Antifaschismus in der DDR

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Antifaschismus war in der DDR ein erklärtes Erziehungsziel, besonders die Gedenkstättenarbeit wurde in den Vordergrund gestellt. Nach den Erfahrungen mit dem NS-Regime hieß das Motto "Nie wieder". Die ANlehnung an die Dimotroffsche Faschismusdefinition stellte sich im Nachhinein als falsch heraus.

1943 wurde auf Bestreben der KPD unter deutschen Kriegsgefangenen und kommunistischen deutschen Emigranten in der Sowjetunion das Nationalkomitee Freies Deutschland gegründet. Sie wollten eine völlig neue gesamtdeutsche Gesellschaftsordnung auf antifaschistischer Grundlage konzipieren.[1]

Die DDR hat sich selber in die Nachfolge des antifaschistischen Kampfes der KPD und des kommunistischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus gestellt. Wegen dieses Anspruchs erhob sie den Antifaschismus früh zur leitenden Staatsdoktrin, die zur Abgrenzung vom Nationalsozialismus und der Bundesrepublik Deutschland diente und die Existenz der DDR, das Machtmonopol der SED ebenso wie die Berliner Mauer („antifaschistischer Schutzwall“ rechtfertigen sollte. Beispielhaft deutlich wird dies in der Präambel der Verfassung der DDR von 1968: „(…) in Ansehung der geschichtlichen Tatsache, daß der Imperialismus unter Führung der USA im Einvernehmen mit Kreisen des westdeutschen Monopolkapitals Deutschland gespalten hat, (…) hat sich das Volk der Deutschen Demokratischen Republik, fest gegründet auf den Errungenschaften der antifaschistisch-demokratischen und der sozialistischen Umwälzung der gesellschaftlichen Ordnung, (…) diese sozialistische Verfassung gegeben.“[2]

Aufgrund der dimitroffschen Faschismustheorie wurde die nationalsozialistische Herrschaft in Deutschland als Ausdruck sich verschärfenden Klassenkampfs betrachtet.[3] Darum wurde das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus besonders auf kommunistische Widerstandskämpfer konzentriert, und die ermordeten Juden und andere Opfergruppen wurden nur am Rande thematisiert. Die Rassenideologie der NSDAP wurde lediglich als „Instrument zur Täuschung der Arbeiterklasse“ erklärt. Die Bundesrepublik verstand man als „postfaschistisch“ und versuchte, dort ideologische und personelle Kontinuitäten zum Nationalsozialismus nachzuweisen.[4] Mit diesem Geschichtsbild legitimierte die DDR-Führung ihre Herrschaft. Der DDR-Bevölkerung bot sie die Möglichkeit, eventuelle Verstrickungen in den Nationalsozialismus zu externalisieren, da der Faschismus als Phase des Klassenkampfes quasi historisch zwangsläufig erschien und mit der „antifaschistischen DDR“ endgültig überwunden sei. Jeder DDR-Bürger konnte sich selbst und die DDR als „Sieger der Geschichte“ begreifen.

Anders als in den westlichen Besatzungszonen[5] wurde die Entnazifizierung in der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR ungleich konsequenter durchgeführt.[6] Auf der Konferenz in Jalta im Februar 1945 vereinbarten die Alliierten, „alle nationalsozialistischen und militaristischen Einflüsse aus den öffentlichen Dienststellen sowie dem kulturellen und wirtschaftlichen Leben des deutschen Volkes auszuschalten“.[7] Die Forderung der Direktive Nr.24 des Alliierten Kontrollrates vom 12.01.1946 bestimmte:[8] „Die Ausmerzung des Nationalsozialismus und Militarismus macht es erforderlich, Personen, die voraussichtlich undemokratische Traditionen verewigen würden, von allen ausschlaggebenden und einflussreichen Stellungen zu entfernen und auszuschließen.“

Mit dieser Erklärung wurde der Personenkreis umrissen, der unter die Entnazifizierungsmaßnahmen zu fallen hatte: ehemalige Mitglieder der NSDAP, die nicht unmittelbar an den Verbrechen beteiligt gewesen waren, aber durch ihre autoritätshörige Tätigkeit das NS-System letztendlich mitgetragen und ermöglicht zu haben. Unter Führung von KPD-und SPD-Mitgliedern in intensiver Zusammenarbeit mit Vertretern der Roten Armee gründeten sich in der SBZ kurz nach der Befreiung „Antifaschistische Komitees“.[9] In seinem Aufruf „an das deutsche Volk zum Aufbau eines antifaschistisch-demokratischen Deutschlands“ vom 11.6.1945 äußerte das KPD-Zentralkomitee als „unmittelbarste und dringendste Aufgabe die vollständige Liquidierung der Überreste des Hitlerregimes und der Hitlerpartei“ und forderte „die Mithilfe aller ehrlichen Deutschen bei der Aufspürung versteckter Naziführer, Gestapo-Agenten und SS-Banditen“ sowie die „restlose Säuberung aller öffentlichen Ämter von aktiven Nazisten.“[10]

Für die Frage, welche NSDAP-Mitglieder im öffentlichen Dienst weiter beschäftigt wurden, waren die Landes- und Provinzialverwaltungen zuständig. Wenn frühere Nationalsozialisten eine Position im öffentlichen Dienst übernahmen, bedurfte es der Zustimmung der Blockparteien, des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) und der Sowjetischen Militäradministration (SMAD). Für die Durchführung der Entnazifizierung wurden insgesamt 262 Kommissionen gebildet, lediglich „Schwerbelastete“ wurden den Gerichten oder der Polizei übergeben. Sie schloss neben strukturellen Eingriffen wie die Bodenreform und die Sozialisierung, mit denen die soziale Basis des Nationalsozialismus zerschlagen werden sollte, auch eine umfassende personelle Säuberungspolitik ein, die besonders die Bereiche Bildung, Justiz und Polizei erfasste. Bis zum Februar 1948, als die sowjetische Militäradministration das offizielle Ende der Entnazifizierung verkündete, wurden rund 520.000 ehemalige Nationalsozialisten aus der öffentlichen Verwaltung und allen Bereichen des Wirtschaftslebens entfernt.[11] Walter Ulbricht begründete das Ende der Entnazifizierung mit dem Hinweis, dass die Säuberung der Verwaltung abgeschlossen, die Enteignung der Betriebe von „Kriegsverbrechern“ erfüllt und der Großgrundbesitz in der DDR aufgelöst worden sei. Ende 1950 hatten die Gerichte bereits 12.147 „Kriegsverbrecher und Verbrecher gegen die Menschlichkeit“ verurteilt. Bis zum 31.12.1978 erhöhte sich die Zahl auf 12.861. NS-Verbrecher konnten kaum mit Gnade rechnen; von Amnestien wurden sie in der Regel ausgenommen.[12] Dabei stellt sich die Frage, ob die verurteilten Personen wirklich Kriegsverbrecher waren oder ob sie von der DDR-Justiz nicht einfach dazu erklärt wurden, um im Hinblick auf den Kalten Krieg das „bessere“, im Umgang mit den NS-Verbrechen konsequentere Deutschland darzustellen. Diese Frage lässt sich erst durch eine Aufarbeitung der jeweiligen Prozessakten überprüfen.

In der gerade gegründeten SBZ stand zunächst der Austausch großer Teile der Lehrer, die Teil der nationalsozialistischen Bildungspolitik waren. Neben den etwa 71 % ehemaligen NSDAP-Mitgliedern, die als größtes Problem angesehen wurden, konnte auch ein Großteil der Lernmittel wegen ihrer anhaftenden Nazi-Ideologie nicht weiter verwendet werden. Vielerorts ruhte der Unterricht und wurde erst im September 1945 wieder aufgenommen.Am 27. Juli 1945 wurde durch einen Erlass der SMAD die Zentralverwaltung für Volksbildung (ZfV) geschaffen, deren Aufgabe die Ausarbeitung von Vorschlägen zur Gestaltung des Schulwesens war. Mit dem Befehl Nr. 40 der SMAD entstanden in der SBZ die vorläufigen gesetzlichen Rahmenbedingungen, die den Schulen einen regulären Unterricht erlauben sollten. Vorerst wurden die alten Schulformen Volksschule, Mittelschule und Gymnasium beibehalten. Jedoch wurden keine allgemein bildenden Privatschulen mehr berücksichtigt, womit dem Staat in der SBZ das Schulmonopol zugesichert wurde. Wie alle wichtigen Gremien wurde auch die ZfV an der Spitze mit einer Person besetzt, zu dem die sowjetische Regierung volles Vertrauen hatte; in diesem Fall war es Paul Wandel, der ehemalige Chefredakteur der „Roten Fahne“, des Zentralorgans der KPD.

Weitere Richtlinien der ZfV und der SMAD zur Wiedereinstellung der Lehrer sahen vor, dass NSDAP-Mitglieder sowie aktive Mitglieder anderer Nazi-Organisationen aus dem Schuldienst zu entfernen seien. Verstärkt sollte man die Lehrer wieder einstellen, die von den Nazis entlassen oder gemaßregelt worden waren. Da aber in der Anfangsphase eine strenge Befolgung dieser Richtlinien die Aufnahme eines flächendeckenden Schulunterrichtes nicht zugelassen hätte, wurden vorläufig auch NSDAP-Mitglieder, die nach 1920 geboren waren, im Schuldienst belassen.

Grundlegendes Anliegen der Schulpolitik in der SBZ war eine neue Lehrerschaft. Hierdurch sollte auch die Kontrolle der SED über die Schulausbildung sichergestellt werden. Kurzfristig war eine universitäre Ausbildung einer großen Zahl von Lehrern nicht möglich. Auch sollten die neuen Lehrer nach dem Willen der neuen Machthaber aus den „demokratisch-antifaschistischen Kreisen der deutschen Intelligenz“, aber auch der Arbeiterklasse rekrutiert werden. Ein weiteres Kriterium war, dass bei der Einstellung von Neulehrern vor allem Jüngere bevorzugt werden. So wurden in den nächsten Jahren 40.000 Menschen, die bereits eine Berufsausbildung besaßen und/oder direkt aus der Kriegsgefangenschaft kamen, in Schnellkursen zu „Laienlehrern“ und „Neulehrern“ ausgebildet.

Am 1. September 1945 trafen sich KPD- und SPD-Vertreter, um einen Ausschuss zur Schaffung des Jugendausschusses für die gesamte sowjetische Besatzungszone zu errichten. Aus den Jugendausschüssen sollte eine „freiheitliche deutsche Jugendbewegung“ erwachsen. Obwohl die SPD auch an der Errichtung einer eigenen Jugendorganisation arbeitete, verständigten sich ihre Vertreter auf der Gründungssitzung des Zentralen Antifaschistischen Jugendausschusses („Antifa-Jugend“) mit den Kommunisten auf eine paritätische Besetzung. Erich Honecker sollte das Gremium leiten. Die FDJ war die einzige offiziell zugelassene Jugendorganisation der DDR und nahm im System der Massenorganisation einen wichtigen Platz ein.[13] Sie stellte die Nachwuchsorganisation der SED dar, deren führende Rolle sie in ihrem Statut anerkannte. Die Vertiefung der Freundschaft zur Sowjetunion und die Unterstützung anderer Staaten im Kampf gegen das „imperialistische System“ hatte sich die FDJ als internationale Ziele gesetzt. Nach dem Leitbild des proletarischen Internationalismus wurden Mitglieder der FDJ in befreundete Staaten geschickt, um dort beim Aufbau des Sozialismus zu helfen. So waren „FDJ-Brigaden“ am Bau der Erdgasleitung „Drushba“ (Drushba-Trasse) und der Eisenbahnstrecke Baikal-Amur-Magistrale (BAM) in der Sowjetunion beteiligt oder arbeiteten als Entwicklungshelfer z.B. im sandinistischen Nicaragua oder zeitweise in Mosambik und Angola.[14]

Ihre weiteren Aufgaben waren die politische Organisation der Jugend in Grundorganisationen, die ab drei Mitgliedern in Wohnstätten, Betrieben, Erziehungsstätten usw. gebildet wurden, die ideologische und fachliche Erziehung der Jugend und die Freizeitgestaltung. Mit der Bildung relativ kleiner Grundorganisationen verfolgte die FDJ das Ziel, möglichst viele Jugendliche in die aktive Verbandsarbeit einzubeziehen. Die FDJ war nach dem Prinzip des demokratischen Zentralismus organisiert.

Der Berliner Politikwissenschaftler Johannes Agnoli kritisierte die Durchführung der Entnazifizierung in der DDR. Der Rückgriff auf die Dimitroffsche Faschismusdefinition habe laut Agnoli verhindert, dass massen- und sozialpsychologische Elemente des Faschismus beleuchtet wurden. Die Dimitroff-Doktrin ließe weiterhin keinen Spielraum für die Frage nach der spezifisch deutschen Variante des Faschismus, dem Nationalsozialismus mit der rassistischen Begründung der Vernichtung von Juden, Sinti und Roma sowie andere Opfergruppen.[15] Die große Zustimmung innerhalb der deutschen Bevölkerung zur Politik Hitlers während des „Dritten Reiches“ und damit auch die Verwicklung zahlreicher Personen in die Politik Hitlers wurden ausgeblendet.[16]

Da in der DDR eine unbelastete politische Elite weitgehend fehlte und das altkommunistische Funktionärskorps im antifaschistischen Widerstand und durch die stalinistischen Säuberungen stark dezimiert worden war, kam die DDR-Staatsmacht kurzfristig nicht um eine weitgehende Integration der als Mitläufer des NS-Regimes bezeichneten Personen herum, die in der DDR Karriere machten.[17] Bruch und Kontinuität gingen somit bereits in der Vorgeschichte der DDR eine charakteristische Synthese ein. Es wurde sogar in Kauf genommen, dass frühere KPD-Mitglieder, die während der NS-Zeit in Konzentrationslagern und Gefängnissen gesessen hatten, der SED den Rücken kehrten, da sie die Aufnahme ehemaliger NS-Täter missbilligten.

Viele ehemalige NS-Täter nutzten die 1948 gegründete Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NDPD) als „Durchgangsschleuse“ zu einer neuen Karriere. Die NDPD schlug deutlich nationalere Töne an als die anderen neu gegründeten Parteien. So hieß es im ihrem Programm vom Juni 1951 über die Gründung der Bundesrepublik:[18] „Der amerikanische Krieg aber darf und wird nicht stattfinden! Deutschland muß leben! Deshalb fordern wir Nationalen Demokraten: Die Amerikaner nach Amerika! Deutschland den Deutschen! Die Bundesrepublik ist ein Kind des nationalen Verrats.“

Der NDPD gelang es in der DDR, die gesellschaftliche Gleichberechtigung der ehemaligen Nationalsozialisten durchzusetzen.[19] Am 11.11.1949 wurde das Gesetz über den „Erlaß von Sühnemaßnahmen und die Gewährung staatsbürgerlicher Rechte für ehemalige Mitglieder und Anhänger der Nazipartei und Offiziere der faschistischen Wehrmacht“ verabschiedet. Im September 1952 erfolgte dann durch ein weiteres Gesetz die völlige rechtliche Gleichstellung, ausgenommen blieben lediglich verurteilte NS-Täter und Kriegsverbrecher.

Einer Auseinandersetzung mit Kritik an ihrer Politik ging die SED-Führung aus dem Weg, indem sie Antikommunismus und Faschismus gleichsetzte. So verkamen Faschismus und Antifaschismus zu Worthülsen der kommunistischen Propaganda, z.B. in dem sie den Aufstand des 17.Juni 1953 als „faschistischen Putschversuch“ ausgab.[20]

Für Münkler handelte es sich beim Antifaschismus um einen „politischen Gründungsmythos der DDR“, der als Identitätsressource des sozialistischen Staates und Machtinstrument der SED diente. Auf der Grundlage der Erzählungen vom antifaschistischen Widerstand wurden einzelne Personen herausgegriffen und zu Ikonen des Mythos verdichtet. Dazu zählte Münkler den im Konzentrationslager Buchenwald ermordeten KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann, der der „wichtigste Märtyrer des Sozialismus“ war.[21] Dieser Darstellung Münklers muss energisch widersprochen werden. Butterwegge hat Recht, wenn er konstatiert:[22] „Ursprünglich war der Antifaschismus nämlich die einzige Möglichkeit der Reaktion auf den Nationalsozialismus, für machtpolitische Schachzüge instrumentalisiert und damit historisch diskreditiert wurde er später.“ Bei dieser Heroisierung der Arbeiterklasse im Kampf gegen den Nationalsozialismus wurden der sozialdemokratische, christliche und liberale Widerstand sowie andere antifaschistische Jugendgruppen, die nicht primär kommunistisch orientiert waren, ausgegrenzt.[23] Im Jahre 1947 schrieb der SED-Ideologe Karl Schirdewan:[24] „Den geschichtlichen Tatsachen kann man nicht gerecht werden, wenn verschwiegen würde, daß die marxistisch-sozialistischen Kader die Hauptlast des Kampfes gegen Hitler getragen haben und daß die auch die Hauptkraft des Kampfes gegen Hitler und seinen Krieg im Innern verkörperten.“ Dass auch Angehörige der Opfergruppen wie Sinti und Roma, Juden und Homosexuelle gegen das faschistische Deutschland gekämpft hatten, wurde ebenfalls unterschlagen.

Die antifaschistische Erziehung war ein Grundpfeiler der politischen Erziehung in der DDR.[25] Viele Veranstaltungen wie z.B. Besuche in den ca. 4.000 Mahn- und Gedenkstätten entwickelten sich im Laufe der Zeit zu reinen Pflichtübungen, die oft nur deshalb durchgeführt wurden, weil es die Lehrpläne vorsahen; ihr erzieherischer Aspekt blieb oft fragwürdig.[26]

Insbesondere die Gedenkstätte am ehemaligen KZ Buchenwald nahm eine besondere Stellung in der Erinnerungskultur der DDR ein.[27] Die Einweihung der Gedenkstätte in Buchenwald fand im September 1958 statt, 1959 folgte die Eröffnung der Gedenkstätte in Ravensbrück und 1961 in Sachsenhausen. 1961 wurden alle per Statut in den Rang Nationaler Mahn- und Gedenkstätten (NMG) erhoben.[28] Neben formellen Vorgaben enthielt das Statut auch Regelungen über die inhaltliche Konzeption der Gedenkstätten. Diese sollten neben der Darstellung des - vor allem kommunistischen - Widerstandes auch das "Wiedererstehen von Faschismus und Militarismus in Westdeutschland" darstellen und verdeutlichen, dass die DDR der Staat sei, in dem "die Wurzen des Faschismus ausgerottet" seien und sie, die DDR, letztlich der bessere deutsche Staat sei.[29] Mit diesen Regelungen waren die NMG von Beginn an untrennbar mit dem in der DDR propagierten Antifaschismus verbunden.

‚Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer’ (KdAW) hatten entscheidenden Einfluss auf Aufbau, Gestaltung und Personalkonzept der Gedenkstätten."[30] Das  „Buchenwald-Kollektiv“ war mit dem Aufbau der drei Gedenkstätten beauftragt worden. Mitglieder des Kollektivs waren freischaffende Architekten und Landschaftsarchitekten. Trotz der unterschiedlichen Standorte und historischen Begebenheiten verwirklichten sie zentrale Aspekte eines übergreifenden Konzepts an allen drei Orten:
"1. Beschränkung des Gedenkstättengeländes auf Kernbereiche, insbesondere das ehemalige Häftlingslager. 2. Errichtung mehr oder weniger monumentaler Gedenkanlagen, in deren Zentrum ein möglichst großer "Feierplatz" (Buchenwald-Kollektiv) eingeschlossen werden sollte. 3. Abriss und Überformung der original erhaltenen Bausubstanz innerhalb des Gedenkstättengeländes bei gleichzeitiger, weitgehend geschichtsvergessener Umnutzung der erhaltenen Gebäude außerhalb der Gedenkstätte. 4. Pädagogisch-didaktisches Ziel der Gestaltung war es nicht, die Funktionszusammenhänge der Konzentrationslager, wie sie sich in ihrer Anlage darstellen, für den Besucher lesbar zu machen und zu erklären, sondern die Überwindung der SS-Herrschaft und den Sieg des Antifaschismus in der Dominanz der Gedenkanlage gegenüber den Relikten zum Ausdruck zu bringen. 5. Auch bei der Gestaltung der Denkmalsanlagen dominierte das an den politischen Häftlingen orientierte Bild des antifaschistischen Widerstandskämpfers über die Pluralität der Opfergruppen.“

Am 14. September 1958, dem Tag der Opfer des Faschismus, wurde in Buchenwald mit der Gedenkstätte zugleich das dortige "Buchenwalddenkmal" eingeweiht. Der Künstler, Fritz Cremer, In einem anschließenden ausführlichen Bericht wurden die Schülerinnen und Schüler dann informiert: "Die unvergeßlichen Gestalten des Buchenwalddenkmals sind nicht nur Zeugen einer durch sie überwundenen Vergangenheit, die uns die volle Wahrheit über den harten und opferreichen Kampf der Besten gegen Faschismus und Krieg ins Gedächtnis prägen. In ihnen sind die führenden Kräfte der Arbeiterklasse sichtbar gemacht. Unerschütterlich überzeugt von den revolutionären Ideen des Marxismus-Leninismus, zum Handeln geführt durch die lenkende und organisierende Kraft der Partei, sind sie die Sieger der Geschichte. In ihrem Geiste vollenden wir den Bau des Sozialismus, den wir in ihrem Geiste auch gegen alle Anschläge des Imperialismus und Neofaschismus zu schützen wissen."[31]

Die Bedeutung der Plastik für die verschiedenen Opfergruppen Buchenwalds aus zahlreichen Ländern der Welt wurde nicht thematisiert, deren eigene Leidenserfahrungen und Interpretationen spielten keine Rolle.[32] Wie die Gedenkstätten, sollten auch die Denkmäler stets das Bild der DDR als eines demokratischen, antifaschistischen Staates untermauern. An staatlichen Gedenktagen wurden die NMG zu Aufmarschplätzen für die Massenorganisationen, die NVA oder das MfS. Hier wurden Truppenvereidigungen, Fahnenapelle oder Jugendweihefeiern abgehalten.[33] Durch eine enge Zusammenarbeit mit Schulen, Universitäten, Betriebskollektiven und FDJ-Gliederungen wurde die Gedenkstättenarbeit zu einem zentralen Bestandteil politischer Bildungsarbeit. Die Gedenkstätten erfuhren sehr früh offizielle Anerkennung, insbesondere im Vergleich zu Gedenkstätten der Bundesrepublik.[34]

In Sachsenhausen existierte bereits seit der Eröffnung 1961 ein „Museum über den antifaschistischen Freiheitskampf der europäischen Völker“.[35] In Buchenwald und Ravensbrück hingegen entstanden erst 1984 und 1985 "Museen des antifaschistischen Widerstandskampfes", die für alle Besucher auf dem direkten Besucherweg lagen und so zwingend Bestandteile eines jeden Gedenkstättenbesuches darstellten.[36] Die Ausstellungen in den Gedenkstätten wurden mehrfach überarbeitet und ergänzt. Die Geschichte der Standorte Sachsenhausen und Buchenwald als sowjetische Speziallager in der Besatzungszeit zwischen 1945 und 1950 wurde in den Ausstellungen nicht thematisiert.[37] Auch die Verfolgung anderer Personengruppen als der Kommunisten, insbesondere die jüdischer Menschen, wurde nur in seltenen Fällen aufgegriffen. "In den KZ-Gedenkstätten der DDR blieb der Massenmord an den Juden damit ein Randthema. Jüdische Opfer wurden nicht als solche benannt, sondern als polnische, französische usw. Opfer deklariert." Selbst internationaler Protest gegen eine solche Ausstellungsform bewog die SED nicht zu einer Änderung dieser Praxis.[38]

Im Laufe der Zeit wurde mit Sorge festgestellt, dass die Gedenkstätte Buchenwald immer weniger Jugendliche erreichte.[39] Daraufhin wurden eine Jugendbegegnungsstätte, eine Geschichtswerkstatt und eine Jugendherberge in einer der SS-Kasernen eingerichtet. In der Vorbereitung zu einer Neufassung der Ausstellung wurden neue Themen, wie das Schicksal jüdischer Häftlinge, Homosexueller oder Sinti und Roma, angesprochen. Diese Neubewertung fand aber nur in Fachgesprächen statt und wurde kaum umgesetzt. Auch die Geschichte des sowjetischen Speziallagers Nr. 2 wurde nicht thematisiert. Die zu Tode gekommenen Häftlinge des Speziallagers und deren Gräber in unmittelbarer Nähe der Gedenkstätte wurden verschwiegen.

Am 22. April 1961 wurde die nationale Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen feierlich eröffnet.[40] Die Entwürfe für die Halle stammen von Ludwig Deiters und Horst Kutzat. Die Grünanlage gestalteten die Gartenarchitekten Hubert Matthes und Hugo Namslauer. In der Halle steht eine Bronzeplastik, die drei Figuren darstellt, die Widerstand/Siegesbewusstsein, Trauer und Tod symbolisieren sollen. Diese wurde von Professor Waldemar Grzimek geschaffen. Die Gedenkstätte beschränkte sich auf den Bereich des ehemaligen Häftlingslagers und umfasste lediglich etwa fünf Prozent der Fläche des ehemaligen Konzentrationslagers. Lediglich die „Station Z“ sowie der Erschießungsgraben, ursprünglich Teil des Industriehofes, wurden durch Versetzung der Lagermauer in die Gedenkstätte integriert. Um den Appellplatz wurde eine halbkreisförmige Mauer aus kreuzförmigen Betonelementen angelegt, in der die Giebel des ersten Barackenringes angedeutet sind. Der größte Teil des gesamten ehemaligen Lagerbereichs wurde abgerissen, aufgeforstet, von der Sowjetarmee und von der Nationalen Volksarmee der DDR als Kaserne genutzt, für Wohn- und Wirtschaftszwecke freigegeben bzw. weitergenutzt oder verfiel. 1976 wurden 200 einheitliche Tafeln an den vier Hauptstrecken des Todesmarsches zwischen Oranienburg und Raben-Steinfeld aufgestellt. Bis zur Wende 1989 war die Gedenkstätte Ziel von tausenden Schulklassen aus der DDR, Delegationen aus dem In- und Ausland sowie Austragungsort sportlicher, politischer und militärischer Veranstaltungen.

Manche Gedenkstätten wurden erst spät eingerichtet.[41] Am 11. April 1946 wurde am Krematorium im ehemaligen KZ Mittelbau-Dora von der sowjetischen Besatzungsmacht ein Mahnmal errichtet sowie 1954 das Krematorium selbst als Ehrenmal eingeweiht. Erst 1966 wurde die „Mahn- und Gedenkstätte Mittelbau-Dora” eröffnet. Die Ausstellungen im zum Museum umgebauten Krematorium fokussierten sich jedoch auf das Thema des 'antifaschistischen Widerstand' und überdeckten damit andere, nicht-politische Schicksale. Zum 50. Jahrestag 1995 wurde die Gedenkstätte mit einem neuen Konzept, das allerdings bewusst auch weiter Elemente aus der DDR-Zeit enthält, wieder eröffnet.




[1] Mampel, S.: Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik: Kommentar; mit einem Nachtrag über die Rechtsentwicklung bis zur Wende im Herbst 1989 und das Ende der sozialistischen Verfassung. 3. Auflage 1997, S. 24ff

[2] Zitiert aus Welsh, H.: Revolutionärer Wandel auf Befehl? Entnazifizierungs- und Personalpolitik in Thüringen und Sachsen 1945-1948, München 1989, S. 72

[3] Benzer, G.: Konzeptionen und Praxis der Abrechnung mit dem deutschen Faschismus, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 11/1984, S. 951-967, hier S. 955

[4] Mampel, S.: Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik: Kommentar; mit einem Nachtrag über die Rechtsentwicklung bis zur Wende im Herbst 1989 und das Ende der sozialistischen Verfassung. 3. Auflage 1997, S. 27

[5] Zur Entnazifizierung in den Westzonen siehe Niethammer, L.: Die Mitläuferfabrik. Die Entnazifizierung am Beispiel Bayerns, 2. Auflage, Berlin 1982; Funke, H. (Hrsg.): Von der Gnade einer geschenkten Nation. Zur politischen Moral der Bonner Republik, Berlin 1988; Krüger, W.: Entnazifiziert! Zur Praxis der politischen Säuberungen in Nordrhein-Westfalen, Wuppertal 1982

[6] Peukert, D./Bajohr, F.: Rechtsradikalismus in Deutschland, Hamburg 1990, S. 36ff

[7] Zitiert aus Siegler, B.: Auferstanden aus Ruinen… Rechtsextremismus in der DDR, Berlin 1991, S. 100ff

[8] Ebd., S. 101

[9] Nationalrat der Nationalen Front (Hrsg.): Graubuch. Expansionspolitik und Neonazismus in Westdeutschland. Hintergründe, Ziele, Methoden. Eine Dokumentation, 2. Auflage, Berlin (Ost) 1967, S. 23

[10]Olsen, G.: Germany after the Second World War, Boston 1991, S. 45

[11] Vgl. Meinecke, W.: Die Entnazifizierung in der sowjetischen Besatzungszone 1945-1948, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 11/1984, S. 969; Welsh, H.: Revolutionärer Wandel auf Befehl? Entnazifizierungs- und Personalpolitik in Thüringen und Sachsen 1945-1948, München 1989; Frei, N.: Vergangenheitspolitik, München 1996; Benzer, G.: Konzeptionen und Praxis der Abrechnung mit dem deutschen Faschismus, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 11/1984, S. 951-967 oder Neues Deutschland vom 21.4.1948

[12] Assheuer/Sarkowicz, Rechtsradikale in Deutschland, a.a.O., S. 96

[13]Mählert, U./Stephan, G.-R.: Blaue Hemden Rote Fahnen – Die Geschichte der Freien Deutschen Jugend, Opladen 1996, S. 21

[14] Schöneburg, K.-H./Mand, R.: Vom Werden unseres Staates. Eine Chronik. Band 1: 1945-1949, Berlin (Ost) 1966, S. 178

[15] taz vom 11.4.1990

[16] Vgl. dazu  Mommsen, H.: Zur Verschränkung traditioneller und faschistischer Führungsgruppen in Deutschland beim Übergang von der Bewegungs- zur Systemsphase, in: Ders.: Der Nationalsozialismus und die deutsche Gesellschaft. Ausgewählte Aufsätze, Reinbek bei Hamburg 1991, S. 39-66

[17] Peukert/Bajohr, Rechtsradikalismus in Deutschland, a.a.O., S. 37

[18] Zitiert aus Krieg, H.: LDP und  NDPD in der DDR 1949-1958, Köln 1965, S. 33

[19] Assheuer/Sarkowicz, Rechtsradikale in Deutschland, a.a.O., S. 98

[20] Faulenbach, B.: Zur Funktion des Antifaschismus in der SBZ/DDR, in Drechsler, I. (Hrsg.) Getrennte Vergangenheit, gemeinsame Zukunft, München 1997, S. 144-157, hier S. 149

[21] Münkler, H.: Antifaschismus und antifaschistischer Gründungsmythos der DDR, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 45/1998, S. 16ff. In diesem Zusammenhang ist auch auf folgende Arbeiten hinzuweisen: Will, M.: Antifaschismus als Legitimation staatlicher Herrschaft in der DDR, in: Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Bedeutung und Funktion des Antifaschismus, Bonn 1990; Menschel, S.: Antifaschistischer Stalinismus, in: Rauschenbach, B. (Hrsg.): Erinnern, Wiederholen, Durcharbeiten. Zur Psychoanalyse deutscher Wenden, Berlin 1992, S. 162-171

[22] Butterwegge, Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt, a.a.O., S. 52

[23] Siegler, Auferstanden aus Ruinen…, a.a.O., S. 105

[24] Neues Deutschland vom 19.7.1947

[25] Klaus Wegmann, Mahn- und Gedenkstätten in der Deutschen Demokratischen Republik, Leseheft für die Kunstbetrachtung, Berlin 1976, S. 6

[26] Heinemann/Schubarth, Der antifaschistische Staat entläßt seine Kinder, a.a.O., S. 30

[27] http://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/geschichte-und-erinnerung/39...

[28]Manfred Agethen, Gedenkstätten und antifaschistische Erinnerungskultur in der DDR, in: Manfred Agethen, Eckhard Jesse und Erhart Neubert (Hg.), Der missbrauchte Antifaschismus. DDR-Staatsdoktrin und Lebenslüge der deutschen Linken, Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., Freiburg i. Breisgau 2002, S. 128 - 144, hier, S.131

[29] Ebd.

[30]Günter Morsch, Der Umgang mit dem Erbe der DDR in den früheren Mahn- und Gedenkstätten: Das Beispiel Sachsenhausen, in: Bernd Faulenbach und Franz-Josef Jelich (Hg.), "Asymmetrisch verflochtene Parallelgeschichte?" Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und der DDR in Ausstellungen, Museen und Gedenkstätten, Geschichte und Erwachsenenbildung, Band 19, Essen 2005, S.124 f.

[31] Zitiert aus Klaus Wegmann, Mahn- und Gedenkstätten in der Deutschen Demokratischen Republik, Leseheft für die Kunstbetrachtung, Berlin 1976, S. 15

[32]Heimann, T.: Bilder von Buchenwald. Die Visualisierung des Antifaschismus in der DDR (1945-1990), Zeithistorische Studien (28), Köln 2005, S. 43

[33]Klaus Wegmann, Mahn- und Gedenkstätten in der Deutschen Demokratischen Republik, Leseheft für die Kunstbetrachtung, Berlin 1976, S. 15S. 21

[34]Moller, S.: Vielfache Vergangenheit. Öffentliche Erinnerungskulturen und Familienerinnerungen an die NS-Zeit in Ostdeutschland, Studien zum Nationalsozialismus, Band 8, Tübingen 2003, S.50 f.

[35] Detlef Garbe, Von der Peripherie in das Zentrum der Geschichtskultur. Tendenzen der Gedenkstättenentwicklung, in: Bernd Faulenbach und Franz-Josef Jelich (Hg.), "Asymmetrisch verflochtene Parallelgeschichte?" Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und der DDR in Ausstellungen, Museen und Gedenkstätten, Geschichte und Erwachsenenbildung, Band 19, Essen 2005, S.76

[36]Schafft, G./ Zeidler, G.: Die KZ-Mahn- und Gedenkstätten in Deutschland, Berlin 1996, hier S. 63

[37]Rudnik, C. Die andere Hälfte der Erinnerung. Die DDR in der deutschen Geschichtspolitik nach 1989, Bielefeld 2011, S.82

[38]Schroeder, K.:  Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR, München 2009, S. 552

[39]Manfred Agethen, Gedenkstätten und antifaschistische Erinnerungskultur in der DDR, in: Manfred Agethen, Eckhard Jesse und Erhart Neubert (Hg.), Der missbrauchte Antifaschismus. DDR-Staatsdoktrin und Lebenslüge der deutschen Linken, Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., Freiburg i. Breisgau 2002, S. 128 - 144, hier, S.132

[40]Moller, S.: Vielfache Vergangenheit. Öffentliche Erinnerungskulturen und Familienerinnerungen an die NS-Zeit in Ostdeutschland, Studien zum Nationalsozialismus, Band 8, Tübingen 2003, S. 53

[41][41]Detlef Garbe, Von der Peripherie in das Zentrum der Geschichtskultur. Tendenzen der Gedenkstättenentwicklung, in: Bernd Faulenbach und Franz-Josef Jelich (Hg.), "Asymmetrisch verflochtene Parallelgeschichte?" Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und der DDR in Ausstellungen, Museen und Gedenkstätten, Geschichte und Erwachsenenbildung, Band 19, Essen 2005, S.78

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