Samtene Revolution und ihre Folgen

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Die samtene Revolution in der CSSR bedeutete das Ende der kommunistischen Herrschaft und auch letztlich zur Trennung des LAndes in die Republik Tschechien und der Slowakei.

Samtene Revolution und die Folgen

 

 

Die Niederschlagung des Prager Frühlings durch sowjetische Truppen blockierte vorerst eine dringend notwendige Reform des Landes.

Die Bewegung des Prager Frühlings kulminierte am 27. Juni 1968. An diesem Tag veröffentlichten der Schriftsteller Ludvík Vaculík und weitere 67 Intellektuelle, Schriftsteller und Künstler das so genannte "Manifest der 2000 Worte" (Dva tisíce slov), eine Abrechnung mit 20 Jahren der KP-Herrschaft. Die weitere Demokratisierung, so das Manifest, könne nur außerhalb der KPC gesichert werden. Damit stellte man den Sozialismus als Gesellschaftsform überhaupt in Frage. In Moskau brachte das Manifest das Fass zum Überlaufen. Noch in der Nacht darauf soll Breschnew von Dubcek einen "sofortigen Angriff der Volksmilizen gegen die konterrevolutionären Kräfte" gefordert haben. Für den Kreml war das Manifest ein Aufruf zur Konterrevolution in der Tschechoslowakei, obwohl sich die KPC vom Manifest distanziert hatte. Dubcek gehorchte dem KPdSU-Generalsekretär nicht, denn die Masse der Bevölkerung hatte das Manifest begeistert aufgenommen. Die wichtigsten Einrichtungen, die strategischen Punkte des Landes und die Redaktionen wurden besetzt, Untergrundsender zum Schweigen gebracht. Die Führung um Dubcek wurde verhaftet und im Flugzeug nach Moskau gebracht. Dennoch misslang der bürokratische Putsch. Svoboda weigerte sich, eine neue Marionettenregierung einzusetzen, flog nach Moskau und wurde dort als Staatsgast empfangen. Hier sprach er sich für die Absetzung Dubceks aus, wusste zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht, dass Breschnew bereits mit Dubcek gesprochen hatte und dem Kreml-Chef inzwischen klar geworden war, dass an Dubcek kein Weg vorbeiführe, wollte man in der Tschechoslowakei keinen Bürgerkrieg riskieren und aus dem Parteichef einen Märtyrer machen.

Der Blutzoll des Einmarsches und der Widerstandsaktionen der Bevölkerung wird mit bis zu 500 Opfern auf beiden Seiten angegeben. Die tatsächlichen Folgen von Prag 1968 waren viel langfristiger. Abgesehen von der bald so bezeichneten "Breschnew-Doktrin", die fortan die Souveränität jedes kommunistischen Staates beschnitt, erfasste eine Welle des Protestes die Tschechoslowakei, die freie Welt und zahlreiche kommunistische Parteien in Westeuropa; sie schwappte - trotz größter Vorsichtsmaßnahmen - auch auf die Ostblockstaaten, ja bis auf den Roten Platz in Moskau über. Prag 1968 bedeutete den Anfang vom Ende des Ostblocks.

Am 23. August, zwei Tage nach Beginn der Intervention, wurde Präsident Ludvík Svoboda offiziell zu Verhandlungen nach Moskau gerufen, an denen auf seine Forderung hin – zunächst nur inoffiziell – auch die in Haft gehaltenen Regierungsmitglieder um Dubček teilnahmen.

Die samtene Revolution wurde durch die Charta 77 mit vorbereitet. Die Charta 77 bezeichnet sowohl eine im Januar 1977 veröffentlichte Petition gegen die Menschenrechtsverletzungen des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei als auch die mit ihr verbundene Bürgerrechtsbewegung, die in den 1970er und 1980er Jahren zum Zentrum der Opposition wurde.

1976 schlossen sich Künstler und Intellektuelle, aber auch Arbeiter, Priester, Exkommunisten und ehemalige Mitarbeiter des Geheimdienstes – unter ihnen etwa der Dramatiker Václav Havel, Jiří Hájek und Jiří Dienstbier (Politiker des Prager Frühlings) – und andere, gewöhnliche Tschechoslowaken zusammen, um auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen, die im Widerspruch zu der vom tschechoslowakischen Außenminister unterschriebenen Schlussakte von Helsinki standen.

Unmittelbarer Auslöser waren die Repressionen des Regimes gegenüber der Band Plastic People of the Universe. Die direkt nach der Invasion des Warschauer Paktes gegründete Band hatte seit 1968 mehrere Festivals mit alternativer Musik veranstaltet. Die Gruppe war ein wichtiger Anziehungspunkt für eine staatsunabhängige Kulturszene und hatte insbesondere bei jüngeren Menschen Erfolg. Bei einem Konzert im Februar 1976 wurden die Mitglieder der Gruppe inhaftiert und viele der Konzertbesucher ausgiebig verhört. Die Aktion sorgte für nationale und internationale Proteste. Václav Havel selbst sah die Repressionen gegen die Plastic People als Angriff des totalitären Systems auf das Leben selbst, auf die menschliche Freiheit und Integrität. Für Havel galt es, einen Präzedenzfall zu verhindern.

Am 1. Januar 1977 wurde die Charta 77 mit 242 Unterschriften veröffentlicht und am 7. Januar 1977 in führenden europäischen Zeitungen wie The Times, Le Monde oder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung abgedruckt. In den tschechoslowakischen Massenmedien wurde der Text nicht veröffentlicht. Im Januar und Februar 1977 setzte eine intensive staatliche Kampagne gegen die Charta ein; ihre Existenz war innerhalb weniger Tage im ganzen Land bekannt.

Am 1. Februar 1977 wurde ein Verzeichnis weiterer 208 Unterzeichner veröffentlicht. Bis zum Sommer 1977 erhöhte sich die Zahl der Unterschriften auf 600. Bis Ende 1977 hatte die Charta 800 Unterzeichner, bis 1985 etwa 1200 und bis 1989 schließlich 2000. Hauptsächliche Verfasser der Erklärung und erste Sprecher der Bewegung waren Václav Havel, der Philosoph Jan Patočka und der ehemalige Außenminister Jiří Hájek. Bereits im Januar 1977 gründete sich ein internationaler Ausschuss zur Unterstützung der Charta 77, dem unter anderem Heinrich Böll, Friedrich Dürrenmatt, Graham Greene und Arthur Miller angehörten.

Inhaltlich stellt die Charta die Rechte, die in der KSZE-Erklärung und teilweise auch in tschechoslowakischen Gesetzen gewährt wurden, der Realität gegenüber. Sie bezeichnet das Recht auf freie Meinungsäußerung als völlig illusorisch, Hunderttausenden von Bürgern wird die „Freiheit von Furcht“ (Präambel des Ersten Paktes) verweigert, das Recht auf Bildung wird verweigert, da hunderttausende von Jugendlichen wegen ihrer Ansichten oder der Ansichten ihrer Eltern nicht zum Studium zugelassen werden, die Bekenntnisfreiheit wird von machthaberischer Willkür systematisch eingeschränkt, insgesamt ist. „Das Instrument der Einschränkung und häufig auch der völligen Unterdrückung einer Reihe von bürgerlichen Rechten […] ein System faktischer Unterordnung sämtlicher Institutionen und Organisationen im Staat unter die politischen Direktiven des Apparats der regierenden Partei und unter die Beschlüsse machthaberisch einflussreicher Einzelpersonen“. Soweit Forderungen erhoben werden, beziehen sich diese einzig darauf, dass die tschechoslowakische Regierung die von ihr unterzeichneten Verträge, insbesondere die Schlussakte von Helsinki, einhält.

Zu der recht heterogenen Gruppe gehörten Mitglieder der kommunistischen Partei ebenso wie ihr fernstehende Personen, Atheisten, Christen und Mitglieder anderer Glaubensgemeinschaften. Weitere bekannte Mitglieder waren der Soziologe Rudolf Battěk oder der Philosoph und Mathematiker Václav Benda.

Ziel der Bewegung, die von drei jährlich gewählten Sprechern nach außen repräsentiert wurde, war der Dialog mit Vertretern von Politik und Staat. Sie äußerte sich zu verschiedenen gesellschaftlichen Problemen (Diskriminierung im Beruf, Reisefreiheit, Umweltfragen, Rechte der Gläubigen etc.) und forderte mehrmals Amnestie für politische Gefangene. Sie machte auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam, dokumentierte sie und bot Lösungsvorschläge an. Eines der wichtigen Anliegen war ferner die Vervielfältigung verbotener Bücher oder Texte (Samisdat): z. B. Übersetzungen von Autoren wie Orwell, Koestler, Werke sämtlicher emigrierter oder totgeschwiegener tschechischer und slowakischer Schriftsteller und weiterer Personen.

Zu den weiteren Unterzeichnern gehörten unter anderem: Petr Pithart (Präsident des tschechischen Senats), Václav Malý (Weihbischof in Prag), die Soziologin Jiřina Šiklová und der Autor Josef Hiršal, Zdeněk Mlynář, Sekretär des ZK der KSČ von 1968, Ludvík Vaculík, Autor des Manifestes der 2000 Worte und der Philosoph Milan Machovec die eine wichtige Rolle beim Prager Frühling spielten.

Inhaltlich wollten die Chartisten besonders auf individuelle Menschenrechtsverletzungen aufmerksam machen, generelle Mechanismen anregen, um die Rechte von Individuen dauerhaft zu schützen und als Vermittler in konkreten Konflikten auftreten. Später übernahm diese Aufgabe das 1988 gegründete Tschechoslowakische Helsinki-Komitee.

Die Charta stieß sowohl auf eine positive Resonanz in Westeuropa, wo viele ihrer Dokumente veröffentlicht wurden, als auch bei Dissidenten in Polen, Ungarn und der DDR.

1978 begann eine unabhängige Gruppe von Unterzeichnern mit der Herausgabe der Zeitschrift Informationen über die Charta 77. Bis 1989 veröffentlichte die Charta 77 insgesamt 572 Dokumente über Menschenrechtsverstöße, über die Situation der Kirchen in der ČSSR, über Themen wie Frieden, Umweltschutz, Philosophie und Geschichtsschreibung. Auch zum in der Tschechoslowakei oftmals komplizierten Verhältnis zu Deutschland gab die Charta Erklärungen ab.

Ab Mitte der 1980er Jahre brechen vor allem Jüngere Aktivisten mit den bis dahin verfolgten Mitteln der unpolitischen Politik und dem von Comenius übernommenen Leitsatz „Omnia sponte fluant, absit violentia rebus (Alles fließe von selbst, die Gewalt sei den Dingen ferne)“. Sie suchen, unter anderem ermutigt durch Glasnost und Perestroika, auch die physische Konfrontation mit dem tschechoslowakischen Staat.

Die Charta leistete bis 1989 eine überragende Rolle darin, den Westen, aber auch die Tschechoslowaken selbst über die tatsächliche Situation im Land zu informieren und einen Raum für freie Diskussionen zu schaffen. Ihrem Einsatz und ihrer Reputation ist es auch zu verdanken, dass die Samtene Revolution 1989 friedlich verlief, viele ihrer Protagonisten erreichten danach hohe politische Ebenen im Staat.

Obwohl die Charta sich selbst nicht als Opposition definierte und zum Dialog aufforderte, reagierte der Tschechoslowakische Staat mit Härte und Repression. Die erste Reaktion des Staates erfolgte am 12. Januar 1977 in der Zeitung Rudé právo. Unter der Überschrift Schiffbrüchige und Selbsterwählte wurden die Unterzeichner „als verkrachte Existenzen der tschechoslowakischen reaktionären Bourgeoisie sowie aus denen der Organisatoren der Konterrevolution von 1968 bezeichnet, die auf Bestellung antikommunistischer und zionistischer Zentralen gewissen westlichen Agenturen handelten. Das Dokument selbst sei eine antistaatliche, antisozialistische, gegen das Volk gerichtete, demagogische Hetzschrift, die in grober und verlogener Weise die Tschechoslowakische sozialistische Republik und die revolutionären Errungenschaften des Volkes verleumdet.“ Im Januar und Februar folgte eine intensive Kampagne in sämtlichen Medien, in denen sich zahlreiche regime-konforme Künstler und Intellektuelle vehement von der Charta distanzierten.

Unterzeichner wurden wiederholt verhaftet, verhört, offensichtlich observiert, bekamen Berufsverbot oder wurden von der Gesellschaft isoliert. Václav Havel verbrachte einige Monate in Untersuchungshaft. Einer der drei ersten Sprecher, Jan Patočka, brach am 13. März 1977 nach stundenlangen Verhören der Polizei zusammen und verstarb. Auf seiner Beerdigung wurde jeder Trauergast fotografiert und gefilmt, während permanent ein Hubschrauber über dem Friedhof kreiste. Im Oktober 1977 schließlich kam es zum ersten offiziellen Prozess. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, in der Tschechoslowakei verbotene Schriften ins Ausland geschmuggelt zu haben. Die höchste Strafe betrug 3 1/2 Jahre Haft.

Einige Hundert der Unterzeichner der Charta wurden ausgebürgert. Dem Schriftsteller Pavel Kohout wurde 1979 nach einer Reise die Wiedereinreise in die Tschechoslowakei verweigert und die Staatsbürgerschaft aberkannt. Andere haben aus Angst vor Repression ihre Heimat verlassen. Insgesamt sind etwa 300 Unterzeichner ausgewandert, vor allem nach Österreich, wo ihnen damals umstandslos politisches Asyl gewährt wurde. Von dort sind die meisten von ihnen weiter in die USA, nach Kanada und Australien emigriert.

1977 initiierte die Kommunistische Partei eine Gegenaktion, die so genannte Anticharta, der sich schnell etwas mehr als 2000 Künstler, v. a. Schauspieler usw. anschlossen. Am 28. Januar 1977 wurde die erstmalige Unterzeichnung der Anticharta durch viele prominente Künstler live im Fernsehen übertragen. Es gibt heute nahezu keinen tschechischen Schauspieler aus dieser Zeit, der nicht dort unterschrieben hat. Schauspieler hingegen, die die Charta nicht unterschrieben, waren jahrelang mit Berufsverbot belegt. Die Charta 77 war der Vorlauf für die Samtene Revolution 1989.

Die samtene Revolution ist auch eng mit der Politik Michail Gorbatschows in der Sowjetunion verbunden. Am 11. März 1985, dem Tag nach dem Tod des damaligen Generalsekretärs der KPdSU, Konstantin Tschernenko, wurde Gorbatschow mit 54 Jahren zum zweitjüngsten Generalsekretär in der Geschichte der Kommunistischen Partei gewählt. Als De-facto-Herrscher der Sowjetunion führte er die Konzepte Glasnost (Offenheit) und Perestroika  in die politische Arbeit ein. Gemeint war mit Glasnost eine Offenheit der Staatsführung gegenüber der Bevölkerung. Glasnost sorgte für Pressefreiheit und ein Ende der Zensur . Die Zeitungen durften erstmals wieder unzensiert ihre Berichte veröffentlichen. Glasnost bedeutet auch Rede- und Meinungsfreiheit für das Volk, für alle. Erstmals erfuhr die Öffentlichkeit von der wahren, katastrophalen wirtschaftlichen Lage des Landes. Inhaftierte Regimekritiker wurden freigelassen. Die Unterdrückung der Kirchen wurde beendet, Demonstrationen wurden erlaubt.

Perestroika bedeutet übersetzt Umbau oder Umgestaltung. Das gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche System wurde umgebaut. Die Sowjetunion sollte ein demokratischer Staat werden. Sie sollte aus ihren festgefahrenen Strukturen gelöst werden, um so schließlich auch die Wirtschaft des Landes wieder nach vorne zu bringen. Als erstes wurde die Planwirtschaft gelockert, indem Betrieben mehr Mitbestimmung eingeräumt wurde. Im Januar 1987 wurde ein umfassendes Perestroika-Programm verkündet.

Dieser Prozess begann während des 27. Parteitages der KPdSU im Februar 1986.

Gorbatschow bekannte sich zu den politischen Fehlern der Partei seit Stalins Zeiten und den Verbrechen während des Zweiten Weltkrieges. Unter seiner Verantwortung wurde u. a. die Existenz des zuvor hartnäckig geleugneten geheimen Zusatzprotokolls zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion von 1939 zugegeben, ebenso wie das daran anschließende Massaker von Katyn sowjetischer Truppen gegen die polnische Führungsschicht 1940. Weiterhin sorgte er für den Rückzug der Sowjetunion aus Afghanistan.

Am 19. Dezember 1986 wurde der Regimekritiker Andrei Sacharow (1921–1989) von der sowjetischen Regierung rehabilitiert und durfte aus der Verbannung nach Moskau zurückkehren. 1987 kam es zu einer Rehabilitierung von Nikolai Bucharin (1888–1938) und weiterer Oppositioneller aus der Zeit der Stalinschen Säuberungen. 1988 wurde Gorbatschow Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets und löste damit Andrei Gromyko als Staatspräsident ab. Am 7. Dezember 1988 hielt Gorbatschow eine Rede vor der 43. UN-Generalversammlung in New York, bei der er einseitige Abrüstungsschritte in Aussicht stellte.

Gorbatschow ersetzte die Breschnew-Doktrin durch die Sinatra-Doktrin. Diese beschreibt die sowjetische Politik unter Michail Gorbatschow, die den Warschauer-Pakt-Staaten erlaubte, ihre inneren Angelegenheiten souverän zu regeln.

Am 25. Oktober 1989 besuchte Michail Gorbatschow den finnischen Präsidenten Mauno Koivisto in Helsinki. Beide erklärten an jenem Tag den Verzicht auf den Ersteinsatz von bewaffneter Gewalt gegen ein gegnerisches Bündnis, einen neutralen Staat oder einen Staat des eigenen Bündnisses.: „Die Sowjetunion, eine eurasische Regierung im Kernwaffenbesitz, ein dauerhaftes Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und Mitglied der Warschauer Vertragsorganisation, und Finnland, ein neutraler nordeuropäischer nicht nuklearer Staat (…) erklärten ihre Entschlossenheit, die folgenden Prinzipien und Prioritäten in Europa (…) umzusetzen (…) Keine Anwendung von Gewalt kann gerechtfertigt werden, weder durch eine militärisch-politische Allianz gegen einen anderen, noch innerhalb dieser Allianzen, noch gegen neutrale Länder jedweder Partei.“

Damit war dies eine eindeutige Erklärung, nicht nur für Finnland. Der Pressesprecher des damaligen sowjetischen Außenministers Eduard Schewardnadse und Delegationsmitglied während des Treffens in Helsinki, Gennadi Gerassimow, gab gegenüber der westlichen Presse bekannt, Gorbatschow hätte eine „Sinatra-Doktrin“ herausgegeben. Den Journalisten vor Ort erklärte er den Begriff mit der Äußerung: „You know the Frank Sinatra song, I Did It My Way? Poland and Hungary are now doing it their way. I think the ‚Brezhnev Doctrine‘ is dead“

Die Bezeichnung der Doktrin nach Frank Sinatra spielte damit auf das durch ihn weltbekannt gewordene Lied an und sollte die Möglichkeit der Warschauer-Pakt-Staaten (namentlich Polen und Ungarn) symbolisieren, jetzt ihren Weg eigener innerer Reformen und ohne Einmischung von außen gehen zu können, während die vorherige Breschnew-Doktrin beispielsweise die Invasion in der ČSSR 1968 gerechtfertigt hatte.

In Prag waren im Oktober 1989 bis zu 3500 DDR-Bürger auf das Gelände der deutschen Botschaft gelangt; insgesamt 17.000 Menschen durften nach Verhandlungen in den Westen ausreisen. Am 9. November 1989 konnten Tschechen und Slowaken den Fall der Berliner Mauer mitverfolgen. In Polen amtierte damals schon eine Regierung mit dem Nichtkommunisten Tadeusz Mazowiecki an der Spitze, nachdem am 4. Juni 1989 die erste halbwegs freie Parlamentswahl im Ostblock stattgefunden hatte. Am 12. November 1989 wurde in Bulgarien der seit 1954 amtierende KP-Chef Todor Schiwkow gestürzt.

In den Jahren 1988 und 1989 fand die ersten antikommunistischen Demonstrationen in der Tschechoslowakei statt. Dazu zählen die Kerzendemonstration in Bratislava am 25. März 1988 und eine Serie von Demonstrationen von 15. bis 20. Januar zum 20. Todestag Jan Palachs. Sie wurde von römisch-katholischen Dissidenten organisiert und war die erste große antikommunistische Demonstration in der Tschechoslowakei in den Achtzigern.

An der Demonstration nahmen rund 2.000 Menschen auf dem Hviezdoslav-Platz und ein paar tausend weitere Menschen in den umliegenden Straßen teil. Die anfangs ruhige Demonstration für Religionsfreiheit und Menschenrechte wurde von der Polizei niedergeschlagen. Entsprechende Nachrichten wurden beispielsweise vom ORF, Radio Free Europe, Voice of America, BBC und Radio Vatikan ausgestrahlt.

Der damalige slowakische Premierminister, Innenminister, Kulturminister und andere führende Persönlichkeiten verfolgten die "Operation" aus dem Inneren des Carlton Hotels am Hviezdoslav-Platz. Heute ist der 25. März in der Slowakei der Tag des Kampfes für die Menschenrechte.

Jan Palach war ein tschechoslowakischer Student, der sich aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings und gegen das Diktat der Sowjetunion selbst verbrannte. Er wollte damit, knapp fünf Monate nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei, ein Zeichen gegen die Rücknahme der Reformen der Regierung Alexander Dubčeks und die daraus folgende Lethargie und Hoffnungslosigkeit der tschechoslowakischen Öffentlichkeit setzen.

Jan Palach stand am 16. Januar 1969 zwischen 15 und 16 Uhr bei der Treppe des Nationalmuseums, welches den Prager Wenzelsplatz gegen Südosten abschließt, legte dort am Rande des Brunnens seinen Mantel und seine Aktentasche ab, in der sich die Abschrift einer zuvor außerdem an seine Verwandten und eine Anzahl seiner Kommilitonen gesandten Nachricht befand, übergoss sich mit dem Inhalt eines Benzinkanisters, entzündete ein Streichholz, stand augenblicklich am ganzen Körper in Flammen und rannte auf den Wenzelsplatz hinaus.

Noch am Nachmittag des Todestages von Palach strömten rund 200.000 Menschen auf dem Wenzelsplatz zusammen, um an der Stelle, an der Palach zu Boden gefallen war, Kränze niederzulegen. Unter der Führung von Palachs Kommilitonen begab sich die Menge quer durch die Prager Altstadt zur Philosophischen Fakultät der Karls-Universität, wo sie den Platz vor dem Hauptgebäude der Fakultät – der den Namen „Platz der Roten Armee” trug – durch das Auswechseln der Schilder in „Jan-Palach-Platz” umbenannte. Diese Maßnahme wurde von der Staatsführung umgehend rückgängig gemacht, so dass eine offizielle Umbenennung erst nach der Samtenen Revolution von 1989 erfolgte.

Alexander Dubček erlitt auf die Nachricht von Palachs Tod einen Nervenzusammenbruch. Die Sowjetunion zog es vor, diesen Vorfall nicht zu kommentieren, wenngleich die TASS von einer „antisozialistischen Provokation” sprach. Allerdings bemühte sich das Zentralkomitee der KPČ wenig später, die Tat Palachs herunterzuspielen, indem es eine offizielle Erklärung herausgab; bereits zuvor war versucht worden, Palachs Tat als die Handlung eines psychisch Kranken oder eines nicht aus freien Stücken handelnden Menschen hinzustellen.

Nach einer Schweigeminute im ganzen Land am 24. Januar und nach feierlicher Aufbahrung in der Karlsuniversität zu den Füßen einer Statue von Jan Hus wurde Palachs Begräbnis zu einer Massendemonstration, an der sich über 10.000 Menschen beteiligten.

Jan Palach wurde zu einem Märtyrer für eine freie Tschechoslowakei und zu einer starken Symbolfigur. Nicht zuletzt deswegen wurde er 1973 auf Druck der tschechoslowakischen Behörden auf den Friedhof der Stadt Všetaty umgebettet, in der zur Vermeidung von Kundgebungen und Gedenkveranstaltungen durchfahrende Züge alljährlich um den 16. Januar herum nicht halten durften und die in dieser Zeit nur eingeschränkt mit dem Auto zugänglich war. Jan Palach wurde erst nach der Samtenen Revolution wieder zurück auf den Prager Olšany-Friedhof umgebettet.

Diese friedlichen Kundgebungen wurden von der Polizei brutal niedergeschlagen und führende Oppositionelle, darunter Václav Havel, inhaftiert. Vom 10. bis zum 14. November 1989 fanden Demonstrationen in Teplice statt. Am 12. November, wenige Tage vor Ausbruch der Revolution, wurde Agnes von Böhmen von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen. Dieses Ereignis wurde vom Tschechoslowakischen Fernsehen übertragen.

Am 16. November 1989 fand in Bratislava eine Studentendemonstration statt. Die Polizei griff hier nicht ein und die Demonstranten konnten ungehindert durch die Stadt ziehen. Am Tag darauf, den 17. November fand in Prag anlässlich des 50. Jahrestags der Schließung tschechischer Hochschulen 1939 und des Internationalen Tag der Studenten eine genehmigte Studentendemonstration statt, an der laut Staatssicherheit 15.000 Menschen teilnahmen. Im Unterschied zu Bratislava begann die Polizei im Verlauf des Abends die Kundgebungen zu zerschlagen und etwa 600 Personen wurden von den Sicherheitskräften verletzt. Am nächsten Tag riefen die Prager Studenten zu einem zeitlich unbegrenzten Studentenstreik auf; die Schauspieler der Prager Bühnen schlossen sich an. Diese Aktionen werden allgemein als Anfang der Revolution gesehen.

Am 18. November verbreiteten sich die Nachrichten vom brutalen Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Studenten, was weite Teile der Bevölkerung mobilisierte, an den Gegendemonstrationen teilzunehmen. Sie forderten eine Untersuchung der Vorgänge und die Bestrafung der Verantwortlichen. Am 19. November 1989 wurde als Sprachrohr der Streikenden in Tschechien das Bürgerforum (OF) und in der Slowakei die Öffentlichkeit gegen Gewalt gegründet, um den Dialog mit den kommunistischen Machthabern zu suchen.

Ab 20. November griffen die Demonstrationen sukzessive auf das ganze Land über. Jeden Tag wurden nun in zahlreichen Städten Demonstrationen abgehalten. Der Großteil der Prager Hochschulen streikte. Das Bürgerforum traf sich zu Verhandlungen mit der Regierung. Am 21. November verkündete Generalsekretär Miloš Jakeš im Fernsehen dass die Regierung an ihrer kompromisslosen sozialistischen Linie festhalten werde. Einheiten der Volksmiliz wurden nach Prag gezogen. Der Prager Erzbischof Kardinal František Tomášek rief zur Unterstützung der Revolution auf. Am 22. November traten zwei Symbolfiguren des Prager Frühlings, Alexander Dubček und Marta Kubišová nach 20 Jahren wieder an die Öffentlichkeit. In Prag, Bratislava und Brünn waren täglich tausende Menschen auf der Straße.

Am 24. November sprachen Václav Havel und Alexander Dubček am Wenzelsplatz zu den Demonstranten und forderten den Rücktritt des Politbüros der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. Miloš Jakeš. Generalsekretär Jakeš verkündete am gleichen Tag seinen Rücktritt und den Rücktritt des Politbüros. Am 25. November versuchte Staatpräsident Gustáv Husák die Lage zu beruhigen indem er politischen Häftlingen Amnestie erteilte. Die Zahl der Demonstranten wird in Prag auf 800.000 und in Bratislava auf 100.000 geschätzt. Zum Symbol des sanften Widerstands wurde der Schlüsselbund. Die Menschen wollten mit ihren über den Köpfen klingelnden Schlüsseln die Wende einläuten.

Am 27. November fand der angekündigte, landesweite zweistündige Generalstreik statt. Am 28. November begannen Verhandlungen zwischen dem Bürgerforum und der Regierung. Die Bestimmung über die führende Rolle der Kommunistischen Partei in der Verfassung wurde am 29. November aufgehoben. Am 1. Dezember fand in Bratislava eine von Zehntausenden besuchte Feier anlässlich der Veränderungen statt. Ab 5. Dezember wurde der Stacheldraht an der Grenze zu Österreich entfernt, ab 11. Dezember wurden die Grenzbefestigungen zur Bundesrepublik Deutschland abgetragen.

Am 10. Dezember ernannte Präsident Husák die zum ersten Mal seit 1948 mehrheitlich nichtkommunistische Regierung des nationalen Einverständnisses unter Marián Čalfa, nachdem zwei Anfang Dezember von ihm bestellte Regierungen auf Widerstand der Bevölkerung gestoßen waren. Außenminister der neuen Regierung wurde der Bürgerrechtler Jiří Dienstbier, Finanzminister Václav Klaus. Nach Bestellung dieser Regierung reichte Husák am gleichen Tag seinen Rücktritt ein.

Marián Čalfa war 1988 Vorsitzender des Legislativrates der tschechoslowakischen Regierung. Im Zuge der Samtenen Revolution im Herbst 1989 wurde er kurzzeitig stellvertretender Ministerpräsident in der Regierung von Ladislav Adamec. Aufgrund seiner politisch relativ unbelasteten Vergangenheit übernahm er, einer breiten Öffentlichkeit unbekannt, von Adamec am 7. Dezember 1989 das Amt des Ministerpräsidenten und bildete im Zuge der Verhandlungen mit den Vertretern des tschechischen Bürgerforums bzw. der slowakischen Öffentlichkeit gegen Gewalt (VPN) anschließend die „Regierung des nationalen Einverständnisses“, welche neben 10 Vertretern der KSČ, 4 Vertretern der Blockparteien 7 von den Oppositionsgruppen benannte Parteilose angehörten. Im Januar 1990 trat er aus der KSČ aus.

Nach den ersten freien Parlamentswahlen am 8./9. Juni 1990, welche im tschechischen Landesteil das Bürgerforum und in der Slowakei die Öffentlichkeit gegen Gewalt gewann, beauftragte Staatspräsident Václav Havel ihn erneut mit der Bildung der Föderationsregierung, welcher nunmehr ausschließlich Vertreter der bisherigen Oppositionsbewegungen angehörten. Später schloss sich Čalfa selbst ebenfalls der VPN an. Er blieb Ministerpräsident bis zu den Parlamentswahlen am 5./6. Juni 1992, bei dem die VPN nicht mehr den Einzug ins Parlament gelang.

Am 28. Dezember wurde Alexander Dubček zum Parlamentsvorsitzenden gewählt, am 29. Dezember 1989 folgte die Wahl Václav Havels zum Staatspräsidenten durch die kommunistischen Abgeordneten. Im Januar 1990 traten zahlreiche kommunistische Abgeordnete zurück, zu deren Nachfolgern meist frühere Oppositionelle gewählt wurden, so dass die Kommunisten auch im Parlament keine Mehrheit mehr hatten. Am 29. März wurde die demokratische Tschechoslowakische Föderative Republik ausgerufen.

Der offizielle Landesname des Staates war seit der Ausrufung am 29. Dezember 1989 Tschechoslowakische Bundesrepublik. Mit der öffentlichen Bekanntmachung im Amtsblatt, die erst am 29. März 1990 erfolgte, lautete der Name Tschechoslowakische Föderative Republik. Daher wurden beide Namen verwendet.

Es zeichnete sich bald ab, dass der föderative Staat „Tschechoslowakische Föderative Republik“ auf Dauer keinen Bestand mehr haben würde. Die Interessen der Politiker beider Landesteile waren dazu zu unterschiedlich. Die tschechische Seite wollte der Slowakei keine „Entwicklungshilfe“ leisten müssen, die slowakische Seite nicht aus dem fernen Prag bevormundet oder überstimmt werden. Nach heftigen Debatten im Parlament, die als der sogenannte Gedankenstrich-Krieg bekannt geworden sind, wurde schließlich am 23. April 1990 der Staatsname in Tschechische und Slowakische Föderative Republik (ČSFR) mit den Kurzformen Tschechoslowakei (in Tschechien) beziehungsweise Tschecho-Slowakei (in der Slowakei) angenommen.

Die Wahl von Havel zum Staatspräsidenten hatte eine hohe Symbolkraft, denn er stand mit seiner politischen Laufbahn für die Fortsetzung der Ideen des Prager Frühlings.

Seit seinem 20. Lebensjahr schrieb Havel Artikel für Literatur- und Theaterzeitschriften. Seine in der Tradition des absurden Theaters stehenden Stücke und seine Artikel prägten und zeigen die Atmosphäre, die 1968 zum Prager Frühling führte.

Berühmte Theaterstücke Havels aus dieser Zeit sind Das Memorandum (1965) und die Erschwerte Möglichkeit der Konzentration (1968), 1967 auf dem IV. Schriftstellerkongress in Prag erregt Havel erstmals politisch Aufsehen, als er die Zensur und die Absurdität des Machtapparates der kommunistischen Partei öffentlich kritisierte.

Während des Prager Frühlings 1968 war er Vorsitzender des „Klubs unabhängiger Schriftsteller“ und entwickelte sich zum prominentesten und konsequentesten Wortführer der nichtkommunistischen Intellektuellen, die den von Alexander Dubček eingeleiteten Reformprozess unterstützten.

Während der sogenannten „Normalisierung“ nach der Niederschlagung des Prager Frühlings durch Truppen des Warschauer Pakts trat Havel immer wieder öffentlich gegen das Regime unter Präsident Gustáv Husák auf und war 1977 einer der drei Hauptinitiatoren der Charta 77, einer Bürgerrechtsbewegung, die Ende der 1970er und in den 1980er Jahren zum Zentrum der Opposition wurde.

In dieser Zeit wurde Havel dreimal verhaftet und verbrachte insgesamt etwa fünf Jahre im Gefängnis. Literarisches Zeugnis dieser Zeit sind die Briefe an Olga, seiner Frau Olga, geborene Šplíchalová, die er 1956 kennengelernt und 1964 geheiratet hatte und die bis zu ihrem Tod im Jahre 1996 seine Lebensgefährtin war. Havels Gefängnisstrafen wurden erst 1983 nach internationalen Protesten ausgesetzt, als Havel erkrankte und daraufhin in ein öffentliches Krankenhaus entlassen wurde.

Nach der Okkupation durch die Truppen des Warschauer Pakts im August 1968 widersetzte sich Havel der kommunistischen Gleichschaltung und erhielt in der Tschechoslowakei Aufführungs- und Publikationsverbot. Seine Werke wurden in dieser Zeit aber fast vollständig im Rowohlt-Verlag in Deutschland publiziert. Am 16. Januar 1989, dem 20. Jahrestag der Selbstverbrennung von Jan Palach am Wenzelsplatz in Prag wollte Havel an einer Gedenkveranstaltung teilnehmen, wurde verhaftet und am 21. Februar wegen „Rowdytums“ als Wiederholungstäter zu neun Monaten verschärfter Haft verurteilt. Als er dann den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels in Frankfurt am Main entgegennehmen wollte, durfte er nicht ausreisen. Der Schauspieler Maximilian Schell verlas seine vorbereitete Rede.

Havel war eine der tragenden Persönlichkeiten in der zunächst von Studenten und Künstlern getragenen Samtenen Revolution in der Tschechoslowakei. Vorher hatte er in den 1980er Jahren, als das politische Klima etwas liberaler wurde, die Petition „Einige Sätze“ (Několik vět) mitinitiiert. Nun wurde er zum führenden Vertreter des während der Revolution (am 19. November 1989) gegründeten Bürgerforums Občanské fórum (OF). Der Umbruch in der politischen Situation in der Tschechoslowakei war praktisch besiegelt, als Havel als Kandidat des Bürgerforums am 29. Dezember 1989 von den – bis dahin kommunistischen – Vertretern der Föderalversammlung zum Regierungspräsidenten gewählt wurde. In dieser Funktion führte er das Land am 5. Juli 1990 zu freien Wahlen. Das neue Parlament bestätigte ihn als Präsident.

Während seiner Amtsperiode als Staatsoberhaupt der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik - so der neue Name des Staates - vermehrten sich jedoch Auseinandersetzungen und Kontroversen zwischen den Tschechen und den Slowaken. Havels Versuche, die Föderation zu erhalten, waren erfolglos.

Bei den nächsten Präsidentenwahlen am 3. Juli 1992 bekam Havel von den Abgeordneten keine ausreichende Stimmenzahl und trat zurück, obwohl er nach damaliger Verfassung das Regierungsamt noch drei Monate nach dem Ende seiner Amtszeit hätte ausüben können. Der Grund für die Abstimmungsniederlage war vor allem, dass er sich für eine Beibehaltung eines gemeinsamen Staates der Tschechen und Slowaken ausgesprochen hatte und nationale Sonderbestrebungen verurteilte. Bei der Abstimmung fehlten ihm daher Stimmen der slowakischen Abgeordneten.

Nach der friedlichen Trennung von Tschechien und der Slowakei zum 1. Januar 1993 wurde Havel am 26. Januar 1993 mit großer Mehrheit zum Präsidenten der Tschechischen Republik gewählt. Am 20. Januar 1998 wurde er in seinem Amt bestätigt; seine zweite Amtszeit endete am 2. Februar 2003. Laut Verfassung konnte er nicht nochmals für das höchste Amt im Staat kandidieren.

Václav Havel war ein überzeugter Europäer, der auf die europäische Integration setzte. Der im Dezember 2002 abgehaltene EU-Gipfel von Kopenhagen legte als Havels Verdienst den Grundstein zur Eingliederung Tschechiens in die Europäische Union.

Havel verstarb im Alter von 75 Jahren am 18. Dezember 2011 auf seinem Landsitz im nordböhmischen Ort Hrádeček bei Trutnov im Riesengebirge an den Folgen einer Atemwegserkrankung. Er wurde mit einem Staatsakt geehrt und die Urne mit seiner Asche in Prag auf dem Friedhof in Vinohrady beigesetzt.

Bestimmendes Grundthema in Havels dramatischem wie essayistischem Werk - als Ursache der Absurdität - war die Entfremdung des heutigen Menschen von der von ihm genannten Lebenswelt, einer Idealvorstellung der Menschen auf Erden. Diese werde dadurch hervorgerufen, dass in der aufgeklärten Fortschritts-Gesellschaft die Wissenschaft die Position der obersten Instanz, die zuvor dem unbekannten Höheren (Gott oder ähnlichen) vorbehalten war, eingenommen hat. Diese Entfremdung sah Havel als Ursache der Probleme der heutigen Menschheit mit der Umweltzerstörung, die durch eine von der Wissenschaft ermöglichte Technisierung der Ökonomie hervorgerufen wurde; aber auch in den ehemaligen Diktaturen des Kommunismus und deren Vorstellung einer wissenschaftlich zu organisierenden, gleichberechtigten Lebenserwerbs-Gesellschaft (wissenschaftlicher Sozialismus), eine Extremform der Entfremdung. Davon zeugt nach Meinung von Havel eine auf Lügen aufgebaute Gesellschaft, in denen Worte ihren Sinn verlieren, so etwa das im Ostblock inflationär gebrauchte Wort Frieden, das in diesem Regierungssystem eigentlich nur die Bewahrung des Status quo und somit die Aufrechterhaltung der Macht des Bündnisses bedeutete. In seinen Theaterstücken zeigte Havel die Absurdität dieser Situation. In seinen Essays ist durchgängig das Thema der Entfremdung in der von der Wissenschaft beherrschten Welt erkennbar. Beeinflusst wurde Havel in dieser Vorstellung dem eigenen Bekunden nach von dem tschechischen Philosophen Václav Bělohradský.

Havels literarisches und dramatisches Werk sowie sein lebenslanges Streben nach der Erhaltung der Menschenrechte wurde mit einer Reihe von literarischen Auszeichnungen, internationalen Preisen und Ehrendoktortiteln gewürdigt.

Am 15. Oktober 1989 erhielt Havel in Abwesenheit den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Eine Teilnahme an der Feierstunde in der Frankfurter Paulskirche war für ihn nicht möglich, da ihm die Ausreise verwehrt wurde. Stattdessen bat er seinen Freund Maximilian Schell, die von ihm verfasste Rede vorzutragen.

1990 erhielt er den Preis Das politische Buch von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Ebenfalls 1990 wurde Havel in der Schweiz mit dem Gottlieb-Duttweiler-Preis für seine politische Arbeit gewürdigt, die Laudatio von Friedrich Dürrenmatt kurz vor dessen Tod bewegte die Schweiz nachhaltig. Die UNESCO verlieh ihm 1990 den Simón-Bolívar-Preis. Im Jahr 1991 wurde Havel mit dem internationalen Karlspreis zu Aachen „in Würdigung seines Einsatzes für den Geist der Freiheit und die Verwirklichung des Friedens in seinem Land und in ganz Europa“ geehrt.1993 verlieh ihm die Theodor-Heuss-Stiftung den Theodor-Heuss-Preis in Anerkennung seines demokratischen Engagements und seiner Zivilcourage. 1998 erhielt Havel den Westfälischen Friedenspreis. 2000 wurde Havel mit dem französischen Prix mondial Cino Del Duca geehrt.

Er wurde 2002 für sein literarisches Lebenswerk mit dem Hans-Sahl-Preis ausgezeichnet und im gleichen Jahr zum Ehrenmitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung gewählt. 2003 bekam Havel den Hanno R. Ellenbogen Citizenship Award in Prag, das Großkreuz mit Halskette des tschechischen Ordens des Weißen Löwen den Deutschen Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung und den Gandhi-Friedenspreis der indischen Regierung. 2004 wurde Havel mit der höchsten zivilen Auszeichnung der USA, der Freiheitsmedaille(The Presidential Medal of Freedom), und dem Light of Truth Award ausgezeichnet. 2005 erhielt er das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, 2006 den Brückenpreis der Stadt Regensburg und 2008 aufgrund seiner Verdienste um die deutsche Einheit den Point Alpha Preis.

2009 erhielt Havel den Internationalen Demokratiepreis der Stadt Bonn, den Quadriga-Preis, sowie die Goldene Henne, die erneut seine Verdienste um die deutsche Einheit würdigte. 2010 wurde er mit dem Prager Franz-Kafka-Literaturpreis, 2011 mit einem St. Georgs-Orden ausgezeichnet.

Die Verfassung der Tschechischen Republik wurde im Dezember 1992 verabschiedet. Ursprünglich sollte vorher eine Föderale Verfassung ausgearbeitet werden, aber nach den Wahlen 1992, deren Ergebnisse das Auseinanderdriften der beiden Landesteile verstärkt hatten, wurde die Arbeit daran eingestellt. Wie in den meisten Ländern Ostmitteleuropas entschieden sich die tschechischen Verfassungsgeber für ein parlamentarisches System.

Das Parlament besteht aus zwei Kammern, einem Abgeordnetenhaus (Poslanecká Snemovná) mit 200 Abgeordneten und einem Senat (Senát) mit 81 Senatsmitgliedern. Eine solche zweite Kammer findet sich in vielen Ländern Ostmittel- und Südosteuropas, nur in der Slowakei, Ungarn und Bulgarien nicht. Meist ist die zweite Kammer wie in Tschechien als regionale Vertretung konzipiert. Es gibt 81 Wahlkreise, für die jeweils eine Vertreterin oder ein Vertreter gewählt werden. In Tschechien müssen Senatsangehörige ein Mindestalter von 40 Jahren aufweisen, im Unterschied zu Mitgliedern der Abgeordnetenkammer, die mindestens 21 Jahre alt sein müssen.

Der Senat hat innerhalb des Parlaments eine relativ schwache Position, da Gesetzesentwürfe nur im Abgeordnetenhaus eingebracht werden können, und sein Veto bei einfachen Gesetzen mit der absoluten Mehrheit der Abgeordneten überstimmbar ist. Das gilt nicht für verfassungsändernde Gesetze, internationale Verträge, Wahlgesetze sowie für solche Gesetze, die das Verhältnis der beiden Kammern zueinander betreffen. Hier bedarf es einer Zustimmung beider Kammern mit einer Mehrheit von 60 Prozent (Art. 39 der Verfassung).

Die Prinzipien der Wahl sind für beide Kammern ebenfalls unterschiedlich: Die erste Kammer wird alle vier Jahre nach dem Verhältniswahlrecht in acht (bei der Wahl 2002: dreizehn) Mehrpersonenwahlkreisen gewählt. Je nach Größe wird eine bestimmte Zahl von Mandaten pro Wahlkreis vergeben, die die Parteien entsprechend den in diesem Wahlkreis erlangten Stimmen unter sich aufteilen. Es gibt eine Sperrklausel von fünf Prozent.

Die Mitglieder des Senats werden dagegen in 81 Einpersonenwahlkreisen nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt. In jedem Wahlkreis konkurrieren Kandidierende der verschiedenen Parteien miteinander. Gewonnen hat, wer in der ersten Runde über 50 Prozent der Stimmen erhält. Erreicht niemand diese Stimmenzahl, wetteifern die beiden Kandidierenden, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhielten, in einer weiteren Abstimmung um den Sieg.

Die Amtszeit der Senatsmitglieder beträgt sechs Jahre. Je ein Drittel der Senatsmandate werden alle zwei Jahre neu vergeben. Der Senat genießt in der Bevölkerung kein hohes Ansehen, was sich unter anderem in einer extrem niedrigen Beteiligung an den Senatswahlen äußert. Bisher wurden niemals mehr als höchstens 40 Prozent der Wahlberechtigten mobilisiert, im zweiten Wahlgang im Jahr 2000 waren es sogar nur 20 Prozent.

Nach der Parlamentswahl benennt der Präsident einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten. Er muss nicht unbedingt den Kandidaten der größten Partei nominieren, allerdings benötigt die Regierung eine Mehrheit in der Abgeordnetenkammer. Das Parlament kann auch im Laufe einer Legislaturperiode ein Misstrauensvotum aussprechen, dabei darf es allerdings nur der gesamten Regierung, nicht aber einzelnen Ministerinnen oder Ministern das Vertrauen entziehen. Auf Vorschlag des Ministerpräsidenten werden diese durch den Präsidenten ernannt oder abberufen. Die Regierung kann ebenfalls, gekoppelt an eine Gesetzesvorlage, die Vertrauensfrage stellen.

Beide Kammern gemeinsam wählen den Präsidenten der Republik. Da sich der Senat im Herbst 1996 erstmals konstituierte, erfolgte die erste Wahl zum tschechischen Präsidenten im Januar 1993 allein durch die Mitglieder der Abgeordnetenkammer. Die Wahl erfolgt durch die absolute Mehrheit der Abgeordneten, im dritten Wahlgang dann durch eine Mehrheit der anwesenden Abgeordneten bzw. – bei der zweiten Wahl im Januar 1998 – der Abgeordneten und Senatsmitglieder. 1998 erhielt Havel eine Mehrheit von nur einer Stimme, bedingt offensichtlich durch die in der gerade überwundenen Regierungskrise ausgebrochenen Konflikte. Im Januar 2003 steht die nächste Präsidentenwahl an, zu der Havel nach bereits zwei Amtsperioden nicht mehr antreten kann.

Der Präsident übt seine Kompetenzen meist zusammen mit anderen Verfassungsorganen aus: Er ernennt den Ministerpräsidenten. Dabei ist er nicht durch den Wahlerfolg der Parteien festgelegt, nur muss sein Kandidat das Vertrauen des Parlaments erlangen, um regieren zu können. Der Präsident ernennt bei Zustimmung des Ministerpräsidenten den Präsidenten und die Mitglieder des Bankrates der Tschechischen Nationalbank. Er kann Gesetze einmal zurückweisen, sein Veto ist aber mit absoluter Mehrheit der Abgeordneten überstimmbar. Zusammen mit dem Senat ernennt er die 15 Richter des Verfassungsgerichtes für je zehn Jahre sowie den Vorsitzenden des Obersten Gerichts, er hat das Recht zur Begnadigung und zwar schon vor Verurteilung innerhalb eines laufenden Strafverfahrens. Der Präsident ernennt nach Art. 93 der Verfassung auch die Richter aller anderen Gerichte.

Nachdem das Konzept einer Konföderation gescheitert war, deklarierte am 17. Juli 1992 das slowakische Parlament – der Slowakische Nationalrat - die Selbstständigkeit der Slowakei. Die Ministerpräsidenten der beiden Teilstaaten Václav Klaus und Vladimír Mečiar vereinbarten gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung eine Teilung der Tschechoslowakei in zwei souveräne Staaten. Am 20. Juli 1992 trat Staatspräsident Václav Havel von seinem Amt zurück. Am 25. November 1992 wurde das Gesetz über die Auflösung der ČSFR im föderalen Parlament verabschiedet.

Am 16. Dezember 1992 hat der Tschechische Nationalrat das Parlament des tschechischen Teilstaates, die neue Verfassung der Tschechischen Republik als „demokratischer Rechtsstaat“ verabschiedet. Die Charta der Grundrechte und -freiheiten, die im Januar 1991 von der tschechoslowakischen Föderalversammlung beschlossen worden war, wurde unverändert von Tschechien übernommen. Die heutige unabhängige Tschechische Republik wurde am 1. Januar 1993 ausgerufen. Der Tschechische Nationalrat hat sich in das Abgeordnetenhaus des Parlaments der Tschechischen Republik umbenannt und wählte am 26. Januar 1993 Václav Havel zum ersten Präsidenten der neuen Republik. Václav Klaus bildete eine Vier-Parteien-Regierung. Die Tschechische Krone wurde neue Währung.

Am 30. Juni 1993 trat das nun unabhängige Tschechien dem Europarat bei. 1994–1995 war das Land nicht-ständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. 1993 wurde das erneut das EU-Assoziierungsabkommen unterzeichnet. Ein Assoziierungsabkommen unterzeichnete 1991 bereits die Tschechoslowakei, der Ratifizierungsprozess wurde aber infolge der Auflösung der Tschechoslowakei unterbrochen. 1995 wurde Tschechien OECD-Mitglied. Am 31. Mai und 1. Juni 1996 fanden die ersten Wahlen zum Abgeordnetenhaus statt. Die regierende Mitte-rechts-Koalition verlor jedoch ihre Mehrheit. Klaus trat am 23. Juli 1996 mit seinem zweiten Kabinett das Amt des Ministerpräsidenten neuerlich an. Seine Regierung musste sich jedoch von den Sozialdemokraten Miloš Zemans tolerieren lassen. 1997 endete die wirtschaftliche Wachstumsphase in einem Bankenkrach, im Laufe dessen 12 Finanzinstitute Insolvenz anmelden mussten. Die Schuld lag unter anderem an der Verflechtung industrieller Großkomplexe, die durch faule Kredite künstlich aufrechterhalten worden waren. Die tschechische Wirtschaft fiel in eine Rezession.

Trotz der Stabilisierung des Parteiensystems endete mit den Wahlen 1996 die Erfolgsgeschichte des tschechischen Systemwechsels, 1997 begann dessen Krise. Sie setzte ein mit dem Rücktritt des Außenministers und des Finanzministers, beide ODS, am 23. Oktober und erreichte mit dem Rücktritt von Václav Klaus, dem zu diesem Zeitpunkt dienstältesten Regierungschef Ostmitteleuropas, am 30. November 1997 ihren Höhepunkt.

Den Anstoß für die Turbulenzen in der ODS hatte eine Parteispendenaffäre gegeben: Geld war unter falschen Spendernamen an die Partei geflossen, daneben verwies die Presse auf Schwarzgeldkonten in der Schweiz. Die tiefere Ursache der Entwicklung lag in der Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der wirtschaftlichen Situation und den daraus resultierenden Sparmaßnahmen der Regierung. Jene hatten zu Preiserhöhungen geführt und damit aber das Image des tschechischen Reformwunders angekratzt. Das Vertrauen der Bürger in die Regierung nahm rapide ab.

Václav Havel beauftragte im Dezember den Präsidenten der Nationalbank, Josef Tosovsky, mit der Bildung einer Übergangsregierung, die sich als parteiübergreifende "Expertenregierung" verstand. Sie sollte die Geschäfte bis zu den vorgezogenen Neuwahlen führen. In den ersten Monaten dieser Regierung zerbrach die stärkste bürgerliche Partei, die ODS. Von ihr spaltete sich im Februar die Freiheitsunion (US) ab, die bei den Wahlen im Juni 1998 erfolgreich war. Sie ordnete sich als Mitte-Rechts-Partei in das politische Spektrum ebenso ein wie die ODS, trat aber ausdrücklich für eine Politik "sauberer Hände" ein. Im selben Monat erreichte die ODS ein Umfragetief: Nur noch etwas über zehn Prozent der Befragten erklärten sich in der so genannten Sonntagsfrage für diese Partei. Die andere Partei der rechten Mitte, die ODA, brach im Frühjahr 1998 wegen der Auswirkungen des Spendenskandals sogar völlig auseinander und wurde bedeutungslos.

Das Wahljahr von 1998 führte jedoch zu einem überraschenden Ergebnis: Die ODS erreichte durch einen auf Václav Klaus zugeschnittenen, offensiven, teilweise aggressiven Wahlkampf fast ihr Ergebnis von 1996, nur diesmal als zweitstärkste Partei hinter den Sozialdemokraten. Zwar erhielten die Parteien der im Herbst 1997 auseinandergebrochenen Regierungskoalition (zusammen mit der US) sogar mehr Mandate als 1996, aber wegen der Zerstrittenheit ihrer führenden Politiker war eine Fortführung dieser Koalition unmöglich.

So begannen schwierige Verhandlungen, in deren Ergebnis auf Grundlage eines "Oppositionsvertrages" eine sozialdemokratische Minderheitsregierung unter Zeman, geduldet durch die ODS, gebildet wurde. Klaus übte danach die drittwichtigste Funktion des Staates aus, das Amt des Präsidenten des Abgeordnetenhauses. Denkwürdig ist diese politische Konstellation deshalb, weil die zusammenarbeitenden Seiten kurz vorher noch als Hauptgegner des Wahlkampfes agiert hatten. Sie hielt wesentlich länger als vorausgesagt und sicherte die politische Stabilität bis zur nächsten Wahl. Eine wichtige Veränderung in der Parteienlandschaft war das Bündnis von KDU-CSL und US mit zwei weiteren, sehr kleinen Parteien zur Viererkoalition, die bei den Teilwahlen zum Senat, der zweiten Parlamentskammer, im Jahre 2000 erfolgreich war.

Die Parlamentswahl im Juni 2002 brachte mit einem Sitz eine labile Mehrheit für die Sozialdemokraten und die nunmehr auf ein Bündnis von KDU-CSL und US zusammengeschmolzene "Koalition". Alle Parteien, außer den Kommunisten, verloren Stimmen. Vor allem deutete sich ein Ende der Ära Klaus in der ODS, der eigentlichen Wahlverliererin, an. Auffällig war der Rückgang der Wahlbeteiligung. Nur 58 Prozent der Wahlberechtigten gingen zur Wahlurne, während es 1990 noch 96 Prozent, 1998 immerhin noch 74 Prozent gewesen waren.

Am 21. Januar 1997 wurde die Deutsch-Tschechische Erklärung unterzeichnet und am 24. April hielt Präsident Havel vor dem Deutschen Bundestag eine Rede. Im Juni desselben Jahres mussten infolge des Oderhochwassers 40.000 Menschen evakuiert werden, der Gesamtschaden betrug 2,5 Mrd. Euro. Ministerpräsident Václav Klaus trat am 30. November 1997 aufgrund einer Spendenaffäre zurück. Sein Nachfolger wurde Josef Tošovský. Am 20. Januar 1998 wurde Václav Havel als Präsident wiedergewählt. Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus am 28. Juni 1998 gewannen die sozialdemokratische ČSSD mit Miloš Zeman (32 %) und konnten die Regierung bilden; sie wurden von der oppositionellen ODS toleriert.

Am 12. März 1999 wurde Tschechien gemeinsam mit Polen und Ungarn Mitglied der NATO. In Prag wurde am 25. September 2000 das Treffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank veranstaltet, begleitet von Straßenunruhen und Demonstrationen.

Die Auseinandersetzungen um die Besetzung des Intendanten des Tschechischen Fernsehens Česká televize ließen 2000 u. a. auch die Feindschaft zwischen Václav Havel und Václav Klaus wieder hervorbrechen. Klaus und die Demokratische Bürgerpartei ODS wurden beschuldigt, mehrere ihrer Anhänger in die Top-Positionen des Senders manövriert zu haben, darunter auch Jiří Hodač als Direktor. Dies löste die größten Demonstrationen in Tschechien seit 1989 aus. Als Folge trat Hodač zurück. Tschechien bekam ein neues Mediengesetz, Zweifel über die Unabhängigkeit der Česká televize waren jedoch bei weitem nicht beseitigt.

Die führende Rolle der ČSSD wurde bei den Parlamentswahlen 2002 bestätigt, bei der insbesondere die Kommunisten hinzugewinnen konnten. Neuer Ministerpräsident wurde der Sozialdemokrat Vladimír Špidla, der eine Koalitionsregierung mit der christdemokratischen KDU-ČSL und der Unie svobody bildete.

Im August 2002 litt Tschechien, wie auch andere Teile Mitteleuropas, unter schweren Überschwemmungen. Teile von Prag und anderen Städten oder Dörfern mussten evakuiert werden und Kulturgut wurde zerstört oder beschädigt.

Am 28. Februar 2003 wurde Václav Klaus zum zweiten Präsidenten der Tschechischen Republik gewählt. 2004 gab Spidla nach einer Wahlniederlage bei den Europawahlen sein Amt an Stanislav Gross ab, der jedoch 2005 seinerseits wegen einer Korruptionsaffäre zurücktreten musste und von Jiří Paroubek abgelöst wurde.

Am 17. Januar 1996 reichte die tschechische Regierung den EU-Beitrittsantrag ein. Die Beitrittsverhandlungen wurden 1998 eingeleitet und am 16. April 2003 wurde in Athen von Präsident Václav Klaus und Premierminister Vladimír Špidla das Beitrittsabkommen unterzeichnet. Von den etwa 55,21 % der tschechischen Wahlberechtigten, die am Referendum über den Beitritt zur Europäischen Union teilnahmen, stimmten 77,33 % einem Beitritt zu. Am 1. Mai 2004 trat die Tschechische Republik dann mit weiteren mittel- und osteuropäischen Staaten der Europäischen Union bei.

Nach der Unabhängigkeit in der Slowakei dominierte bis 1998 Ministerpräsident Vladimír Mečiar die slowakische Politik, der insbesondere nach seinem Wahlsieg bei der Parlamentswahl 1994 zunehmend autoritär regierte.

Nach der Unabhängigkeit behielt Mečiar das Amt des Ministerpräsidenten bei, zum Staatspräsidenten wurde im Februar der Kandidat der HZDS Michal Kováč gewählt. Nachdem 8 Abgeordnete der HZDS aus Protest gegen autoritären Methoden des Ministerpräsidenten die Partei verließen, verlor die Mečiar-Regierung ihre Mehrheit im Parlament und begann Koalitionsgespräche mit der Slowakischen Nationalpartei (SNS) zu führen, jedoch gelang erst im Oktober 1993 die Bildung einer Koalitionsregierung. In seiner Neujahrsansprache 1994 kritisierte Staatspräsident Kováč die Mečiar-Regierung wegen ihrer Risikomehrheit und sprach sich für eine breite Koalitionsregierung aus. Dies wurde von der HZDS jedoch vehement abgelehnt. Im März 1994 kritisierte der Staatspräsident Mečiar erneut, woraufhin dieser vom Parlament als Ministerpräsident abgesetzt wurde. Sein Nachfolger wurde Jozef Moravčík, der allerdings nur 9 Monate im Amt war und die Slowakei vor allem auf die Neuwahlen vorbereiten sollte.

Die Parlamentswahlen vom November 1994 gewann wieder Mečiars HZDS mit 35 % der Stimmen. Sie bildete eine Koalitionsregierung mit der linkspopulistischen ZRS und der nationalistischen SNS. Diese neue Koalition übernahm die Regierung auf relativ autoritäre Weise, als sie in der Nacht vom 3. auf den 4. November 1994 während der Parlamentssitzung sämtliche Funktionen im Parlament und in den Parlamentsausschüssen sowie auch die Posten des Fernseh- und Rundfunksenders mit eigenen Kandidaten besetzte, womit die wichtigsten öffentlich-rechtlichen Medien von ihr beherrscht wurden

Wirtschaftspolitisch verweigerte Mečiar die totale Öffnung der heimischen Wirtschaft, wie sie vom Westen gefordert wurde, und begünstigte bei Privatisierungen keine ausländischen Unternehmen, sondern vorrangig slowakische, meist seiner Partei nahestehende Firmen. Außenpolitisch versuchte Mečiar die Slowakei in EU und NATO zu führen, gleichzeitig lag ihm aber daran, bei der außenpolitischen Orientierung eine Balance zwischen Russland und dem Westen zu erhalten. Da sie aber mit ihrer Innen- und Wirtschaftspolitik immer wieder gegen westliche Vorgaben verstieß, näherte sich die Slowakei immer mehr Russland an und geriet in Isolation zum Westen.

Die nach der Parlamentswahl 1998 an die Macht gekommene Regierung unter Mikuláš Dzurinda leitete eine umfangreiche Öffnung der slowakischen Wirtschaft für ausländische Investoren ein und begann mit großangelegten Sparmaßnahmen im öffentlichen Sektor. Die Außenpolitik wurde nun ausschließlich auf die USA und die EU ausgerichtet, der Beitritt zur NATO und Europäischen Union erfolgte jedoch erst 2004, nachdem sich Dzurinda bei der Wahl 2002 erneut durchsetzen konnte. In seiner zweiten Amtszeit realisierte Dzurinda in der Slowakei eine stark neoliberale Politik, im Rahmen der die Slowakei als erstes Land überhaupt eine Flat Tax von 19 % einführte. Die Regierung Dzurinda wurde im westlichen Ausland als Reformregierung gelobt, traf jedoch wegen ihrer sozialen Einschnitte auf eine wachsende Unzufriedenheit innerhalb der slowakischen Bevölkerung.

Bei der Parlamentswahl 2006 siegte die linkspopulistische Smer-SD von Robert Fico, die sich nach einem Koalitionsabkommen mit den Nationalisten und der Mečiar-Partei zunächst starker Kritik aus dem Westen gegenübersah. Unter der Regierung Fico trat die Slowakei 2007 dem Schengener Abkommen bei, die Einführung des Euro erfolgte am 1. Januar 2009.

Die Regierung, die 2010 die Beteiligung der Slowakei an dem ersten Hilfspaket für Griechenland abgelehnt hatte, stand unter enormem Druck des Euroraums, der Aufstockung der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) zuzustimmen, mit der ein weiteres Griechenland-Rettungspaket finanziert werden sollte. Die der Regierungskoalition angehörende Partei Freiheit und Solidarität (SaS) sprach sich kategorisch dagegen aus, der SaS-Vorsitzende, der Parlamentspräsident Richard Sulík, erklärte, man könne das Schuldenproblem nicht durch weitere Schulden lösen und lehnte es ab, dass die deutlich weniger wohlhabende Slowakei sich an der Rettung Griechenlands beteiligen solle. Finanzminister Ivan Miklos zeigte zwar Verständnis für Sulíks Haltung, betonte aber, man müsse jede Möglichkeit nutzen, um den Zerfall des Euroraums zu verhindern. Ministerpräsidentin Iveta Radicová sah sich genötigt, die Abstimmung über die EFSF am 11.10.2011 mit der Vertrauensfrage zu verbinden. Da nur 55 der anwesenden Parlamentarier mit Ja stimmten - die 22 SaS-Abgeordneten hatten den Saal zuvor verlassen -, bedeutete dies das Ende der Regierung. Die größte Oppositionspartei, die sozialdemokratische SMER-SD, die die Aufstockung der EFSF befürwortete, hatte aus taktischen Erwägungen nicht dafür gestimmt, um die Regierung zu Fall zu bringen.

Am 13.10.2011 stimmte das Parlament in einer zweiten Abstimmung schließlich als letzter der Euro-Staaten der Aufstockung der EFSF zu, diesmal mit den Stimmen von SMER-SD. Die Regierungsparteien, die Slowakische Demokratische und Christdemokratische Union (SDKU), die Christlich-Demokratische Bewegung (KDH) und die die ungarische Minderheit vertretende Most-Híd (Brücke) hatten sich darüber am Vortag mit SMER-SD verständigt. Als Gegenleistung stimmten sie einer Verkürzung der Legislaturperiode und Neuwahlen zu; das entsprechende Gesetz wurde gleichfalls am 13.10. verabschiedet.

Staatspräsident Ivan Gasparovic entließ die Regierung Radicová am 25.10.2011, beauftragte sie aber zugleich, die Regierungsgeschäfte bis zu den Neuwahlen am 10.3.2012 fortzuführen. Ministerpräsidentin Radicová übernahm zudem vorläufig selbst die Führung des Verteidigungsministeriums, nachdem am 23.11.2011 Verteidigungsminister Lubomír Galko wegen eines Abhörskandals - der militärische Geheimdienst soll die Telefone von drei Journalisten der Zeitung Pravda und dem Leiter des Fernsehsenders TA3 abgehört haben - entlassen worden war.

Am 8.12.2011 beschloss das Parlament, eine Schuldenbremse in die Verfassung einzufügen. Diese ab dem 1.3.2012 geltende Regelung sieht vor, dass die Gesamtverschuldung 60% des BIP nicht übersteigen darf. Eine solche Schuldenbremse ist auch Teil des vom EU-Gipfel am 9.12.2011 beschlossenen Fiskalpakts. Am 7.12. hatte das Parlament den Haushalt für 2012 beschlossen, der ein Defizit von 4,6% des BIP vorsah. 2011 betrug das Haushaltsdefizit 4,8% des BIP. Die Staatsverschuldung, die 2008 noch unter 30% des BIP lag, stieg bis Ende 2011 auf 43,3% an. Die Bonitätsbewertung der Slowakei wurde von der Ratingagentur Moody's am 13.2.2012 von A1 auf A2 gesenkt, mit negativem Ausblick angesichts der zu erwartenden Schwierigkeiten bei der angestrebten Konsolidierung des Staatshaushalts.

Die Wahlen zum Nationalrat am 10.3.2012 führten zu einem Debakel für die Parteien der bisherigen Regierungskoalition, worin sich auch die Auswirkungen der Affäre "Gorilla" zeigten. Ministerpräsidentin Radicová hatte bereits im Oktober 2011 angekündigt, dass sie nicht mehr kandidieren werde. Die SMER-SD konnte mit 44,4% (+10,4 Prozentpunkte) und 83 von 150 Sitzen einen triumphalen Sieg feiern, obwohl auch sie in die Affäre "Gorilla" verwickelt gewesen war. An zweiter Stelle folgte mit weitem Abstand die KDH mit 8,8% (+0,3). Den dritten Platz erreichte die neu angetretene konservative Gruppierung Einfache Leute und unabhängige Personen (OL'aNO) mit 8,6%. Ihr Vorsitzender Igor Matovic war 2010 als Kandidat von SaS ins Parlament gewählt worden, obwohl OL'aNO damals bereits existierte, aber nicht an den Wahlen teilnahm. Es folgten Most-Híd mit 6,9% (-1,2), die SDKÚ-DS mit 6,1% (-9,3) und SaS mit 5,9% (-6,2). Alle anderen Parteienscheiterten an der Fünfprozenthürde. Die Wahlbeteiligung betrug 59,1% (2010: 58,8%).

Mit der SMER-SD verfügte erstmals in der Geschichte der unabhängigen Slowakei eine Partei über die absolute Mehrheit der Sitze. Der Parteivorsitzende Robert Fico, der bereits 2006-10 Ministerpräsident gewesen war, konnte rasch die Regierung bilden. Ihr gehörten mit Ausnahme dreier Parteiloser, die an die Spitze des Außen-, Justiz- und Gesundheitsministeriums berufen wurden, nur Mitglieder von SMER-SD an. Fico hatte nach den Wahlen andere Parteien zur Teilnahme an der Regierung eingeladen, sein Angebot hatte aber keine Resonanz gefunden. Einige der neuen Kabinettsmitglieder hatten bereits der letzten Regierung Fico angehört, darunter Außenminister Miroslav Lajcák ), Innenminister Robert Kalinák und Finanzminister Peter Kazimír, zuvor stellvertretender Finanzminister. Die Regierung wurde am 4.4.2012 vereidigt, das Parlament sprach ihr am 15.5. das Vertrauen aus.

Fico, der im Wahlkampf noch den Ausbau des Sozialstaats versprochen hatte, stellte in den Mittelpunkt seiner Regierungserklärung am 2.5.2012 die Konsolidierung der Staatsfinanzen. Bis 2013 soll das Haushaltsdefizit unter 3% des BIP gesenkt werden. Die Steuermehreinnahmen sollen aber nicht durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer erfolgen, sondern u. a. durch die Einführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer. Geringere Staatsausgaben sollen, so Fico, durch eine geplante Verwaltungsreform realisiert werden. Am 21.6. machte Fico detailliertere Angaben zu den Grundzügen der geplanten Finanzpolitik. So soll der einheitliche Steuersatz auf Einkommen abgeschafft werden und für alle monatlichen Einkommen ab 3246 Euro von 19 auf 25% angehoben sowie die Besteuerung von Unternehmensgewinnen über 30 Mio. Euro von 19 auf 23 % erhöht werden. Des Weiteren sollen Sondersteuern für Banken und Unternehmen in regulierten Wirtschaftsbereichen wie die Telekommunikation oder die Pharmabranche erhoben werden.

 

 

 

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