Ungefragte Arbeitskräfte: Spätkapitalismus und Surplus-Proletariat
Seit seinen Anfängen hat sich der Kapitalismus dadurch ausgezeichnet, dass er Menschen überflüssig macht. Die fortschreitende Rationalisierung und Mechanisierung der Produktionsprozesse führte zu einer schwindenden Nachfrage und tendenziellen Entwertung der Ware Arbeitskraft. Die daraus resultierende Not der »Überflüssigen« bildete zwar schon früh einen wesentlichen Anklagepunkt marxistischer Gesellschaftskritik gegen die herrschende Ordnung, heute ist jedoch eine neue Stufe erreicht: Die Mehrzahl der Menschen auf dem Globus versorgt sich nicht mehr selbst, sondern ist auf den Verkauf der Arbeitskraft an andere angewiesen, um über die Runden zu kommen, kurz gesagt die Mehrheit der globalen Bevölkerung besteht aus Proletariern. Die so massenhaft freigesetzte Arbeitskraft weckt jedoch auf Seiten des Kapitals längst keine entsprechenden Begehrlichkeiten mehr, sodass ein Surplus-Proletariat entsteht, das in den letzten Jahren auf vielfältige Weise in das politische Geschehen eingreift: in Form stetig wachsender Migrationsströme von Menschen etwa, die jedoch an ihren Zielorten keine Möglichkeit mehr vorfinden, ihre Arbeitskraft in Wert zu setzen; in Form von Kriegen, die sich zwischen marodierenden Milizen und Gangs abspielen und im Extremfall in failed states münden; in Form neofundamentalistischer Bewegungen, die aus den Fugen geratenen Gesellschaften einen autoritär-moralischen Kitt verpassen und die Habenichtse auf das Jenseits vertrösten; nicht zuletzt aber auch in Form neuartiger, mit überlieferten Vorstellungen von Klassenkampf und Revolution kaum zu fassenden Unruhen, die immer wieder Züge selbstorganisierter Kämpfe annehmen, deren Perspektive aber unklar bleibt.Anlässlich der Veröffentlichung der 4. Nummer der Zeitschrift Kosmoprolet, in der sich zwei Texte mit diesem Thema befassen, wollen wir das Thema Surplus-Proletariat genauer beleuchten und mit Euch diskutieren. 17. September 2015, 19.30 UhrVersammlungsraum, Mehringhof, Gneisenaustraße 2a, Berlin-Kreuzberg
Infos: www.kosmoprolet.org