Militärische Erziehung in der DDR

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In der DDR begann die Wehrerziehung bereits im Kindesalter. Sie fand unregelmäßig in Form von Truppenbesuchen von Kindergärten in Kasernen oder Präsenz der Nationalen Volksarmee (NVA) auf Pressefesten und ähnlichen Veranstaltungen statt. In unteren Klassenstufen, Pionierlagern, Ferienspielen und Ferienlagern wurden Geländespiele und so genannte Pioniermanöver durchgeführt. Grundformen militärischer Ordnungsformen wurden im Schulsportunterricht vermittelt. Neben der allgemeinen vormilitärischen Ausbildung wurden Wehrlager (für Jungen zwei Wochen am Ende der 9. Klasse) und ein Marsch der Bewährung für ca. fünf Tage im Jahr während der Berufsausbildung (an der EOS einmalig am Ende der 11. Klasse) und Wettkämpfe (Wehrspartakiaden) durchgeführt. Durch die im Wehrdienstgesetz festgeschriebene Teilnahme an der vormilitärischen Ausbildung, ohne die in der Regel der Zugang zu Studium und Berufsausbildung versperrt war, kamen fast alle jungen Männer und Frauen mit der GST in Kontakt, die diese Übungen organisierte, auch wenn sie keine Mitglieder der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) waren.

Vormilitärische Erziehung

Im Zuge des Kalten Krieges wurden schon Kinder und Jugendliche mit den Praktiken der „Wehrhaftigkeit“ im speziellen bei der NVA vertraut gemacht und schon ideologisch geschult.[1] In der DDR begann die Wehrerziehung bereits im Kindesalter. Sie fand unregelmäßig in Form von Truppenbesuchen von Kindergärten in Kasernen oder Präsenz der Nationalen Volksarmee (NVA) auf Pressefesten und ähnlichen Veranstaltungen statt. In unteren Klassenstufen, Pionierlagern, Ferienspielen und Ferienlagern wurden Geländespiele und so genannte Pioniermanöver durchgeführt. Grundformen militärischer Ordnungsformen wurden im Schulsportunterricht vermittelt. Eine Disziplin für Klassen in der Oberstufe war der Weitwurf von Handgranatenattrappen.

Seit dem Schuljahr 1978/79 war der Wehrunterricht in der 9. und 10. Klasse Pflichtfach.[2] Teil des Faches war am Ende des 9. Schuljahres ein zweiwöchiges Lager. Jungen wurden meist ins Wehrlager geschickt, während Mädchen an der Schule in Zivilverteidigung (ZV) ausgebildet wurden. Die DDR regelte die Zivilverteidigung (ZV) gesetzlich zwischen 1967 und 1970, unterstellte ihr die Sanitätseinrichtungen des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) der DDR und integrierte den Katastrophenschutz. Bürger der DDR (auch Frauen) konnten ab vollendetem 18. Lebensjahr für Aufgaben der Zivilverteidigung dienstverpflichtet werden. Ein Lehrgang für Zivilverteidigung war für alle Mädchen sowie diejenigen Jungen, die nicht in das Wehrlager fuhren, Bestandteil des Wehrunterrichts in der Polytechnischen Oberschule. Ähnliches galt für die vormilitärische Ausbildung in der Erweiterten Oberschule, der Berufsausbildung und im Studium. Die Einführung des obligatorischen Faches wurde von der NVA und der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) unterstützt.[3] In der gymnasialen Oberstufe der Erweiterten Oberschule wurde die vormilitärische Ausbildung kontinuierlich fortgesetzt. Nach der 11. Klasse beziehungsweise auch nach dem 1. Lehrjahr gab es wieder ein GST- oder ZV-Lager. Teilweise wurden Schulabgänger auch in der Lehre, beim Studium und im FDGB in wehrerzieherische Programme integriert. Ablehnung konnte zu Karriereproblemen führen. Allerdings muss man auch beachten, dass es viele Formen des stillen Protestes gegen wehrerzieherische Maßnahmen gab.

Der Zweck der sozialistischen Wehrerziehung wurde offiziell beschrieben als (…)ein wichtiger (organisierter) Bestandteil der (einheitlichen) sozialistischen Bildung und Erziehung. Sie umfaßt die Gesamtheit aller Maßnahmen zur ideologischen, charakterlichen und physischen Formung der Bürger unseres Staates im Hinblick auf die umfassende Verteidigung der DDR. (Sie dient dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Eigenschaften, die die Bürger befähigen, die sozialistischen Errungenschaften zu sichern und (…) umfaßt neben der sozialistischen Bewußtseinsbildung die vormilitärische und militärische Ausbildung. (…) Ziel der sozialistischen Wehrerziehung ist es, durch Erläuterungen unserer Militärpolitik die uneingeschränkte Bereitschaft aller Bürger zur Verteidigung unserer sozialistischen Errungenschaften zu erreichen.“[4]

Die Gesellschaft für Sport und Technik (GST) war eine Massenorganisation in der DDR.[5] Sie sollte offiziell vor allem der gemeinschaftlichen Freizeitgestaltung technisch und sportlich interessierter Jugendlicher dienen, die dazu erforderlichen technischen Mittel (wie Motorräder, Flugzeuge, Funkgeräte) zur Verfügung stellen und technische Sportarten und dazugehörige Sportförderung und Wettkämpfe, wie Motor- und Schießsportarten pflegen bzw. veranstalten. Sie trug damit auch zur Militarisierung der Gesellschaft der DDR bei, indem sie unter anderem die gesetzlich vorgeschriebene vormilitärische Ausbildung (VA, auch VMA) zusammen mit der Nationalen Volksarmee an Schulen, Universitäten und in den Betrieben durchführte. Sie wurde am 7. August 1952 gegründet und im Frühjahr 1990 aufgelöst.

Ursprünglich war die GST eine Organisation, die vor allem der gemeinschaftlichen Freizeitgestaltung von technisch und sportlich interessierten Menschen (jeden Alters) in der DDR dienen sollte.[6] So sollten u.a. Heranwachsenden die Möglichkeit gegeben werden, ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten. Ältere, erfahrene Mitglieder sollten die unerfahrenen unter ihre Obhut nehmen und unterstützen. Die erforderlichen Mittel (wie Motorräder, Boote, Lkw, Pkw, Flugzeuge, Funkgeräte, Gewehre, Werkstätten und auch Tiere) wurden größtenteils zur Verfügung gestellt und wurden von den Mitgliedern und fest angestellten Personen gepflegt/gewartet. Schnell wandelte sich jedoch die Aufgabe der GST. Zunehmend rückte der Wehrsport in den Vordergrund.

Die Bedeutung der Organisation wuchs weiterhin vom bloßen Wehrsport zur „Schule des Soldaten von morgen“.[7] Sie betrieb Ausbildungsbasen, Schießstände, führte Wehrausbildungslager und Wettkämpfe durch. Durch die im Wehrdienstgesetz festgeschriebene Teilnahme an der vormilitärischen Ausbildung, ohne die in der Regel der Zugang zu Studium und Berufsausbildung versperrt war, kamen fast alle jungen Männer und Frauen mit der GST in Kontakt, die diese Übungen organisierte, auch wenn sie keine Mitglieder der GST waren.

Ein Teil der Oberschüler (EOS) war Mitglied der GST.[8] Wie sehr das Militärische im Vordergrund stand, hing stark vom Ausbilder an der Schule ab. Neben der allgemeinen vormilitärischen Ausbildung wurden Wehrlager (für Jungen zwei Wochen am Ende der 9. Klasse) und ein Marsch der Bewährung für ca. fünf Tage im Jahr während der Berufsausbildung (an der EOS einmalig am Ende der 11. Klasse) und Wettkämpfe (Wehrspartakiaden) durchgeführt. Die GST vereinigte in ihren Reihen Jugendliche und Erwachsene beiderlei Geschlechts mit dem Ziel, sie durch den Sport körperlich zu ertüchtigen, mit technischen Kenntnissen auszurüsten und insgesamt für das Militär und internationale Sportwettkämpfe nutzbringende Kenntnisse und Fähigkeiten herauszubilden.[9] Oftmals bot sie die einzige Möglichkeit, bestimmte Sportarten (zum Beispiel Segelfliegen, Motorfliegen, Schießsport Tauchsport) legal auszuüben. Hintergrund bildete u. a. hier die Grund- und Laufbahnausbildung (2 Jahre) zur Vorbereitung auf den Wehrdienst in Speziallaufbahnen oder als Offizier. Jugendliche hatten durch eine Mitgliedschaft in der GST die Möglichkeit, einen Führerschein für Lkw, Pkw, Motorrad oder Moped zu erlangen. Für viele Jugendliche war dieses Angebot der wesentliche Beweggrund, in die GST einzutreten.[10] 1984 wurden etwa 200 Mio. Mark, 1,1 % des offiziellen Verteidigungsetat zur Finanzierung aufgewendet, der Rest musste von anderen staatlichen Einrichtungen finanziert werden.[11] Das Beitragsaufkommen der Mitglieder war zu vernachlässigen. Für Mitglieder gab es ab 1961 Uniformen, Dienstränge, Leistungsnadeln und Orden. Die GST-Vorstände wurden von hauptamtlichem Personal mit militärischem Hintergrund, meist ehemaligen Berufssoldaten, dominiert.

Im Jahr 1979 hatte die GST rund 530.000 Mitglieder in über 9.800 lokalen Sektionen, die innerhalb der Grundorganisationen gebildet wurden. Neben den meist fachspezifischen Sektionen war die GST als Massenorganisation nach den Regeln des demokratischen Zentralismus in Grundorganisationen, Kreis- und Bezirksvorständen und dem Zentralvorstand (ZV) organisiert. Die Grundorganisationen existierten in Betrieben, Berufsschulen, Erweiterten Oberschulen, Hoch- und Fachschulen, in Verwaltungsinstitutionen und Produktionsgenossenschaften. Als höchstes Organ der Gesellschaft für Sport und Technik galt laut Satzung der Kongress, der nach der Regel alle fünf Jahre tagte und dessen Aufgabe es war den Zentralvorstand zu wählen. Die vormilitärische Erziehung sollte letztlich den Dienst in der Nationalen Volksarmee (NVA) vorbereiten. Die NVA-Gründung 1956 war das Ergebnis einer Entwicklung, die am 10. Juli 1952 mit der Proklamation der „Nationalen Streitkräfte“ durch die Volkskammer der DDR begonnen hatte.[12] In ihrem Verlauf wurden die Kasernierte Volkspolizei (KVP) sowie die Grundstrukturen einer Militärorganisation aufgebaut. Bis kurz nach dem Mauerbau 1961 war die NVA im betonten Gegensatz zur Bundeswehr eine Freiwilligenarmee. Der Aufbau vollzog sich ab 1955 unter Anleitung der Sowjetunion. Die Gründung der NVA erfolgte am 18. Januar 1956 per Gesetz). Die Aufstellung erfolgte in mehreren Etappen, bis zum 1. März 1956 sollten die Stäbe und Verwaltungen einsatzfähig sein.

Wie bei der Bundeswehr wurde auf ehemalige Angehörige der Wehrmacht zurückgegriffen.[13] Sie kamen meist aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft und waren dort bei sogenannten antifaschistischen Frontschulen ideologisch vorgebildet und ausgewählt worden. Mit Stichtag 1. Januar 1958 waren im 20.399 Mann starken Offiziersbestand der NVA etwa 2.600 ehemalige Mannschafts- und etwa 1.600 Unteroffiziersdienstgrade sowie 400 Offiziere – insgesamt also reichlich 23 Prozent – ehemalige Wehrmachtsangehörige. Die ehemaligen Offiziere wurden vorwiegend im Ministerium, an Schulen und in Kommandostellen der Teilstreitkräfte und Militärbezirke eingesetzt. Von den 82 höheren Kommandoposten in der Armee waren 61 von ehemaligen Wehrmachtsangehörigen besetzt. Auf Beschluss des Politbüros der SED vom 15. Februar 1957 wurden jedoch fast alle ehemaligen Wehrmachtsoffiziere bis Ende der 1950er Jahre schrittweise aus der NVA entlassen und pensioniert. Trotzdem hatten noch am 1. Januar 1960 von insgesamt 653 Offizieren der NVA im Nomenklaturkaderbestand 338 Armeeangehörige früher der Wehrmacht angehört, nunmehr fast ausschließlich als Mannschafts- oder Unteroffiziersdienstgrad.[14]

Nach der Gründung war die NVA eine Freiwilligenarmee, was in der propagandistischen Auseinandersetzung mit der Bundeswehr als Vorzug hervorgehoben wurde.[15] Die Wiederbewaffnungsdiskussion war an der DDR nicht spurlos vorübergegangen, der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 hatte die Führung der DDR erheblich verunsichert. Ein deutliches Misstrauen der osteuropäischen Verbündeten den Ostdeutschen gegenüber blieb lange bestehen. Die Einführung der Wehrpflicht 1962 nach dem Bau der Berliner Mauer vom Kampfauftrag der FDJ und dem Verteidigungsgesetz 1961 vorbereitet, wurde von vielen als Niederlage empfunden.[16] Mit der Einführung der Wehrpflicht wurde es der NVA möglich, die angestrebte Personalstärke von circa 170.000 Soldaten zu erreichen. Die NVA diente zunächst der Machtabsicherung der SED nach innen und war selbst erheblicher Kontrolle durch die SED unterworfen. Die Partei hatte sich durch die Einrichtung der Politischen Hauptverwaltung (PHV) in der Armee und durch eine spezielle Struktur von Parteiorganisationen die führende Rolle in der NVA gesichert. Die Offiziere und Fähnriche (seit 1973) und Berufs-Unteroffiziere waren, bis auf wenige Ausnahmen, Mitglieder der SED. Bei den Unteroffizieren wurde ein hoher Anteil an SED-Mitgliedern angestrebt.




[1]Ehlert, H.: Armee ohne Zukunft. 2. Auflage,  Berlin 2002, S. 14

[2] Deim, H.W./Kampe,H.-G./Kampe, J./ Schubert, W.: Die militärische Sicherheit der DDR im Kalten Krieg, Hönow 2008, S. 55

[3]Zentralvorstand der Gesellschaft für Sport und Technik (Hrsg.): Chronik zur Geschichte der Gesellschaft für Sport und Technik,  2. Auflage Berlin 1988 , S. 15

[4] Zitiert aus Fingerle, S.: Waffen in Arbeiterhand?, Berlin 2001, S. 34

[5]Zentralvorstand der Gesellschaft für Sport und Technik (Hrsg.): Chronik zur Geschichte der Gesellschaft für Sport und Technik,  2. Auflage Berlin 1988 , S. 23

[6]Heider, P.: Die Gesellschaft für Sport und Technik (1952-1990), in Handbuch der bewaffneten Organe der DDR, Augsburg 2007, S. 33-56, hier S. 37f

[7]Zentralvorstand der Gesellschaft für Sport und Technik (Hrsg.): Chronik zur Geschichte der Gesellschaft für Sport und Technik,  2. Auflage Berlin 1988, S. 56

[8]Geißler, G.: Geschichte des Schulwesens in der Sowjetischen Besatzungszone und in der Deutschen Demokratischen Republik 1945 bis 1962, Frankfurt am Main u. a. 2000, S. 77

[9]Berger, U.: Frust und Freude. Die zwei Gesichter der Gesellschaft für Sport und Technik. 1. Auflage, Schkeuditz 2002, S. 24

[10]Heider, P.: Die Gesellschaft für Sport und Technik (1952-1990), in Handbuch der bewaffneten Organe der DDR, Augsburg 2007, S. 33-56, hier S. 54

[11]Berger, U.: Frust und Freude. Die zwei Gesichter der Gesellschaft für Sport und Technik. 1. Auflage, Schkeuditz 2002, S. 57f

[12] Deim, H.W./Kampe,H.-G./Kampe, J./ Schubert, W.: Die militärische Sicherheit der DDR im Kalten Krieg, Hönow 2008, S. 26

[13]Froh, K./Wenzke, R.: Die Generale und Admirale der NVA. Ein biographisches Handbuch. 4. Auflage, Berlin 2000, S. 15ff

[14]Heinemann, W.: Die DDR und ihr Militär, München 2011, S. 30

[15]Ovens, O: Die NVA zwischen Wende und Auflösung,  Regensburg 2004, S. 23

[16]Heinemann, W.: Die DDR und ihr Militär, München 2011, S. 24

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