Aktuelles und Zwischenstand zum Fall der Verdeckten Ermittlerin Iris Plate

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Mehr als ein halbes Jahr nach unserer Veröffentlichung vom November 2014 zum verdeckten Einsatz der LKA-Beamtin Iris Plate in Hamburger linken Strukturen fällt ein (Zwischen-)Fazit zwiespältig aus. Einerseits ist das mediale Echo weit über das hinausgegangen, was wir selbst erwartet hatten, andererseits sind die Reaktionen der Szene eher verhalten geblieben.

 

Obwohl sich im Laufe der Monate und nach mehreren Innenausschüssen gezeigt hat, dass die Hamburger Polizei offen Rechtsbruch betrieben hat, sind die Konsequenzen bisher überschaubar geblieben.

 

 

 

Aktuelles und Zwischenstand zum Fall der Verdeckten Ermittlerin Iris Plate

 

 

 

Mehr als ein halbes Jahr nach unserer Veröffentlichung vom November 2014 zum verdeckten Einsatz der LKA-Beamtin Iris Plate in Hamburger linken Strukturen fällt ein (Zwischen-)Fazit zwiespältig aus. Einerseits ist das mediale Echo weit über das hinausgegangen, was wir selbst erwartet hatten, andererseits sind die Reaktionen der Szene eher verhalten geblieben.

 

Obwohl sich im Laufe der Monate und nach mehreren Innenausschüssen gezeigt hat, dass die Hamburger Polizei offen Rechtsbruch betrieben hat, sind die Konsequenzen bisher überschaubar geblieben.

 

 

 

Rezeption und Reaktion

 

 

 

Erfreulicherweise gab es ein bundesweites Presseecho, welches auch weiter den Verlauf der „Spitzelaffäre“ begleitet. In Hamburg setzte eine ausführliche Berichterstattung erst ein, nachdem in überregionalen Medien wie der Frankfurter Rundschau und der Süddeutschen Artikel erschienen waren: NDR und MOPO wollten es sich unseres Erachtens nicht mit der Polizei verscherzen, zumindest lässt ihre spärliche Berichterstattung über den Fall Iris Plate diese Schlussfolgerung zu.

 

Wie skandalös es ist, wenn eine verdeckte Ermittlerin / Beamtin für Lageaufklärung in einer Radioredaktion mitarbeitet, musste der Öffentlichkeit und der Innenbehörde erst durch die Deutsche Journalisten Union erklärt werden. Die Dimension des „schweren Eingriffes in die Rundfunkfreiheit“, nämlich die Aushebelung des Redaktionsgeheimnisses und des Quellenschutzes schien bei einem linken freien Projekt in der Berichterstattung bis dahin keine große Rolle zu spielen.

 

 

 

Die Veröffentlichung der Privatadresse der LKA-Beamtin diente verschiedenen Zielen: Damit wurde überprüfbar, dass „Iris Schneider“ und Iris Plate, die LKA-Beamtin, ein und dieselbe Person ist und es verunmöglichte der Gegenseite, die Recherche abzustreiten. Die folgende Berichterstattung baute dann bei der Hamburger Polizei so viel Druck auf, dass deren übliche Strategie der Leugnung und des Aussitzens öffentlicher, unangenehmer Nachfragen nicht greifen konnte. Ferner lässt es nachfolgende Ermittler_innen überlegen, ob sie ihr Privatleben mit dem Einsatz aufs Spiel setzen wollen.

 

 

 

Der Pressesprecher der Hamburger Polizei, Mirko Streiber erwirkte eine Rüge gegenüber mehreren Medien beim Deutschen Presserat wegen der Nennung des Klarnamens der Beamtin. Wir halten Iris Plate jedoch für eine Person des öffentlichen Interesses und danken hiermit denjenigen, die uns durch ihre Folge-Berichterstattung unterstützt haben.

 

Bis heute wissen wir selbst nicht, wie viele Personen von dem fünfjährigen Einsatz vor 8 Jahren betroffen waren, wir gehen von mehreren Hundert aus. All jene, die ausspioniert wurden, haben ein Anrecht darauf, zu erfahren, wer „Iris Schneider“ wirklich war.
Wie wir z.B. erst kürzlich erfahren haben, ist auch die bundesweite Aktion „Einmal im Leben pünktlich sein“, die mit der Blockade der Hafenstraße für die Akzeptanz und den Erhalt von Bauwagenplätzen kämpfen wollte, durch sie verraten worden. Das ist übrigens ein eindrucksvolles Beispiel für die Verletzung journalistischen Quellenschutzes.

 

Die Vorgänge um diesen Fall fanden sogar Eingang in den Grundrechtereport 2015. Das zeigt auch wie weitreichend dieser Skandal ist, der überregional als massiver Eingriff in die Grundrechte wahrgenommen wurde. Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit wird dort nicht so lapidar abgetan, wie dies Senator Neumann vor dem Innenausschuss tat.

 

 

 

Die Resonanz innerhalb der linken Szene ist schwieriger einzuschätzen. Die Erstauflage unserer Broschüre ist zwar nahezu vergriffen, aber ob die eigenen Strukturen für einen besseren Umgang mit Verdachtsfällen von eingeschleusten Polizist_innen sensibilisiert sind, bleibt offen. Außer einer zwar gut besuchten Veranstaltung zur Enttarnung von Plate im Dezember 2014 in der Roten Flora, auf der wenig diskutiert wurde, ist nicht viel passiert. So gab es in linken Medien kaum eine politische Auseinandersetzung mit unserer Veröffentlichung. Wir hoffen, dass wir durch unseren selbstkritischen Text andere anregen konnten, ihr eigenes Handeln in vergleichbaren Situationen mehr zu hinterfragen. Wir wünschen uns, dass Menschen im eigenen Zusammenhang diskutieren und die nötige Verantwortung bei der Überprüfung eines Verdachtes übernehmen.

 

Hier sei nochmal ausdrücklich darauf hingewiesen: Es geht alle an: Egal ob verdeckte Ermittler_innen, BfL, oder V-Leute, sie können euch näher kommen als ihr euch das wünscht. Unserer Einschätzung nach sind immer mehrere BfL gleichzeitig in unterschiedlichen Szenen in Hamburg aktiv, für das Jahr 2004 wissen wir neben Plate zusätzlich von Krumbeck.

 

Es sollte mehr darum gehen, wie bei anderen Arten von Repression auch, Instrumente zur Prävention und Handlungsoptionen zu entwickeln. Bei Verdachtsfällen von möglichen Zuträger_innen von Polizei/Verfassungsschutz hat sich trotz aller Veröffentlichungen der letzten Jahre ( siehe u.a. „Kirsti Weiß“, „Stefan“, „Christian Trott“/Kristian Krumbeck, Simon „Bromma“/Brenner) noch immer kein akzeptabler Umgang mit solchen Problemen verfestigt.

 

Hinterher locker mit einem „Ich hab's ja immer gewusst“ zu kommen, dient nur der eigenen Selbstbestätigung und Distanzierung, keinesfalls aber dem Schutz der betroffenen Strukturen.

 

Die Auswahl und der Einsatz von vE und BfL passiert nicht zufällig. Dahinter steht ein über Jahre entwickeltes System, von psychologischen Eignungskriterien der Beamtin auf der einen Seite auf der anderen Seite wird aber auch unsere Szenen mit ihren Verhaltensweisen und Rollenvorstellungen sehr genau analysiert. So sagt die Auswahl von vE auch viel über uns selbst und unseren alltäglichen Umgang aus.

 

 

 

Angeregt durch das lesenswerte Papier “Ausgeforscht” der Radio Gruppe re[h]v[v]o[l]te (rehvvollte.blogsport.eu), haben wir uns über das Thema Gender und daran geknüpfte Rollenvorstellungen im Zusammenhang mit verdeckt eingesetzten Beamt_innen ausgetauscht.

 

Schnell sind wir dabei allerdings auch auf andere sozial/gesellschaftliche (Grund-)Vorstellungen kommen.

 

Viele von rehvvollte benannte Punkte teilen wir: “dass man Frauen auf politischen Treffen eine beobachtende, viele Fragen stellende Rolle

 

tendenziell eher abnimmt als Männern.” Und dass sich “Frauen gerade in gemischtgeschlechtlichen Zusammenhängen oft durch ihre zuverlässige organisatorische Beteiligung, etwa das Koordinieren von Terminen, das Kümmern um Räume, das Vorbereiten von Veranstaltungen bewähren.”

 

Sowohl Iris Vielzahl an Kontakten, wie auch die vielen verschiedenen Felder der radikalen Linken in denen sie sich bewegte, waren für sie als (lesbische) Frau einfacher zugänglich.

 

 

 

In linksradikalen Zusammenhängen sind jedoch nicht nur die klassischen zurückhaltenden, fragenden und Reproduktionsarbeit leistenden Frauen gerne gesehen bzw. übersehen. Demgegenüber stehen Frauen, die laut ihre Meinung sagen und sich durchsetzten können; sie gelten als taff und werden in unseren Kreisen als positives Rollenmuster gesehen.

 

Diese Form von Durchsetzungsfähigkeit spielt im Berufsfeld „Polizei“ eine ambivalente Rolle. Die Polizei rühmt sich, dass im Jahr 2014 „bereits 35-40% Frauen in Hamburg“ in ihren Reihen tätig sind. Polizeibeamtinnen, die sich einen Platz in einem hierarchischen patriarchal strukturierten System, das von Konkurrenz untereinander profitiert, sichern wollen, werden eher als emanzipiert wahrgenommen.

 

Männer, die in diesen Berufsfeld Karriere machen wollen, würden in der Mehrzahl mit einer solchen Durchsetzungsfähigkeit in linken Zusammenhängen eher negativ auffallen.

 

Zudem wurde Iris ihre Verletztheit über den Vertrauensbruch nach der ersten Verdächtigung, die sie extrem nach außen kehrte und mit Tränen untermalte, abgenommen, eine solche Show wäre für einen Hetero-Mann ungleich schwerer.

 

In einigen linken Gruppen ist die Frauenquote nicht hoch und Frauen werden mit Freude zur Mitarbeit willkommen geheißen.

 

Vermutlich wird es nicht mehr lange dauern, bis verdeckte Beamt_innen mit „Migrationshintergrund“ in linken Strukturen eingesetzt/enttarnt werden. Zumal die Polizei sich deutlich bemüht, Personen nicht deutscher Herkunft (auch in 2. oder 3. Generation) für die Ausbildung anzuwerben.

 

„Bei der Polizei Hamburg kann sich jeder bewerben, der seinen legalen Aufenthalt dauerhaft in Deutschland hat. Die dt. Staatsbürgerschaft ist grundsätzlich nicht erforderlich.“ Insgesamt hatten 2014 in der Hamburger Verwaltung (zu der auch die Polizei zählt) von den jährlich 800 Auszubildenden 15,2 % einen „Migrationshintergrund“, wie die Stadt stolz verkündet.

 

Der Bruch mit Eltern, wie in Plates Legende, wird in unseren Zusammenhängen akzeptiert, da auch viele von uns Kritik an ihren Eltern oder auch mit ihnen gebrochen haben. Grundsätzlich ist es evtl. heute aufgrund fehlender Organisiertheit leichter, verdeckte Beamt_innen in der radikalen Linken einzusetzen und die Überprüfung von Leuten nicht generell verdachtsunabhängige Routine.

 

 

 

Politische Konsequenzen

 

 

 

Für die Hamburger Polizei ist die Plate-Enttarnung ein Desaster, am Ende wird die verantwortliche Staatsschutzabteilung wahrscheinlich „mit einem blauen Auge“ davon kommen. Die in den Medien kolportierte Versetzung des jetzigen Leiters des Staatsschutzes, Andreas Hoffmann als damaligen Verantwortlichen für den Plate-Einsatz, wird ein Bauernopfer gewesen sein. Der nachträgliche öffentliche Wirbel wirft auch auf Iris Plate ein schlechtes Licht, womit sich ihre Aufstiegschancen im Apparat erledigt haben dürften.

 

In der Politik sind die Rollen überschaubar verteilt: SPD-Innensenator Neumann simuliert Aufklärung, die immer so viel preisgibt, wie die Öffentlichkeit schon weiß, unter anderem um damit SPD-Oberbürgermeister Scholz (damals Brechmittel-Innensenator) aus der Schusslinie zu halten.

 

Die CDU und Polizeigewerkschaften schweigen peinlich berührt und hoffen, dass alles nur irgendwie vorbei geht. Die Grünen interessiert als neuer Juniorpartner der rot-grünen Koalition nicht mehr ihr Oppositionsgeschwätz von gestern – bleiben die Linken und Einzelpersonen der FDP, die inhaltlich ernstzunehmende Fragen stellen, die aber aus zuvor beschriebenen Gründen unbeantwortet bleiben.

 

 

 

Die bewusste Vermengung der Kompetenzen von verdeckter Ermittlung und zeitgleicher verdeckter Lageaufklärung und damit verbundener Befugnisse, die einander eigentlich ausschließen, dienten der gezielten Aushebelung rechtlicher Schranken. Die aufgedeckten Rechtsbrüche sind Teil eines Systems, das auch nach dem Einsatzende der LKA-Beamtin Plate weitergeführt wird, wie sich auch im aktuellen Fall um Maria Böhmichen zeigt.

 

 

 

 

 

 

 

Bisherige Erkenntnisse

 

 

 

Auf die Frage, warum der offensichtliche Rechtsbruch, diese absurde Konstruktion aus verdeckter Ermittlerin (VE, konkrete Tatbestandsermittlung, weitreichende Befugnisse) und Beamtin für Lageaufklärung (BfL'in, allgemeine Aufklärung, eingeschränkte Befugnisse) in ein und derselben Person, nach dem Motto „Heute BfL, morgen VE“ in der Vergangenheit niemals hinterfragt wurde, hüllt man sich in peinlich berührtes Schweigen bei den zuständigen polizeilichen und politischen Stellen. Und dass von diesem Konstrukt ausgiebig Gebrauch gemacht worden sein muss, erschließt sich aus dem Umstand, dass diese Praxis jetzt bundesweit (!) explizit verboten wurde. Ein Hinweis mehr darauf, dass dieses Vorgehen Normalität war und es sich nicht um einen Einzelfall in Hamburg gehandelt hat. Insbesondere da Plate ja sowohl für BKA, das LKA Schleswig-Holstein und eben Hamburg im Einsatz war und ihre Berichte auch den Weg zum Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) gefunden haben. Die Ausnahme in diesem Fall ist lediglich, dass diese Praxis durch die Enttarnung von Iris Plate nun ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt wurde.

 

 

 

Dazu behaupten Polizei- und Behördenvertreter, hier würde eine polizeiliche Praxis aufgearbeitet, die zeitlich lange zurückliege und die gegenwärtigen Verantwortlichen nicht beträfe. Wir hingegen sind davon überzeugt, dass gegenwärtig noch immer politische Zusammenhänge der linken Szene in Hamburg durch die Polizei rechtswidrig mit geheimdienstlichen Methoden überwacht werden.

 

 

 

Grundsätzlich bleibt es seit Dezember letzten Jahres dabei, mittels durchschaubarer „Salamitaktik“ immer nur so viel offen zu legen oder zu korrigieren, wie aufgrund des öffentlichen Drucks nötig ist.

 

In der Innenausschuss-Sitzung vom Januar 2015 erklärte zunächst der Innenbehördenverteter Krösser, man habe insgesamt 68 Sachberichte, die das LKA im Rahmen der Zusammenarbeit dem LfV übermittelt habe, der LKA-Beamtin Plate als Autorin zuordnen können. Sie habe diese Berichte in ihrer Eigenschaft als BfL’in erstellt, woraus sich ergibt, dass sie gemäß den rechtlichen Vorgaben keine personenbezogenen Daten hätte erheben dürfen. Nach dieser Darstellung Krössers stellte die Mitarbeiterin des Datenschutzbeauftragten, Frau Karakuş, allerdings klar, dass eine von ihr erfolgte Inaugenscheinnahme genau dieser Dokumente ergeben hat, dass in diesen Berichten sehr wohl in erheblichen Umfang personenbezogene und personenbeziehbare Daten enthalten sind. Neben Klarnamen enthielten diese Berichte so konkrete Angaben, dass diese auf Personen bezogen werden könnten und damit die formalen Rechtsgrundlagen für den Einsatz als BfL’in nachweisbar missachtet wurden. Zudem wies der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Caspar darauf hin, dass es schwerwiegende Hinweise darauf gibt, dass das verfassungsgemäße Gebot der Trennung von Geheimdienst und Polizei unzulässig aufgeweicht wurde und die Rechtmäßigkeit des Einsatzes grundsätzlich in Frage stehe.

 

 

 

In der Innenausschusssitzung vom Dezember 2014 wurde noch behauptet, Befragungen der damals am verdeckten Einsatz beteiligten Beamt_innen hätten ergeben, dass es keinen dienstlichen Auftrag und keine Kenntnis über ein Engagement von Plate im Radiosender „Freies Senderkombinat“ (FSK) gegeben habe. In der Sitzung vom 07.01.15 wurde zugegeben, dass eine zweite Befragung gegenteilige Erkenntnisse ergeben hätte. Man habe nicht nur Kenntnis von Plates redaktionellen Mitarbeit im FSK gehabt, sondern dies zum einen zur Aufrechterhaltung der Legende ausdrücklich gebilligt und zum anderen allgemeine Erkenntnisse aus dieser Mitarbeit innerhalb der Aufgabenwahrnehmung als „Beamtin für Lageaufklärung“ (BfL) genutzt. Es erscheint absolut lebensfremd, dass dieser Umstand erst durch eine zweite Befragung ans Licht kam. Vielmehr hat der öffentliche Druck und die fortgesetzte Presseberichterstattung unseres Erachtens dafür gesorgt, dass die Verantwortlichen in dieser Frage die Flucht nach vorne angetreten haben.
Die Behauptung hinsichtlich der Tätigkeit der LKA-Beamtin Plate als verdeckte BfL’in sei rechtlich durch die gesetzlichen Bestimmung gedeckt gewesen, hat sich nicht zu letzt mit der Veröffentlichung von re[h]v[v]o[l]te Radio, einer Sendung auf FSK vom 8. Mai 2015 als offensichtliche und bewusste Lüge erwiesen. Durch diese Veröffentlichung (www.rehvvollte.blogsport.eu) war der Senator und seine Behörde abermals in Zugzwang geraten. In der ersten Innenausschuss-Sitzung der 21. Legislaturperiode der Hamburger Bürgerschaft am 15. Juni 2015, nun unter Rot-Grüner Regierung, mussten die bisherigen Auskünfte erneut korrigiert werden. Da die Beamtin, wie Polizeipräsident Meyer referierte, wenige Tage vor der Sitzung in einer erneuten dienstlichen Befragung angab, „dass sie im FSK gearbeitet und den betreffenden Jingle erst erstellt habe. Auch gibt sie an, Wohnungen ihres damaligen sozialen Umfeldes betreten und an Ausflügen teilgenommen zu haben. All dies sei zur Aufrechterhaltung ihrer Legende geschehen. Ihr Handeln sei jeweils mit ihrer VE-Führung abgesprochen gewesen, zudem habe sie auch mit anderen Vorgesetzten über ihre Tätigkeit gesprochen. Alle Wohnungsbegehungen seien durch sie dokumentiert oder gemeldet worden.“ Die Vorgesetzten sind „ihre VE-Führer, der zuständige Dienststellenleiter, stellvertretende Abteilungsleiter sowie der Abteilungsleiter selbst“ (Prot Innenausschuss 20/35).

 

 

 

Laut Aussagen Vahldiecks (ex VS-Chef HH) vor dem NSU-Ausschuss BW, ist bei verdeckten Ermittlungen (im rechten Spektrum) mit einem „Backoffice“ von 5-8 Personen zu rechnen. Dass sich so viele Menschen im Fall von Plate an nichts erinnern können ist mehr als unglaubwürdig.

 

Die bisherigen Ermittlungen erfolgten durch eine aus den Reihen des LKA gebildeten Ermittlungsgruppe. Die eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Um glaubwürdig zu erscheinen, soll nun die Innenrevision der Innenbehörde und die Disziplinarabteilung der Polizei übernehmen. Wir sind nicht davon überzeugt, dass diese entschlossen und unabhängig arbeiten werden... selbst wenn, werden die Ergebnisse, die diese Behörden liefern, überhaupt veröffentlicht?

 

 

 

Es scheint, dass die von Innensenator Neumann (SPD) verteidigte „List und Tücke“ verdeckter Ermittlungen auch auf den Aufklärungswillen der Innenbehörde und Polizei zutrifft. Fintenreich wird eine umfassende Aufdeckung der Umstände des Einsatzes der LKA-Beamtin Plate verhindert. Die öffentlich zur Schau getragene angebliche selbstkritische Aufarbeitung ist eine Farce!

 

 

 

Die Rolle der Polizei

 

 

 

Es geht hier nicht darum den guten Staat anzurufen, um es hier klar zu stellen, den guten Staat gibt es nicht.

 

Die von außen erzwungene polizeiinterne Aufarbeitung der Affäre ist gescheitert. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Innensenator Neumann wegen der „Möglichkeit von interpersonellen Konflikten, die einer sachorientierten Aufklärungsarbeit entgegen stehen würden“ die LKA-interne Arbeitsgruppe auflöst und die Ermittlungen der Disziplinarabteilung der Polizei und der Innenrevision überträgt.

 

Die Polizei entzieht sich, mit Unterstützung des Senates, der parlamentarischen Kontrolle und wird zum eigenständigen politischen Akteur. Hierbei wird sie tatkräftig vom autoritären Wadenbeisser Lenders, dem Chef der DPolG. unterstützt. Dieser sitzt mittlerweile für die CDU in der Bürgerschaft. Zuletzt wurde in der Auseinandersetzung um das KoZe, durch die Polizei Politik gemacht. Die Entscheidung des Senats, das KoZe zu tolerieren, war nicht in ihrem Sinne, so dass durch gezielte Pressemitteilungen der Polizei versucht wurde, die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

 

Die Polizei verhält sich seit Jahren immer selbstherrlicher und schert sich wenig um die Gesetze. Wenn es ihr z.B. nicht passt, dass eine Demonstration ausnahmsweise durch die Innenstadt laufen darf, wird diese aufgestoppt. Sinngemäß heißt es dann aus der Einsatzleitung: Was juckt es uns, wenn dieser Einsatz in drei Jahren als rechtswidrig eingestuft wird. Dies ist in den letzten Jahren öfter passiert. Ein Beispiel dafür ist der Angriff auf die Demonstration zur Verteidigung der Roten Flora am 21.12.2013, durch die Polizei, weil sie angeblich drei Minuten zu früh losgegangen sei. Der Polizeiapparat ist durch das Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) und das Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG) losgelöst von politischer oder juristischer Kontrolle.

 

Im SOG und dem PolDVG ist der Polizeistaat schon angelegt. Mit diesen Regelungen ist es der Polizei möglich ohne Richtervorbehalt Telefone und Wohnungen abzuhören, Beobachter für Lageaufklärung einzusetzen und den „Ausnahmezustand“ auszurufen, d.h. Teile der Stadt zu Gefahrengebieten zu erklären. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar in einem Urteil am 13.06.2015 Gefahrengebiete für verfassungswidrig erklärt. Dies führt aber nicht dazu, dass diese abgeschafft werden, der „Grüne“ Justizsenator Steffens erklärte diese dennoch als unverzichtbar. Wie sonst könnten im ältesten Gefahrengebiet der Stadt, auf St. Georg, Sexarbeiter_innen und Drogenkonsument_innen durch die Polizei drangsaliert werden, oder die Waffenverbotszone auf dem Kiez durchgesetzt werden. Trotz einem Urteil das Gefahrengebiete als Verfassungswidrig erklärt, werden diese beiden Gefahrengebiete bestehen bleiben.

 

Die Praxis der Polizei, Beobachter für Lageaufklärung in linken Strukturen einzusetzen, geht weit zurück. So wurden die, damals noch als Verdeckte Aufklärerin bezeichneten Christina Manz 1990, Nicole Drawer 1993 oder „Stefan“ 1998 in der Flora enttarnt. Die Rechtsgrundlage dafür fußt auf §2 Abs. 3 Satz 3 PolDVG. Die Polizei kann diese verdeckt spitzelnden Beamt_innen nach eigener Einschätzung einfach einsetzen, kein Richter oder Staatsanwalt muss zustimmen.

 

Diese Entwicklung, die Polizei der politischen und juristischen Kontrolle zu entziehen, ist keine genuine Hamburgensie, die Entwicklung in der Rest-BRD geht ähnliche Wege. Die Aufweichung der Trennung von Polizei und Geheimdienst ist erklärtes Ziel der Verfechter von „Law and Order“. Ihnen ist die, aus der Erfahrung des Nationalsozialismus stammende, Trennung von Polizei und Geheimdiensten ein Dorn im Auge. Sie träumen von einer Polizei mit explizit weitreichenden geheimdienstlichen Befugnissen. Erste bundesweite Ansätze dazu sind in den behördenübergreifenden Lagezentren zur Terrorismusbekämpfung, in denen Polizei und Geheimdienste zusammenarbeiten, und den immer mehr ausgeweiteten Befugnissen des BKA zu sehen.

 

 

 

Ein (vorläufiges) Fazit

 

 

 

Für uns steht fest: Die Aufarbeitung um die verdeckte Ermittlerin Iris Plate ist noch nicht beendet. Bisher jedoch ist sie mehr als lächerlich: Monate, in denen ein Team der Innenbehörde Akten wälzt, ohne etwas zu finden. Eine Beamtin, die über ihre dienstliche Tätigkeit schweigen oder reden kann wie es ihr beliebt, KollegInnnen und Vorgesetzte, von denen sich keiner angeblich mehr erinnert.

 

Die Kombination aus Beamtin für Lageaufklärung und verdeckter Ermittlerin ermöglichte es dem LKA , seine Beamtin über einen Zeitraum von 5 Jahren beliebig und willkürlich in den persönlichsten Bereich verschiedenster Menschen eindringen lassen. Sie hat sehr persönliche Beziehungen vorgetäuscht, Privatwohnungen betreten, sich aber auch z. B. Berufsgeheimnisträgern genähert, um eine Flut an Informationen zu sammeln. Laut Innensenator Neumann dürfe man das nicht „moralisch“ sehen, eine gewisse „List und Tücke“ gehöre dazu. Im Innenausschuss vom 07.01.2015 wollte die Mitarbeiterin des Hamburger Datenschutzbeauftragten, Karakuş, über personenbezogene und personenbeziehbare Daten, die sie in Akten des LfV, die dieses, dem Trennungsgebot zum Trotz, vom LKA bekommen hatte, berichten. Hier zeigte Neumann seinen vollen Aufklärungswillen, indem er ihr empört über den Mund fuhr. Die Information, dass regelhaft Berichte von BfL vom LKA an den Verfassungsschutz gehen, soll nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Von der Überwachung Betroffene sollen wohl darüber offiziell am besten nie Informationen erhalten. Wir reden von Radiomacherinnen und Floranutzerinnen, Organisatorinnen des Ladyfestes und anderer Veranstaltungen, der Anbieterinnengemeinschaft und Fördermitgliedern des FSK, Berufsgeheimnisträger aber auch Gastgeberinnen von Privatparties, Köchinnen in Volxküchen, etc.

 

Auf der letzten Innenausschusssitzung im Juni 2015 gab der Vertreter der Innenbehörde, Polizeipräsident Ralf Meyer, bekannt, dass es sich beim Einsatz als vE von Oktober 2002 bis April 2004 auf Betreiben der Bundesanwaltschaft um ein Verfahren im Zusammenhang mit dem RAF-Auflösungspapier gehandelt haben solle. Das ist wieder ein Krumen, der hingeworfen wird, um der Öffentlichkeit Fortschritte in der Aufklärung vorzutäuschen. Wie viel Wahrheitsgehalt darin steckt? Dazu nur so viel: Ein Großteil derjenigen, die jahrelang durch Iris Plate observiert wurden, hätten altersmäßig die Kinder der letzten RAF-Generation sein können und waren meist kurz vorher erst nach Hamburg gezogen...

 

 

 

To be continued?

 

 

 

Mit der Veröffentlichung ist es gelungen, etwas Licht in das Dunkel einer Praxis zu bringen, die die Staatsschutzabteilung der Polizei in der Vergangenheit vor öffentlichen Nachfragen abgeschottet hatte. Dass die Umstände des Einsatzes der LKA-Beamtin Plate seit November 2014 Thema im Innenausschuss der Hamburger Bürgerschaft sind, ist ein Teilerfolg. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt: Verdeckte Maßnahmen werden auch in Zukunft durchgeführt, mit allen Konsequenzen, politischer wie privater Natur, evtl. etwas geschickter.

 

 

 

Dass wir mit diesen Befürchtungen recht hatten, zeigt die Enttarnung der Beamtin Maria Böhmichen (www.enttarnungen.blackblogs.org). Es ist alles wie bekannt: Betreten von privaten Wohnungen, intime und sehr persönliche Kontakte... Wir sind gespannt, ob in dem neuen Fall nicht wieder Akten und Schriftstücke gelöscht und verschwunden sein werden und ganze LKA oder Staatsschutzabteilungen Demenzsymptome zeigen.

 

 

 

Um abschließend einem Missverständnis vorzubeugen: Wie auch die erneute Enttarnung zeigt: Es ist nicht einmalig „etwas aus dem Ruder“ gelaufen ist. Vielmehr drückt sich in dem aktuellen Fall der fortdauernde politische Wille der Repressionsbehörden aus, sich noch nicht mal an eigene Gesetze zu halten. Man hofft darauf, einfach nicht dabei erwischt zu werden…..

 

 

 

Trotz allem fordern wir endlich die Aufarbeitung der Umstände von Einsätzen verdeckter Ermittler durch eine unabhängige Instanz außerhalb der Polizei!

 

 

 

 

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