Theater in der DDR

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Das Theater in der DDR wurde nach kurzer Freiheit den gesellschaftspolitischen Vorstellungen des Marxismus-Leninismus von staatlicher Seite ausgerichtet. Die Bühnen der DDR unterstanden der Aufsicht der staatlichen Behörden sowie der SED, die in den Theatern selbst durch Parteigruppen und Parteisekretäre vertreten war. Diese Instanzen wachten darüber, dass die dem Medium zugewiesenen Funktionen erfüllt wurden. Die wichtigste war die Popularisierung des Marxismus-Leninismus als herrschende Staatsideologie sowie die Propaganda für den Aufbau und die Festigung des Sozialismus. Der nach Ostberlin zurückgekehrte Bertolt Brecht baute zusammen mit seiner Frau Helene Weigel das „Berliner Ensemble“ auf. Bertolt Brecht begründete die Neuform des episch-dialektischen Theaters. Der Schauspieler identifiziert sich nicht mit, sondern distanziert sich von der Figur. Der Bitterfelder Weg sollte eine neue programmatische Entwicklung der sozialistischen Kulturpolitik einläuten.
Dabei sollte geklärt werden, wie den Werktätigen ein aktiver Zugang zu Kunst und Kultur ermöglicht werden kann. Die „vorhandene Trennung von Kunst und Leben“ und die „Entfremdung zwischen Künstler und Volk“ sollte überwunden, die Arbeiterklasse am Aufbau des Sozialismus umfassender beteiligt werden. Erst zu Beginn der Honecker-Ära wurde die Doktrin des sozialistischen Realismus gelockert. Die Ästhetik der Moderne war für die Schriftsteller jetzt nicht mehr tabu. Wie in Lyrik und Prosa weitete sich auch im Drama die Thematik ins Allgemeine und Individuelle. Abseits der Theaterzentren duldete die Kulturpolitik der SED Anfang der 80er Jahre die ästhetisch-politischen Experimente des Regisseurs Frank Castorf.

 

 

 

 

 

 

Nach der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 hatten sich die Künstler auf eine sozialistische Perspektive zu besinnen. Übersetzt bedeutete dies, dass die  Künstler aufgerufen waren, das Publikum über die Vorzüge des jungen Staates aufzuklären. Die Arbeiter und Bauern sollten bewusst an die Kultur herangeführt werden. Dies sollte nicht nur mit entsprechenden Themen verwirklicht werden, sondern auch mit einem differenzierten Anrechts- und Preissystem sowie durch generell niedrige Eintrittspreise. Jeder sollte sich den Theaterbesuch leisten können.

Das Theater in der DDR wurde nach kurzer Freiheit den gesellschaftspolitischen Vorstellungen des Marxismus-Leninismus von staatlicher Seite ausgerichtet.[1] Die Bühnen der DDR unterstanden der Aufsicht der staatlichen Behörden sowie der SED, die in den Theatern selbst durch Parteigruppen und Parteisekretäre vertreten war. Diese Instanzen wachten darüber, dass die dem Medium zugewiesenen Funktionen erfüllt wurden. Die wichtigste war die Popularisierung des Marxismus-Leninismus als herrschende Staatsideologie sowie die Propaganda für den Aufbau und die Festigung des Sozialismus. Dieser Aufgabe kamen die Dramatiker und Theatermacher durchaus nach, doch zeigten sie zugleich auch immer wieder den Abstand zwischen dem Idealzustand und der Realität auf. Neben dieser politisch-pädagogischen Aufgabe war den Bühnen auch die der Entspannung und Unterhaltung ohne große politische Inhalte gestellt. Dieses wurde vor allem in selbständigen „Volkstheatern“ mit zum Teil selbst geschriebenen Stücken in allen Teilen der DDR verwirklicht.Schon am 16. Mai 1945 erteilte die sowjetische Militärverwaltung den Berliner Theatern Spielerlaubnis.[2] Vielfalt und Vitalität begünstigten die Entfaltung einer hohen Theaterkultur. Die deutsche Erstaufführung von Brechts "Mutter Courage" am Deutschen Theater in Berlin war der Höhepunkt der Saison 1948/49. Das Stück bettete sich hervorragend in die kulturpolitischen Forderungen an das Theater ein: Abgesehen von der Rezeption des klassischen Erbes sollten sich die Bühnen der Werke der Exil-Autoren, wie eben von Bertolt Brecht oder Friedrich Wolf, annehmen.

Der nach Ostberlin zurückgekehrte Bertolt Brecht baute zusammen mit seiner Frau Helene Weigel das „Berliner Ensemble“ auf.[3] Brecht blieb in den Jahren der SBZ und der DDR bis zu seinem Tod ein kultureller Außenseiter, der von der offiziellen Literatur der DDR kaum beachtet wurde. Seine Theaterproduktion im „Berliner Ensemble“ beschränke sich auf modellbildende Inszenierungsarbeit an seinen eigenen Stücken und auf wenige Dramenbearbeitungen.[4] Als 1948 in der sowjetischen Besatzungszone dann mehrere Theater wiedereröffnet wurden und auch in Berlin der Wiederaufbau der Volksbühne beschlossene Sache war, reiste er im Oktober 1948 auf Einladung des Kulturbundes der DDR von Zürich über Salzburg und Prag nach Berlin[5]. Es zeichneten sich bereits spätere Konflikte mit den Kulturfunktionären ab. Begriffe wie "volksfremde Dekadenz", noch mit Fragezeichen versehen, tauchten in der Öffentlichkeit auf, offenbar in Erwartung dessen, dass die Formalismusdebatte Shdanows[6] von 1948 in der UdSSR unweigerlich auch den Kunst- und Kulturbetrieb der DDR erreichen würde.[7] Anfang 1950 wandte sich Brecht[8] dem Stück „Der Hofmeister“ des Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz zu, für den er Zeit seines Lebens eine große Sympathie empfand. Die Premiere seiner Bearbeitung fand am 15.April 1950 statt, es war der größte Erfolg des Ensembles zu Lebzeiten Brechts, auch wurde er hier zum ersten mal von der Öffentlichkeit als Regisseur wahrgenommen.[9]  In den ersten Jahren schien das Konzept der gemeinsamen Arbeit begabter Schauspieler und Regisseure aus der Exilszene und junger Talente aus dem Inland aufzugehen, doch zeigten der Kalte Krieg und die Debatte um Brechts episches Theater auch in diesem Bereich bald Wirkung. Absprachen konnten nicht eingehalten werden, von Brecht erwartete Künstler wie Peter Lorre kamen nicht nach Berlin. Andere, mit Formalismusvorwürfen konfrontierte Künstler wie Teo Otto, beendeten die Zusammenarbeit.

Im inzwischen umbenannten Berliner Ensemble umgab sich Brecht oft und gern mit Schülern wie Benno Besson, Peter Palitzsch und Egon Monk. Anfang 1950 wandte sich Brecht dem Stück Der Hofmeister des „Sturm und Drang“-Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz zu, für den er zeit seines Lebens eine große Sympathie empfand. Die Premiere seiner Bearbeitung fand am 15. April 1950 statt, es war der größte Erfolg des Ensembles zu Lebzeiten Brechts, auch wurde er hier zum ersten Mal von der Öffentlichkeit als Regisseur wahrgenommen.

Er bereitete mit der Neuinszenierung von Die Mutter 1950/51 sein Publikum auf das von ihm gewollte „didaktische Theater“ vor. In der zu dieser Inszenierung einsetzenden eher mahnend-wohlwollenden Kritik wurde wieder einmal die Sonderrolle Brechts deutlich, die er im DDR-Kunstbetrieb genoss. Andere Künstler wie Paul Dessau bekamen die Formalismusvorwürfe der Funktionäre weitaus deutlicher zu spüren. Jedoch geriet auch Brechts Inszenierung der Oper Die Verurteilung des Lukullus, deren Erstaufführung am 17. März 1951 noch unter dem Titel Das Verhör des Lukullus stattfand, in die Auseinandersetzung. Durch gezielte Kartenvergabe seitens des Ministeriums für Volksbildung sollte offenbar ein Misserfolg organisiert werden. Der Plan schlug gründlich fehl. Auch in den folgenden Diskussionen zum Stück, an denen sich höchste Staatsfunktionäre beteiligten, agierte Brecht geschickt, immer den Kompromiss suchend. Am 7. Oktober 1951 erhielt Brecht den Nationalpreis der DDR I. Klasse. Brecht habe mit seinen Werken geholfen, "den Kampf für Frieden und Fortschritt und für eine glückliche Zukunft der Menschheit zu führen".

Als es am 17. Juni 1953 in Berlin zu Massenprotesten der Arbeiter in der DDR kam, äußerte Brecht noch am selben Tag in einem Brief an Walter Ulbricht Zustimmung zu den Maßnahmen der DDR-Regierung und zum Eingreifen der sowjetischen Truppen, mahnte aber auch gleichzeitig „eine große Aussprache mit den Massen" an.[10] In der poetischen Reflexion der Ereignisse nahm er Juli/August 1953 eine deutlicher distanzierte Haltung der DDR-Regierung gegenüber ein, die er in den Buckower Elegien im Gedicht „Die Lösung“ artikulierte.[11] Eine Aussprache, wie Brecht sie sich gewünscht hatte, kam nicht zustande, er zog sich aus den dann folgenden für ihn fruchtlosen Debatten zurück.[12]

Im Januar 1954 wurde das Ministerium für Kultur der DDR gegründet, Johannes R. Becher wurde zum Minister und Brecht in den künstlerischen Beirat berufen. Die alten Verwaltungsstrukturen wurden aufgelöst. Damit sollte die allgegenwärtige Spannung zwischen den Künstlern und den Staatsfunktionären endlich beseitigt werden. Die Formalismuskonzeption verschwand aus den Debatten. Brecht begrüßte die Änderungen und rief seine Künstlerkollegen dazu auf, die neuen Chancen zu nutzen. Am 19. März 1954 eröffnete Brecht mit seinen Mitarbeitern das Theater am Schiffbauerdamm mit einer Bearbeitung von Molières Don Juan. Vor dem Hintergrund der sich immer mehr verschärfenden Ost-West-Konfrontation beteiligte sich Brecht 1955 an Diskussionsabenden in West-Berlin und betrieb die Herausgabe seiner Kriegsfibel. Am 21. Dezember 1954 wurde Brecht mit dem Internationalen Stalin-Friedenspreis ausgezeichnet, der ihm am 25. Mai 1955 im Kreml überreicht wurde.

Das Theater am Schiffbauerdamm erreichte bald internationalen Ruf. Gastspiele des BE in aller Welt ließen Devisen in der Staatskasse klingeln. Aber schon 1951 trübte sich das Verhältnis zwischen Brecht und dem neuen Deutschland. Als er sich weigerte, den Text der Oper "Die Verurteilung des Lukullus" dem Parteikurs anzupassen, verschwand das Stück aus dem Spielplan. Das großzügige staatliche Mäzenatentum sorgte für eine der dichtesten Theaterlandschaften der Welt.

In den 1950er Jahren stand die  Formalismusdebatte zwischen Bertolt Brecht und Friedrich Wolf, die sich 1949 an einer Inszenierung von Brechts "Mutter Courage" entzündete. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte Wolf 1945 aus der Emigration nach Deutschland zurück und gehörte zur Aufbau-Generation der DDR. Hier war er vor allem schriftstellerisch und kulturpolitisch tätig und an der Gründung der DEFA beteiligt. 1947 gelang ihm die Rückholung des Tänzers und Choreographen Jean Weidt aus dem französischen Exil nach Berlin. 1948 gehörte er zu den Mitbegründern der deutschen Sektion der internationalen Schriftstellervereinigung P.E.N., war Herausgeber der Zeitschrift Kunst und Volk und wurde Erster Vorsitzender des Bundes Deutscher Volksbühnen. Von 1949 bis 1951 war er erster Botschafter der DDR in Polen. Wolf gehörte 1950 zu den Gründungsmitgliedern der Deutschen Akademie der Künste in Berlin (Ost). Am 5. Oktober 1953 starb Friedrich Wolf in seinem Arbeitszimmer in Lehnitz an einem Herzinfarkt. Seine Urne wurde in der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin-Lichtenberg beigesetzt. Friedrich Wolf hing einem realistischen dramatischen Prinzip an (Verwirklichung des Stanislawski-Prinzips an, wo die Wirklichkeit realisiert sich in Identifikation des Schauspielers mit der Figur realisiert Das Stück weist dramatische Spannung auf; es enthält emotionale Höhepunkte. Nicht der Zuschauer, sondern die Figur lernt aus der Handlung. Eine widerspruchsfreie Lösung wird angeboten.

Bertolt Brecht dagegen begründete die Neuform des episch-dialektischen Theaters. Der Schauspieler identifiziert sich nicht mit, sondern distanziert sich von der Figur. Solche Überlegungen münden bei Brecht schließlich in eine „Theorie des epischen Theaters“. Diese existiert jedoch nicht in Form eines geschlossenen Systems und wird von Brecht offensichtlich als solches auch gar nicht beabsichtigt. Bis auf wenige zusammenhängende Schriften wie die "Anmerkungen zur Oper 'Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny'" schlägt sich das Konzept des "epischen Theaters" in Essays, Arbeitsnotizen, Hinweisen und Erläuterungen  nieder und hat daher weitgehend fragmentarischen Charakter. Erst durch die Brechtrezeption werden aus diesen bunt zusammengewürfelten Textfragmenten Theorien entwickelt.

Das epische Theater soll nach Brecht gesellschaftliche und politische Veränderungen in Gang setzen. Die Demonstration gesellschaftlicher Widersprüche auf der Bühne soll Zuschauer aktivieren, Kritik am Schicksalsglauben und eine materialistische Haltung vermitteln. Das Theater soll vom Repräsentations- und Unterhaltungsinstrument für die Oberschicht zu einer kritischen Veranstaltung insbesondere für das Proletariat werden. Um aufzuklären, müsse beim Zuschauer ein Denkprozess ausgelöst werden.

Dazu sollte er sich der Illusion des Theaters bewusst werden und dürfe sich nicht, wie in der klassischen Theatertheorie der aristotelischen Katharsis gefordert, von der Handlung gefangen nehmen lassen, mit dem Protagonisten Mitleid empfinden, das Geschehene als individuelles Schicksal empfinden und als solches hinnehmen. Er soll das Dargebotene vielmehr als Parabel auf allgemeine gesellschaftliche Verhältnisse sehen und sich fragen, wie etwas an den dargestellten Missständen verändert werden könnte. Brechts Dramentheorie ist eine politische Theorie, seine im Exil geschriebenen Stücke versteht er als Versuche für ein neuartiges Theater.

Angesichts der zunehmenden Spaltung Deutschlands wurde der Gedanke eines sozialistischen Nationaltheaters geäußert.[13] Für die Spielpläne bedeutete das eine Ausrichtung der traditionellen Dramatik auf die Grundsätze des Marxismus-Leninismus, andererseits sollte aber auch die Gegenwartsdramatik in den Mittelpunkt rücken.

Typisch für die kritische Dramatik der DDR ist der Verweis auf die Diskrepanz von Anspruch und Wirklichkeit, mal verschlüsselt, mal direkt, wie es Peter Hacks in "Die Sorgen und die Macht" zeigte: "Kommunismus, wenn ihr euch/Den vorstelln wollt, dann richtet eure Augen/Auf, was jetzt ist, und nehmt das Gegenteil." Das Stück hatte im Mai 1960 Uraufführung am Theater der Bergarbeiter in Senftenberg unter der Regie von Klaus Gendries. Mit dem Bitterfelder Weg sollten auch die Theatermacher den Arbeitern näher kommen. Die Einrichtung von Arbeitertheatern in vielen Betrieben schuf nicht nur Gelegenheit für laienhaftes Spielen, sondern gab den Anstoß zur Beschäftigung mit professioneller Theaterkunst.

Der Bitterfelder Weg sollte eine neue programmatische Entwicklung der sozialistischen Kulturpolitik einläuten. Diese sollte den „wachsenden künstlerisch-ästhetischen Bedürfnissen der Werktätigen“ entgegenkommen. Namensgebend war eine am 24. April 1959 veranstaltete Autorenkonferenz des Mitteldeutschen Verlages im Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld, dem späteren VEB Chemiekombinat Bitterfeld. Dabei sollte geklärt werden, wie den Werktätigen ein aktiver Zugang zu Kunst und Kultur ermöglicht werden kann. Die „vorhandene Trennung von Kunst und Leben“ und die „Entfremdung zwischen Künstler und Volk“ sollte überwunden, die Arbeiterklasse am Aufbau des Sozialismus umfassender beteiligt werden.

Dazu sollten u. a. Künstler und Schriftsteller in den Fabriken arbeiten und Arbeiter bei deren eigener künstlerischer Tätigkeit unterstützen. Schon auf dem V. Parteitag hatte Staats- und Parteichef Walter Ulbricht 1958 eine stärkere Verknüpfung der Arbeiter mit der Kultur gefordert.  Nach der 1959 stattfindenden Konferenz wurde dieses Ziel nun als "Bitterfelder Weg" bekannt. Unter dem Motto "Greif zur Feder, Kumpel! Die sozialistische Nationalkultur braucht Dich!"

Obgleich sich einige Vorstellungen der SED mit dem Bitterfelder Weg nicht realisieren ließen, behielt sie die Kultur der Arbeiter im Auge. Der FDGB etwa veranstaltete jährlich, ab 1972 alle zwei Jahre, Arbeiterfestspiele, auf denen die Aufführungen der Arbeiter- und Amateurtheater zu sehen waren. Die Bearbeitung von Mythen- und Geschichtsdramen (Heiner Müller, Peter Hacks) bot Gelegenheit, um von einer normierten Gegenwartsdramatik abzuweichen. Durch eine zeitgemäße Interpretation auf der Bühne warfen diese Stücke Schlaglichter auf die Gesellschaft der DDR.

Einer der bekanntesten und auch umstrittensten Dramaturgen war Heiner Müller. 1954 wurde Müller Mitglied des Deutschen Schriftstellerverbandes (DSV), wo er ab 1957 die Funktion eines wissenschaftlichen Mitarbeiters der Abteilung Drama bekleidete. In dieser Zeit erfolgte die Erstaufführung seines Stückes Zehn Tage, die die Welt erschütterten. 1957/58 betätigte er sich als Redakteur der FDJ-Zeitschrift Junge Kunst, wurde 1958 Mitarbeiter am Maxim-Gorki-Theater in Berlin und freischaffender Autor. Im gleichen Jahr erfolgten die Erstaufführungen der Stücke Die Korrektur und Der Lohndrücker. Das Stück Die Umsiedlerin wurde 1961 nach der Uraufführung abgesetzt, Müller wurde aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen, was einem Berufsverbot gleichkam. Unterstützung erhielt Müller dagegen von Peter Hacks, Hanns Eisler und Hans Mayer. Es folgten Arbeiten für Rundfunk, DEFA und Fernsehen, meist unter Pseudonym. 1965 wurde Müller erneut von der SED kritisiert. Die Partei ließ die Aufführung von Der Bau absetzen. Müller schrieb die Stücke Philoktet (Uraufführung München 1968) und übersetzte für Benno Besson Sophokles‘ Ödipus Tyrann (Uraufführung am Deutschen Theater Berlin 1967). Das in der DDR verbotene Stück Mauser wurde 1975 in den USA uraufgeführt, 1980 in Köln. Germania Tod in Berlin wurde 1978 an den Münchner Kammerspielen uraufgeführt. 1988 wurde Müller dann wieder in den DDR-Schriftstellerverband aufgenommen.

Abseits der Theaterzentren duldete die Kulturpolitik der SED Anfang der 80er Jahre die ästhetisch-politischen Experimente des Regisseurs Frank Castorf. Er sprach in seinen Inszenierungen an, was ansonsten zensiert und tabuisiert wurde. In den Aufführungen des Anklamer Theaters schien sich ein Lebensgefühl auszudrücken, das in der DDR so nicht ausgelebt werden konnte und daher als subversiv verstanden wurde. In der Tat zog das Theater hauptsächlich junge, potentiell oppositionell gestimmte Leute an. Schließlich wurde Castorf als Oberspielleiter fristlos entlassen. Die Bedeutung der Unterhaltungsfunktion des Theaters in der DDR, ablesbar an der hohen Zahl von leichten Operetten und Komödien in den Spielplänen, zeigte sich auch in der Beliebtheit der neun Freilichttheater, die bekanntesten wohl das Harzer Bergtheater und Ralswiek auf Rügen. Hier hatte Kurt Barthels (Kuba) Ballade "Klaus Störtebecker" unter der Regie von Hanns Anselm Perten 1959 Premiere.

Erst zu Beginn der Honecker-Ära wurden die Doktrin des sozialistischen Realismus gelockert. Die Ästhetik der Moderne war für die Schriftsteller jetzt nicht mehr tabu. Wie in Lyrik und Prosa weitete sich auch im Drama die Thematik ins Allgemeine und Individuelle. Die Behauptung des einzelnen gegenüber der Gesellschaft erschien als neues Motiv. Ulrich Plenzdorf gestaltete es exemplarisch in seinem in Ost und West gleichermaßen erfolgreichen Stück "Die neuen Leiden des jungen W". zieht Parallelen zwischen Goethes Werther (aus Die Leiden des jungen Werthers), Salingers Holden (aus Der Fänger im Roggen), Robinson (aus Daniel Defoes Robinson Crusoe) und Edgar Wibeau als siebzehnjährigem Ostdeutschen in der DDR.[14] Plenzdorf schrieb 1968 eine Urfassung als Filmszenarium, die er bei der DEFA einreichte, welche aber abgelehnt wurde. Darauf schrieb Plenzdorf Die neuen Leiden des jungen W. als Prosatext und bot das Manuskript mehreren Verlagen an. 1972 wurde in der DDR-Literaturzeitschrift Sinn und Form der Prosatext veröffentlicht.

1973 bot der Hinstorff Verlag Plenzdorf eine Buchveröffentlichung mit einer größeren Seitenzahl als die Sinn und Form-Veröffentlichung an. So konnte Plenzdorf seinen Prosatext überarbeiten. 1976 wurde das Stück mit Klaus Hoffmann und Léonie Thelen in den Hauptrollen verfilmt. Erschienen ist das Buch zu jener Zeit in der DDR, in der Schriftsteller neue Freiräume genießen und Gesellschaftskritik üben durften, lässt Plenzdorf seinen Protagonisten Edgar Wibeau in seinem Roman rebellieren.

Der Protest Edgars richtet sich an die gesellschaftlichen Verhältnisse, die es dem Jugendlichen schwer machen, sich selbst zu finden und zu entfalten, nicht jedoch an die Grundlagen der sozialistischen Gesellschaft an sich. Die Leitideen dieser Gesellschaft der DDR sind im Roman allgegenwärtig. Während in der BRD verschiedene Weltanschauungen ihren Platz finden, gibt es in der DDR neben der kommunistischen Ideologie für andere Weltanschauungen keinen Raum. Die SED sieht in der Jugendpolitik eine große Rolle und nutzt die FDJ zur ideologischen Beeinflussung und politischen Mobilisierung. Im Rahmen der Erziehung zu einer sozialistischen Persönlichkeit, sind Spontaneität und Kreativität unerwünscht. Dieses Fehlen von Entfaltungsmöglichkeiten kritisiert Edgar Wibeau im Roman und widersetzt sich immer wieder den Erwartungen, sei es durch sein Äußeres oder auch nach seinem Fehlverhalten zu Beginn des Romans durch seine Flucht nach Berlin, welche verdeutlicht, dass sein Selbstbewusstsein sich nicht mit den Ansprüchen einer Gesellschaft vereinbaren lässt, die den sozialistischen Fortschritt der Gesellschaft vor die Selbstverwirklichungsansprüche des Einzelnen stellt.

Er legte seinem Helden Sätze in den Mund, die die Stimmungslage einer Mehrheit der DDR-Bevölkerung trafen: „Sie haben nichts gegen den Kommunismus. Kein einziger intelligenter Mensch kann etwas gegen den Kommunismus haben. Aber ansonsten sind sie dagegen.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 




[1] http://www.pohlw.de/literatur/theater/ddr.htm

[2] http://www.zeitklicks.de/ddr/zeitklicks/zeit/kultur/theater-1/

[3] Mittenzwei, W.: Das Leben des Bertolt Brecht oder der Umgang mit den Welträtseln, Frankfurt/M. 1989, S. 98

[4] Ebd., S. 277

[5] Emmerich, W.: Kleine Literaturgeschichte der DDR, Berlin 2000, S. 53

[6] Prokop, S.: 1956 – DDR am Scheideweg. Opposition und neue Konzepte der Intelligenz, Berlin 2006, S. 82

[7] Mittenzwei, W.: Das Leben des Bertolt Brecht oder der Umgang mit den Welträtseln, Frankfurt/M. 1989, S. 329

[8] Knopf, J. (Hrsg.): Brecht Handbuch, Band 1, Stuttgart 1988, S. 14

[9] Ebd., S. 412

[10] Brecht, B.: Ausgewählte Werke in sechs Bänden, Frankfurt/M. 1997, Bd.3, S. 509f

[11] Mittenzwei, W.: Das Leben des Bertolt Brecht oder der Umgang mit den Welträtseln, Frankfurt/M. 1989, S. 64

[12]Grauer, M.: DDR-Bildungspolitik 1949-1961, Köln 1989, S. 103f

[13] http://www.theater-info.de/ddr_theater.html

[14] http://www.goethezeitportal.de/fileadmin/PDF/db/wiss/goethe/werther_scha...

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