Ostdeutschland 2026. Die kommende Macht der AfD. Teil 2

Themen: 
Regionen: 

Unsortierte Stichworte zur Lage in Ostdeutschland vor den Landtagswahlen 2026. Teil 2

Die Situation der politischen Gegner der AfD in Ostdeutschland

Teil 2 

Die Situation von Rassismus Betroffenen und politischer Gegner der AfD.

 

Die in Teil 1 skizzierte Situation bestimmt den Handlungsraum jener politischen Akteur*innen, die aus sehr unterschiedlichen Perspektiven die AfD ablehnen, von ihr als politischer Feind markiert werden oder resultierend aus ihrer soziokulturellen Praxis in (nicht intentierte) Gegnerschaft zur AfD geraten.

A) Die Situation migrantischer Communitys abseits der Großstädte (wenngleich es auch dort Hotspots rechter Gewalt gibt) ist durch eine Stimmung rassistischer Feindseligkeit aus weiten Kreisen der Bevölkerung, und durch die allgegenwärtige Gefahr rassistischer und rechter Gewalt geprägt. Diese wird keineswegs ausschließlich von Neonazis und ihrem jugendkulturellen Umfeld ausgeübt. Wie in den vergangenen Jahrzehnten bieten regionale mittelstädtische Sozialräume wiederkehrend Gelegenheitsstrukturen für die Ausübung rassistischer Gewalt. Dies reicht von Alltagssituationen im öffentlichen Raum über Eventsituation (Fussball, Stadtfest, etc) bis zum Handeln aggregierter neonazistischer Akteur*innen im Kontext von Demonstrationen und Versammlungen. Letztere spielen für die sozialräumliche Dominanz der extremen Rechten eine gewichtige Rolle. Wenn, wie in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt gängig, jeden Montag in einer Kleinstadt zwischen 50 und 300 Personen aus dem Spektrum der extremen Rechten auf der Straße Präsenz zeigen, so dominieren sie damit nicht nur temporär den öffentlichen Raum. Vielmehr bestimmen sie auf diese Weise auch das Stadtgespräch, mithin die regionale öffentliche Meinung. In solch einem Umfeld haben es Menschen, die rechten Weltbildern nicht zu stimmen, schwer ein Minimum an Sichtbarkeit aufrecht zu erhalten.

B) Linke, antifaschistische Akteur*innen sind in den skizzierten Regionen i. d. R. nicht kollektiv handlungsfähig. Wo es keine alternativen Trefforte, die als Safe Spaces dienen können gibt, sind antifaschistische Inhalte abseits von Sozialen Medien schlicht unsichtbar und inexistent. Die Regionen in denen dies so ist, sind nicht gerade klein. Wo es alternative Trefforte gibt, stehen sie unter Druck. Dieser wird von der AfD, von konservativen Mehrheiten in Stadträten und Gemeinde Vertretungen und durch die schiere Präsenz gewalttätiger Neonazis ausgeübt. Dieses Phänomen des objektiven Zusammenspiels eines rechten gesellschaftlichen Blocks in Ostdeutschland ist in den vergangenen 30 Jahren vielfach analysiert und beschrieben worden. Geändert hat es sich nicht. Dem gegenüber sind antifaschistische Akteur*innen in ostdeutschen Großstädten, nicht anders als in Westdeutschland nicht ausschließlich, aber doch weitesgehend, mit einer politisch-gruppendynamischen Selbstregulation beschäftigt, in der subkulturelle Habitusfragen und ideologische Selbstpositionierungen einer pragmatischen politischen Praxis entgegenstehen. Repression, kurze Verweildauer in politischen Gruppen und die Aufgaben der Bewältigung des Alltags (Studium, Arbeit, Care Arbeit) tun ein Übriges, die Handlungsfähigkeit der genannten Akteur*innen einzuschränken. Mehr noch: auch in ostdeutschen Großstädten droht der Verlust von im Weitesten Sinne "linken" Freiräumen, wenn die AfD an Macht auch in den Kommunen gewinnt. Die bereits zu Beginn der 1990er und rund um 2000 geführte linke Debatte darum, Ostdeutschland als Terrain politischen

C) Das linksliberale Milieu der gegen die extreme Rechte positionierten Zivilgesellschaft ist klein und führt ebenfalls eine prekäre Existenz. Regionale Bündnisse gegen rechts a la (Name des Ortes) " . . . ist bunt" sind Zusammenschlüsse aus dem in Ostdeutschland numerisch überschaubaren postmaterialistischen Milieu. Gewerkschaften, Kirchen, progressive Wohlfahrtsverbände haben wenige, aber in der Regel inhaltlich deutlich positionierte Akteure vor Ort, die jedoch keine Großorganisationen repräsentieren, sondern ein Netzwerk von Personen. Sie sind vielfach ungeschützt den Angriffen aus sehr verschiedenen Spektren der extremen Rechten ausgesetzt, und reagieren auf soziale Repression von rechts ggf. mit Rückzug oder Abwanderung nach Westdeutschland oder in eine Großstadt. 

 

Die genannten Faktoren ergeben in ihrer Summe eine Situation, in der eine erfolgreiche Zurückdrängung der AfD und ihres Vorfeldes in Ostdeutschland nahezu unmöglich scheint. Ebenso schwierig dürfte eine Begrenzung ihres weiteren Aufstiegs sein. Es steht zu erwarten, dass die ohnehin löchrige Brandmauer zur AfD von unten, d.h. aus den Kommunen beseitigt wird, woraus sich hernach eine weitere Enttabuisierung der Kooperation etwa mit Teilen der CDU auf Landesebene ergeben könnte. Die von der AfD in den ostdeutschen Ländern angestrebte politische Disruption könnte zunächst ausbleiben und sich in einem Prozess der Erosion demokratischer Standarts verwandeln.

Zuletzt: Es dürfte der AfD in die Hände spielen, dass die Normalisierung, Gewöhnung, ja nachgerade Abstumpfung gegenüber rechter Gewalt und rechten diskursiven Tabubrüchen inzwischen nicht nur in der bürgerlich-liberalen Öffentlichkeit, sondern auch in linken Medien und bei linken Akteur*innen Platz gegriffen hat. Überforderung, eigene politische und organisatorische Schwäche, ein Mangel an kultureller Attraktivität nach außen, schwindene materielle Ressourcen und die habituelle Fragmentierung linker Akteur*innen, gehören zu den Gründen. Wie durch andere Verfasser*innen vielfach beschrieben, ist Ostdeutschland für die AfD das Labor für politische Testläufe des Machterwerbs. Eine Übertragung der von der AfD gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen auf Westdeutschland dürfte nicht zu lange auf sich warten lassen.

 

f.c.domrös, c. burkhard

Schwerin im August 2026

webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen