. Die Bestimmung über die führende Rolle der Kommunistischen Partei in der Verfassung wurde am 29. November aufgehoben. Am 1. Dezember fand in Bratislava eine von Zehntausenden besuchte Feier anlässlich der Veränderungen statt. Ab 5. Dezember wurde der Stacheldraht an der Grenze zu Österreich entfernt, ab 11. Dezember wurden die Grenzbefestigungen zur Bundesrepublik Deutschland abgetragen.

Am 10. Dezember ernannte Präsident Husák die zum ersten Mal seit 1948 mehrheitlich nichtkommunistische Regierung des nationalen Einverständnisses unter Marián Čalfa, nachdem zwei Anfang Dezember von ihm bestellte Regierungen auf Widerstand der Bevölkerung gestoßen waren. Außenminister der neuen Regierung wurde der Bürgerrechtler Jiří Dienstbier, Finanzminister Václav Klaus. Nach Bestellung dieser Regierung reichte Husák am gleichen Tag seinen Rücktritt ein.

Marián Čalfa war 1988 Vorsitzender des Legislativrates der tschechoslowakischen Regierung. Im Zuge der Samtenen Revolution im Herbst 1989 wurde er kurzzeitig stellvertretender Ministerpräsident in der Regierung von Ladislav Adamec. Aufgrund seiner politisch relativ unbelasteten Vergangenheit übernahm er, einer breiten Öffentlichkeit unbekannt, von Adamec am 7. Dezember 1989 das Amt des Ministerpräsidenten und bildete im Zuge der Verhandlungen mit den Vertretern des tschechischen Bürgerforums bzw. der slowakischen Öffentlichkeit gegen Gewalt (VPN) anschließend die „Regierung des nationalen Einverständnisses“, welche neben 10 Vertretern der KSČ, 4 Vertretern der Blockparteien 7 von den Oppositionsgruppen benannte Parteilose angehörten. Im Januar 1990 trat er aus der KSČ aus.

Nach den ersten freien Parlamentswahlen am 8./9. Juni 1990, welche im tschechischen Landesteil das Bürgerforum und in der Slowakei die Öffentlichkeit gegen Gewalt gewann, beauftragte Staatspräsident Václav Havel ihn erneut mit der Bildung der Föderationsregierung, welcher nunmehr ausschließlich Vertreter der bisherigen Oppositionsbewegungen angehörten. Später schloss sich Čalfa selbst ebenfalls der VPN an. Er blieb Ministerpräsident bis zu den Parlamentswahlen am 5./6. Juni 1992, bei dem die VPN nicht mehr den Einzug ins Parlament gelang.

Am 28. Dezember wurde Alexander Dubček zum Parlamentsvorsitzenden gewählt, am 29. Dezember 1989 folgte die Wahl Václav Havels zum Staatspräsidenten durch die kommunistischen Abgeordneten. Im Januar 1990 traten zahlreiche kommunistische Abgeordnete zurück, zu deren Nachfolgern meist frühere Oppositionelle gewählt wurden, so dass die Kommunisten auch im Parlament keine Mehrheit mehr hatten. Am 29. März wurde die demokratische Tschechoslowakische Föderative Republik ausgerufen.

Der offizielle Landesname des Staates war seit der Ausrufung am 29. Dezember 1989 Tschechoslowakische Bundesrepublik. Mit der öffentlichen Bekanntmachung im Amtsblatt, die erst am 29. März 1990 erfolgte, lautete der Name Tschechoslowakische Föderative Republik. Daher wurden beide Namen verwendet.

Es zeichnete sich bald ab, dass der föderative Staat „Tschechoslowakische Föderative Republik“ auf Dauer keinen Bestand mehr haben würde. Die Interessen der Politiker beider Landesteile waren dazu zu unterschiedlich. Die tschechische Seite wollte der Slowakei keine „Entwicklungshilfe“ leisten müssen, die slowakische Seite nicht aus dem fernen Prag bevormundet oder überstimmt werden. Nach heftigen Debatten im Parlament, die als der sogenannte Gedankenstrich-Krieg bekannt geworden sind, wurde schließlich am 23. April 1990 der Staatsname in Tschechische und Slowakische Föderative Republik (ČSFR) mit den Kurzformen Tschechoslowakei (in Tschechien) beziehungsweise Tschecho-Slowakei (in der Slowakei) angenommen.

Die Wahl von Havel zum Staatspräsidenten hatte eine hohe Symbolkraft, denn er stand mit seiner politischen Laufbahn für die Fortsetzung der Ideen des Prager Frühlings.

Seit seinem 20. Lebensjahr schrieb Havel Artikel für Literatur- und Theaterzeitschriften. Seine in der Tradition des absurden Theaters stehenden Stücke und seine Artikel prägten und zeigen die Atmosphäre, die 1968 zum Prager Frühling führte.

Berühmte Theaterstücke Havels aus dieser Zeit sind Das Memorandum (1965) und die Erschwerte Möglichkeit der Konzentration (1968), 1967 auf dem IV. Schriftstellerkongress in Prag erregt Havel erstmals politisch Aufsehen, als er die Zensur und die Absurdität des Machtapparates der kommunistischen Partei öffentlich kritisierte.

Während des Prager Frühlings 1968 war er Vorsitzender des „Klubs unabhängiger Schriftsteller“ und entwickelte sich zum prominentesten und konsequentesten Wortführer der nichtkommunistischen Intellektuellen, die den von Alexander Dubček eingeleiteten Reformprozess unterstützten.

Während der sogenannten „Normalisierung“ nach der Niederschlagung des Prager Frühlings durch Truppen des Warschauer Pakts trat Havel immer wieder öffentlich gegen das Regime unter Präsident Gustáv Husák auf und war 1977 einer der drei Hauptinitiatoren der Charta 77, einer Bürgerrechtsbewegung, die Ende der 1970er und in den 1980er Jahren zum Zentrum der Opposition wurde.

In dieser Zeit wurde Havel dreimal verhaftet und verbrachte insgesamt etwa fünf Jahre im Gefängnis. Literarisches Zeugnis dieser Zeit sind die Briefe an Olga, seiner Frau Olga, geborene Šplíchalová, die er 1956 kennengelernt und 1964 geheiratet hatte und die bis zu ihrem Tod im Jahre 1996 seine Lebensgefährtin war. Havels Gefängnisstrafen wurden erst 1983 nach internationalen Protesten ausgesetzt, als Havel erkrankte und daraufhin in ein öffentliches Krankenhaus entlassen wurde.

Nach der Okkupation durch die Truppen des Warschauer Pakts im August 1968 widersetzte sich Havel der kommunistischen Gleichschaltung und erhielt in der Tschechoslowakei Aufführungs- und Publikationsverbot. Seine Werke wurden in dieser Zeit aber fast vollständig im Rowohlt-Verlag in Deutschland publiziert. Am 16. Januar 1989, dem 20. Jahrestag der Selbstverbrennung von Jan Palach am Wenzelsplatz in Prag wollte Havel an einer Gedenkveranstaltung teilnehmen, wurde verhaftet und am 21. Februar wegen „Rowdytums“ als Wiederholungstäter zu neun Monaten verschärfter Haft verurteilt. Als er dann den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels in Frankfurt am Main entgegennehmen wollte, durfte er nicht ausreisen. Der Schauspieler Maximilian Schell verlas seine vorbereitete Rede.

Havel war eine der tragenden Persönlichkeiten in der zunächst von Studenten und Künstlern getragenen Samtenen Revolution in der Tschechoslowakei. Vorher hatte er in den 1980er Jahren, als das politische Klima etwas liberaler wurde, die Petition „Einige Sätze“ (Několik vět) mitinitiiert. Nun wurde er zum führenden Vertreter des während der Revolution (am 19. November 1989) gegründeten Bürgerforums Občanské fórum (OF). Der Umbruch in der politischen Situation in der Tschechoslowakei war praktisch besiegelt, als Havel als Kandidat des Bürgerforums am 29. Dezember 1989 von den – bis dahin kommunistischen – Vertretern der Föderalversammlung zum Regierungspräsidenten gewählt wurde. In dieser Funktion führte er das Land am 5. Juli 1990 zu freien Wahlen. Das neue Parlament bestätigte ihn als Präsident.

Während seiner Amtsperiode als Staatsoberhaupt der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik - so der neue Name des Staates - vermehrten sich jedoch Auseinandersetzungen und Kontroversen zwischen den Tschechen und den Slowaken. Havels Versuche, die Föderation zu erhalten, waren erfolglos.

Bei den nächsten Präsidentenwahlen am 3. Juli 1992 bekam Havel von den Abgeordneten keine ausreichende Stimmenzahl und trat zurück, obwohl er nach damaliger Verfassung das Regierungsamt noch drei Monate nach dem Ende seiner Amtszeit hätte ausüben können. Der Grund für die Abstimmungsniederlage war vor allem, dass er sich für eine Beibehaltung eines gemeinsamen Staates der Tschechen und Slowaken ausgesprochen hatte und nationale Sonderbestrebungen verurteilte. Bei der Abstimmung fehlten ihm daher Stimmen der slowakischen Abgeordneten.

Nach der friedlichen Trennung von Tschechien und der Slowakei zum 1. Januar 1993 wurde Havel am 26. Januar 1993 mit großer Mehrheit zum Präsidenten der Tschechischen Republik gewählt. Am 20. Januar 1998 wurde er in seinem Amt bestätigt; seine zweite Amtszeit endete am 2. Februar 2003. Laut Verfassung konnte er nicht nochmals für das höchste Amt im Staat kandidieren.

Václav Havel war ein überzeugter Europäer, der auf die europäische Integration setzte. Der im Dezember 2002 abgehaltene EU-Gipfel von Kopenhagen legte als Havels Verdienst den Grundstein zur Eingliederung Tschechiens in die Europäische Union.

Havel verstarb im Alter von 75 Jahren am 18. Dezember 2011 auf seinem Landsitz im nordböhmischen Ort Hrádeček bei Trutnov im Riesengebirge an den Folgen einer Atemwegserkrankung. Er wurde mit einem Staatsakt geehrt und die Urne mit seiner Asche in Prag auf dem Friedhof in Vinohrady beigesetzt.

Bestimmendes Grundthema in Havels dramatischem wie essayistischem Werk - als Ursache der Absurdität - war die Entfremdung des heutigen Menschen von der von ihm genannten Lebenswelt, einer Idealvorstellung der Menschen auf Erden. Diese werde dadurch hervorgerufen, dass in der aufgeklärten Fortschritts-Gesellschaft die Wissenschaft die Position der obersten Instanz, die zuvor dem unbekannten Höheren (Gott oder ähnlichen) vorbehalten war, eingenommen hat. Diese Entfremdung sah Havel als Ursache der Probleme der heutigen Menschheit mit der Umweltzerstörung, die durch eine von der Wissenschaft ermöglichte Technisierung der Ökonomie hervorgerufen wurde; aber auch in den ehemaligen Diktaturen des Kommunismus und deren Vorstellung einer wissenschaftlich zu organisierenden, gleichberechtigten Lebenserwerbs-Gesellschaft (wissenschaftlicher Sozialismus), eine Extremform der Entfremdung. Davon zeugt nach Meinung von Havel eine auf Lügen aufgebaute Gesellschaft, in denen Worte ihren Sinn verlieren, so etwa das im Ostblock inflationär gebrauchte Wort Frieden, das in diesem Regierungssystem eigentlich nur die Bewahrung des Status quo und somit die Aufrechterhaltung der Macht des Bündnisses bedeutete. In seinen Theaterstücken zeigte Havel die Absurdität dieser Situation. In seinen Essays ist durchgängig das Thema der Entfremdung in der von der Wissenschaft beherrschten Welt erkennbar. Beeinflusst wurde Havel in dieser Vorstellung dem eigenen Bekunden nach von dem tschechischen Philosophen Václav Bělohradský.

Havels literarisches und dramatisches Werk sowie sein lebenslanges Streben nach der Erhaltung der Menschenrechte wurde mit einer Reihe von literarischen Auszeichnungen, internationalen Preisen und Ehrendoktortiteln gewürdigt.

Am 15. Oktober 1989 erhielt Havel in Abwesenheit den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Eine Teilnahme an der Feierstunde in der Frankfurter Paulskirche war für ihn nicht möglich, da ihm die Ausreise verwehrt wurde. Stattdessen bat er seinen Freund Maximilian Schell, die von ihm verfasste Rede vorzutragen.

1990 erhielt er den Preis Das politische Buch von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Ebenfalls 1990 wurde Havel in der Schweiz mit dem Gottlieb-Duttweiler-Preis für seine politische Arbeit gewürdigt, die Laudatio von Friedrich Dürrenmatt kurz vor dessen Tod bewegte die Schweiz nachhaltig. Die UNESCO verlieh ihm 1990 den Simón-Bolívar-Preis. Im Jahr 1991 wurde Havel mit dem internationalen Karlspreis zu Aachen „in Würdigung seines Einsatzes für den Geist der Freiheit und die Verwirklichung des Friedens in seinem Land und in ganz Europa“ geehrt.1993 verlieh ihm die Theodor-Heuss-Stiftung den Theodor-Heuss-Preis in Anerkennung seines demokratischen Engagements und seiner Zivilcourage. 1998 erhielt Havel den Westfälischen Friedenspreis. 2000 wurde Havel mit dem französischen Prix mondial Cino Del Duca geehrt.

Er wurde 2002 für sein literarisches Lebenswerk mit dem Hans-Sahl-Preis ausgezeichnet und im gleichen Jahr zum Ehrenmitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung gewählt. 2003 bekam Havel den Hanno R. Ellenbogen Citizenship Award in Prag, das Großkreuz mit Halskette des tschechischen Ordens des Weißen Löwen den Deutschen Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung und den Gandhi-Friedenspreis der indischen Regierung. 2004 wurde Havel mit der höchsten zivilen Auszeichnung der USA, der Freiheitsmedaille(The Presidential Medal of Freedom), und dem Light of Truth Award ausgezeichnet. 2005 erhielt er das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, 2006 den Brückenpreis der Stadt Regensburg und 2008 aufgrund seiner Verdienste um die deutsche Einheit den Point Alpha Preis.

2009 erhielt Havel den Internationalen Demokratiepreis der Stadt Bonn, den Quadriga-Preis, sowie die Goldene Henne, die erneut seine Verdienste um die deutsche Einheit würdigte. 2010 wurde er mit dem Prager Franz-Kafka-Literaturpreis, 2011 mit einem St. Georgs-Orden ausgezeichnet.

Die Verfassung der Tschechischen Republik wurde im Dezember 1992 verabschiedet. Ursprünglich sollte vorher eine Föderale Verfassung ausgearbeitet werden, aber nach den Wahlen 1992, deren Ergebnisse das Auseinanderdriften der beiden Landesteile verstärkt hatten, wurde die Arbeit daran eingestellt. Wie in den meisten Ländern Ostmitteleuropas entschieden sich die tschechischen Verfassungsgeber für ein parlamentarisches System.

Das Parlament besteht aus zwei Kammern, einem Abgeordnetenhaus (Poslanecká Snemovná) mit 200 Abgeordneten und einem Senat (Senát) mit 81 Senatsmitgliedern. Eine solche zweite Kammer findet sich in vielen Ländern Ostmittel- und Südosteuropas, nur in der Slowakei, Ungarn und Bulgarien nicht. Meist ist die zweite Kammer wie in Tschechien als regionale Vertretung konzipiert. Es gibt 81 Wahlkreise, für die jeweils eine Vertreterin oder ein Vertreter gewählt werden. In Tschechien müssen Senatsangehörige ein Mindestalter von 40 Jahren aufweisen, im Unterschied zu Mitgliedern der Abgeordnetenkammer, die mindestens 21 Jahre alt sein müssen.

Der Senat hat innerhalb des Parlaments eine relativ schwache Position, da Gesetzesentwürfe nur im Abgeordnetenhaus eingebracht werden können, und sein Veto bei einfachen Gesetzen mit der absoluten Mehrheit der Abgeordneten überstimmbar ist. Das gilt nicht für verfassungsändernde Gesetze, internationale Verträge, Wahlgesetze sowie für solche Gesetze, die das Verhältnis der beiden Kammern zueinander betreffen. Hier bedarf es einer Zustimmung beider Kammern mit einer Mehrheit von 60 Prozent (Art. 39 der Verfassung).

Die Prinzipien der Wahl sind für beide Kammern ebenfalls unterschiedlich: Die erste Kammer wird alle vier Jahre nach dem Verhältniswahlrecht in acht (bei der Wahl 2002: dreizehn) Mehrpersonenwahlkreisen gewählt. Je nach Größe wird eine bestimmte Zahl von Mandaten pro Wahlkreis vergeben, die die Parteien entsprechend den in diesem Wahlkreis erlangten Stimmen unter sich aufteilen. Es gibt eine Sperrklausel von fünf Prozent.

Die Mitglieder des Senats werden dagegen in 81 Einpersonenwahlkreisen nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt. In jedem Wahlkreis konkurrieren Kandidierende der verschiedenen Parteien miteinander. Gewonnen hat, wer in der ersten Runde über 50 Prozent der Stimmen erhält. Erreicht niemand diese Stimmenzahl, wetteifern die beiden Kandidierenden, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhielten, in einer weiteren Abstimmung um den Sieg.

Die Amtszeit der Senatsmitglieder beträgt sechs Jahre. Je ein Drittel der Senatsmandate werden alle zwei Jahre neu vergeben. Der Senat genießt in der Bevölkerung kein hohes Ansehen, was sich unter anderem in einer extrem niedrigen Beteiligung an den Senatswahlen äußert. Bisher wurden niemals mehr als höchstens 40 Prozent der Wahlberechtigten mobilisiert, im zweiten Wahlgang im Jahr 2000 waren es sogar nur 20 Prozent.

Nach der Parlamentswahl benennt der Präsident einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten. Er muss nicht unbedingt den Kandidaten der größten Partei nominieren, allerdings benötigt die Regierung eine Mehrheit in der Abgeordnetenkammer. Das Parlament kann auch im Laufe einer Legislaturperiode ein Misstrauensvotum aussprechen, dabei darf es allerdings nur der gesamten Regierung, nicht aber einzelnen Ministerinnen oder Ministern das Vertrauen entziehen. Auf Vorschlag des Ministerpräsidenten werden diese durch den Präsidenten ernannt oder abberufen. Die Regierung kann ebenfalls, gekoppelt an eine Gesetzesvorlage, die Vertrauensfrage stellen.

Beide Kammern gemeinsam wählen den Präsidenten der Republik. Da sich der Senat im Herbst 1996 erstmals konstituierte, erfolgte die erste Wahl zum tschechischen Präsidenten im Januar 1993 allein durch die Mitglieder der Abgeordnetenkammer. Die Wahl erfolgt durch die absolute Mehrheit der Abgeordneten, im dritten Wahlgang dann durch eine Mehrheit der anwesenden Abgeordneten bzw. – bei der zweiten Wahl im Januar 1998 – der Abgeordneten und Senatsmitglieder. 1998 erhielt Havel eine Mehrheit von nur einer Stimme, bedingt offensichtlich durch die in der gerade überwundenen Regierungskrise ausgebrochenen Konflikte. Im Januar 2003 steht die nächste Präsidentenwahl an, zu der Havel nach bereits zwei Amtsperioden nicht mehr antreten kann.

Der Präsident übt seine Kompetenzen meist zusammen mit anderen Verfassungsorganen aus: Er ernennt den Ministerpräsidenten. Dabei ist er nicht durch den Wahlerfolg der Parteien festgelegt, nur muss sein Kandidat das Vertrauen des Parlaments erlangen, um regieren zu können. Der Präsident ernennt bei Zustimmung des Ministerpräsidenten den Präsidenten und die Mitglieder des Bankrates der Tschechischen Nationalbank. Er kann Gesetze einmal zurückweisen, sein Veto ist aber mit absoluter Mehrheit der Abgeordneten überstimmbar. Zusammen mit dem Senat ernennt er die 15 Richter des Verfassungsgerichtes für je zehn Jahre sowie den Vorsitzenden des Obersten Gerichts, er hat das Recht zur Begnadigung und zwar schon vor Verurteilung innerhalb eines laufenden Strafverfahrens. Der Präsident ernennt nach Art. 93 der Verfassung auch die Richter aller anderen Gerichte.

Nachdem das Konzept einer Konföderation gescheitert war, deklarierte am 17. Juli 1992 das slowakische Parlament – der Slowakische Nationalrat - die Selbstständigkeit der Slowakei. Die Ministerpräsidenten der beiden Teilstaaten Václav Klaus und Vladimír Mečiar vereinbarten gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung eine Teilung der Tschechoslowakei in zwei souveräne Staaten. Am 20. Juli 1992 trat Staatspräsident Václav Havel von seinem Amt zurück. Am 25. November 1992 wurde das Gesetz über die Auflösung der ČSFR im föderalen Parlament verabschiedet.

 

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