"Fremdenabwehr" als normales menschliches Verhalten?

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Irinäus Eibl-Eibesfeldt, Schüler von Konrad Lorenz, ist ein österreichischer Verhaltensforscher, der die Humanethologie als selbständigen Forschungszweig begründete.[Eibl-Eibesfeldt vertritt die Überzeugung, dass es sich „bei der Xenophobie der Erwachsenen um ein anthropologisches Merkmal des Menschen“ handele, das angeblich „stammesgeschichtlich fundiert“ wäre.

Irinäus Eibl-Eibesfeldt, Schüler von Konrad Lorenz, ist ein österreichischer Verhaltensforscher, der die Humanethologie als selbständigen Forschungszweig begründete.[1] Von 1945 bis 1949 studierte er Zoologie und Botanik an der Universität Wien und war von 1946 bis 1949 Mitarbeiter von Otto Koenig an der Biologischen Station Wilhelminenberg. Eibl-Eibesfeldt legte die Lehramtsprüfung für Naturgeschichte und Physik ab und promovierte anschließend.[2] Von 1951-1969 arbeitete er am Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie, 1963 erfolgte seine Habilitation an der Universität München, wo er 1970 eine Professur für Zoologie antrat. Er betrieb umfangreiche ethologische Forschungen in Afrika, Südamerika und Ostasien, wo er besonders „angeborene“ Verhaltensweisen untersuchte. Er leitete die Forschungsstelle für Humanethologie in Andechs bei München und gründete 1992 das Ludwig-Boltzmann-Institut für Stadtethologie in Wien, das er zusammen mit Karl Grammer leitet. Eibl-Eibesfeldt favorisiert einen „biologischen Reduktionismus“, indem er Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung an Tieren eins zu eins auf den Menschen überträgt.[3] Eibl-Eibesfeldt betrieb eine „Universalien-Forschung“ des angeborenen als auch Teile des kulturellen Verhaltens des Menschen. Darunter verstand er das Bedürfnis nach kultureller Besonderheit, Identifikation und Abgrenzung, Mythenbildung, Indoktrinierbarkeit auf Gruppenwerte und Ausbildung von Sonderformen ebenso wie die elementaren Emotionen und Verhaltensweisen der Angst, Freude und Trauer, Liebe und Hass.“[4] In methodischer Hinsicht übernimmt die Humanethologie Verfahrensweisen, aus Feldbeobachtungen statistisch auswertbare Datensätze zu erstellen (Dokumentation und Beschreibung), eine vergleichend morphologische Betrachtungsweise sowie experimentelle Ansätze. Drei Forschungsfelder sind dabei besonders hervorzuheben: die Erforschung von Menschen im frühen Kindesalter, von Kindern mit Erfahrungsdeprivation (Blinde, Taubblinde) sowie des menschlichen Sozialverhaltens im Kulturvergleich.

Immer wieder wird Eibl-Eibesfeldt vorgeworfen, rassistische Thesen wissenschaftlich zu untermauern, um diese als glaubwürdig über den rechten Rand hinaus in die „Mitte“ der Gesellschaft zu etablieren.[5] Vor allem seine These, dass eine dem Menschen „angeborene Fremdenfurcht“ existiere, sorgte in der demokratischen Öffentlichkeit für Aufregung und Gegenreaktionen.

Eibl-Eibesfeldt leitet aus seinen Forschungen den Anspruch ab, biologisch fundierte ethische Normen zu propagieren und aus diesem Fundus politische Handlungsanweisungen zu schaffen. Laut Eibl-Eibesfeldt sind die Menschen mit „angeborenen verhaltenssteuernden Programmen“ ausgerüstet, die die Wahrnehmung, das Denken und Handeln entscheidend beeinflussen würden. Er spricht von einem „stammesgeschichtlichen Erbe“, das sich in den letzten zehntausend Jahren nicht verändert hätte: „Diese Programme entwickelten sich in jener langen Zeit, in der unsere Vorfahren auf altsteinzeitlicher Entwicklungsstufe als Jäger und Sammler in Kleinverbänden lebten.“[6]

Für Eibl-Eibesfeldt gehört auch das Machtstreben zum „stammesgeschichtlichen Erbe“ der Menschheit: „Eine solche Problemanlage, die leicht zum Stolperstrick wird, ist unser Streben nach Macht und Ansehen. Es ist wohl ein recht altes Erbe, denn die meisten in Gruppen lebenden Säugetiere bilden Rangordnungen. Das äußert sich bei niederen Säugern in der Ausbildung von Dominanzstrukturen. Ranghohe Tiere werden jene, die sich anderen gegenüber durch physische Kraft und Geschick gewaltsam durchsetzen können. Sie gewinnen Vortritt zu beschränkten Ressourcen. (…) Fremden gegenüber neigt der Mensch (…) dazu, die Ellenbogen zu gebrauchen und Dominanz auszuüben. Auch Politiker, die in einem demokratischen Verfahren in Führungspositionen gewählt wurden, fallen leicht den Verführungen der Macht anheim. (…) Das Machtstreben ist nun deshalb so problematisch, weil es sich dabei um einen Antrieb handelt, der keine abschaltende Situation kennt. Anders als bei Hunger, Durst oder Sex, die gegen Übertreibung durch Mechanismen der Sättigung abgesichert sind, gibt es beim Machtstreben keine Sättigung und keine abschaltende Endsituation. Im Gegenteil.“[7]

Auf der biologischen Ebene sei auch der Mensch in der heutigen Gesellschaft an ein Leben in territorialen Kleingruppen angepasst, die sich von anderen abgrenzen würden. Die Drei-Generationen-Familie bildet laut Eibl-Eibesfeldt den Kristallationskern solcher Gemeinschaften. Aus seinen Forschungsarbeiten leitete er die Ansicht ab, die Emanzipationsansprüche der modernen Frauen seien mutterschaftsfeindlich und damit unnatürlich. Die Neigung von Menschen zum Gefolgsgehorsam gegenüber schutzversprechenden Führerfiguren würden ebenfalls zum „stammesgeschichtlichen Erbe“ gehören.[8] Menschen neigten dazu, sich in Gruppen zusammenzuschließen und von „Fremden“ abzugrenzen. Dies sei bereits bei Säuglingen zu beobachten, die im Alter von sechs bis acht Monaten „Fremdenfurcht“ zeigten: „Sehr früh im Säuglingsalter beobachten wir Abgrenzung über die agonistischen Verhaltensmuster Flucht und Abwehr. Während sich Säuglinge in den ersten drei Monaten nach der Geburt jedem, der sich ihnen nähert, freundlich zuwenden, ändern sie im Alter von sechs bis acht Monaten ihr Verhalten in oft dramatischer Weise. (…) Zur Entwicklung der Fremdenscheu bedarf es keinerlei schlechten Erfahrungen mit Fremden. Auch Kinder, die nie Böses von Fremden erfahren haben, verhalten sich so, und zwar in allen daraufhin untersuchten Kulturen, offenbar aufgrund stammesgeschichtlicher Programmierung.“[9]

Die Stärke der „Fremdenscheu“ hänge davon ab, wie ähnlich „der Fremde“ den Bezugspersonen des Kindes sei. Kindern von Schwarzafrikanern würden sich „mehr von weißen Fremden als von Fremden der eigenen Rasse“ fürchten. Dieses Verhaltensmuster gelte analog für „weiße Kinder“.

Eibl-Eibesfeldt vertritt die Überzeugung, dass es sich „bei der Xenophobie der Erwachsenen um ein anthropologisches Merkmal des Menschen“ handele, das angeblich „stammesgeschichtlich fundiert“ wäre: „Bemerkenswert bleibt das Mißtrauen, das zunächst unser Verhalten gegenüber Fremden kennzeichnet. Dieses Vorurteil schafft die Bereitschaft, vom Fremden vor allem das Negative wahrzunehmen, gewissermaßen als Bestätigung des Vorurteils.“[10] Damit legitimiert Eibl-Eibesfeldt rassistische Einstellungen und Handlungen als „normale“ menschliche Denk- und Reaktionsmuster, die unveränderlich seien und nicht mit pädagogischen oder bildungspolitischen Maßnahmen zu bekämpfen wären.

Indem er sich auf Ergebnisse der Evolutionsbiologie stützt, hält Eibl-Eibesfeldt „Rangordnung und Territorialität“ für typische Merkmale des menschlichen Denkens, die sich „von der Stufe der Jäger und Sammler“ bis in die Gegenwart erhalten hätten.[11] Zu allen Zeiten hätten sich Menschengruppen durch Sprache, Brauchtum und Glauben gegenüber anderen abgegrenzt und auf diese Weise eine wie auch immer geartete Identität geschaffen: „Menschen haben ein Bedürfnis, sich mit dem kulturellen Erbe der Gemeinschaft, in die sie hineingeboren werden, zu identifizieren, dieses Erbe weiterzugeben und zu erhalten.“[12] Auch auf der heutigen Stufe staatlich organisierter Gemeinschaften werde das „familiare Wir-Gruppen-Gefühl“ auf eine größere Gemeinschaft, der ethnisch fundierten Nation, übertragen: „Man spricht von den anderen Angehörigen der Nation als seinen Brüdern und Schwestern und betont die Ähnlichkeit, die ja Ausdruck einer Verwandtschaft ist, in Kleidung, Brauchtum, Sprache und durch Berufung auf die gemeinsame Geschichte und Abstammung.“[13] Für Eibl-Eibesfeldt bedeutet ein so verstandenes Nationalbewusstsein eine „lebensstützende Identifikationsmöglichkeit“, die dazu führe, dass ihre Mitglieder bevorzugt untereinander heiraten würden.[14] Die Mitglieder der Nation hätten das Bedürfnis, das „kulturelle Erbe der Gemeinschaft, in die sie hereingeboren werden, (…) weiterzugeben und zu erhalten“.[15]

Eibl-Eibesfeldt übersieht bei dieser Darstellung, dass der Begriff „Nation“ in der wissenschaftlichen Forschung schon längst als Konstrukt gesehen wird. Ernest Gellner kam zu dem Schluss: „Nationalismus ist keineswegs das Erwachen von Nationen zu Selbstbewußtsein: man erfindet Nationen, wo es sie vorher nicht gab.“[16] Balibar und Wallerstein diagnostizierten: „Sicher ist indessen, dass es uns beiden gleichermaßen wichtig erscheint, die Nation und das Volk als historische Konstruktionen zu denken, dank derer die heutigen Institutionen und Antagonismen in die Vergangenheit projiziert werden können, um den ‚Gemeinschaften‘ eine relative Stabilität zu verleihen, von denen das Gefühl der individuellen ‚Identität‘ abhängt.“[17] Benedict Anderson definiert „Nation“ als „eine vorgestellte politische Gemeinschaft – vorgestellt als begrenzt und souverän. Vorgestellt ist die deswegen, weil ihre Mitglieder selbst der kleinsten Nation die meisten anderen niemals kennen, ihnen begegnen oder auch nur von ihnen hören werden, aber im Kopf eines jeden die Vorstellung ihrer Gemeinschaft existiert.“[18]

Das gesamte soziale Handeln scheint kulturell überformt, d.h. kollektive Abwehrmechanismen, Feindseligkeit bis zu gewaltsamen Eruptionen sind erworbene Grundkonstanten und Mentalitäten in einer nationalen Gemeinschaft. Für Eibl-Eibesfeldt gehört die „Neigung zum Ethnozentrismus“ zu den „allgemeinmenschlichen Eigenschaften“. Nationen würden immer als Solidargemeinschaften auftreten, die zunächst einmal eigene Interessen vertreten würden, das zugleich ihr „Überlebensinteresse“ sei. In sozialdarwinistischer Manier sieht Eibl-Eibesfeldt einen Kampf der Völker und Nationen um „begrenzte Lebensgrundlagen“ vor allem auf ökonomischer Ebene: „Völker und Nationen konkurrieren um begrenzte Lebensgrundlagen, heute vor allem wirtschaftlich, und sie sind gerüstet und durchaus auch bereit, zu den Waffen zu greifen, wenn vitale Interessen gefährdet scheinen.“[19]

Die Nationalstaaten Europas seien durch eine gemeinsame Kultur und Geschichte von der Zeit der Jäger und Sammler bis in die Gegenwart miteinander verbunden. Das friedliche Zusammenleben sei laut Eibl-Eibesfeldt nur dann gewährleistet, wenn jede Nation sich in einem Gebiet kulturell frei entfalten kann und eine Selbstverwaltung vorhanden sei. Auch innerhalb eines Staates könnten verschiedene Völker, die „lang eingesessen und damit territorial verwurzelt sind“, neben- und miteinander leben. Wenn dagegen durch Immigration neue Minoritäten entstehen, würden die Einwanderer stets als Bedrohung wahrgenommen werden: „Die Einwanderer werden dann als Landabnehmer wahrgenommen. Sie nehmen mit ihrer Niederlassung auf Dauer die kostbarste Ressource, die einem Volk zur Verfügung steht, in Anspruch, nämlich das Land. Sie werden daher als Eindringlinge erlebt, und das löst geradezu automatisch territoriale Abwehrreaktionen aus (…). Gestattet ein Volk anderen freie Immigration und den Aufbau von Minoritäten, dann tritt es Land ab und lädt sich zwischenethnische Konkurrenz im eigenen Lande auf.“[20]

Jede Immigration sei von „einer sozialen Desintegration und damit einer Störung des sozialen Friedens“ begleitet, was sich unter anderem auch in einer erhöhten Kriminalitätsrate bemerkbar mache. Die „kulturelle Distanz“ macht er für die angeblich höhere Kriminalitätsrate unter Zuwanderern verantwortlich: „(…) Menschen, die sich nicht nahestehen, dazu neigen, einander auszunutzen. (…) In einer Gemeinschaft, in der jeder jeden kennt, benehmen wir uns meistens recht anständig. (…) Nun stehen Immigranten den Bewohnern des Landes ihrer Wahl noch fremder gegenüber als diese einander als Mitglieder der anonymen Gemeinschaft einer Nation. Die Hemmschwelle gegenüber den ihnen fremden (…) Bewohnern des Gastlandes ist daher geringer als gegenüber den Mitgliedern der jeweils eigenen Solidargemeinschaft.“[21]

Eibl-Eibesfeldt unterscheidet dabei zwischen europäischer Binnenwanderung und „kulturferner“ Einwanderung. Damit sind Einwanderer gemeint, die nicht aus dem angeblich kulturverwandten Europa kommen. Die europäische Binnenwanderung ist für Eibl-Eibesfeldt „unproblematischer“, weil es sich „um kulturell nah Verwandte“ handelt.[22] Europäer wären „biologisch-anthropologisch“ eine „recht einheitliche Population“. Eine angeblich existierende „europäische Identität“ würde die „jeweilige Integration von Europäern in eine andere europäische Nation“ erleichtern. Ein „verträgliches Miteinander“ der einheimischen Bevölkerung und Migranten würde laut Eibl-Eibesfeldt nur im Falle einer „völligen Assimilation“ der Migranten funktionieren. Die „Gastarbeiter“, die ab 1955 aufgrund von Anwerbeabkommen aus der Türkei, Griechenland, Spanien, Italien usw. in die Bundesrepublik kamen, hätten sich nur zum Teil „assimiliert“; die Mehrheit „grenzte sich jedoch auf ethnischer Basis in eigenen Solidargemeinschaften von der übrigen Bevölkerung ab“.[23] Die deutsche Staatsbürgerschaft und damit auch das Wahlrecht sollten für nicht der Europäischen Union angehörenden Migranten nur bei „völliger Assimilation“ gewährt werden. Auf die sich daraus ergebenen Fragen, wie diese „Assimilation“ auszusehen hat, wann sie erreicht ist und welche Folgen sich für ihr Ignorieren seitens der Migranten ergeben, geht Eibl-Eibesfeldt nicht ein. Weiterhin kritisiert er den „hypertrphen Altruismus“ der Europäer, die sich im Umgang mit der „Dritten Welt“ dauernd selbst herabsetzen und als Ausbeuter anklagen, während sie reichlich „Entwicklungshilfe“ zu zahlen bereit sind.[24]

Er spricht sich vehement gegen interkulturellen Immigrationsgemeinschaft aus: „(…) der Aufbau einer multikulturellen Immigrationsgemeinschaft in einem relativ homogenen Nationalstaat problematisch und eigentlich nicht zu verantworten ist. Man darf nicht „Experimente mit Menschen“ anstellen, die den inneren Frieden und damit den Fortbestand der freiheitlichen Demokratie gefährden. (…) wenn man auf lange Sicht die eigene ethnische Identität aufs Spiel setzt und zugleich für kulturelle Vielfalt eintritt, denn auch durch die Pflege der eigenen Kultur trägt man ja zur Erhaltung der Vielfalt bei.“[25]

Eibl-Eibesfeldt duldet keine[26] Abweichungen von der Fiktion eines homogenen Nationalstaates; kulturelle Verschiedenheit und Vielfalt im Sinne einer interkulturellen Gesellschaft würde zu „Polarisierungen“ führen, die „eine liberale Demokratie gefährden“. Er fragt sich, ob sich „die Einwanderer von den Einstellungen der Wirtschafts- und Arbeitskultur ihrer Herkunftsländer lösen und die der Deutschen übernehmen würden“.[27] Hinter dieser Denkhaltung steht der weit verbreitete Stereotyp der „faulen Südländer“ und der „fleißigen Deutschen“, die „ehrliche Arbeit“ hochschätzen.[28] Eibl-Eibesfeldt macht dabei ihm typische künstliche Trennung zwischen „Wir-Gruppe“ (Deutsche) und „Fremdgruppe“ (Einwanderer). Sowohl die „Wir-Gruppe“ als auch die „Fremdgruppe“ werden dabei ohne Ansehen der jeweiligen Individuen homogenisiert und ihnen unveränderliche Merkmale zugeschrieben. Eibl-Eibesfeldt will den Zuzug von Menschen aus „kulturfernen Regionen“ auf Einzelfälle beschränken. Damit meint er vor allem Menschen aus Afrika, Asien oder Lateinamerika, die nicht dem als homogen gedachten „europäischen Kulturbereich“ angehören.[29]

Die Journalistin Marielouse Jannsen-Jurreit stellt in diesem Zusammenhang zu Recht fest: „Anders als etwa sein Lehrer Konrad Lorenz schreibt Eibl-Eibesfeldt platteste Leitartikel-Prosa. An erkenntnistheoretischer Brillanz (…) ist ihm auch nicht gelegen. Dazu ist er zu sehr selbstzufriedener Inhaber eines behaglich-konservativen Weltbilds, das er in zahlreichen Publikationen ausgiebig pflegt. Problemlos wie keinem anderen gelingt es ihm, das problematische Erbe des deutschen Sozialdarwinismus in die Lehre von angeborenen Verhaltensweisen zu übernehmen. Ob es sich um Themen wie Krieg und Frieden, um die sexuelle Doppelmoral, um Homosexualität, Kapitalismus oder moderne Kunst handelt, immer fühlt sich Eibl-Eibesfeldt als Humanethologe zuständig, glaubt sich zwanghaft berufen, in paternalistischer Manier seiner Leserschaft erzieherisch die Hand auf die Schulter zu legen.(…) Dem Verhaltensforscher Eibl-Eibesfeldt schwebt eine Welt vor, in der nach der für ihn akzeptablen Lösung der südafrikanischen Homelands Kulturen und Rassen abgegrenzt nebeneinander koexistieren unter Wahrung ihrer eigenen Identität.“[30]

Sozialpsychologisch betrachtet schafft Eibl-Eibesfeldt mit der Feindseligkeit gegenüber „Fremden“ ein negativ konnotiertes Fremdbild, um ein überlegenes Selbstbild der eigenen Gesellschaft und den dazugehörigen Normen und Werten zu erzeugen. Diese Prozesse der Konstruktion von Bildern über vermeintlich „Fremde“ oder „Andere“ mitsamt quasi kausale naturgegebene Erklärung für Gewalt und Ausgrenzung  sind nichts anderes als vereinfachende biologistische Stigmatisierungs- und Diskriminierungsmuster unter Heranziehung einer Dichotomie von „Inländern“ und „Ausländern“, die auch von den extremen Rechten und Anhängern des völkischen Nationalismus vertreten werden. Diese Weltsicht reduziert Komplexität und schafft scheinbar sichere unberührbare Werte in einer schnelllebigen Welt der Globalisierung. Eine Gruppe definiert sich über die Abgrenzung von Anderen und erfindet sich selbst wie ihnen Eigenschaften, die eine Abgrenzung erlauben. Auch die Neugier auf das Andere oder die gewollte Auseinandersetzung mit anderen Lebensformen scheinen für Eibl-Eibesfeldt nicht zu existieren. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es keine „anthropologischen Konstanten“ der „Abwehr von Fremden“ ohne die spezifischen Rahmenbedingungen einer Gesellschaft gibt. In den frühen 1990er Jahren wurden Asylsuchende als unerwünscht erklärt. Gero Lenhardt bemerkte dazu: „Ein Vergleich mit der Aufnahme, die andere ‚Fremde‘ finden, läßt erkennen, daß weniger mitgebrachte Fremdheit als die politisch gewollte soziale Ausgrenzung zum Problem wird. Gegen die Familie eines japanischen Geschäftsmannes als Nachbar wendet kaum jemand etwas ein.“[31]




[1] Vgl. dazu folgende Werke: Eibl-Eibesfeldt, I.: Grundriß der vergleichenden Verhaltensforschung, München 1967; Eibl-Eibesfeldt, I.: Die Biologie des menschlichen Verhaltens. Grundriß der Humanethologie, München 1984; Eibl-Eibesfeldt, I.: Menschenforschung auf neuen Wegen. Die naturwissenschaftliche Betrachtung menschlicher Verhaltensweisen, Wien 1976

[2] http://www.br.de/themen/wissen/humanethologe-irenaeus-eibl-eibesfeldt-10...

[3] Wilhelmi, C.: Anthropologische Konstanten?, Heidelberg 1998, S. 35

[4] Drähner, U.: Die Neue Rechte in der Bundesrepublik Deutschland, Marburg 1996, S. 85 Vgl. dazu auch Eibl-Eibesfeldt, I.: Menschenforschung auf neuen Wegen, 2. Auflage, München 1984 sowie Eibl-Eibesfeldt, I.: Liebe und Haß. Zur Naturgeschichte elementarer Verhaltensweisen, München 1984

[5] Sengoulo, A.: Rassismus in der Bundesrepublik, Würzburg 1996, S. 34f; Wiegmann, K.-H.: Vordenker der Menschenfeindlichkeit, in: Einspruch, 2. Jg., Heft 2 (1997), S. 5-10, hier S. 7

[6] Eibl-Eibesfeldt, I.: Zukunft multikulturelle Gesellschaft?, in: Eder, R./Mölzer, A.: Einwanderungsland Europa?, Graz 1993, S. 129-142, hier S. 130

[7] www.estelmann.com/private/eibl1.htm

[8] Siehe auch I. Eibl-Eibesfeldt: Der vorprogrammierte Mensch. Das Ererbte als bestimmender Faktor im menschlichen Verhalten,Wien / Zürich / München 1973

[9] Eibl-Eibesfeldt, I.: Wider die Misstrauensgesellschaft. Streitschrift für eine bessere Zukunft, 2. Auflage, München 1994, S. 108

[10] Ebd., S. 112

[11] Ebd., S. 32

[12] Ebd., S. 65

[13] Ebd., S. 107

[14] Ebd., S. 39

[15] Eibl-Eibesfeldt, Zukunft multikulturelle Gesellschaft?, in: Eder/Mölzer, Einwanderungsland Europa?, a.a.O., S. 136

[16] Gellner, E.: Thought and Change, London 1964, S. 13

[17] Balibar, E./Wallerstein, I.: Rasse Klasse Nation. Ambivalente Identitäten, Hamburg/Berlin 1990, S. 15

[18] Anderson, B.: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts, 2. Auflage, Frankfurt/Main 2006, S. 15

[19] Eibl-Eibesfeldt, Wider die Misstrauensgesellschaft, a.a.O., S. 126

[20] Ebd., S. 136

[21] Ebd., S. 150

[22] Ebd., S. 138

[23] Ebd., S. 117

[24] www.spiegel.de/spiegel/print/d-13493351.html

[25] Eibl-Eibesfeldt, Wider die Misstrauensgesellschaft, a.a.O., S. 155

[26] Eibl-Eibesfeldt, Zukunft multikulturelle Gesellschaft?, in: Eder/Mölzer, Einwanderungsland Europa, a.a.O., S. 138

[27] Eibl-Eibesfeldt, Wider die Mißtrauensgesellschaft, a.a.O., S. 130

[28] Wrobel, E.: Die neue Arbeitsgesellschaft, Berlin 1984, S. 103f

[29] Eibl-Eibesfeldt, Wider die Misstrauensgesellschaft, a.a.O., S. 160

[30] www.spiegel.de/spiegel/print/d-13493351.html

[31] Lenhardt, G.: Der verwahrloste Nationalismus. Über die Anschläge auf Asylsuchende, in: Neue Sammlung, Vierteljahreszeitschrift für Erziehung und Gesellschaft, 4/1993, S. 541-552, hier S. 545

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