Roma in Rumänien

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Ähnlich wie in Bulgarien sind die sehr schlechte wirtschaftliche Perspektive und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft sowie der offene manifeste Rassismus die Gründe für die Emigration vor allem nach Westeuropa.

 Die Zahl der im Ausland lebenden Rumän_innen wird auf zwei Millionen geschätzt, was einem Bevölkerungsanteil von ca. 10% entspricht.[1] Vom European Roma Rights Center wird die soziale und wirtschaftliche Situation der Roma in Rumänien weiterhin als „sehr dürftig“ eingeschätzt.[2] Rassismus gegen Roma und andere Minderheiten findet sich in allen Schichten der Gesellschaft, nicht nur am rechten Rand. Institutioneller Rassismus bei Behörden, Justiz oder Polizei ist die Regel und nicht die Ausnahme. Besonders in Teilen der Polizei existieren rassistische Praxen gegen Roma oder andere Minderheiten.[3] Sie reichen von selektiven Kontrollen, körperlicher und psychischer Gewalt bis hin zu Morddrohung und Folter. Die Wahrnehmung rassistischer Polizeigewalt in der Öffentlichkeit ist weitgehend gering. Jan Adam geht sogar von staatlichem Rassismus aus: „Teile des Staatsapparates, insbesondere des Geheimdienstes sind in rechtsextreme Netzwerken involviert. Der Staat selbst betreibt eine teilweise rassistische Politik gegenüber den Roma und der ungarischen Minderheit.“[4]

Die Anzahl der rumänischen Roma kann nur geschätzt werden. Offizielle Zahlen aus dem Jahre 2011 gehen von knapp 620.000 Roma aus.[5] Da aber viele Roma sich aus Angst vor rassistischen Stereotypen nicht als solche zu erkennen geben wollen, ist von einer höheren Zahl auszugehen.

Die Minderheit der Roma ist kein homogenes Gebilde, wie es in Teilen der Dominanzgesellschaft im biologistischen Sinne gerne dargestellt wird. Nach regionalen und historischen Gesichtspunkten lassen sich die Roma in zwei große Gruppen unterteilen: Dies sind zum einen diejenigen Roma, die gemäß ihrer Herkunft und ihrem Wohnort nach als transilvanische oder siebenbürgische Roma bezeichnet. Die zweite Gruppe bilden diejenigen Roma, die aus den Gebieten Moldau und Walachei stammen. Innerhalb dieser beiden Gruppen gibt es noch ca. dreißig Untergruppierungen, die sich nach ihrer jeweiligen Profession unterscheiden, die die jeweilige Eigenständigkeit betonen.[6]

In den rumänischen Gebieten Moldau und Walachei hatten bis 1855/56 die Roma den Status als Sklav_innen und Leibeigene inne.[7] Ehen zwischen Roma und Nicht-Roma waren verboten, ebenso Ehen zwischen Roma verschiedener „Besitzer_innen“. Ihre jeweiligen „Besitzer_innen“, darunter auch die rumänisch-orthodoxe Kirche, betrachteten Roma als „minderwertig“ und beuteten ihre Arbeitskraft ungehemmt aus. Nach dem offiziellen Ende der Sklaverei flüchteten die meisten Roma aus Angst vor neuer Leibeigenschaft in andere Länder. Dagegen waren zahlreiche der in den ehemals ungarischen Gebieten Siebenbürgen und Banat lebenden Roma als selbständige Handwerker_innen oder Händler_innen tätig.

Die mit dem nationalsozialistischen Regime verbündete faschistische Militärregierung unter Ion Antonescu (1940-1944) sorgte für das dunkelste Kapitel der rumänischen Romapolitik.[8] Mindestens 25.000 Roma wurden nach Transnistrien deportiert, wo ca. die Hälfte an Krankheiten, Unterernährung oder fehlender medizinischer Versorgung starben. Hunderttausende rumänische und ukrainische Jüd_innen wurden ebenfalls nach Transnistrien deportiert; die meisten starben durch die von der rumänischen Armee verübten rassistisch motivierten Massakern.[9] Diese Verbrechen unter dem faschistischen Regime werden heute noch verleugnet, verharmlost und sogar glorifiziert.[10] Eine gründliche Aufarbeitung steht trotz voranschreitender Bemühungen noch aus, es gibt noch keine offizielle Anerkennung für die Opfer von Antonescus Schreckensherrschaft.[11] Nach der Etablierung des Kapitalismus wurden Straßen und Plätze nach Antonescu benannt und ihm Denkmäler gesetzt. Eine Umfrage im Jahre 1995 ergab, dass 62% der Befragten ein positives Bild von Antonescu hatten und ihn als historische Leitfigur anerkannten. Im Jahre 1999 ehrte das rumänische Parlament parteiübergreifend Antonescu in einer Feierstunde.

Unter der kommunistischen Herrschaft erlebten viele Roma einen persönlichen Aufschwung in wirtschaftlicher Hinsicht.[12] Im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung wurden neue sichere Arbeitsplätze geschaffen, von denen zahlreiche Roma und ihre Familien profitierten. Roma wurden bevorzugt in der Bauindustrie, dem Bergbau und der Straßenreinigung eingesetzt. Diese körperlich schweren Arbeiten wurden jedoch insgesamt gesehen schlecht bezahlt, boten wenige Aufstiegsmöglichkeiten und hatten frühe gesundheitliche Einschränkungen zur Folge. Die von dem kommunistischen Regime beabsichtigte Integration der Roma entpuppte sich zum Teil als repressive Assimilation vor allem in kultureller Hinsicht. Es wurde ihnen verboten, ihre traditionelle Kleidung zu tragen und ihre überlieferten Feste zu feiern und Zusammenkünfte vor allem an religiösen Feiertagen zu organisieren.[13] Weiterhin wurde ihnen jede Form der Selbstorganisation verweigert. Das 1970 von Ceausescu verordnete „Dekret 153“ richtete sich gegen „soziale Parasiten“. Damit wurden Menschen im erwerbsfähigen Alter bezeichnet, die kein festes Arbeitsverhältnis oder einen festen Wohnsitz nachweisen konnten. So konnten angebliche die Gemeinschaft schädigende Personen willkürlich verhaftet und über Jahre im Gefängnis gehalten werden. Dies betraf hauptsächlich Roma.

Nach dem Sturz von Ceausescu 1989 hat sich die wirtschaftliche und soziale Lage der Roma dramatisch verschlechtert.[14] Viele Roma verloren ihre Arbeitsplätze im Zuge der Auflösung und Privatisierung der Staatsbetriebe. Von der allgemeinen Wohnungsnot und der hohen Arbeitslosigkeit waren Roma am meisten betroffen. Diejenigen Roma, die in einem festen Beschäftigungsverhältnis stehen, sind unterbezahlt und können von ihrem Lohn nur schwer leben und eine Familie versorgen. Heute leben viele in bitterster Armut und führen einen Kampf ums Überleben. Obwohl sie wahrscheinlich am meisten von den Nachteilen des einsetzenden Kapitalismus betroffen waren, dienten die Roma als Sündenbock für Teile der Mehrheitsbevölkerung. Die neu gegründete neofaschistische Organisation „Vatra Romanescu“ forderte in einem im ganzen Land verteilten Aufruf die Vertreibung der Roma und der Ungarn aus Rumänien: „Siebenbürgen, war, ist und wird immer unser sein! Leider wird dieser heilige rumänische Boden immer noch von asiatischen Hunnenfüßen, Zigeunern und anderem Abschaum verdreckt. Einigt Euch, um sie aus dem Land zu verjagen. Raus mit den Hunnen (Ungarn, M.L.) und raus mit den Zigeunern, die für unser Land eine Schande sind. Wir wollen ein reines und großes Rumänien. Wir wollen alle uns geraubten Gebiete zurück! Jetzt oder nie!“[15] Viele Roma flüchteten aufgrund dieses Bedrohungsszenarios aus Rumänien nach Westeuropa, darunter auch in die BRD.

Die Benachteiligung der Roma zeigt sich vor allem in der Bildung. Um die Jahrtausendwende waren 44 % der Männer und 59 % der Frauen Analphabeten.[16] In den Grundschulen gibt es in vielen Fällen de facto eine Separierung; Roma werden in eigenen Klassen getrennt von den Kindern aus der weißen Mehrheitsbevölkerung unterrichtet. Ein Grund dafür ist die Weigerung von Eltern aus der Dominanzgesellschaft, ihre Kinder zusammen mit Roma-Kindern in dieselben Klassen zu schicken. Nach der Grundschule werden viele Roma-Kinder auch aus rassistischer Motivation in Sonderschulen abgeschoben, die Chancen zu einer weiterführenden Schullaufbahn werden ihnen damit verwehrt.

Die in der jahrhundertelangen Sklaverei verinnerlichte „Minderwertigkeit“ der Roma wirkt im 21. Jahrhundert innerhalb der Mehrheitsgesellschaft unhinterfragt immer noch nach. Es wird vom einzelnen Menschen abstrahiert und die (negativen) Eigenschaften werden der Gruppe der Roma biologistisch zugeordnet. Der Rassismus gegen Roma ist keine Spezialität der extremen Rechten, sondern wird auch und vor allem in der „Mitte“ der Gesellschaft postuliert. A.K. Pfeifer führt aus: „Oft werden Roma als das ‚Andere‘ kategorisiert, von der Kategorie ‚Rumäne‘ werden sie per se ausgeschlossen. (…) sie als Fremde, als Nichtmitbürger, als Andere abzustempeln. Der in Rumänien herrschende vorurteilsbeladene und diskriminierende Diskurs gegen Roma kommt nicht nur von politischen Extremisten, sondern aus dem gesamten politischen und gesellschaftlichen Spektrum.“[17] In einer wissenschaftlichen Expertise, die die Einstellungen von jungen rumänischen Wissenschaftler_innen zu Roma untersuchte, bemerkte der Theologiestudent Vlad: „Ja, wenn Du in das Gesicht eines Rumänen blickst, wenn er einen Zigeuner trifft, kannst Du aus seinem Gesicht die Wut lesen. Er denkt dann: Das ist mein Platz. Warum kommst Du hierher? Ich kann nicht atmen.“[18] Der Dichter und Sprecher des Literaturmuseums, Calin Cuibotari, erklärte: „Als Rumäne in meinem Land darf ich nicht laut und deutlich in der Öffentlichkeit sagen, dass mir schlecht wird, dass ich ein Würgegefühl habe, wenn an der Bushaltestelle Padurea diese dreckigen, schmierigen Weiber mit ihren vielen in die Hosen scheißenden Zigeunerbalgen und mit nach billigem, infizierten Schnaps riechenden Männern einsteigen; es sind eklige Kreaturen, die ihre Zigeunerbalgen in die Trams zum Betteln schicken, während sie im Hintergrund das gute Gelingen der Aktion überwachen. Ich, Rumäne in meinem Land – ohne Extremist oder Nationalist zu sein – darf meine Wut gegenüber einer Minderheit nicht herausschreien, die uns durch ihren Lebensstil in ganz Europa und anderswo beschämt, unsere Städte infiziert, uns mit dem schrecklichen Mangel an Zivilisation trübt und uns zu jeder Stunde, in jedem Augenblick zeigt, dass Darwin Recht hatte.“[19]

Vor allen in den ersten Jahren nach dem Sturz Ceaucescus wurden Roma als „Agenten“ des Regimes und der Securitate diffamiert. Auch der unhinterfragte Mythos, dass Ceaucescu „Zigeuner“ war, ist Teil der Hetze gegen die Minderheit. Die Verweigerung des Zutritts in Kinos, Gaststätten oder Diskotheken für Roma oder als Roma identifizierte Personen ist weit verbreitet.[20] Der Gesetzgeber stellt dies zwar offiziell unter Strafe, ändert aber an der weiterhin vorkommenden Ungleichbehandlung wenig.[21]

Laut einer statistischen Erhebung aus dem Jahre 2001 S. 41 ordnen die weiße Mehrheitsbevölkerung den Roma vor allem die Eigenschaften dreckig (50%), diebisch (44%), faul (38%), zerstritten (24%), rückständig (22%) und nachlässig (12%) zu.[22]

Forderungen wie Zwangsarbeit für „kriminelle“ und „arbeitsscheue“ Roma sind in der Dominanzgesellschaft weit verbreitet.[23] Nach dem Vorbild der Apartheid in Südafrika wird die Errichtung von „Reservaten“ plädiert. In einer Umfrage im Jahre 2001 waren 36% der Befragten der Meinung, dass Roma am besten am Rande der Gesellschaft leben sollten.[24] Die Segregation von der Mehrheitsgesellschaft wird mit angeblichen kulturellen Eigenschaften der Roma begründet, die unvereinbar mit der der weißen Mehrheitsgesellschaft wären. In der oben erwähnten Umfrage sprach sich die Hälfte der befragten Personen für eine obligatorische, staatlich kontrollierte Geburtenbeschränkung aus.[25]

Nach Angaben der International Helsinki Federation For Human Rights wurden in Rumänien zwischen Dezember 1990 und Mai 1991 in 24 Dörfern die Roma-Viertel überfallen, die Häuser abgebrannt und die Bewohner verprügelt und vertrieben.[26] Gewalttätige Übergriffe und Pogrome fanden beispielsweise zwischen dem 13.-15. Juni 1990 in Bukarest in den Roma-Vierteln Ferentari, Tei, Rahova, Panteli-mon und Sulea statt sowie im Oktober 1990 im Dorf Mihai Kogalniceanu, wo zahlreiche Häuser der Roma niedergebrannt und die Familien aus dem Dorf gejagt wurden. Meist war es ein rassistischer Mob von einigen hundert oder tausend Menschen, die in kollektiver Lynchjustiz vorgebliche Straftaten einzelner Roma rächen wollten. Die lokalen Behörden und die Polizei waren entweder nicht in der Lage oder nicht willens, dagegen einzuschreiten. Die Pogrome wurden nur halbherzig oder gar nicht strafrechtlich verfolgt.

Ein Fall von institutionellem Rassismus machte international Schlagzeilen. Im September 1993 waren in dem siebenbürgischen Dorf Hadareni mit polizeilicher Duldung drei Roma gelyncht und dreizehn Häuser von Roma in Brand gesteckt worden.[27] Anlass des Pogroms war ein gewalttätiger Streit zwischen Dorfbewohner_innen, bei dem ein Rom seinen rumänischen Nachbarn erstochen hatte. Zwei Roma wurden daraufhin in der Anwesenheit von Polizist_innen von einem rassistischen Mob zu Tode geprügelt, einer wurde in seinem Haus verbrannt. Die damalige rumänische Regierung setzte zunächst widerwillig einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein. In dessen Abschlussbericht wurde in antiziganistischer Weise die Lynchjustiz als „spontane Reaktion von Dorfbewohnern gegen das Verhalten der Roma“ gerechtfertigt, denen eine „aggressive, kriminelle und desintegrative Lebensweise“ zugeschrieben wurde. Die Strafanzeigen der Roma wurden jahrelang nicht bearbeitet und somit eine Aufklärungsarbeit erschwert. Auch mit internationaler Hilfe wurde der Fall im Jahre 2005 vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verhandelt. Dieser verurteilte den rumänischen Staat, weil er „Lynchjustiz gegen Roma Vorschub leistete“, zur Zahlung von 238.000 Euro Schmerzensgeld an die betroffenen Roma.

Der damalige rumänische Außenminister Adrian Cioroianu schlug im November 2007 vor, ein Teil der ägyptischen Wüste zu erwerben und alle kriminellen rumänischen Roma dorthin zu deportieren. Im Anschluss an diese Deportationsphantasien spendete ein großer Teil der Bevölkerung Beifall, Proteste zeigten sich selten.

Im Jahre sprach 2009 sich eine Kampagne für ein Gesetz zur Wiedereinführung von țigani („Zigeuner“) und zur Beseitigung von roma aus.[28]Im Ausland bestünde eine Verwechslungsgefahr zwischen den Begriffen „Roma“ und „Romani“ („Rumäne“), die dem Ansehen der Rumän_innen in der Welt angeblich einen ungeheuren Schaden zufüge. Ausgangspunkt der jüngsten Umbenennungskampagne waren einige kriminelle Vorkommnisse in Italien, in die rumänische Staatsbürger_innen verwickelt waren, die angeblich der Minderheit der Roma angehören. Diese Kampagne fand nicht nur in weiten Teilen der rumänischen Mehrheitsbevölkerung Zustimmung, sondern auch in höchsten Kreisen der Politik. Der damalige rumänische Präsident Traian Basescu bezeichnete die Änderung der Bezeichnung „Zigeuner“ in „Roma“ als „großen politischen Fehler“.[29] Internationale Antidiskriminierungsinstitutionen und nationalen Minderheitenorganisationen sowie ein Teil der rumänischen Politik und Gesellschaft kritisierte die Kampagne und deren Protagonist_innen scharf. Dies führte letztlich dazu, dass der rumänische Senat die offizielle Umbenennung in țigani 2011 ablehnte.[30]

Die extreme Rechte in Rumänien besteht vor allem aus drei Parteien und Organisationen. Erstens ist die „Großrumänienpartei“(PRM) mit ihrem bis Mitte 2013 amtierenden Vorsitzenden Corneliu Vadim Tudor zu nennen, die bei Wahlen sehr erfolgreich und in Teilen der rumänischen Bevölkerung fest verankert ist.[31] Bei den Parlamentswahlen 2004 erhielt die PRM 13% der Stimmen. Tudor bekam bei den Präsidentschaftswahlen sogar 32%. Er bezeichnete sich selbst als „Tribun“; „tribuni“ werden in der rumänischen Geschichte Kämpfer_innen  für die Selbstverteidigung der rumänischen Gemeinden in Siebenbürgen gegen die Revolutionsregierung in Ungarn 1848 genannt. Der PRM-Abgeordnete und NS-Apologet Dumitru Dragomir stellte die Forderung auf, „Juden zu Seife zu verarbeiten".[32] Dragomir ist Herausgeber des neonazistischen Magazins „Atac a la persona" mit der regelmäßigen Rubrik „Zvastika".

Die PRM betreibt eine systematische Hetze gegen Roma und Ungar_innen, die größten Minderheiten des Landes. Sie agitiert gegen die EU, die fortschreitende Globalisierung und äußert sich antisemitisch. Die Partei fordert die „Wiederangliederung“ der ukrainischen Bukowina, des südlichen Bessarabiens und des Gebietes Moldawiens in Form eines „Großrumäniens“ nach dem historischen Vorbild bis zur russischen Besetzung 1812. Im EU-Parlament war die PRM war Mitglied der rechten ITS-Fraktion („Identität, Tradition, Souveränität")[33]; intensivere Kontakte bestehen mit dem französischen Front National.

Die Noua Dreapta („Neue Rechte“, ND) wurde 1999 in Bukarest gegründet und hat in größeren Städten Rumäniens mehrere Ortsgruppen.[34] Ihr ideologisches Vorbild ist Corneliu Zelea Codreanu, der Gründer der Legionärsbewegung „Schwert des Erzengels Michael“. Das Symbol der ND ist das keltische Kreuz in der Regel auf einem grünen Hintergrund, was an die Insignien der Eisernen Garde Codreanus erinnert. Jedes Jahr am 30. 11 organisiert die ND in der Nähe des Dorfes Tancabesti bei Bukarest einen Marsch zu Ehren Codreanus, der dort 1938 mit anderen Legionären auf Befehl des damaligen Königs umgebracht wurde. In der ND sind viele Student_innen mit gefestigtem nationalistischem und rassistischem Weltbild aktiv, was eine Intellektualisierung der Organisation zur Folge hat. Die ND gibt eigene Zeitschriften wie „Militant“ und „Student“ raus, in denen Vergangenheitsmythen beschworen und Hetze gegen Andersdenkende und Minderheiten betrieben wird.

Programmatisch geht rumänisch-orthodoxe Religionsmystik bei der ND einher mit Rassismus vor allem gegen Roma und die ungarische Minderheit, Homophobie und Antiglobalisierung. Eine der zentralen Forderungen der ND ist die Zwangsabtreibung für Romni und die Schaffung von „Reservaten“, in denen Roma getrennt von der übrigen Bevölkerung wie während der Apartheid in Südafrika leben sollten. Eine EU-Mitgliedschaft Rumäniens wird vehement abgelehnt. Die Ortsgruppe in Timisoara veranstaltete im September 2006 ein Symposium gegen den EU-Beitritt Rumäniens ab 2007. Die ND will ein „Großrumänien“ nach dem historischen Vorbild bis zur russischen Besetzung 1812 auf rassistischer Grundlage schaffen. Das System der parlamentarischen Demokratie wird abgelehnt, stattdessen soll eine autokratische Regierung geschaffen werden. Einige Angehörige der ND bevorzugen sogar eine Neuauflage der Monarchie.

Die ND ist nicht als politische Partei registriert und kann daher nicht in Wahlen teilnehmen. Es gibt keine registrierte Mitgliedschaft, es wird von 1.000-2.000 aktiven Mitglieder_innen ausgegangen. Die ND ist Teil der Europäischen Nationalen Front, einer Dachorganisation von extrem rechten Organisationen in ganz Europa. Es existieren intensive Kontakte zur neonazistischen NPD. Sowohl beim „Fest der Völker“ in Jena 2005 als auch auf einer NPD-Kundgebung am 8.5. 2005 in Berlin durfte der ND-Generalsekretär Claudiu Mihutiu eine Rede halten.

Im Juni 2006 fand in Bukarest eine Gaypride-Parade statt, gegen die Mitglieder der ND vor Gericht zogen, um ein Verbot der Veranstaltung zu erwirken.[35] Als dies misslang, organisierte die Organisation einen Aufmarsch unter dem Motto „Marsch für Normalität und gegen Homosexualität“ organisierten, an dem ca. 900 Menschen teilnahmen, darunter viele rumänisch-orthodoxe Gläubige mit Kreuzen. Am Ende des Marsches wurden Teilnehmer_innen der Gaypride-Parade angegriffen und verletzt. Am 15. März 2008, dem ungarischen Nationalfeiertag, organisierte die ND eine antiungarische Kundgebung in Cluj-Napoca gegen die Feierlichkeiten der ungarischen Minderheit. Dabei kam es zu Übergriffen von Mitglieder_innen auf Angehörige der ungarischen Minderheit. Nach diesem Vorfall forderten zwei ungarische Mitglieder des rumänischen Parlaments ein Verbot der ND.

Der „Partei der nationalen Vereinigung Rumäniens“ (PUNR) geht es vor allem um die Errichtung eines „Großrumäniens“ und die hegemoniale Stellung des Landes in Südosteuropa. Die PUNR ist eher als nationalistische Splitterpartei zu betrachten, da sie nicht die Akzeptanz der ND oder der PRM in Teilen der Bevölkerung besitzt.

Organisierte neonazistische Gruppen außerhalb der oben beschriebenen Parteien wie zum Beispiel in der BRD die „Freien Kameradschaften“ oder rechte Skinheads spielen zwar zahlenmäßig eine geringe Rolle, sind aber immer ein Bedrohungsszenario für Roma oder andere Minderheiten. Ende Juli 1993 gründete sich in der südrumänischen Stadt Ploiesti die „Organisation für den Kampf gegen die Zigeuner“ (OLIT). Ihr „Präsident“ erklärte: „Alle verschiedener Delikte schuldige Zigeuner, die das Gesetz nicht bestraft, werden wir hart bestrafen, und zwar gemäß ihren Taten. Die Rumänen werden von Zigeunern zusammengeschlagen, ausgeraubt und abgestochen. Und was macht die Polizei? Hält sich raus! Wir müssen die Ordnung im Lande wiederherstellen.“[36] In unregelmäßigen Abständen gibt es auch Übergriffe von rassistischen Hooligans in und außerhalb der Fußballstadien.

 




[1] Montag Stiftung Urbane Räume, Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien. Hintergrund, Herausforderungen und Handlungsansätze. Erfahrungen aus nordrhein-westfälischen Städten, a.a.O., S. 10

[2] Pfeifer, A-K.: Die inkorporierte Differenz. Antiziganistische Vorurteile bei WissenschaftlerInnen in Rumänien, in: Hinterland 07/2008, S. 35-45, hier S. 40

[3]www.endstation-rechts.de/news/kategorie/internationale-rechte-1/artikel/...

[4] Ebd.

[5] Aachener Nachrichten vom 23.11.2011

[6] Djuric, R./Becken, J./Bengsch, A. B.: Ohne Heim – Ohne Grab. Die Geschichte der Roma und Sinti, Berlin 1996, S. 128

[7] Ebd., S.132

[8] Siehe dazu den Forschungsüberblick von Mihok, B.: Der „einseitige Transfer“. Die Deportation rumänischer Roma nach Transnitrien 1942-1944. Zum Forschungsstand, in: Benz,W./Dies. (Hrsg.): Holocaust an der Peripherie. Judenpolitik und Judenmord in Rumänien und Transnitrien 1940-1944, Berlin 2009, S. 173-185

[9] Hausleitner, M.: Großverbrechen im rumänischen Transnistrien 1941–1944, in: Dies. u.a. (Hrsg.) Rumänien und der Holocaust. Berlin 2001, S. 15–24

[10]Achim, V., Gypsy Research and Gypsy Policy in Romania 1920–1950, in: Zimmermann, M. (Hrsg.): Zwischen Erziehung und Vernichtung. Zigeunerpolitik und Zigeunerforschung im Europa des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2007, S. 157–174, hier S. 170ff

[11] www.bpb.de/apuz/33281/die-groesste-minderheit-in-europa?p=all

[12] Genc, T.: Südosteuropa nach dem 2. Weltkrieg, Köln 1985, S. 153f

[13] Djuric/Becken/Bengsch, Ohne Heim – Ohne Grab. Die Geschichte der Roma und Sinti, a.a.O., S. 139

[14] Vernen, R.: Transformationsgesellschaften in Osteuropa, Hamburg 1999, S. 26

[15] Zitiert aus Lang, M. R.: Lustig ist das Zigeunerleben…. Zur aktuellen Lage der Roma und Cinti, o.O., o.J.

[16]Bercus, C.: Die Situation der Roma in Rumänien, in: Matter, M. (Hrsg.): Die Situation der Roma und Sinti nach der EU-Osterweiterung, Göttingen2005, S. 29ff

[17] Pfeifer, A-K.: Die inkorporierte Differenz. Antiziganistische Vorurteile bei WissenschaftlerInnen in Rumänien, in: Hinterland 07/2008, S. 35-45, hier S. 41

[18] Zitiert aus Ebd.

[19] Vladu, A.N./Kleinschmidt, M.: Von Zigeunern und Vampiren. „Der Zigeuner“ als das Andere des rumänischen Selbst, in: End/Herold/Robel, Antiziganistische Zustände, a.a.O., S. 204-232, hier S. 210

[20] Bercus, Die Situation der Roma und Sinti in Rumänien, in: Matter, Die Situation der Roma und Sinti seit der EU-Osterweiterung, a.a.O., S. 36

[21]Ebd., S. 31

[22] Pfeifer, Die inkorporierte Differenz. Antiziganistische Vorurteile bei WissenschaftlerInnen in Rumänien, in: a.a.O., S. 41

[23]Verseck, K.: Rumänien, München 1998, S. 31

[24]Bercus, Die Situation der Roma in Rumänien, in Matter, Die Situation der Roma und Sinti nach der EU-Osterweiterung, a.a.O., S. 29

[25] Ebd., S. 31

[26] Vernen, Transformationsgesellschaften in Osteuropa, a.a.O. S. 34

[27] Taz vom 14.7.2005

[28] Taz vom 28.3. 2009

[29] Vernen, Transformationsgesellschaften in Osteuropa, a.a.O., S. 37f

[30] Aachener Nachrichten vom 10.2. 2011

[31]www.endstation-rechts.de/news/kategorie/internationale-rechte-1/artikel/...

[32]www.endstation-rechts.de/news/kategorie/internationale-rechte-1/artikel/...

[33] Die rechte Fraktion im Europäischen Parlament bestand zwischen Januar 2007 und November 2007. Der französische Abgeordnete Bruno Gollnisch war ihr Vorsitzender, weil dessen Front National die stärkste Partei der Fraktion darstellte. Die Auflösung der Fraktion kam schließlich infolge der Streitigkeiten über rumänische Zuwanderer_innen in Italien. Aus Protest gegen die antirumänischen Äußerungen der italienischen Abgeordneten Alexandra Mussolini trat die PRM aus dem Bündnis aus. Am 14. November wurde die Fraktion deshalb offiziell aufgelöst, da sie nur noch weniger als 20 Mitglieder hatte.

[34] Toma, C.: Noua Dreapta. Rumäniens neue Rechte, in: Der Rechte Rand, November/Dezember 2006, Nr. 103, S. 25

[35] Ebd.

[36] Taz vom 12.8.1993

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