… die zu Machtressourcen, sozialen Rollen und Aufgaben in Gruppen führen (Diskussion um Führung Teil 2)

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In vier Teilen will ich mich dem Thema Führung widmen, das auf dem Kollapscamp aufgekommen ist und nun im Nachhinein von den Organisator*innen gesetzt wird. Im Wesentlichen wollen sie das Paradigma der Hierarchiearmut und den Anspruch des Hierarchieabbaus in linken Bewegungen auflösen.

 

 

Dabei werden in anarchistischen Zusammenhängen schon viel länger verschiedene Machtressourcen thematisiert und die Thematik differenzierter betrachtet.

 

Machtressourcen sind zum Beispiel (1) Kontakte zu Genoss*innen, (2) Kontakte zu Expert*innen, (3) Erfahrungen, (4) Wissen/Informationen, (5) Kraft zur Initiative, (6) Ausdauer im Engagement, (7) Diskussionsstärke (8) Theoriestärke, (9) Charisma, (10) Geld und Güter.

 

-> Gefragt werden muss also danach: Wer bringt welche Machtressourcen mit bzw. kann über sie verfügen? Wie können und wollen wir sie verteilen? Wie und zu welchem Grad können und wollen wir sie kollektivieren?

 

Es werden unterschiedliche soziale Rollen besprochen, die Menschen (meist aufgrund ihrer Sozialisation) einnehmen. Diese können zum Beispiel (archetypisch) benannt werden, als: (a) Organisator*in, b) Macher*in, (c) Unterstützer*in, (d) Sorgende*r, (e) Vermittler*in, (f) Skeptiker*in, (g) Agitator*in, (h) Chaot*in, (i) Erzähler*in, (j) Theoretiker*in oder eben auch (k) Kader*in.

 

-> Hierbei kann gefragt werden: Aus welchen Gründen tendieren wir jeweils zur Übernahme von bestimmten Rollen? Wann fühlen wir uns wohl und sinnvoll dabei und wann nicht? Können und möchten wir die Rollen wechseln? Gelingt es uns, uns in jeweils andere Rollen hineinzuversetzen?

 

Schließlich gibt es Aufgaben, die es in der jeweiligen Gruppe zu tun gibt. Diese variieren verständlicherweise je nach Gruppe und Situation. Grundsätzlich wäre es gut, wenn sie jeweils von mehr als einer Person übernommen und mit allen transparent rückgesprochen werden. Fast nie werden alle der folgenden Aufgaben vergeben, gelegentlich wechseln Verantwortlichkeiten, selten werden sie klar definiert, häufig werden Aufgaben jenen zugeschoben, die sie schon immer gemacht haben. Diese Aufgaben können beispielsweise benannt werden mit: (α) Rahmenbedingungen schaffen [„facilitator“], (β) Organisation der Gruppenstruktur und Arbeitsweise, (γ) Ressourcenbeschaffung, (δ) Kommunikation mit anderen Gruppen [„spokes person“], (ε) Zielfindung und Prozessbegleitung, (ζ) sozialer Zusammenhalt [„vibe watch“], (η) Springer*in, (θ) Sprecher*in [„spokes person], (ι) schwierige Situationen durch schnelle Entscheidungen auflösen [„quick decision facilitator“].

 

-> In Bezug auf Aufgaben kann beispielsweise gefragt werden: Wem trauen wir warum welche Aufgaben zu und wem nicht? Wie können wir Fähigkeiten und Kompetenzen wertschätzen? Wie können wir Fähigkeiten und Kompetenzen miteinander teilen und voneinander lernen? Welche Aufgaben sind (noch) funktional für unsere Ziele? Welche Aufgaben werden selten übernommen, kaum wertgeschätzt – und warum ist das so?

 

Wenn Menschen reflektiert, mit den Ressourcen, über die sie verfügen, aufgrund ihrer sozialen Rolle eine bestimmte Aufgabe übernehmen, erfüllen sie damit eine Funktion. Idealerweise kann dies völlig konsensual, gleichberechtigt und reflektiert geschehen. In der Realität ist dieser Anspruch des Hierarchieabbaus aus mehreren Gründen eine ziemliche Herausforderung. Doch das macht ihn nicht schlechter. Im Gegenteil kann argumentiert werden, dass hierarchiearme und machtkritische Gruppen sogar wesentlich effektiver funktionieren können, als hierarchisch-geführte. Dies sind alte Einsichten. Es geht um die Verknüpfungen zwischen unterschiedlichen Menschen – denn zum einen sind die Gesellschaft und die Menschen in ihr unterschiedlich. Zum anderen, erwächst aus der Synthese dieser Vielfalt die Stärke von emanzipatorischen sozialen Bewegungen. Also ist die Herausforderung anzugehen: Wie können die Verfügung über Ressourcen, erlernte soziale Rollen, sowie die Aufgaben in Gruppen so verbunden werden, dass die Funktionen einer Gruppe den selbst gesetzten Zielen entsprechen?

 

Bei den oben erwähnten Machtressourcen, sozialen Rollen und Aufgaben handelt es sich um ein holzschnittartiges Schema. Die Realität ist deutlich komplexer. Dennoch wiederholen sich derartige Aspekte eines potenziell wunderbaren Ganzen. Insofern lohnt es sich, sich die Zeit zu nehmen, grundlegend darüber nachzudenken, wie Menschen sich warum organisieren. Dies ist allerdings keine rein sozial-technologische Frage. Sie ist ebenso eine Frage von Beziehungen zwischen den Beteiligten.

 

Tadzio und seine Gefolgschaft reduzieren das komplexe Thema der Organisation von Gruppen auf die Führerschaft als soziale Rolle, die sich Einzelne anmaßen. Kader-Leute tendieren dazu, sich Ressourcen anzueignen, statt sie zu teilen. Sie werten ihre sozialen Rollen auf und andere ab. Sie eignen sich die Aufgaben an, in welchen sie am ehesten Macht ausüben können. Möglicherweise ist dies tatsächlich ein sozialer Effekt, dem menschliche Tiere in Gruppen unterliegen und damit nicht „schlimm“ oder an sich problematisch. Umso mehr, gilt es diesem entgegen zu wirken.

 

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