Blockade Berlins

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Die Blockade Berlins war ein Höhepunkt des Ost-West-Konflikts in der Nachkriegszeit. Der Abbruch der Blockade am 12.05.1949 war in den Augen der Weltöffentlichkeit die schwerste Niederlage, die die Sowjetunion seit dem Ende des 2. Weltkrieges hinnehmen musste

 

Berlin erlebte das politische Ringen der Nachkriegszeit in geographisch verkleinertem Maßstab. Wie im Alliierten Kontrollrat so folgten auch in der Kommandantur Berlins auf eine Periode halbwegs sinnvoller Zusammenarbeit der vier Besatzungsmächte eine Zeit wachsender Gegensätze und schließlich der Zerfall.[1]

 

Nach den Oktober-Wahlen des Jahres 1946 vermochte die SED in Berlin einen stärkeren Einfluss auf das öffentliche Leben auszuüben, als es der Zahl seiner Sitze angemessen gewesen wäre.

 

Dies hing damit zusammen, dass ein großer Teil der öffentlichen Einrichtungen im Ostsektor Berlins lag – so das Rathaus. Die Polizei unter dem Kommando des von der Sowjetunion mit seinem Amt betrauten Polizeipräsidenten Markgraf entzog sich den Weisungen des Magistrats und ließ ein parlamentarisches Misstrauensvotum unbeantwortet. Übergriffe kommunistischer Behördenleiter wurden vom sowjetischen Stadtkommandanten gedeckt, so dass die auf das Prinzip der Einstimmigkeit verpflichtende Kommandantur wenig dagegen ausrichten konnte.

 

Im Dezember 1946 wählten die Stadtverordneten den Sozialdemokraten Otto Ostrowski zum Oberbürgermeister, unter dessen Vorsitz alle vier Parteien – SPD, CDU, SED und LDPD – im Magistrat zusammenwirkten. Aber bereits im April 1947 musste Ostrowski zurücktreten – die drei nichtkommunistischen Parteien warfen ihm vor, sowjetische Forderungen zu nachgiebig zu begegnen.

 

Eine breite Mehrheit der Stadtverordneten wünschte Ernst Reuter an die Spitze des Magistrats zu berufen, aber die Sowjetunion legte gegen die Wahl Reuters zum Oberbürgermeister ihr Veto ein, so dass Louise Schröder (SPD) als amtierende Oberbürgermeisterin fungieren musste.

 

Die Abneigung der Sowjetunion gegen Ernst Reuter lag in seiner Biographie begründet.[2] Der 1890 geborene Reuter hatte sich beim Ausbruch der Russischen Revolution 1917 als Kriegsgefangener den Bolschewiki angeschlossen, war nach seiner Rückkehr zum Generalsekretär der KPD aufgestiegen, hatte jedoch 1922 aus Sorge vor dem russischen Einfluss auf die deutschen Kommunisten mit der Partei gebrochen und sich der Sozialdemokratie angeschlossen. Als Berliner Stadtrat für Verkehr hatte er in der Weimarer Republik das hauptstädtische Verkehrswesen glänzend organisiert. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme war er emigriert, um bis zu seiner Rückkehr 1946 in der Türkei als Verkehrsexperte tätig zu sein. Die Sowjetunion hatte ihm den Bruch mit der KPD nie verziehen.

 

Die Berliner Bevölkerung sah der Ausbreitung der sowjetischen Interessenpolitik nicht tatenlos zu. Als der FDGB mehr und mehr auf die Linie der Einheitspartei einschwenkte, schufen demokratische Gewerkschaftler die „Unabhängige Gewerkschaftsorganisation“ (UGO). Studenten und Professoren widersetzten sich den Eingriffen der Volksbildungsverwaltung unter Paul Wandel (SED) in die Autonomie der Berliner Universität. Nachdem im April 1948 Redakteure einer unabhängigen Studentenzeitung relegiert worden waren, riefen Studenten zur Gründung einer „Freien Universität“ in Westberlin auf.[3]

 

Seit dem Sommer 1947 sprach General Kotikow in den Sitzungen der Kommandantur immer häufiger von Groß-Berlin als einem Teil der SBZ. Die nach der Bildung der Bizone beginnende Verlegung westalliierter Stäbe nach Frankfurt am Main deutete die Sowjetunion in der Öffentlichkeit als Abzug der Westmächte, um so die Unruhe unter der Bevölkerung zu steigern. Nach der gescheiterten Außenministerkonferenz von London im Frühjahr 1948 nahmen die Behinderungen des Verkehrs zwischen den Westzonen und Berlin ständig zu. Die Westalliierten mussten zeitweilig eine kleine Luftbrücke errichten, die täglich 60 bis 100 Tonnen Güter für den eigenen Bedarf transportierte. Nach einem Luftzwischenfall im April drohten die Briten an, ihre Passagierflugzeuge fortan von Jagdmaschinen begleiten zu lassen. Sie planten, Lebensmittellager anzulegen und ordneten den Bau eines Kraftwerkes im britischen Sektor an, da das in Ostberlin gelegene Kraftwerk Klingenberg sowjetischer Kontrolle unterlag.[4]

 

Insgesamt jedoch waren die Westmächte auf die Blockade mangelhaft vorbereitet:[5] „Auf die sowjetischen Versuche, ihre Herrschaft über Berlin zu behaupten und die Verbindungen mit dem Westen zu lähmen, antworteten die Alliierten zusammenhanglos, manchmal mit starken Worten und militärischen Gesten, manchmal mit Unentschlossenheit und Kompromissbereitschaft.“

 

Die Regierungen in Washington und London waren sich der Auswirkungen eines Rückzuges aus Berlin auf das europäische Kräfteverhältnis durchaus bewusst, wohl in stärkerem Maße als die französische Diplomatie. Dennoch enthielt das Londoner Kommuniqué vom Juni 1948 keine Äußerungen zur Lage in Berlin, obwohl General Clay in einer telefonischen Konferenz mit dem Washingtoner Kriegsministerium im April in beschwörenden Worten Härte gefordert hatte:[6] „ Die Tschechoslowakei haben wir verloren, Norwegen schwebt in Gefahr. Wir geben Berlin auf. Wenn Berlin fällt, folgt Westdeutschland als nächstes. Wenn wir beabsichtigen, Europa gegen den Kommunismus zu halten, dürfen wir uns nicht von der Stelle rühren. Wir können Demütigungen und Druck, die nicht zum Kriege führen, in Berlin einstecken, ohne das Gesicht zu verlieren. Wenn wir fortgehen, gefährden wir unsere europäische Position. Falls Amerika dies jetzt nicht versteht, wenn es nicht begreift, daß die Würfel gefallen sind, wird es nie zu dieser Erkenntnis kommen, und der Kommunismus wird alles überrennen. Ich glaube, die Zukunft der Demokratie verlangt von uns, daß wir bleiben.“

 

In dieser Lage erkannte der Kreis um Ernst Reuter früh, wie viel von der Haltung der Berliner Bevölkerung selbst abhing. Am 18. März, am Tage der Jahrhundertfeier der 1848er Revolution, zur selben Stunde, als in Ostberlin der Volkskongress tagte, riefen Franz Neumann (SPD), Jakob Kaiser (CDU), Karl Hubert Schwennicke (LDPD) die Berliner in einer Massenversammlung vor der Ruine des ausgebrannten Reichstages zum Widerstand auf. [7]

 

So wurde die deutsche Hauptstadt der Schauplatz dramatischen Geschehens, an welchem deutsche Politiker in stärkstem Maße die Entscheidungen der Besatzungsmächte mitzugestalten vermochten.

 

Am 16.06.1948 verließen die sowjetischen Vertreter die Sitzung der Alliierten Kommandantur; die Ausschüsse setzten ihre Beratungen allerdings noch einige Zeit fort. Am 18. Juni gaben die Westmächte ihre Währungsreform bekannt, ohne sie sogleich auf Berlin auszudehnen. Vier Tage später erörterten Finanzexperten der vier Mächte noch einmal ergebnislos die Auswirkungen der getrennten Reformmaßnahmen auf Berlin. Die französischen Sachverständigen waren bereit, die Ostmark in ganz Berlin als verbindliches Zahlungsmittel anzuwenden. Dem widersetzten sich die beiden anderen Stadtkommandante, solange bestimmte Bedingungen hinsichtlich der Kontrolle des Geldumlaufs ungeklärt erschienen.

 

Die Sowjetunion ordnete darauf kurzfristig an, dass ihre Währungsreform in allen Sektoren Berlins zu gelten habe. Sie verpflichteten Louise Schröder, ihre Anweisungen durchzuführen. Am 23.06 verfügten die Westmächte, dass in ihren Sektoren die Westmark als gültiges Zahlungsmittel einzuführen sei. Sie verlangten vom Magistrat, dass er die sowjetischen Anweisungen lediglich im Ostsektor respektiere.

 

Für die Nachmittagsstunden hatte der Stadtverordnetenvorsteher Suhr (SPD) eine Sitzung des Berliner Parlamentes in das im Sowjetsektor gelegene Stadthaus einzuberufen. Die Einheitspartei mobilisierte Demonstranten. Grumke schilderte die Ereignisse folgendermaßen:[8] „Die Straßen vor dem Stadthaus sind mit Menschenmengen überfüllt. Die Demonstranten, die sich gegen 14 Uhr Einlaß verschafft haben, haben die Tribünen des Stadtverordnetensaales gewaltsam besetzt und füllen fast den ganzen oberen Korridor des Gebäudes. Stadtrat Theuner soll, wie wir erfahren, verstärkten Polizeischutz angefordert haben.“

 

Die Polizei kam dieser Aufforderung nicht nach, so dass nach dem Ende der Sitzung einzelne Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung Misshandlungen erdulden mussten. Die Situation begann, sich zuzuspitzen:[9] „Unter lautem Protest und Drohrufen der im Stadthaus versammelten Menge erklärte Stadtverordnetenvorsteher Suhr, daß die Sitzung nicht eher eröffnet werde, bis die Tribüne wieder geräumt worden sei. Immer mehr Leute haben sich vor dem Stadthaus versammelt. Sie tragen rote Fahnen und Transparente. Ein Lautsprecherwagen überträgt Ansprachen von Otto Grotewohl und Walter Ulbricht.“

 

Einige der Parlamentarier konnten erst in den späten Abendstunden das Rathaus wieder verlassen, nachdem der Magistrat gegen den Protest der SED-Fraktion seine Absicht bekundet hatte, zwei Währungen nebeneinander bestehen zu lassen. In der Nacht vom 23. zum 24. Juni sperrte die Sowjetunion den gesamten Personen- und Güterverkehr nach Berlin, die Stromlieferung aus dem Ostsektor und die Lebensmittelzufuhr aus ihrer Zone.[10]

 

Beide Seiten verlagerten sich auf die psychologische Kriegsführung. Im Laufe des 24. Juni strahlte der Ostsender Meldungen aus, die Westberliner Wasserversorgung sei im Begriffe zusammenzubrechen. Eine Gegendarstellung des amerikanischen Rundfunksenders RIAS veranlasste die Westberliner Haushalte, die sprunghaft gestiegen Wasserentnahme wieder auf ein normales Maß zu vermindern. Die UGO warnte die Arbeitnehmer vor Streikparolen des FDGB. Während 80.000 Berliner sich auf einer Massenversammlung zum Zeichen des Protests gegen die in den frühen Morgenstunden begonnene Blockade vereinten, liefen die ersten Gegenmaßnahmen des Westens an: die Transporte von Kohle und Stahl aus der Bizone in den Osten wurden unterbrochen.

 

Am 25. Juni fasste General Clay den Entschluss, eine Luftbrücke einzurichten. Noch zögerte die Regierung in Washington, sich eindeutig zu entscheiden. An jenem Tag transportierten britische Maschinen 6,5 Tonnen Lebensmittel nach Berlin. Niemand hielt es für möglich, dass genau dreihundert Tage später 927 Flugzeuge in ein bis zwei Minuten Abstand auf den Flugplätzen Tempelhof, Gatow und Tegel landend, an einem Tage 6.393,8 Tonnen Güter in die belagerte Stadt befördern würden, nicht nur Lebensmittel, sondern auch Kohle, Werkzeuge und Maschinen.

 

Noch am selben Tag beschloss der Magistrat, die dringendsten Maßnahmen zur Rationierung einzuleiten und einen Appell an die Vereinten Nationen zu entwerfen. Die Demonstrationen im Stadthaus erzwangen erste – mit Rücksicht auf die zum Magistrat gehörenden SED-Stadträte noch informelle – Gespräche über eine mögliche Verlegung von Dienststellen aus dem Ostsektor nach Westberlin.

 

Die sowjetische Seite erklärte am 1. Juli, dass die Alliierte Kommandantur nicht mehr bestehe:[11] „Am 3. Juli begaben sich die drei westlichen Militärgouverneure einzeln zu Sokolowskijs Hauptquartier bei Potsdam. Sie wurden an der Stadtgrenze von sowjetischen Begleitoffizieren empfangen. Man führte uns direkt in Sokolowskijs Vorzimmer, sodann in seinen Arbeitsraum. Dort begrüßte er uns höflich, aber kalt. (…) Robertson drückte seine Besorgnis über die Verschlechterung unserer Beziehungen aus, die in der Blockade gipfelten, und sagte, wir wünschten uns in der Währungsfrage eine Übereinkunft zu erzielen, durch die alles wieder in Ordnung käme. Sokolowskij unterbrach ihn, um in verbindlichem Ton zu erklären, die technischen Schwierigkeiten würden solange anhalten, bis wir unsere Pläne für eine westdeutsche Regierung begraben hätten. Das war ein erstes Eingeständnis der wirklichen Blockadegründe.“

 

Offenbar war die Sowjetunion davon überzeugt, dass die Luftbrücke auf die Dauer keinen Erfolg haben könnte – schon gar nicht während der Wintermonate. Am 7. Juli traf zwar der erste Kohletransport an Bord einer Skymaster an. Die Zahl der einsatzbereiten Maschinen erschien dennoch zu gering, obwohl aus allen Teilen der Welt britische und amerikanische Flugzeuge nach Deutschland geschickt wurden.

 

So erwog General Clay eine Mitteilung an die Sowjetunion, ein bewaffneter Konvoi werde nach Berlin durchbrechen, um die „technischen Schwierigkeiten“, von denen in sowjetischen Verlautbarungen die Rede war, zu beseitigen. Clay ging von der Vermutung aus, dass die Sowjetunion an einem Krieg gar nicht interessiert sei. Die Regierung der USA hielt jedoch das Risiko für zu groß und zog daher einen Notenwechsel und diplomatische Verhandlungen vor.

 

In der Tat begannen in den letzten Tagen des Juli Gespräche zwischen den Botschaftern der Westmächte und sowjetischen Regierungsstellen in Moskau, an denen sich zeitweilig Stalin selbst beteiligte. Immerhin konnten sich die vier Verhandlungspartner Ende August über eine Direktive an ihre Berliner Kommandanten einigen – mit dem Inhalt, dass die Blockade aufzuheben und in ganz Berlin die Ostwährung einzuführen sei.

 

Das Abkommen erwies sich jedoch als hinfällig, sobald die Besatzungsbehörden in die Beratung der technischen Details eintraten.

 

Eine Verständigung erschien umso schwieriger, als die SED inzwischen die Angriffe auf die gewählten politischen Organe Berlins verstärkt hatte. Im Juli war ein Aufruf an die Westberliner ergangen, sich zum Einkauf von Lebensmitteln im Ostsektor registrieren zu lassen. Die Bevölkerung sah darüber hinweg, da selbst in den harten Wintermonaten schätzungsweise 4% der Westberliner Bevölkerung in Ostberlin einkaufte.

 

Als im Herbst Louise Schröder erkrankte und Friedensburg (CDU) als amtierender Bürgermeister an ihre Stelle trat, legte dieser Wert darauf, sein Büro im alten Stadthaus zu behalten, obwohl einige Dienststellen inzwischen nach Westberlin umgezogen waren und man auch mit dem Aufbau einer – der Befehlsgewalt des Polizeipräsidenten Markgraf nicht länger unterworfenen – Polizei begonnen hatte.

 

Am 26. August drangen SED-Demonstranten in eine Stadtverordnetensitzung ein. Als am folgenden Tag die eisernen Gitter vor dem Haupteingang geschlossen wurden, stürmte die Menge das Stadthaus. Suhr musste die Sitzung des Parlamentes vertagen. Ein dritter Versuch am 6. September, die Stadtverordneten im Rathaus zu versammeln, scheiterte angesichts der Ausschreitungen der Demonstranten, so dass die Mehrheit der Stadtverordneten sich entschloss, die Sitzung von nun an im Westsektor abzuhalten. Ca. 250.000 Menschen protestierten am 9. September auf dem Platz der Republik vor dem Reichstag gegen das Vorgehen der SED. Als einige Demonstranten versuchten, die rote Fahne vom Brandenburger Tor herunterzuholen und zu verbrennen, eröffneten sowjetische Soldaten das Feuer und töteten dabei einen Jugendlichen.[12]

 

In der ersten Oktoberwoche beschäftigte sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit dem Konflikt in Berlin. Der Gedanke, die Weltorganisation einzuschalten, nachdem die Moskauer Botschaftergespräche als gescheitert gelten mussten, ging von amerikanischer Initiative aus. Großbritannien und Frankreich zögerten zunächst, freundeten sich aber dann mit dem amerikanischen Vorschlag an. Der sowjetische Vertreter teilte mit, er werde sich an den Beratungen nicht beteiligen. Als die nicht unmittelbar in den Konflikt verwickelten Mitglieder des Sicherheitsrates ihre Bemühungen verstärkten, um eine Kompromissformel auf der Grundlage der im August getroffenen Vereinbarungen zu erzielen, bezog die sowjetische Delegation ihrerseits Stellung. Sie bediente sich des Vetorechtes, um eine Entschließung des Sicherheitsrates zu verhindern, die die Einführung der Ostwährung in ganz Berlin mit einer Vier-Mächte-Kontrolle des Geldwesens verbinden wollte. Es erwies sich dabei, dass die in Deutschland tätigen westalliierten Militärs und Politiker solche Kompromisspläne skeptischer beurteilten als die Diplomaten in den ausländischen Hauptstädten. Vorstellungen der um Vermittlung bemühten Finanzexperten der UNO mussten sich ab Ende November mit einem zusätzlichen administrativen Problem auseinandersetzen: der Spaltung des Berliner Magistrats.

 

Im Herbst 1948 hatte die Sowjetunion den Ring um Berlin, die Sperren an der Sektorengrenze enger gezogen und die Bezirksämter der acht Ostberliner Bezirke personell verändert. Am 30. November, als der Sicherheitsrat einen Spezialausschuss mit der Untersuchung der Berliner Währungssituation betraute, da rief die SED über tausend Funktionäre und Abgesandte der Parteien und Organisationen in einem Ostberliner Theatersaal zusammen, erklärte den demokratisch gewählten Magistrat für abgesetzt und ernannte Fritz Ebert (SED) zum neuen Oberbürgermeister.[13] Ebert versicherte, dass Berlin voll in die sowjetische Zone eingegliedert werde. Am folgenden Morgen hinderte die Polizei im Ostsektor den amtierenden Bürgermeister Friedensburg am Betreten des Stadthauses. Die Sowjetunion erkannte sogleich den neu eingesetzten Magistrat an, dem die in Westberlin tagende Stadtverordnetenversammlung ebenso wie die westlichen Kommandanten jede Legitimation absprach.

 

Der Grund für die Spaltung des Magistrats lag auf der Hand: nach der vorläufigen Verfassung der Stadt mussten alle zwei Jahre Wahlen abgehalten werden. Sie waren für Anfang Dezember geplant, obwohl die Wahlvorbereitungen im Ostsektor auf sowjetische Weisung abgebrochen worden waren. Die SED rief zum Boykott der Wahlen auf und ließ kein Mittel unversucht, die Bevölkerung von der Ausübung des Stimmrechts abzuschrecken.

 

Dennoch gaben 86,6% der wahlberechtigten Westberliner ihre Stimme ab. 64,5% entschieden sich für die SPD, 19,4% für die CDU und 16,1% für die LPD. Nach den Wahlen vom 5. Dezember übernahm Ernst Reuter das Amt des Oberbürgermeisters.

 

Ende Januar gab Stalin der amerikanischen Nachrichtenagentur INS ein Interview, das die Diplomaten aufhorchen ließ.[14] Stalin machte die Aufhebung der Blockade davon abhängig, dass die vom Westen an der Zonengrenze errichtete Gegenblockade ebenfalls beendet und eine Vier-Mächte-Außenministerkonferenz einberufen werde, bevor der westdeutsche Staat endgültig aus der Taufe gehoben sei. Die Währungsfrage erwähnte Stalin nicht mehr. Am 15. Februar richtete der stellvertretende Delegierte der USA im Sicherheitsrat, Jessup, an den sowjetischen Vertreter Malik die Frage, ob die Unterlassung Stalins zufällig sei. Einen Monat später teilte Malik Jessup mit, nichts sei zufällig, die Sowjetunion halte die Währungsfrage für wichtig, glaubten jedoch, sie sei am besten auf einer Außenministerkonferenz zu besprechen. Am 21. März ergänzte Malik seine Mitteilung dahingehend, dass die Blockade vor dem Beginn der Konferenz aufgehoben werden könnte, sobald nur der Tagungstermin fest vereinbart sei.

 

Einen Tag zuvor hatten die Westmächte die DM-West zum einzigen gesetzlichen Zahlungsmittel innerhalb ihrer Sektoren erklärt.

 

Ende März rief die Sowjetunion Sokolowskij aus Deutschland ab und ernannte an seiner Stelle General Tschuikow zum Befehlshaber. Verschiedene Umstände deuteten darauf hin, dass der politische Berater der SMAD, Oberst Tulpanow, in Ungnade gefallen war.

 

Die USA und Großbritannien unterstrichen am 16. April noch einmal die Leitungsfähigkeit der Luftbrücke: 12.940 Tonnen Güter wurden binnen 24 Stunden nach Berlin gebracht. Die Sowjetunion hatte ihre Vertreter auch während der Blockade nicht aus der Alliierten Luftsicherheitszentrale zurückgezogen und wusste daher über den Verkehr in den drei Luftkorridoren genau Bescheid.

 

Am 4. Mai legten die Siegermächte ein zusammen ausgearbeitetes Kommuniqué der Öffentlichkeit vor. Darin wurde beschlossen, dass Blockade und Gegenblockade am 12. Mai zu beenden und danach dieselben Maßnahmen anzuwenden seien, die vor dem 1. März 1948 gegolten hatten.

 

In annähernd 200.000 Flügen transportierten britische und amerikanische Maschinen während der Zeit der Luftbrücke ca. 1,44 Millionen Tonnen nach Berlin – darunter 950.000 Tonnen Kohle und 438.000 Tonnen Lebensmittel. In Berlin selbst waren zehntausende Arbeitskräfte in drei Schichten am Werk, in Tempelhof und Gatow neue Landebahnen anzulegen und den Flughafen Tegel zu bauen. Dabei starben mehr als 50 Menschen (Piloten, Bodenpersonal, Zivilbevölkerung).[15]

 

Das Ende der Blockade feierten die Berliner gemeinsam mit den alliierten Soldaten. Am 14. Mai unterzeichneten die drei Stadtkommandanten ein Besatzungsstatut für Westberlin, das die rechtlichen Bedingungen zwischen ihnen und der deutschen Bevölkerung regelte. Ein Streik des Eisenbahnpersonals für eine Entlohnung in Westmark war eine letzte unmittelbare Folge der Ereignisse, die mit den getrennten Währungsreformen ihren Anfang genommen hatten.

 

Über die Ursachen des sowjetischen Nachgebens gingen die Meinungen im Westen auseinander: die Gegenblockade hatte zweifellos die Wirtschaft der Sowjetzone in Schwierigkeiten gebracht. Der Kampf um Berlin fügte dem sowjetischen Prestige schweren Schaden zu. Dessen ungeachtet hatte die Sowjetunion in der Zwischenzeit jedoch in ihrer Besatzungszone eine volksdemokratische Ordnung herangebildet.

Der Abbruch der Blockade am 12.05.1949 war in den Augen der Weltöffentlichkeit die schwerste Niederlage, die die Sowjetunion seit dem Ende des 2. Weltkrieges hinnehmen musste.[16] Aber zur gleichen Zeit bedeutete der Sieg der kommunistischen Armee in China den größten Machtzuwachs der Sowjetunion seit 1945.




[1] Materna, I./Ribbe, W.: Geschichte in Daten. Berlin, Berlin 1993, S. 78

[2] Guhl, M.: Ernst Reuter – ein Demokrat in Berlin, in: Berliner Forschungen, (1992), Nr. 12, S. 24-36, hier S. 27f

[3] Ebd. S. 29

[4] Poetzsch, H.: Deutsche Geschichte von 1945 bis zur Gegenwart. Die Entwicklung der beiden deutschen Staaten, München 1998, S. 66f

[5] Zitiert aus Grumke, J.: Berlin 1948, Stuttgart 1992, S. 23

[6] Ebd., S. 25

[7] Poetzsch, Deutsche Geschichte von 1945 bis zur Gegenwart, a.a.O., S. 67

[8] Grumke, Berlin 1948, a.a.O., S. 26f

[9] Ebd., S. 29

[10] Stuge, R.: Totale Blockade, totale Luftbrücke, in: Giesla, B./Lemke, M./Lindenberger, T.: Sterben für Berlin ? Die Berliner Krisen 1948-1958, Berlin 2000, S. 59-77, hier S. 68ff

[11] Ebd., S. 70

[12] Ebd. S. 74

[13] Grumke, Berlin 1948, a.a.O., S. 74

[14] Ebd., S. 82ff

[15] Ebd., S. 87ff

[16] Barclay, D.E.: Schaut auf diese Stadt. Der unbekannte Ernst Reuter, Berlin 2000, S. 66

 

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